Titel: Kritik der verschiedenen Methoden der Reinigung von Kesselspeisewasser.
Autor: B. Preu
Fundstelle: Band 337, Jahrgang 1922, S. 11
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Kritik der verschiedenen Methoden der Reinigung von Kesselspeisewasser. Von B. Preu, Oberingenieur a. D. (Schluß.) PREU, Kritik der verschiedenen Methoden der Reinigung von Kesselspeisewasser. Zum Schlusse bin ich in der Lage, eine neue Methode von Ph. Müller G. m. b. H. anzugeben, mittelst deren auch Wasser mit einem hohen Gehalte von löslichen Salzen zum Speisen der Kessel benützt werden können, die sonst, wie Grubenwasser, unverwendbar sind. Jedes Rohwasser führt mehr oder weniger schwerlösliche und leichtlösliche Salze mit sich. Zu den löslichen Salzen gehören außer Chlornatrium (NaCl) noch Clorcalcium (CaCl2), Clormagnesium (MgCL2), Schwefelsaure Magnesia (MgCO4), zu den schwerlöslichen Stoffen, die durch Sodazusatz in nahezu unlösliche Salze übergeführt werden, ist hauptsächlich der Gips (CaSO4) und der Kalk (CaCO3) zu rechnen. Ein Kesselwasser würde, wenn das Rohwasser die angeführten Kesselsteinbildner und mehr oder weniger lösliche Salze enthielte, nach der Reinigung, also nach der erfolgten Umsetzung, die durch folgende Formeln dargestellt wird CaCO4 + Na2CO3 = CaCO3 + Na2CO4 MgCO4 + Na2CO3 = MgCO3 + Na2CO4 MgCl2 + Na2CO3 = MgCO3 + 2NaCl CaCl2 + Na2CO3 = CaCO3 + 2NaCl wozu noch die Umsetzungen des Gipses in kohlensauren Kalk und schwefelsaures Natron gehören, hauptsächlich Chlornatrium, Soda und Glaubersalz enthalten. Eine Konzentration dieser Salze über 2° Baume würde den Kesselbetrieb mehr oder weniger schädlich beeinflussen, insbesondere in solchen Fällen, wo eine ungleichmäßige Dampfentnahme vorhanden ist. Beim Vorhandensein weiterer löslicher Salze im Kesselwasser, namentlich wenn es sich durch Zersetzung des Magnesiumchlorid in Salzsäure und Magnesiumoxychlorid handelt, entstehen leicht Anfressungen der Kesselwände, besonders dann, wenn auch die Enthärtung ungenügend ist, so daß sich Steinablagerungen gebildet haben. Um nun in solchen Kesselwassern diese Konzentration nicht zu weit fortschreiten zu lassen, wird ein regelmäßiges Abblasen der Kessel durchgeführt. Die Wärmeverluste, die hierdurch entstehen, sind aber so außerordentlich, daß sie den Weiterbetrieb in Frage stellen können. Nach der angedeuteten Methode erscheint es möglich, die in salzhaltigen Kesselabwassern enthaltene Wärme fast vollständig zu gewinnen und außerdem einen Teil des abgeblasenen Salzwassers selbst in Form von reinem Kondensat zu erhalten. Der Apparat wird von der Apparatebauanstalt Philipp Müller, G. m. b. H. (Stuttgart) seit einiger Zeit unter dem Namen: „Wärme- und Kondensatgewinnungsanlage für salzhaltiges Kesselabwasser“ D. R. P. a. gebaut. Nach Angaben dieser Firma soll nach vorgenommenen Versuchen die Ausbeute an Wärme aus dem salzhaltigen Kesselabwasser bis zu 90 v. H. betragen, während der Gewinn an Kondensat bis zu 18 v. H. der abgelassenen Wassermenge beträgt. Welch bedeutenden Wärmemengen mit einer derartigen Anlage gewonnen werden, zeigt folgendes Beispiel: Eine größere Kesselanlage verdampft stdl. ca. 100 cbm salzhaltiges Wasser. Um den Salzgehalt des Kesselwassers auf einer bestimmten, für die Kessel unschädlichen Höhe zu halten, müssen stdl. 3000 Liter Salzwasser abgelassen werden. Die betreffende Kesselanlage arbeitet mit einem Druck von 18 at. Das salzhaltige Kesselabwasser besitzt also eine Temperatur von 206,1° und eine Flüssigkeitswärme von 210 W. E., was für 3000 Liter Wasser 3000 × 210 = 630000 W. E. ausmacht, 90 v. H. dieser Wärmemenge ergeben also 567000 W. E. Zur Erzeugung dieser Wärmemenge sind bei einem durchschnittlichen Heizwert der Kohle von 5000 W. E. rund 115 kg Steinkohlen erforderlich. Da die betreffende Anlage das ganze Jahr hindurch Tag und Nacht im Betriebe ist, wird mit derselben eine Kohlenersparnis von ca. 115 × 24 × 300 = 828000 kg erzielt, also ca. 828 Tonnen in 300 Arbeitstagen. An Kondensat werden aus den 3000 Liter Salzwasser ca. 540 Liter zurückgewonnen. Für dieses Kondensat sind natürlich irgendwelche Aufwendungen zur Enthärtung nicht mehr erforderlich. Dadurch werden, insbesondere wenn das Rohwasser hohe Nichtkarbonathärte besitzt, noch Soda-Ersparnisse erzielt, die umsomehr ins Gewicht fallen, als Soda z. Zt. immer noch sehr knapp und teuer ist. Der Gewinn an Kondensat beträgt in vorstehendem Beispiel pro Jahr 540 × 24 × 300 = 3888000 Liter. Dem entsprechen die Ersparnisse an Soda. Müßte z.B. anstelle dieser Kondensatmenge ein Speisewasser von 20° Nichtkarbonathärte verwendet werden, so wäre nach dem Müller'schen Wasserreinigungsverfahren mit continuierlicher Schlammrückführung ein Sodazusatz von 3888 × 19 × 20 = rund 1477 kg erforderlich. Die Anschaffungskosten der von der Firma Ph. Müller, G. m. b. H., Stuttgart, gebauten Anlagen sind im Verhältnis zu dem Gewinn verhältnismäßiggering, weshalb die Aufstellung einer solchen Anlage für jede Kesselanlage, die salzhaltiges Wasser verdampft, empfehlenswert ist. Die Bedienung ist, da die Anlagen selbsttätig arbeiten, äußerst einfach und erfordert keine besondere Aufmerksamkeit. Von noch größerer Bedeutung sind die Anlagen da, wo salzhaltiges Wasser wegen seiner Gefährlichkeit zur Kesselspeisung überhaupt nicht benützt wird. In Kohlen- und Kalibergwerken z.B. ist das aus den Schächten gehobene Wasser in der Regel so stark salzhaltig, daß man es abfließen lassen muß. Die Kosten des Hebens müssen aufgewendet werden, als Speisewasser muß aber teures Wasserleitungs- oder Brunnenwasser Verwendung finden. In diesen Fällen ist die Ersparnis außerordentlich groß. In folgendem soll eine kurze Erläuterung dieses Müller'schen Verfahrens gegeben werden. Je nach dem Salzgehalt des Kesselwassers wird ein Teil des Wassers, welches zur Entschlammung der Kessel mit Hilfe der Schlammrückführungen nach dem Reiniger zurückgeführt wird, vor dem Eintritt in denselben nach einem Verdampfer abgezweigt. Während also sonst das ganze, durch die Schlammrückführung zurückgeleitete Kesselschlammwasser in den Reiniger geführt wird, muß bei starker Sättigung des Wassers mit löslichen Salzen ein Teil des salzhaltigen Kesselschlammwassers abgezweigt werden. Das nach dem Verdampfer geführte Kesselwasser verliert beim Eintritt in denselben seinen Ueberdruck fast vollständig. (Der im Verdampfer herrschende Ueberdruck beträgt nur 0,1 at). Der Druckreduzierung folgend vermindert sich auch die Temperatur des Wassers, Betrug der ursprüngliche Kesseldruck 18 at abs., so hatte das Wasser eine Flüssigkeitswärme von 210 W. E. – Bei einem abs. Druck von 1,1 at, wie er im Verdampfer herrscht, beträgt die Flüssigkeitswärme des Wassers aber nur noch 102,3 W. E. Die Differenz, nämlich 107,7 W. E. wird frei bzw. verdampft einen Teil des nach dem Verdampfer geführten Kesselwassers. Durch 107,7 W. E. können bei einem abs. Druck von 1,1 at rund, \frac{107,7}{538,4}=0,2 kg Wasser verdampft werden, also etwa ⅕ der dem Verdampfer zugeführten Menge. Wenn man das vorerwähnte Beispiel heranzieht, wo zur Entfernung der Salze jährlich 3000 × 24 × 300 = 21600000 l Wasser abgelassen werden müssen, so läßt sich hieraus, da ca. 18 v. H. des Wassers als Dampf, bzw. Kondensat zurückgewonnen wird, berechnen, daß jährlich rund 3888000 Liter Kondensat zurückgewonnen werden. Hier wäre noch zu erwähnen, daß der im Verdampfer gebildete Dampf nach dem Reiniger geführt und dort zur Anwärmung des Rohwassers niedergeschlagen wird. Das restliche Kesselabwasser wird bei diesem Vorgang entsprechend weiter eingedickt und verläßt so den Verdampfer, um einem darunter liegenden Vorwärmer zuzufließen, welcher gleichzeitig im Gegenstrom vom Rohwasser durchflössen wird. Im Vorwärmer wird die noch in dem Salzwasser enthaltene Wärme an das Rohwasser übertragen. Das Salzwasser verläßt den Vorwärmer annähernd auf Rohwasser abgekühlt, um ins Freie abzufließen. Die Wärmeausnützung im Vorwärmer ist eine vorzügliche, weil die Rohwassermenge im Verhältnis zur Salzwassermenge außerordentlich groß ist. In dem angeführten Beispiel beträgt die Rohwassermenge mehr als das 30fache des Kesselabwassers. Es wird also fast die ganze in dem abzulassenden Kesselwasser enthaltene Wärme, ca. 90 v. H., zurückgewonnen. Der Verlust an Wasser wird zum großen Teil, wenn nicht vollständig, dadurch aufgehoben, daß etwa 18 v. H. der Abwassermenge als reines Kondensat zurückgewonnen wird, welches weder eines Sodazusatzes zur Reinigung, noch einer sonstigen Aufbereitung unterzogen werden muß. Die Erzielung einer möglichst hohen Wärme-Ausbeute spielt seit neuerer Zeit unter dem Druck des Mangels an Brennmaterialien und der hohen Preise eine so bedeutende Rolle, daß wir hier einen sehr triftigen Einwand gegen die Reinigungsmethoden mit hoher Temperatur des Rohwassers und des gereinigten Wassers, der zugleich eine Empfehlung des Permutitverfahrens, das auf kaltem Wege arbeitet, bedeutet, besprechen müssen. Alle rationell ausgebauten Kesselanlagen werden mit Oeconomisern versehen, welche die Temperatur des Speisewassers vor dem Eintritt in den Kessel über 100° C erhöhen. Der Wirkungsgrad dieser Oeconomiser wird nun anscheinend verringert, wenn das Wasser bis auf 60–80° angewärmt in diese eintritt. Am günstigsten wäre demnach für die Ausnützung der durch den Oeconomiser abzugebenden Wärme die Zuführung eines nach dem Permutitverfahren gereinigten Wassers von natürlicher Temperatur. Aus anderen wirtschaftlichen Gründen wird nun aber von der ausschließlichen Verwendung eines solchen Wassers nie die Rede sein können, sondern es wird stets das Bestreben sein, sämtliches aus dem Betrieb entfallende Kondensat zu verwerten. Bei dem jetzt so weit verbreiteten Dampfturbinen-Betrieb wird man z. B das Oberflächen-Kondensat heranziehen, und dabei wird das Mischungsverhältnis von Kondensat zum gereinigten Zusatzwasser etwa 90 :10 sein. Nehmen wir nun an, es werden in einer großen Dampfturbinen-Anlage stündlich 100 cbm Wasser in die Kessel gespeist, das also aus 90000 l Kondensat mit einer Temperatur von ca. 40° C und aus 10000 l nach dem Permutitverfahren gereinigten Wassers von ca. 10° C besteht, so enthält das Mischwasser   90000 × 40 = 3600000 W. E. und   10000 × 10 =   100000 W. E. ––––––––––––––––––––––––––– 100000 l 3700000 W. E. Das, heißt das Mischwasser besitzt eine Temperatur von 37° C. Wird dagegen ein mit hoher Temperatur gereinigtes Wasser verwendet, so wird in diesem Fall das Mischwasser eine Temperatur nachfolgender Rechnung annehmen:   90000 × 40 = 3600000 W. E.   10000 × 70 =   700000 W. E. ––––––––––––––––––––––––– 100000 l 4300000 W. E. Es hat also eine Temperatur von 43° C. Im zweiten Fall würde demnach die Temperatur 6° höher sein als im ersten Fall. Der Oeconomiser hätte dann 6 × 100000 = 600000 W. E. weniger zu leisten, was in Kohle ausgedrückt \frac{600000}{660\,.\,10}=90 kg in einer Std. also in durchschnittlich 6000 Betriebsstunden 540000 kg Kohle zu einem Werte von über 100000 Mk. bedeuten würde. Dem ist entgegenzuhalten, daß sich die höhere Temperatur im zweiten Fall keineswegs in einer solchen glatten Wärme- bzw. Kohlenverlust umsetzt. Denn bei der jetzigen Konstruktion der Oeconomiser wird derselbe das mit einer um 6° höheren Temperatur zugeführte Wasser auch annähernd um dieselben Grade höher erwärmt dem Kessel zusenden. Von einem derartig hohen Wärmeverlust kann also keine Rede sein. Zu Gunsten des früher beschriebenen Schlammrückführungs-Verfahrens spricht in einem solchen Falle eine weitere Betrachtung. Es ist kaum zu vermeiden, daß durch Undichtheiten in den Stopfbüchsen der Oberfächen-Kondensatoren Kühlwasser in das Kondensat eindringt, das dann dem verdichteten Dampf seine Härte beifügt. Nach den mir vorliegenden Erfahrungen steigen diese Härtemengen bis auf 1° und setzen sich bei der Nachreaktion im Kessel als Schlamm nieder. Dieser Schlamm bildet sich also unaufhörlich, unabhängig von jedem Reinigungsverfahren, und trägt ganz wesentlich zur Verschlammung der Kessel, unter Umständen zu Kesselsteinbildungen bei, erschwert jedenfalls die Kesselreinigung. Denn das Abblasen des Schlammes wird erfahrungsgemäß den Kessel nur unvollständig entlasten, sondern nur den Schlamm abführen, der an den Ablaßhähnen sitzt. Das Neckarverfahren dagegen mit seiner kontinuierlichen Schlammrückführung, die einen steten Kreislauf zwischen Kessel und Reiniger einleitet, wird diese Aufgabe nahezu vollständig lösen. In der Tat garantiert die genannte Firma Schlamm- und steinfreie Kessel und zwar unter Kontrolle amtlicher Behörden. Ich verkenne durchaus nicht, daß es auch bei Würdigung der im Vorstehenden angegebenen Gesichtspunkte selbst für den erfahrensten Betriebsingenieur schwierig bleibt, für den Einzelfall die richtige Wahl der Reinigungsmethode zu treffen. Denn sie hängt wesentlich von der Rücksichtnahme auf lokale Eigentümlichkeiten ab. Sicher aber ist, daß die Einführung des Permutit- und besonders des Schlammrückführungs-Verfahrens einen durchschlagenden Fortschritt auf diesem Gebiete bedeutet. Ob das neuerdings vorgeschlagene Destillations-Verfahren, sowie die elektrolytische Reinigung in die Praxis wird aufgenommen werden können, hängt von den Ergebnissen der damit angestellten Versuche ab, die bis jetzt gezeigt haben, daß weitere Entwicklungen nötig sind, um diese Reinigungsmethoden zu einer praktischen Gestaltung zu bringen.