Die Biegungsbeanspruchung über die Streckgrenze
hinaus.Von Professor P. Stephan, zurzeit im Felde.(Schluß von S. 357 d. Bd.)STEPHAN: Die Biegungsbeanspruchung über die Streckgrenze
hinaus.Als erstes Beispiel werde die im Innern eines gebogenen Betoneisens verbleibende
Restspannung berechnet. Das Material sei ein weiches Flußeisen von der
Zerreißfestigkeit Kz= 3300 at, der Streckgrenze σS= 2000 at, der Dehnungsziffer
; es habe die Stärke d= 1,6 cm und werde nach
dem Halbmesser ρr =
12,5 bzw. 6.25 m gebogen. Dann istbzw.Damit wird der Zusammenstellung oder der Abb. 6 (S. 356) entnommen:σ1 =
0,1879 ∙ 2000 = 376 atbzw.0,3036 ∙ 2000 = 607 at.Im Laufe der Zeit gehen diese im Verhältnis zur Nutzspannung
recht hohen Vorspannungen allerdings auf etwa ¾ des berechneten Wertes herunter. Der
zweite Wert liegt übrigens in der Nähe des größtmöglichen σ1 = 0,318 ∙ 2000 = 636 at.Als zweite Anwendung mögen die Spannungen in einem weichen Stahldraht verfolgt
werden, der zur Herstellung eines einfachen Spiralseiles benutzt wird. Es sei
gegeben:die Zerreißfestigkeit Kz= 6000 at,die Streckgrenze σS = 3600 at,die Dehnungsziffer ,die Drahtstärke 2 r = 2 mm.Der fertige Draht wird zu einem Drahtbund aufgewickelt dessen Halbmesser zwischen ρ1= 45 bis ρ1 = 55 cm liegt. Die Beanspruchung überschreitet die
Streckgrenze, und zwar ist in den Grenzfällenbzw.Die zum Aufwickeln mindestens erforderliche Spannkraft
schwankt zwischenbzw.0,1939 ∙ 0,2824 = 0,055 kg.ist also ganz geringfügig. Die zum Wiedergeraderichten nötige
Spannkraft ist noch erheblich kleiner, wie der Vergleich von Spalte 15 und 14
der Zusammenstellung: (S. 356) sofort zeigt.Beim Geraderichten entstehen im Drahtinnern Spannungen σ1, deren Größe schwankt zwischenσ1 =
3600 ∙ 0,1645 = 592 atund3600 ∙ 0,0493= 178 at.Die Spannungsverteilung über den Querschnitt liegt also
zwischen den beiden durch Abb. 7a und 7b (S. 362) wiedergegebenen Werten.Von dem Bund wird der Draht auf die Rolle der Verseilungsmaschine gewickelt, deren
innerer Halbmesser ρ2 =
15 cm betrage; der der äußeren Drahtlage betrage ρ2= 30 cm. Der im Bund innen liegende Teil des Drahtes
werde auch wieder zuerst auf die Rolle gewickelt, und zwar sei – was in der Praxis
auch wenigstens nahezu zutrifft – die Biegungsachse dieselbe wie vorher. Man erhält
dannbzw.Die beiden Grenzfälle der Spannungsverteilung zeigen die Abb. 8a und 8b, die sich mit denen der
Abb. 7a und 7b
zusammensetzen, derart daß das Bild der Abb. 9a und
9b entsteht. Die Streckgrenze wird tatsächlich
erst im Abstandebzw.von der Nullachse erreicht.Zum Wiedergeradebiegen des Drahtes beim Ablaufen von der Rolle ist mindestens eine
Kraft erforderlich, die zwischenund0,1939 ∙ 0,3945 = 0,077 kgliegt. Im Innern des Drahtes treten dabei Spannungen auf:σ2 =
0,2110 ∙ 3600 = 760 atim Abstande y4= 0,7279 r von der
Nullachse bzw. im anderen Grenzfallσ2 =
0,2931 ∙ 3600 = 1055 atim Abstand y4 = 0,4716 r von der
Nullachse.Der Flechtwinkel des Spiralseiles betrage ω ~ 20°,
der Halbmesser der inneren, um den geraden Kerndraht gewundenen Lage ist R1= 2 r = 0,2 cm. Damit erhält man als
Hauptkrümmungshalbmesserund es istwenn der Draht keine Vorspannung σ2 besäße.
[Textabbildung Bd. 332, S. 362]
Abb. 7.
[Textabbildung Bd. 332, S. 362]
Abb. 8.
[Textabbildung Bd. 332, S. 362]
Abb. 9.Wird sie wie oben berücksichtigt, so erhält manbzw.also nur ganz wenig voneinander verschieden. Abb. 10 gibt – der Deutlichkeit halber verzerrt
gezeichnet – die mittlere Spannungsverteilung an. Die zur Biegung notwendige
Anspannung des Drahtes ist nach den Formeln (12) und (11)ihr entspricht die SpannkraftP3= π ∙ 0,12 ∙ 1528 =
48 kg.Mit dieser Kraft muß der Draht von der Rolle ablaufen, und die
Werte P2 sind
gegenstandslos. Der Druck, mit dem er sich auf den Mitteldraht legt, beträgt
dabeiDie gleichmäßig verteilte Spannung σ3 lagert sich nun über die der Abb. 10, so daß das Spannungsbild der Abb. 11 entsteht: Die Spannungslinie ist um den
Betragnach der Seite der gedrückten Fasern hin verschoben. An
elastischen Spannungen sind nur die in Abb. 11
schraffierten vorhanden, die im Laufe der Zeit auf ¾ des ursprünglichen Wertes
heruntergehen, wenn das Seil hinreichend lange unbenutzt lagert. Da die vom
Verfasser in D. p. J. 1909 berechnete Nutzbeanspruchung hauptsächlich eine Biegung
des Drahtelementes in entgegengesetzter Richtung bewirkt, so kann die größte
Nutzspannung ohne Schaden verhältnismäßig hoch ausfallen; zu beachten ist, daß der
Höchstwert der Gesamtbeanspruchung dann auch wieder im Drahtinnern auftritt,
freilich recht dicht am äußeren Rande.
[Textabbildung Bd. 332, S. 362]
Abb. 10.
[Textabbildung Bd. 332, S. 362]
Abb. 11.Für die nächste Drahtlage ist R2 = 0,4 r = 0,4 cm.
Entsprechend der obigen Rechnung ergibt sich bei gleichem Flechtwinkel der
Hauptkrümmungshalbmesser der Drähte zuρ4 = 2
ρ3 = 3,4198 cmund der Abstand von der Nullachse, in dem bei reiner Biegung
die Streckgrenze des Materials erreicht wird, zuBei Berücksichtigung der inneren Vorspannung geht dieser
Abstand über inbzw. im anderen GrenzfallDer Mittelwert der erforderlichen Anspannung folgt hieraus
zuso daß die SpannkraftP4 =
π ∙ 0,l2 ∙ 1537 ~
48 kgunverändert bleibt. Dagegen sinkt der Druck, mit dem sich
jeder Draht dieser Drahtlage auf die untere legt, aufDa die Drahtzahl die doppelte der unteren Lage ist, erfährt
jeder Draht der letzteren von außen einen Druck 2 ∙ q2 kg/cm. Die Spannungslinie wird
schließlich durch die Ueberlagerung der Spannung σ4 um die Streckeaus der Mitte verschoben.In der technischen Praxis werden nun die Spannkräfte P
rein nach Gefühl im allgemeinen ein gut Teil größer eingestellt als die obigen
Mindestwerte. Es ist klar, daß infolgedessen die Drücke q und auch die Verteilung der elastischen Endspannungen in einem längeren
Seilstück nicht unbedeutende Unterschiede aufweisen müssen, die den Wert von
Versuchen, die immer an kurzen beliebig herausgegriffenen Seilstücken angestellt
werden, etwas beeinträchtigen.Die Berücksichtigung der Biegung des Seiles auf der Spannscheibe der Verseilmaschine
und der Transporttrommel soll einer folgenden Arbeit vorbehalten werden.3. Harter Stahldraht.Die vorstehenden Rechnungen sind unzutreffend für harte Materialien, die keine
ausgeprägte Streckgrenze haben, deren Dehnungskurve vielmehr einen stetigen
Uebergang von σe bis
zur Zerreißfestigkeit Kz zeigt (Abb. 12). Unterhalb der
Elastizitätsgrenze σE
ist die Dehnungskurve eine Gerade, und es giltdarüber hinaus kann die Dehnungskurve durch eine Parabel
angenähert werden:σ“ = σE + A ∙ (ε – εE) + B (ε – εE)n . (22)
[Textabbildung Bd. 332, S. 363]
Abb. 12.Aus der vorliegenden Dehnungskurve eines Stahles von Kz= 12000 at
Zerreißfestigkeit fand Verfasser mit guter AnnäherungMissing or unrecognized delimiter for \leftAuf Grund mehrfach gemachter Erfahrungen kann angenommen
werden, daß der Exponent auch bei anderen Stahlqualitäten ungefähr gelten
wird, während allerdings die Festwerte A und B Aenderungen erleiden dürften.Wird in Formel (22) eingesetztso wirdDas Biegungsmoment erhält man dann auszuWird die Integration mit Hilfe von Reihenentwicklungen
ausgeführt, so erhält man für : . . (23)Hierin sind k1 und durch die Reihe (l 1) bestimmt
und . . (24)gesetzt.
[Textabbildung Bd. 332, S. 363]
Abb. 13.Für die Berechnung von Mr wird der häufig angezogene Satz benutzt: eine einmalige Vorbeanspruchung
hebt bei hartem Material die Elastizitätsgrenze, d.h. die Rückdehnungskurve kann,
solange y2 nicht zu
klein wird, annähernd als gerade angesehen werden. Damit wird der Abb. 13 entnommen:hieraus folgt . . (25)und man erhält ausden Wert: (26)wenngesetzt ist, worin der in der vorderen Klammer stehende
Zahlenwert bei baldiger Rückbiegung, dagegen der andere 1 bei Rückbiegung
nach langer Ruhezeit zu nehmen ist.Durch eine entsprechende Rechnung erhält man das Moment der inneren
Restspannungen (27)Die Größe von ist aus der Gleichung . . . (28)durch Näherungsrechnungen zu bestimmen. Das Verhältnis
wird ermittelt aus (29)Die zahlenmäßige Berechnung ist etwas umständlicher als bei
weichen Materialien, begegnet aber auch keinen Schwierigkeiten.