Titel: Neuere Arbeiten zur Abwässerfrage.
Autor: B. Simmersbach
Fundstelle: Band 338, Jahrgang 1923, S. 117
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Neuere Arbeiten zur Abwässerfrage. Von Ingenieur B. Simmersbach, Wiesbaden. (Schluß.) SIMMERSBACH, Neuere Arbeiten zur Abwässerfrage. Neuere Methoden, die man auf verschiedenen Wegen zur Anwendung bringen konnte, haben uns die große Bedeutung der Adsorption für die Technik erkennen lassen. Wenn in technischen Fragen die Adsorption oft zu berücksichtigen ist, so kommt das besonders daher, daß man es dort so häufig mit kolloiden Gebilden zu tun hat. So darf es z.B. als sicher gelten, daß beim Färben und Gerben in weitaus den meisten Fällen die Aufnahme des Färb- oder Gerbstoffes als eine Adsorption zu bezeichnen ist. Damit soll nun etwa nicht gesagt sein, daß andere Vorgänge, wie chemische Bindung nicht von Bedeutung wären, aber in den ersten zeitlichen Stadien liegt meist unbedingt eine Adsorption vor. Bei der Abwässerreinigung handelt es sich bei gewissen Verfahren oft um die Fällung einer kolloiden Lösung durch Elektrolyse; diese hängt eng mit der Adsorption zusammen. Auch in der Agrikulturchemie spielt die Adsorption eine wichtige Rolle, da das Zurückhalten gelöster Stoffe in der Bodenkrume auf ihr beruht. Zur Reinigung von Abwässern durch Elektrolyse sind seit längerem schon zwei Verfahren bekannt, nämlich das von Webster und das von Hermite. Das Verfahren der Elektrolyse von Webster hat eine Reinigung und zugleich auch eine Sterilisation zur Aufgabe. Man läßt dabei das Abwasser, welches eine hinreichende Menge gelöster Chloride enthalten muß – man setzt ihm nötigenfalls solche Chloride zu – zwischen zwei eisernen Schienen durchfließen. Diese Schienen dienen als Elektroden und besitzen hakenförmige Ansätze. Bei Stromschluß wird das vorhandene Chlorid zersetzt; am positiven Pol bildet sich dann Chlor, am negativen aber eine Base, Natronhydrat, Kalkhydrat. Die solchergestalt entstandenen Produkte wirken aufeinander unter Bildung von Hypochlorit, Na OCl, welches sterilisierende Wirkung besitzt. Das Chlor greift ferner das Eisen der Elektroden an, es bildet ein lösliches Eisensalz, das mit der am negativen Pol abgeschiedenen Base einen Niederschlag gibt, der die Schwebestoffe dann mit zu Boden reißt. Die Kosten des Websterschen Verfahrens sind allerdings recht hohe. Das Verfahren von Hermite, wonach man das chloridhaltige Wasser unter Anwendung von Platin- und Zinkplatten als Elektrolyten der Elektrolyse unterwirft, wobei das entstehende Chlor von der Flüssigkeit absorbiert wird, ist praktisch wohl kaum in größerem Maßstabe zur Anwendung gelangt. – Sind billige Wasserkräfte zur Verfügung, so kann, wenn die Aussichten für ein anderes Verfahren sich zwecks Abwässerreinigung ungünstig erweisen sollte, die Elektrolyse mit gewissen Vorteilen zur Anwendung kommen. So haben sich im Jahre 1917 G. ter Meer und K. Reubold ein Verfahren patentieren lassen (D. R. P. 294957), wonach die Reinigung organische Stoffe enthaltender Abwässer mittels elektrischen Stromes unter Zusatz von fällenden Salzen als Elektrolyten geschieht. Man setzt nach diesem Verfahren den Abwässern Aluminiumsulfat als Elektrolyt in einer Menge zu, die etwa ⅓ bis ¼ der zur Ausfüllung der Kolloide benötigten Menge entspricht. Bei der Reinigung von Abwässern organischer Herkunft handelt es sich – wie wir oben schon anzeigten – in erster Linie um die Ausfällung der sie verunreinigenden gelösten Kolloide. Es ist bereits bekannt, zu diesem Zwecke die Abwässer zwischen geeigneten Elektroden einer Elektrolyse zu unterziehen und dabei die Ausscheidung der festen Stoffe dadurch zu bewirken, daß man geringe Mengen von Fällmitteln zusetzt. Werden hierbei Eisen- oder Aluminiumelektroden verwandt, so entstehen infolge der Elektrolyse neue Kolloide und Eisenhydroxydul oder Aluminiumhydroxyd, welche jedoch mit entgegengesetzter elektrischer Ladung als die Kolloide organischer Herkunft behaftet sind. Da nun Kolloide von entgegengesetzter Ladung sich ausfällen, so tritt infolgedessen eine Koagulation der Kolloide oder der sog. „Bruch der Sole“ ein. Eingehende Versuche in dieser Hinsicht haben nun ergeben, daß dieser Vorgang nicht immer glatt verläuft. Es treten in den Kolloiden organischer Herkunft oft sog. Schutzkolloide auf, welche die Ausflockung durch Metallhydroxyde dann verhindern. Die Sole läuft unverändert aus der elektrolytischen Zelle, ohne daß es zu ihrem „Bruch“ kommt. Dieser Zustand kann auch unvermittelt nach längerer einwandfreier Betriebszeit eintreten. Die Ausflockung reißt plötzlich ab, trotzdem das betreffende Metall weiter in Lösung geht. Versuche haben nun ergeben, daß der Zusatz von Elektrolyten, welche an und für sich eine fällende Wirkung ausüben, auch hier versagt, soweit die Konzentration des betreffenden Elektrolyten unter einem gewissen Schwellenwerte liegt, dessen Anwendung jedoch die elektrolytische Ausflockung als nicht mehr lohnend erscheinen läßt. Nur ein Salz, das Aluminiumsulfat, Al4 (SO4)3, macht hiervon eine Ausnahme. Hierauf beruht nun das genannte Verfahren des D. R. P. 294 957 von G. ter Meer und K. Reubold. Besondere Verfahren zur Abwässerreinigung bedienen sich eines Vorganges, den man als Koagulieren auffassen kann. Ein solches Verfahren zum Koagulieren von Kanalisationsschlamm ist unter D. R. P. 275566 der Westcarbonizing Ltd. geschützt worden. Man erhitzt danach den Klärschlamm, ohne jeden Zusatz von Fallungsmitteln, nach Art der Gewinnung von naßcarbonisiertem Torf bis auf eine oberhalb des Siedepunktes der wässerigen Flüssigkeit liegende Mindesttemperatur von 130 Grad Celsius. Diese Temperatur entspricht etwa einem Ueberdruck von 1,8 Atm, so daß die Wände der Rohre nicht übermäßig dick zu sein brauchen. Je höher die zur Verwendung kommende Temperatur innerhalb der Rohre ist, um so vollkommener ist auch die Zerstörung der schleimigen Substanzen. Die aus dem Erhitzerapparat austretende Schlammasse kann leicht durch eine Filterpresse filtriert werden, und der der Dampfspannung entsprechende hohe Druck, mit welchem die Flüssigkeit den Apparat verläßt, kann dazu benutzt werden, die Masse direkt durch die Filterpresse hindurchzutreiben. Die Abwässer sind dann völlig geruchlos und können ohne weiteres abgeleitet werden. Den Schlammrückstand erhält man der Form von Preßkuchen, die man einmal mit geeigneten Lösungsmitteln auf ihren Fett- und Oelgehalt verarbeitet und die dann übrig bleibenden stickstoffhaltigen Rückstände als Düngemittel verwenden kann. – Ein anderes Verfahren zur Reinigung und Geruchlosmachung schmutziger Abwässer aller Art, insbesondere von Fabrikabwässern, wurde C. Gunkel mit D. R. P. 304040 geschützt, der ein Gemisch hochplastischer Tone mit verwitterten Mineraltrümmern silikathaltiger Gesteine anwendet. Gunkel behandelt das Abwasser zunächst mit Chloriden oder löslichen Sulfaten der Erdalkalien oder Erden – also mit Magnesiumchlorid, Calciumchlorid, Magnesiumsulfat usw. –, dann weiter mit dem Tongemisch und schließlich mit demselben Tongemisch und Kalk oder Gips gleichzeitig. Eine Ausführungsform des Verfahrens nimmt z.B. die einleitende Behandlung mit Kaliendlauge vor. Es werden drei Absetzbecken, ein Vorratsbehälter für die Salzlösung und zwei Aufrührgefäße für Tonschlamm vorgesehen. Die Absetzbassins oder Klärbecken erhalten 200 cbm Fassungsraum, also etwa 10 m Durchmesser und 3 m Tiefe. Sie werden, wenn irgend angängig, terrassenförmig übereinander angeordnet und sind zweckmäßig je dreifach vorhanden, um ohne jede Unterbrechung arbeiten zu können. Etwas über der obersten Stufe sind nebeneinander das Salzvorrats- oder Salzlösungsgefäß und die beiden Aufrührquirle mit etwa 10–12 cbm Fassungsraum aufgebaut und vor ihnen befinden sich Meßbottiche, in denen die für jeden Klärvorgang erforderliche Flüssigkeitsmenge abgemessen wird. Der Vorratsbehälter für Salzlösung enthält Kaliendlauge oder wird, um auch jede andere Salzlösung anwenden zu können, mit einem Drahteinsatz ausgerüstet, in den das zu lösende Salzquantum eingetragen wird. Im ersten Quirl werden jeweils 3000 kg Ton in 10 cbm Wasser aufgelöst. Zum zweiten Quirl gehört noch eine Kalklöschpfanne, in welche z.B. für eine Kalktonmischung 800 kg frisch gebrannter Kalk mit 2 cbm Wasser gelöscht werden. In dem Quirl werden 2400 kg Ton in 8 cbm Wasser aufgerührt und der Kalkschlamm – eventuell noch etwas verdünnt – wird dann hinzugelassen. Man rührt nun solange, bis ein gleichförmiger Schlicker entstanden ist. Den Reinigungsvorgang läßt Gunkel nun folgendermaßen verlaufen. In das Klärbassin wird das Abwasser z.B. von einer Färberei eingelassen. In den Zulauf mündet auch das Ablaßrohr der Salzlösung, so daß unmittelbar beim Einlauf bereits die Mischung vor sich geht. Auf 200 cbm des Abwassers werden, je nach dessen Zustand, zwischen 1 und 10 cbm Endlauge oder die entsprechende Menge Bariumchloridlösung, die – 80 kg Bariumchlorid pro cbm enthält, zugegeben. Dieses Gemisch bleibt etwa eine halbe Stunde in der Grube stehen und dann wird der vorgeklärte Teil mittels Stutzen in eine der Gruben abgelassen. Den weiter überzuziehenden 190–195 cbm mischt man während des Ablaufens 1,5 bis 15 cbm des Tonschlammes aus dem ersten Quirl zu. Das so behandelte Abwasser überläßt man im Bassin eine Stunde der Ruhe, wobei sich der Ton zu Boden setzt und schon die Hauptmenge der Verunreinigungen niedergeschlagen wird. Die überstehende Flüssigkeit wird nun in ein zweites Bassin der Reihe eingelassen und man mischt ihr aus dem zweiten Quirl während des Ablaufens nochmal 1,5 bis 15 cbm und zwar Kalk tonschlamm zu. Nach einer weiteren Stunde des Absitzens kann man dann das blanke, klare, nicht riechende Wasser aus diesem Bassin ablassen und ohne weiteres in einen Flußlauf überführen. – Der Beschreibung zufolge könnte das Gunkelsche Verfahren zunächst etwas reichlich kompliziert erscheinen, in der Praxis ist dem aber nicht so, wenn erst mal die nötigen Einrichtungen für den Klärvorgang geschaffen sind. Das wirtschaftlich so unangenehme Färbereiabwasser wird nach dieser Methode jedenfalls gründlich gereinigt. – Für eine große Anzahl von Betrieben, ebenso auch für städtische Abwässerreinigung, hat sich in der Praxis der neuen Zeit vollauf bewährt das O.M.S.-Klärverfahren von Otto Mohr (Wiesbaden). Seiner Wirtschaftlichkeit nimmt das O.M.S.-Klärverfahren unter allen bekannten mechanischen Kläranlagen heute wohl die erste Stelle ein; man kann der Mohrschen Methode zugestehen, daß sie am wenigsten Bedienungsmannschaften erfordert und wohl die wirtschaftlichste Kläranlage darstellt. – Hinsichtlich der Behandlung von Färbereiabwässern hat M. Strell als Ergebnis langer Beobachtungen und Versuche mitgeteilt, daß erfahrungsgemäß rein mechanische Klärverfahren sich nicht dazu eignen, um Färberei-Abwässer in einer für die Praxis genügenden Weise zu reinigen und vor allem sich nicht entfärben lassen. Auch physikalisch-chemische Oxydationsmethoden, wie das Ozonverfahren, sind wegen der Unbeständigkeit der Reduktionsprodukte (Leukobasen) unzureichend. Eine chemische Klärung mit Kalkmilch wird bezüglich der Entfärbung nur dann den gewünschten Erfolg haben, wenn die Abwässer von vorneherein geeignete, mit Kalk ausflockende Kolloide wie Seifen, Gerbsäure u. dergl. enthalten. Von sehr günstigem Einfluß auf die Reinigung und Entfärbung von Färbereiabwässern ist jedoch nach Strells Bericht der absichtliche Zusatz von Kolloiden wie Humin oder Torfbrei und deren nachherige Ausfällung, Ausflockung mittels Tonerde-Eisensulfat. Den weitestgehenden Klär- und Reinigungseffekt gewährleisten entschieden die beiden folgenden Verfahren, nämlich die Braunkohlenschlackemethode nach Preibisch und dann das Reinigungsverfahren nach Dr. Drechsler. Beide Verfahren stellen geschickte Kombinationen physikalischchemischer und besonders auch biologischer Vorgänge dar, wobei das Braunkohleschlackeverfahren von Preibisch vor dem Drechslerschen Verfahren insofern im Vorteil ist, als hierbei die Verwendung von chemischen Zuschlägen entfällt, und mithin auch die Betriebskosten wesentlich geringere sind. Was jedoch den Reinigungseffekt anbetrifft, so muß man dem Drechslerschen Verfahren in der Praxis die erste Stelle einräumen, zumal auch das so gereinigte Abwasser einwandfrei wieder als Betriebswasser verwendet werden kann. Diese beachtenswerten Ausführungen Strells sind außer für die betreffenden Industrien auch für diejenigen Städte von Interesse, in deren Gebiet sich Färbereien für irgendwelche Stoffe, wie Seide, Wolle, Leinwand, Baumwolle u.a. befinden. In einer groß angelegten umfassenden Darstellung berichtete M. E. Rolants aus dem Pasteur-Institut im 42. Bande der Schriften der Gesellschaft der Industriellen von Nordfrankreich über Abwasserreinigung. Einleitend sagt Rolants zunächst, daß die Fortschritte in der Erkenntnis der Krankheitsursachen und der Fortpflanzung der ansteckenden Krankheiten zu immer schärfer umrissenen Vorschriften geführt haben, die dann zur Ausbildung der verschiedensten Verfahren zur Desinfektion der Abwässer und der Abflüsse von Abwässerreinigungsanlagen beigetragen haben. Die dabei eingeschlagenen verschiedenen Wege, welche die organische Verunreinigung und die Entwicklung der schlechten Gerüche zu verhüten bezwecken, ermöglichen es zwar, die Anzahl der Keime zu verringern, nicht aber, alle Keime auch völlig abzutöten. Nach Rolants Ansicht könnte man bei Wasser, das nur Mikroben der Eingeweideflora von gesunden Individuen enthält, von einer Reinigung absehen, ebenfalls dann, wenn die Ausleerungen direkt am Krankenbette sterilisiert werden. Dagegen müssen jedoch die Abflüsse von Abwässerreinigungsanlagen als Krankheitskeime tragend angesehen werden und daher Behandlungen unterworfen werden, die eine möglichst praktische und wirtschaftliche Zerstörung der Bakterien gestatten. Während die europäischen Hygieniker die Ansicht vertreten, daß eine Desinfektion nur in ganz bestimmten Fällen, wie z.B. Choleraepidemien unbedingt notwendig sei, sind die Amerikaner, da sie für die Wasserversorgung größtenteils auf Flüsse und Seen angewiesen sind, der Meinung, daß die Desinfektion bis auf einige Ausnahmen stets verwirklicht werden sollte. Die Umstände, welche eine Desinfektion der Abwässer erheischen, werden von Kunnicutt, Winslau und Winthrop Pratt näher angegeben. – Wenn man von den Kosten absieht, so ist die Wärme das geeignetste Mittel zur Vernichtung der Mikroben. Zur teilweisen Sterilisation genügt eine Temperatur von 05 Grad, bei der das Bacterium Coli getötet wird; dagegen sind 112 Grad notwendig, um die sporenbildenden Keime (sporogene) mit Sicherheit zu zerstören. Klein schlug einen Apparat vor, der die Gewinnung des im Wasser enthaltenen Ammoniaks gestattet. In manchen Spitalen wird die Sterilisation aller Abgänge flüssiger Art angewandt. Moore und Silcock, sowie Bréchot haben geeignete Apparate konstruiert. Die gewöhnliche Filtrierung mit Stand genügt nur für die Abflüsse von Abwässerreinigungsanlagen. Wenn auch die Versuche von Hendon, de Dorking und de Leeds gute Resultate erbracht haben, so sind diese, nach Rollants Ansicht, doch nicht befriedigend. Schädigende und giftige Wirkung auf die Mikroben üben aus: Kalk, Säuren, Kupfersulfat und die Amine; Oxydationsfähigkeit zeigen neben dem Ozon noch die Permanganats, das Chlor und die Chlorverbindungen. Zur praktischen Desinfektion müßte Kalk in solchen Mengen zugesetzt werden, daß die Reaktion alkalisch wirkt. Das so behandelte Wasser ist jedoch giftig für Fische. Nach Rideal verbürgen kleine Mengen von 0,8 bis 1 g pro Liter nicht die Sterilisation. Empfindlicher schon sind die Keime gegen die Einwirkung von Säuren im Abwasser. Nach Stützer reichen 0,05 % Schwefelsäure schon aus, um Choleravibrionen binnen 15 Minuten zu zerstören, und 0,02 % in zwei Stunden, Iwanow fand 0,08 % Schwefelsäure genügend zur Zerstörung der Choleraerreger; mit derselben Zugabe zerstörte CKitasato Typhusbazillen schon innerhalb 15 Minuten. Nach Dixon sind gewisse industrielle Wässer sauer und wirken bakterientötend auf Typhusbazillen und Coli; andere Wässer wieder sind mehr oder weniger alkalisch. Ein Ueberschuß an Säure ist aber stets schädlich für die Fische. Zur Zerstörung der an der Oberfläche der Gewässer lebenden Algen wird ziemlich allgemein Kupfervitriol angepriesen. Nach Kellemann, Pratt und Kimberley wirkt dieses Mittel antiseptisch. Bei Anwendung von 116 g auf 1 cbm widersteht ein großer Teil der Keime, und nach ähnlichen Versuchen desgleichen selbst noch bei 200 g pro 1 cbm. Trimethylamin, mit Kalk oder einem anderen Alkali behandelt, gibt eine sehr giftige Verbindung. Heringslake, einem großen Ueberschuß von Kalk zugesetzt, diente zur Fällung des Rohwassers. Der Abfluß ist dann klar und fault nicht. – Die Ozonisierung zwecks Desinfektion ist möglich. Nach den von Dzerchgowsky angestellten Versuchen ist zu schließen, daß zur Sterilisation die Konzentration der Ozonluft erhöht und das Wasser stark verteilt der Ozonwirkung ausgesetzt werden muß. Nach Phelps und Charpenter verwendet man in London das Schwefelpermanganat zur Beseitigung der schlechten Gerüche der Themse. Unzweifelhaft wird man dabei aber doch nur höchstens eine partielle Desinfektion erzielen. Clark und Gage operierten mit dem Permanganat der Pottasche. – Chlor und seine ersten Verbindungen zersetzen das Wasser unter Freigabe von Sauerstoff und wirken antiseptisch. Der Vorschlag, Chlorgas auf chemischem oder elektrolytischem Wege hergestellt, direkt zu verwenden, würde wahrscheinlich auf Schwierigkeiten stoßen wegen der Gefahr, die dieses Verfahren mit sich bringt. Die nach dem Verfahren von Hermite, welches wir oben bereits anführten, durch Elektrolyse des Meerwassers gewonnenen Hypochlorite und anderen Oxyde sind unbeständig und zerstören nicht die sporogenen Keime, wohl aber die Coli, wenn sie unmittelbar nach der Herstellung verwendet werden. Wolf zersetzte Kochsalz elektrolytisch in Abwasser, 1898 in Havanna angewandt, zur Bekämpfung des gelben Fiebers. Der Oxychloridprozeß durch elektrolytische Zersetzung einer Salzlösung oder des Meerwassers hat gute Ergebnisse gezeitigt. Das von Berge empfohlene Verfahren zur Sterilisation mittels Chlorperoxyd ist von Dzerchgowsky ausprobiert worden; es stellt sich jedoch sehr teuer. Die Hypochlorite des Schwefels werden angewandt zur Sterilisation des Trinkwassers, während diejenigen des Kalkes zur Desinfektion von Abwässern dienen, wegen des dreimal größeren Chlorgehaltes und des verhältnismäßig billigeren Preises. Beide Reagentien zersetzen sich leicht unter Freigabe von Sauerstoff und sind nicht schädlich. Proskauer und Eisner bestimmten bei der Desinfektion der Hamburger Abwässer die Menge Chlor zu 2,7 bis 4 g pro Cl cbm und stellten das Verschwinden der Coli schon nach zehn Minuten fest. Nach Dunbar und Zien sind zur vollständigen Desinfektion dieser Abwässer 25 g Cl. pro cbm erforderlich. Schumacher untersuchte die Abwässer von Spitälern und fand bei 43 g Cl. zwar eine beträchtliche Abnahme der Mikroben, aber er konnte doch selbst mit 300 g keine Sterilisation erzielen. Schwarz, der mit Kulturen anderer Vibrionen experimentierte, fand, daß Abwasser befriedigend desinfiziert werden kann durch Hypochlorit des Kalkes nach vorheriger Filtrierung durch Siebe oder Roste mit 1 mm Zwischenraum bzw. Maschengröße. 60 mg Cl. pro Liter genügten zur Zerstörung der Typhusbazillen und 30–40 mg zur Vernichtung der Choleraerreger. Kranepuhl verlangt jedoch wieder 300 mg Cl. pro Liter zur vollständigen Tötung der Coli in 4 Stunden. Kurpjeweit untersuchte die Wirksamkeit der Desinfektionsstoffe in bezug auf das Eindringungsvermögen in feste, cm Wasser enthaltene Partikelchen, indem er Wasser durch Siebe von 2–10 mm Maschenweite hindurchtreten ließ. Bei 2 mm Maschenweite genügten 150 mg, bei 10 mm waren aber schon 300 mg Chlor erforderlich zur vollständigen Zerstörung des Coli. Versuche in Philadelphia ergaben nach Filtrierung durch Siebe mit 12 mg Cl. nach zwei Stunden eine genügende Desinfektion. Am Institut Mont Alto waren zur Colivernichtung in den Abflüssen des durch Sand filtrierten Wassers 2–5 g Cl. pro cbm erforderlich. Clark und Gage stellten fest, daß bei Behandlung der Abwässer mit Chlor eine größere Menge Chlor zugesetzt werden müßte, wenn man in der Praxis bei Zählung der Keime auf der Platte dieselbe Anzahl finden wollte, wie bei der Laboratoriumstemperatur. Eine ebenfalls recht wichtige Frage betrifft die Ableitung der Abwässer. Da die Abwässer nur in ganz seltenen Fällen sich völlig aufarbeiten lassen, so kommt für die Beseitigung derselben nur die schließliche Ableitung in Gewässer in Frage. Durch die in den Abwässern enthaltenen Stoffe werden natürlich die Beschaffenheit und die Zusammensetzung der Gewässer je nach der Art dieser Stoffe und je nach ihrem Verhältnis zur Wassermenge der Flüsse oder Bäche, Seen, Teiche etc., in die sie eingeleitet werden, mehr oder weniger stark verändert. Um hier nach menschlicher Möglichkeit vorzubeugen, dient eben einmal die vorherige Reinigung der Abwässer, dann aber auch sucht man, gezwungenermaßen, die Menge der abzuleitenden Abwässer einzuschränken. In dem einen, wie auch dem anderen Falle ist aber dennoch eine gewisse Verunreinigung der Gewässer unvermeidlich. Es ist nämlich durchweg aus technischen und wirtschaftlichen Gründen bei den zur Anwendung gelangenden verschiedenen Reinigungsverfahren der Abwässer die Reinigung derselben so weit zu treiben, daß sie wieder den Reinheitsgrad natürlicher Wasser erlangen. Im allgemeinen ist dies auch nicht erforderlich, immerhin aber bleibt der biologische Charakter der Flüsse, Bäche, Teiche usw. durch die in sie eingeleiteten, wenn auch vorher nach irgendeinem Verfahren gereinigten Abwässer keineswegs unbeeinflußt. Diesen Punkt wollen wir heute zum Schlusse noch kurz erörtern. – Bedeutsam für den biologischen Charakter mancher Gewässer ist deren Gehalt an gelöster organischer, fäulnisfähiger, stickstoffhaltiger Substanz. Die Quellen sind meistens frei davon, oder sie enthalten nur Spuren. Je weiter nun aber der Bach zu Tal strömt und zum Flusse sich verbreitert, desto mehr nimmt auch in seinen Fluten die organische Substanz zu, die den zerfallenden Resten abgestorbener Tiere und Pflanzen des Gewässers und seiner Umgebung entstammt. Zu diesen natürlichen „Verunreinigungen“ treten in Kulturländern immer mehr künstliche hinzu in Gestalt von Abwässern aus menschlichen Siedelungen, die neben der organischen Substanz meist auch reich an Salzen sind. Derartige Abwässer haben, im Uebermaß eingeführt, den biologischen Charakter mancher Bäche und selbst Flüsse vielerorts bereits völlig verändert. Während es in strömenden Gewässern, so lange dieselben sich noch im Naturzustande befinden, und selten oder nur ganz lokal zu dauernden Anreicherungen fremder faulender, organischer Substanz, kommt, da die fließende Welle solche Mengen stetig verteilt und sie damit der Selbstvernichtung durch die Tier- und Pflanzenwelt des fließenden Wassers preisgibt, was man als „Selbstreinigung“ zu bezeichnen pflegt, so kann in manchen nicht fließenden, also stagnierenden Gewässern die Zufuhr von Abwässern einen solchen Grad von „natürlicher Selbstverunreinigung“ erreichen, daß sie der gesamten Flora und Fauna dieses Wassers ihren Stempel aufdrückt, in kleineren Gewässern (Dorfteichen usw.) natürlich mehr als in schon größeren Seen und noch weniger in großen Flüssen mit stärkerem Gefälle, aber gänzlich ist der Einfluß von Abwässern nicht zu vermeiden. Glücklicherweise aber erscheinen die Ansprüche, welche die verschiedenen Tiere an den Sauerstoffgehalt ihrer Wohngewässer stellen, im einzelnen sehr verschieden abgestuft. Auch die mancherlei Lebensgenossenschaften der Kleinlebewesen, Kleinpflanzen und anderer sind hinsichtlich des Reinheitsgrades des von ihnen geforderten Wohnwassers recht weitgehend voneinander verschieden. Man konnte auf Grund neuerer Erfahrungen sogar gewisse Einteilungen vornehmen, indem man die Lebensgenossenschaften der stärker verunreinigtes Wasser liebenden Organismen als Saprobien bezeichnet, und sie den an reines Wohnwasser gebundenen Katarrhobien oder Akeratobien gegenüber stellt, doch sind beide Extreme von Organismen durch allerhand Uebergänge verbunden.