Titel: Ueber die zweckmäßigste Bezugstemperatur bei technischen Feinmessungen.
Autor: Koehler
Fundstelle: Band 333, Jahrgang 1918, S. 241
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Ueber die zweckmäßigste Bezugstemperatur bei technischen Feinmessungen. Von Professor Dr. Koehler, Darmstadt. [KOEHLER: Ueber die zweckmäßigste Bezugstemperatur bei technischen Feinmessungen.] Die Festsetzung einer einheitlichen Bezugstemperatur, bei der alle Maßstäbe gleichen Nennwertes ohne Rücksicht auf ihren Werkstoff und dessen Ausdehnungsziffer genauestens übereinstimmen, bildet die erste Grundlage für jede Feinmessung und Austauschbarkeit von Maschinenteilen. Wir würden diese Einigung entbehren können, wenn man für jeden Meßkörper Maßstäbe aus einem ihm gleichen Werkstoff besäße, die nur bei 0° auf das deutsche Urmeter geeicht zu werden brauchten; eine derartige Möglichkeit besteht aber nicht, liegt doch nach (sorgfältigen Prüfungen der Kaiserlichen Normal-Eichungskommission schon die Wärmeausdehnungsziffer ß von Stahl, wie er für Maßstäbe verwendet wird, zwischen 10,5 und 12,5 μ/1o, m (im Mittel 11.5). Die Platinlegierung des deutschen Urmeters besitzt ß ~ 8,6 μ/1°, m. Textabbildung Bd. 333, S. 241 Abb. 1. Da nun die genaue Länge unseres gesetzlichen m durch das Urmeter bei 0° dargestellt wird, muß man die Länge der Vergleichs- oder Kontrollmaßstäbe bei dieser Temperatur bestimmen, die sich zwar in wissenschaftlichen Anstalten ohne sonderliche Mühe herstellen läßt, jedoch für die Praxis technischer Betriebe ohne Zweifel hinter einer durchschnittlichen Arbeitsraumtemperatur von 15° – 25° ~ 20° zurücksteht. Es gibt nun zwei Wege, die notwendige Uebereinstimmung von Längenmaßstäben zu erzielen, und zwar: 1. Man nimmt die Ausdehnung von Stahl zu 11,5 μ/1°, m an und macht bei 20° den Vergleichsstab 1000 + 20 ∙ 0,0115 = 1000,230 mm, der dann also bei 0° = 1000 mm wäre (Bezugstemperatur 0°). 2. Man gibt dem Vergleichsstab bei 20° eine genaue Länge von 1000 mm, die Länge des Urmeters bei 0°, und übergeht seine Ausdehnungsziffer ß, die nunmehr ohne Belang ist, weil 20° die Prüf- und Meßtemperatur (Bezugstemperatur) würde. Textabbildung Bd. 333, S. 241 Abb. 2. Für den ersten Vorschlag spricht, daß die so angefertigten Maßstäbe bei 0° ohne weiteres mit dem Urmeter verglichen werden können, demnach ein lückenloser Anschluß an unsere gesetzliche Längennorm geschaffen ist – für den Theoretiker der erstrebenswerteste Zustand, der freilich nur seinen Vorzug entfaltet, wenn man die Vergleichsmessungen bei 0° ausführt. Gegen den ersten Vorschlag ist einzuwenden, daß die Voraussetzung ß= 11,5 μ/1°, m (Stahl) nur eine Annäherung bedeutet, di$ bei Messungen unter anderen Temperaturen die Genauigkeit recht schädigen kann. In Wirklichkeit schwankt, wie schon oben erwähnt war, ß zwischen 10,5 und 12,5 μ/1°, m; der Unterschied ist 2 μ/1°, m, für 20° würde 20 ∙ 2 μ/m = 40 μ/m = 0,04 mm/m als mögliche Abweichung in Frage kommen. Daß ein derartiger Fehler (± 1/50 mm/m) zu schweren Bedenken herausforderte, bedarf keines Beweises. Für den zweiten Vorschlag wird ins Feld geführt, daß die Meßgeräte- und Maschinenfabriken nach einem von der Normal-Eichungskommission beglaubigten „Normalmeter“ (bei 20° Länge = 1000 mm) sich die für ihren Betrieb erforderlichen Gebrauchsmaßstäbe selber herstellen können. Der Normal-Eichungskommission erwüchse allerdings die Unbequemlichkeit, die Normalmeter bei 20° Temperatur mit 1000 – 20 ∙ 8,6 = 999,828 mm ihres Urmeters (1000 mm bei 0°) zu eichen, da sie aber die Temperaturgleichung des Urmeters mit denkbarster Genauigkeit ermittelt hat und die Anzahl der Normalmeter nur ein Bruchteil der hiernach herzustellenden Gebrauchsmeter sein wird, darf die geringere Mühe nicht allzu sehr in Rechnung gesetzt werden. Ein Gegenstück zu diesem Verfahren bietet die Wahl der Teilungen von Zahnrädern nach Modulmaß (Vielfachen von π), wo man auch die Unbequemlichkeit der Irrationalzahl bei Anfertigung der Werkzeuge in Kauf nimmt, um die Teilkreisdurchmesser und Achsenabstände der vielen mit einem Fräser bearbeiteten Räder als ganze mm-Zahlen zu erhalten. Ein weiterer Vorzug des zweiten Vorschlages beruht darin, daß die Unterschiede von Maßstäben verschiedener Ausdehnungsziffer (10,5 – 12,5 μ/1°, m) sich verringern und der Konstrukteur, wenn es sich nur um Betriebstemperaturen von 40 bis 70° handelt, in manchen Fällen der Umrechnung seiner Maßzahlen enthoben wird, weil der gemeinsame Nullpunkt (20°) der Betriebstemperatur näherrückt (zum Beispiel 60° – 20° = 40° gegenüber 60° – 0° = 60° beim ersten Verfahren. Verhältnis der Unterschiede = 40 : 60 = 2 : 3). Gegen die Bezugstemperatur von 20° wäre zu erwähnen, daß sie in gewissem Sinne eine willkürliche Annahme ist, 15°, 18° oder 25° würden mit demselben Recht gewählt werden können. Da indeß von den deutschen Kugellagerfabriken seit Jahren der Wert 20° benutzt wird, verdient diese Temperatur den Vorrang.