Titel: Rechts-Schau.
Autor: Werneburg
Fundstelle: Band 332, Jahrgang 1917, S. 30
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Rechts-Schau. Rechts-Schau. Zur Maschinen-Feuerversicherung. Größere Maschinenanlagen werden regelmäßig von dem Eigentümer unter Versicherung gegen Feuersgefahr gebracht. Den Umfang des Risikos des Versicherers bei einer derartigen Versicherung der Maschinen gegen Feuersgefahr regelt der § 82 des Reichsgesetzes über den Versicherungsvertrag. Nach dieser Bestimmung haftet der Versicherer für den durch Brand, Explosion oder Blitzschlag entstehenden Schaden. Bei Maschinen kommt von diesen Gefahren vornehmlich die Explosionsgefahr in Betracht, so insbesondere die Dampfkesselexplosionen. Diese Dampfkesselexplosionen entstehen dadurch, daß die Kesselwände dem Druck des Dampfes nicht widerstehen können, weil entweder die Dampfspannung zu hoch ist oder die Bleche zu schwach sind. Ist nun die Explosionsgefahr nicht in den Bedingungen des Versicherungsvertrages ausdrücklich von den Kontrahenten ausgeschlossen worden, was rechtlich zulässig ist, da die Bestimmung des § 82 V. V. G. einer Abänderung durch Parteivereinbarung zugänglich ist, so haftet an sich der Versicherer auch für die durch derartige Dampfkesselexplosionen entstehenden Maschinenschäden. Jedoch kann diese Haftpflicht des Versicherers im Einzelfalle gleichwohl zum Wegfall kommen, und zwar auf Grund der weiteren Bestimmung des § 61 V. V. G., die für alle Versicherungszweige gilt. Nach dieser gesetzlichen Vorschrift ist nämlich der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt. Wenn nun auch Vorsatz auf Seiten des Versicherungsnehmers meist nicht vorliegen wird, so kann doch oft bei derartigen Dampfkesselexplosionen eine grobe Fahrlässigkeit des versicherten Eigentümers der Maschinen gegeben sein. Die Ursache der Dampfkesselexplosion kann nämlich bisweilen mangelhafte Beschaffenheit des Kessels infolge fehlerhafter technischer Konstruktion, mangelhafter Arbeit, schlechter Materialqualität oder mangelnde Sicherheitsvorrichtungen, Verrosten oder mangelhafte Reparatur desselben sein, ferner können Fehler im Betriebe vorliegen, wie Wassermangel, nachlässige Wartung, übermäßige Dampfspannung oder ungenügende Reinigung von Kesselstein oder Schlamm. Bei Vorliegen einer dieser Ursachen ist nun regelmäßig grobe Fahrlässigkeit auf Seiten des Versicherungsnehmers anzunehmen, da es seine vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Versicherer ist, für die Abwendung der Versicherungsgefahr aufs möglichste zu sorgen. Selbstverständlich hat aber der Versicherer, wenn er sich zwecks Befreiung von seiner Haftpflicht auf diese gesetzliche Bestimmung beruft, den Beweis zu erbringen, daß zwischen jener von dem Versicherungsnehmer zu vertretenden Ursache und der eingetretenen Explosion der Kausalzusammenhang vorliegt, daß also mit anderen Worten die Explosion des Dampfkessels gerade durch das Verhalten des Versicherungsnehmers veranlaßt worden ist, und zwar ausschließlich. Wenn also der Versicherungsnehmer den Beweis erbringt, daß die Explosion ohne sein Verschulden eingetreten ist, von ihm also auch bei Anwendung aller erforderlichen Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte, so kann der Versicherer seine Haftpflicht nicht auf Grund des § 61 V. V. G. abwenden. Ob die grobe Fahrlässigkeit auf Seiten des Versicherungsnehmers selbst vorliegt oder auf Seiten eines seiner Angestellten, ist im übrigen bei Anwendung des § 61 V. V. G. ohne Belang. Es tritt also eine Befreiung des Versicherers gemäß § 61 V. V. G. auch dann ein, wenn auf Seiten seines Ingenieurs oder des Heizers des Dampfkessels eine grobe Fahrlässigkeit vorliegt, da das Verschulden dieser Personen gemäß § 278 BGB als eigenes Verschulden des Versicherungsnehmers gilt. Bemerkenswert ist, daß auch die Gesetzgebung zur Abwendung von Dampfkesselexplosionen selbst eingegriffen hat. So bestimmt der § 24 der Gewerbeordnung, daß zur Anlegung von Dampfkesseln, mögen dieselben zum Maschinenbetrieb eingerichtet sein oder nicht, die Genehmigung der nach den Landesgesetzen zuständigen Behörde erforderlich ist. Dem Gesuche sind die zur Erläuterung erforderlichen Zeichnungen und Beschreibungen beizufügen. Hatte also der Versicherungsnehmer entgegen dieser Vorschrift nicht die Genehmigung seitens der staatlichen Behörde erhalten, so kann sich der Versicherer auch auf diese Nichteinhaltung des § 24 GO berufen, da hierin eine grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers liegt – bei eingetretenen Explosionsschäden. Als weitere gesetzliche Bestimmungen kommen die allgemeinen polizeilichen Vorschriften über die Anlegung von Dampfkesseln vom 5. August 1890 (R. G. Bl. 3, 163) in Betracht, die sich hauptsächlich mit dem Bau, der Ausrüstung und Ummauerung der Kessel, der Vornahme einer Wasserprobe bei der Aufstellung neuer Kessel befassen. Den Betrieb von Dampfkesseln selbst regeln die einzelstaatlichen Gesetze, in Preußen die Gesetze über den Betrieb der Dampfkessel vom 3. Mai 1872 und vom 9. März 1900 (Min. Bl. S. 142); dazu kommt insbesondere noch die Geschäftsanweisung des Ministers für Handel und Gewerbe für Dampfkessel-Ueberwachungsvereine vom 12. März 1900. Nach dem Gesetz über den Betrieb der Dampfkessel haben Besitzer und Kesselwärter für die bestimmungsmäßige Benutzung der Sicherheitsvorrichtungen zu sorgen, ferner für die Außerbetriebsetzung solcher Kessel, deren Zustand nicht gefahrlos ist. Sie haben ferner die amtliche Revision zu gestatten und die nötigen Arbeitskräfte und Vorrichtungen bereitzustellen sowie die Kosten der Revision zu tragen. Die Anweisung vom 9. März 1900 enthält Ausführungsvorschriften zu der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 5. August 1890, deren wichtigste Bestimmungen sich mit den regelmäßigen Untersuchungen befassen. Mindestens alle zwei Jahre muß nach diesen eine äußere Untersuchung vorgenommen werden, bei beweglichen und Dampfschiffskesseln alle Jahre, mindestens alle vier Jahre eine innere Untersuchung, bei beweglichen Kesseln alle drei Jahre und bei Dampfschiffskesseln alle zwei Jahre, mindestens alle acht Jahre eine Wasserdruckprobe, die bei beweglichen und Dampfschiffskesseln mindestens alle sechs Jahre stattfinden muß. Die innere Untersuchung kann durch eine Wasserdruckprobe ersetzt werden; diese muß vorgenommen werden, wenn an dem Kessel wegen seiner Bauart keine gründliche innere Revision vorgenommen werden kann. Die äußere Revision fällt bei Kesseln auf dem Lande in dem Jahre fort, in dem eine innere Untersuchung oder eine Wasserdruckprobe vorgenommen wird. Der Zweck der Untersuchungen ist nach der Anweisung Prüfung der Betriebsweise und der zu dieser erforderlichen Hinrichtungen, der Beschaffenheit des Kesselkörpers, der Kesselsteinablagerungen, der Ventile, Sicherheitsvorrichtungen und der Feuereinrichtung; die Wasserdruckprobe soll Schwächen des Materials erkennen lassen, insbesondere durch bleibende Form Veränderungen. Wenn nun der Maschinenbesitzer diese gesetzlichen Bestimmungen nicht einhält, insbesondere also die Dampfkesselrevisionen verhindert und unmöglich macht, so liegt auf seiner Seite ein grobes Verschulden vor, auf das sich der Versicherer bei späterem Eintritt des Versicherungsfalles zwecks Befreiung von seine Leistungspflicht berufen kann. Haftet der Versicherer nach Lage des Sachverhaltes dem Maschineneigentümer auf Ersatz, so bestimmt sich der Umfang des zu leistenden Schadensersatzes nach der Bestimmung des § 83 V. V. G. Hiernach hat der Versicherer (vgl. Abs. 2 dieser Bestimmung) den durch die Zerstörung oder die Beschädigung der Maschine entstehenden Schaden zu ersetzen, soweit die Zerstörung oder die Beschädigung auf der Einwirkung der Explosion oder die unvermeidliche Folge derselben ist. Der Versicherer hat ferner auch den Schaden zu ersetzen, der bei der Explosion durch Niederreißen oder Ausräumen verursacht wird (wobei das Gleiche von einem Schaden gilt, der dadurch entsteht, daß versicherte Gegenstände bei der Explosion abhanden kommen). Die Höchstgrenze des von dem Versicherer zu ersetzenden Schadens wird hierbei durch die Versicherungssumme bestimmt, da der Versicherer gemäß § 50 V. V. G. nur bis zu ihrer Höhe in allen Fällen haftet. Bei der Taxierung des Schadens kann selbstverständlich nicht das spezielle Interesse des Versicherungsnehmers als maßgebend angenommen werden, sondern nur derjenige Wert, den der von dem Brande oder der Explosion betroffene Gegenstand unter normalen Verhältnissen für eine Person in den in Frage kommenden Verhältnissen zur Zeit dieses Ereignisses hat (R. G. Bl. 5 S. 248 ff). Hieraus ergibt sich, daß der Versicherungswert – d.h. der Wert des versicherten Gegenstandes, hier der Maschine – und die Versicherungssumme unter Umständen nicht miteinander übereinstimmen können. Ist dies der Fall, so liegt entweder Ueberversicherung vor, wenn nämlich die Versicherungssumme höher ist als der Versicherungswert, oder Unterversicherung, wenn die Versicherungssumme den Versicherungswert – hier der Maschine – nicht erreicht. Die Ueberversicherung gereicht dem Versicherer zum Vorteil, da er gemäß § 55 V. V. G. auch in diesem Falle nicht verpflichtet ist, dem Versicherungsnehmer mehr als den Betrag des Schadens bis zur Höchstgrenze der Versicherungssumme zu zahlen, andererseits er von dem Versicherungsnehmer eine höhere Prämie bezieht, als diese dem Versicherungswert entspricht; die Unterversicherung gereicht weder dem Versicherer noch dem Versicherungsnehmer zum Vorteil oder Nachteil, da bei Vorliegen derselben der Versicherer gemäß § 56 V. V. G. für den Schaden nur nach dem Verhältnis der Versicherungssumme zu dem Versicherungswert zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles haftet. Diese bei der Schadensfeststellung möglichen Schwierigkeiten in der Berechnung des Schadens kommen zum Fortfall, wenn der Versicherungswert durch Vereinbarung in dem Versicherungsvertrage auf einen bestimmten Betrag festgesetzt wird. Um der Gefahr eines Mißbrauchs vorzubeugen, bestimmt das Gesetz den Versicherungswert bei der Versicherung von Maschinen (usw.) in § 86 selbst. Nach dieser Bestimmung soll nämlich bei Maschinen (usw.) als Versicherungswert derjenige Betrag gelten, der erforderlich ist, um Sachen gleicher Art anzuschaffen, unter billiger Berücksichtigung des aus dem Unterschied zwischen alt und neu sich ergebenden Minderwertes. Sind die versicherten Maschinen inzwischen veraltet und in gleicher Art nur mit besonderen Schwierigkeiten zu beschaffen, so ist als Anschaffungswert einzusetzen, was angemessenerweise für diese aufzuwenden wäre. Rechtsanwalt Dr. jur. Werneburg.