Titel: Rechts-Schau.
Autor: Eckstein
Fundstelle: Band 332, Jahrgang 1917, S. 147
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Rechts-Schau. Rechts-Schau. Angestelltenreklamation und Beschäftigungspflicht. Welche Bedeutung für den Dienstvertrag hat es, wenn ein Dienstherr einen Angestellten reklamiert und dieser bis zu einem bestimmten Termin zur Dienstleistung bei dem Dienstherrn entlassen wird? Man muß scheiden zwischen der Erklärung des Dienstherrn gegenüber der Militärbehörde und dem Dienstvertrag mit dem Angestellten. Beide Erklärungen können in einem gewissen Zusammenhange stehen, insbesondere kann eine Erklärung des Dienstherrn gegenüber der Militärbehörde so gemeint sein, daß dem Angestellten daraus Rechte erwachsen sollen. Ob das aber gewollt ist, muß nach den Grundsätzen über Auslegung der Willenserklärungen geprüft werden. Wenn ein Dienstherr einen Angestellten reklamiert, so rechnet er wohl in der Regel damit, ihn so lange zu beschäftigen, wie er von der Militärbehörde freigegeben wird. Mehr aber kann aus dem Reklamationsantrag des Dienstherrn nicht herausgelesen werden, als die bloße Aeußerung einer Absicht, den Angestellten auch für diese Zeit zu beschäftigen. Wollte der Dienstherr eine Verpflichtung zur Beschäftigung übernehmen – was insbesondere bei Angestellten, deren Leistungen man nicht im Voraus beurteilen kann, zumal wenn die frühere Leistungsfähigkeit durch Kriegsdienstbeschädigung und Ueberanstrengung sehr beeinträchtigt sein kann, von sehr zweifelhaftem Wert ist – so würde es naheliegen, daß eine solche Verpflichtung ausdrücklich übernommen wird und im Anstellungsvertrag noch einmal in gleicher Weise zum Ausdruck kommt. Dasselbe muß gelten von dem Anstellungsvertrag, gleichviel ob dieser schriftlich oder mündlich oder vielleicht nur durch schlüssige Handlung, nämlich durch Beschäftigung, also stillschweigend geschlossen wird. Der Dienstherr kann kein Interesse daran haben, einen Angestellten, den er auf Reklamation erhält, zu für ihn ungünstigeren Bedingungen anzustellen, als einen militärfreien Angestellten. Das gilt um so mehr, als auch von der Militärbehörde in keiner Weise auf eine feste Anstellung für die Dauer der Reklamation gedrungen wird. Entspricht es daher dem Interesse des Dienstherrn, dem Angestellten zu kündigen oder ihn vielleicht fristlos zu entlassen, so ist er durch keine bindende Verpflichtung daran gehindert, selbst dann nicht, wenn er dem Angestellten eine Beschäftigung für die ganze Zeit der Reklamation in Aussicht gestellt hat. Anders kann die Willenserklärung auch nicht von dem Angestellten verstanden werden. Wie bei jedem anderen Dienstvertrag muß er damit rechnen, daß ihm unter Einhaltung der gesetzlichen Frist oder bei wichtigen Gründen fristlos gekündigt wird, und wenn er durch die Annahme einer solchen Reklamationsanstellung andere Vorteile aufgeben muß, so ist die Rechtslage nicht anders, als wenn er im Frieden eine Stellung aufgibt, um eine vorteilhaftere anzunehmen, und er in der neuen Stellung alsbald gekündigt wird. Will er diese Gefahr nicht eingehen, so muß er auf entsprechende Abmachungen mit dem Dienstherrn dringen, und tut er das nicht, so hat er den Nachteil auf sich zu nehmen. Auch die Rechtsprechung hat sich auf diesen Standpunkt gestellt (vgl. die Entscheidung des Gewerbegerichts Berlin-Schöneberg vom 4. 10. 16 Gewerbe- und Kaufmannsgericht Bd. 22 S. 50). Ein Arbeiter war auf seine eigene Bitte von seinem früheren Arbeitgeber reklamiert worden, und zwar nur zur Arbeitsleistung bei diesem Dienstherrn, wurde aber von ihm alsbald entlassen, und nun stellte er Schadensersatzforderungen, weil er bis zum Ablauf der Reklamation arbeitslos war, da er ja bei einem anderen Arbeitgeber dem Wortlaut der Reklamation nach nicht eintreten durfte, und weil ihm für die Dauer der Reklamation die Familienunterstützung nicht gezahlt wurde. Die Klage wurde abgewiesen. Dr. jur. Eckstein.