Titel: Corrosionsgefährdung.
Autor: C. Michalke
Fundstelle: Band 339, Jahrgang 1924, S. 68
Download: XML
Corrosionsgefährdung. Von Dr. C. Michalke, Charlottenburg. MICHALKE, Corrosionsgefährdung. Metalle, die mit feuchten Leitern in Berührung stehen, sind in sehr vielen Fällen elektrolytischer Zersetzung ausgesetzt. Werden verschiedenartige Metalle, z.B. Eisen und Kupfer, metallisch verbunden, so bildet sich unter Einwirkung des feuchten Leiters (Elektrolyten) ein galvanisches Element, in dem das elektropositivere Metall (in obigem Beispiel das Eisen) dem Angriff ausgesetzt ist. Solche Elementbildung kann auch bei Verwendung nur eines Metalls auftreten, wenn dieses mechanisch oder chemisch nicht vollständig gleichförmig ist. So können Ströme zwischen Gußeisen und Schmiedeeisen, zwischen härter und weicher gewalztem Eisenblech auftreten, zu Anfressungen führende Ströme sind aber an Kesselblechen auch festgestellt worden, wenn die Oberfläche der Bleche durch eingewalzten Zunder ungleichmäßig war. Durch die Elementströme werden zwar infolge der Polarisation Gegenspannungen erzeugt, welche die Stromwirkung vermindern, doch werden die Zersetzungsstoffe oft mechanisch, z.B. durch bewegtes oder fließendes Wasser weggespült, so daß die einen Angriff des elektro-positiven Metalls herbeiführenden Ströme unvermindert bestehen bleiben. Textabbildung Bd. 339, S. 67 Abb. 1. Welches von den Metallen oder Metallegierungen elektropositiv, d.h. angriffsfähig bei Berührung zweier Metalle in einem feuchten Leiter wird, hängt z. T. von der chemischen Beschaffenheit des Elektrolyten ab. Für die meisten Fälle kann als richtig folgende Spannungsreihe für die zumeist in Betracht kommenden Metalle angenommen werden: Mangan, Aluminium, Zink, Cadmium, Eisen, Nickel, Blei, Zinn, Antimon, Wismuth, Kupfer, Silber. Dies ist so zu verstehen, daß bei Verbindung zweier Metalle der Reihe in einem Elektrolyten das voranstehende angegriffen wird. Werden 2 Kupferleiter (Abb. 1) durch eine Eisenmuffe verbunden, so wird die Eisenmuffe elektrolytisch angefressen, wenn die Oberfläche durch Benetzen, Beschlagen oder dergl. feucht wird, die Elementströme fließen vom Eisen über die feuchte Oberfläche zum Kupfer. Wird (Abb. 2) in einem Gleichstrom-Dreileitnetz mit blank verlegtem Mittelleiter dieser der besseren und sicheren Leitung wegen mit einem blank in der Erde verlegten Bleirohr metallisch verbunden, so fließen in der Verbindungsleitung Ströme vom Kupfer (dem positiven Pol) zum Blei, in der Erde vom Blei (dem elektropositivem Metall) zum Kupfer. Das Blei wird angegriffen. Nur in einzelnen Fällen ist ein Angriff ausgeschlossen, z.B. bei Eisen im sog. passiven (unangreifbaren) Zustande. Bei Eisen im Erdboden, wie er gewöhnlich beschaffen ist, ist aber dieser passive Zustand in der Regel nicht vorhanden. Textabbildung Bd. 339, S. 67 Abb. 2. Die Stärke des elektrolytischen Angriffs der Metalle ist durch die Dichte des aus dem Metall austretenden Stroms bestimmt. Diese Stromstärke ist abhängig von dem elektrolytischen Lösungsdruck zwischen dem Metall und dem Elektrolyten und dem Widerstand im Stromweg, also von der Größe der Stromaus- und Eintrittsfläche und dem Ausbreitungswiderstand im Elektrolyten. In dem Beispiel Abb. 1 ist der Stromweg zwar kurz, der Querschnitt der Oberflächenbenetzung aber gering, daher der Widerstand groß. An der Berührungsstelle von Kupfer und Eisen ist die Stromdichte am stärksten, die zu zeitweisem schnellen Trocknen und so zur Strom-Unterbrechung führen kann. Der Widerstand zwischen Kupfer und Bleileiter in Erde hängt von dem Abstand der Leiter, ihren Abmessungen und der chemischen Beschaffenheit des Erdbodens ab. Die Ströme können sich ins Unendliche verzweigen. Der Vorgang entspricht (Abb. 3) dem eines kurz geschlossenen Elementes. Die Stromstärke wird durch den „inneren“ Widerstand des Elementes begrenzt. Textabbildung Bd. 339, S. 67 Abb. 3. Die durch den elektrolytischen Lösungsdruck bestimmten wirksamen Elementspannungen betragen zumeist weniger als 1 Volt. Für die Stärke der elektrolytischen Anfressungen ist daher der Widerstand meist entscheidend. Dieser Widerstand ist kleiner, wenn die Metalle sich im Wasser befinden, als im Erdboden. Die Leitfähigkeit verschiedener Wässer ist je nach den Verhältnissen verschieden. Brakiges Salzwasser ist sehr viel mehr leitend als salzarmes Gletscherwasser. Kühlrohre, z.B. für Oelkühlung, die sich zur Kühlung in Wasser befinden, sind bei Elementbildung dem elektrolytischen Angriff ausgesetzt. Dies ist in um so höheren Maße der Fall, wenn sich das Wasser (bei nur geringem Zu- und Abfluß) stark erwärmt, da mit steigender Erwärmung der Widerstand des Wassers stark abnimmt. Aus letzterem Grunde sind die Kondensatorrohre stärker gefährdet. Im Erdboden ist für den Widerstand die Bodenfeuchtigkeit mit ihrem Gehalt an gelösten Salzen maßgebend. Durch die picht leitenden festen Stoffe im Erdboden, meist Gesteinsteilchen, wird der Widerstand vergrößert. Dieser Erdwiderstand kann aber vermindert werden durch Abwasser oder gelöste Abfälle von chemischen Fabriken, durch Verunreinigen des Erdboden z.B. an Droschkenhalteplätzen, durch Salzstreuen zum Auftauen des Schnees in Straßenbahnbetrieben usw. Nicht ausgeschlossen sind auch Corrossionen durch unmittelbaren chemischen Angriff ohne Elementewirkung, wenn die chemische Beschaffenheit in der Umgebung der Metalle für diese angriffähig ist. Außer den von Metallen selbst erzeugten Strömen können auch Fremdströme gefährlich werden. Im Erdboden, besonders innerhalb großer Städte, verlaufen zuweilen vielerlei Ströme, die in gefährlicher Dichte in die Metallteile eindringen können, namentlich wenn diese weit ausgedehnt und metallisch leitend verbunden sind. Solche Ströme rühren vom blank verlegten Mittelleiter, von den Gleisen der Straßenbahn, oder von gelegentlichen Fehlerstellen des Stromnetzes her. Schädlich sind im allgemeinen nur Gleichströme, während Wechselstromelektrolyse unter den Verhältnissen, wie sie im Erdboden vorhanden sind, nicht zu erwarten ist. Die Feststellung, wodurch beobachtete Corrosionen entstanden sind, und auf welche Weise erfolgreich der Uebelstand zu beheben ist, erfordert schwierige Untersuchungen. Bei Elementwirkung handelt es sich, wie wie oben ausgeführt, meist um außen kurz geschlossene Elemente, bei denen Spannungmessungen einwandfrei nicht gemacht werden können. Die Ermittlung der wirksamen Spannungen ist in solchen Fällen auch nicht so wertvoll, wie die der Stromdichten. Es genügt, nur die Dichte des aus dem Metall austretenden Stroms (Freßdichte) zn ermitteln. Möglich ist dies in Annäherung, wenn es sich um große Austrittsflächen handelt. Mit den Haberschen Stromdichtemessern, bei denen keine Fehler durch Polarisationsspannungen auftreten, lassen sich Stromdichten mit genügender Genauigkeit bestimmen, wenn das Feld gleichmäßig ist und die Meßrahmen sich bequem einsetzen lassen, ohne das Feld dadurch zu verändern. Stehen Metallteile zur Verfügung, die in ihrer Zusammensetzung dem Metall entsprechen, an dem die Stromdichte zu messen ist, so kann das erfolgen, indem in eine metallische Verbindungsleitung von dem als Sonde benutzten Metallteil mit dem gefährdeten Metall ein Strommesser eingeschaltet wird. Dies Verfahren hat den Vorteil, daß es auch bequem anwendbar ist, wenn das gefährdete Metall sich im Wasser befindet. Rühren die Anfressungen von eingedrungenen Fremdströmen her, so lassen sich in den meisten Fällen Spannungmessungen ausführen, bei Bahnbetrieb z.B. zwischen Gleis und Rohrleitung oder Kabelbewehrung. Solche Spannungsmessungen allein geben noch kein ausreichendes Maß für Beurteilung der Gefährdung. Für diese bestimmend ist noch noch der Widerstand des Stromkreises. Auch in diesen Fällen ist das Messen der Stromdichte von größtem Wert. Können Stromdichte- und Spannungsmessungen gleichzeitig gemacht werden, so kann unter Umständen der Ursprung der gefährdenden Ströme festgestellt werden. Rührt z.B. eine Anfressung von den aus den Gleisen austretenden Strömen her, so erhält man bei den im Bahnbetrieb stark schwankenden Streuspannungen Proportionalität zwischen Spannungen und Stromdichten. Nicht immer lassen sich die Störungsursachen, auch wenn diese unzweifelhaft festgestellt sind, völlig unterdrücken. Bei Klemmenverbindungen mit Verwendung verschiedenartiger Metalle oder bei Lötstellen läßt sich durch Isolieren der Verbindungsstellen, durch Lackieren, Asphaltieren u. dergl. Abhilfe schaffen, wenn es gelingt, eine dauerhafte Isolierschicht herzustellen. Ist es nicht möglich, die Störungsquelle zu beseitigen so kann durch Erniedrigung des Spannungszustandes das Uebel beseitigt werden, wenn dadurch das gefährdete Metall elektronegativ, also stromansaugend gemacht wird. Bei geringen Elementspannungen genügt metallische Verbindung mit Eisenplatten, bei größeren Spannungen mit Zinkplatten. In einzelnen Fällen, wie beim Schutz von Kondensatorrohren genügt das Anbringen von Zinkplatten nicht, um den erforderlichen Gegenstrom durch die Flüssigkeit und durch die Rohre mit den immerhin kleinen Querschnitten zu treiben. Durch besondere Gleichstrommaschinen mit Spannungen von etwa 10 V wird in solchen Fällen Gegenstrom durch die Rohrwandungen in die Rohrflüssigkeit gesandt. (Sog. Cumberland-Verfahren.) Gegen die Gefährdung durch Streuströme, die aus den Gleisen elektrischer Gleichstrombahnen austreten, sind strenge Vorschriften durch den Verband Deutscher Elektrotechniker erlassen worden. Durch sorgsamste Instandhaltung der Gleisanlage und geringe Spannungen in den Gleisen wird das Auftreten gefährdender Streuströme eingedämmt. Verschiedentlich wurde auch vorgeschlagen, für den Schutz der Rohrleitungen, die in diese eingedrungenen Ströme durch besondere Saugmaschinen abzusaugen. Diese Schutzmaßnahme versagt jedoch zum Teil infolge der unvollkommen leitenden Verbindung an den Rohrstößen und an der Gefährdung von Nachbarleitungen. Diese Maßnahme hat daher keine Verwendung gefunden. Lange Kabelleitungen, die häufig in unmittelbarer Nähe der Gleise verlaufen, sind besonders gefährdet, wenn die Mäntel der einzelnen Teilstrecken fortlaufend metallisch verbunden sind. In Amerika sucht man an einzelnen Stellen wirksam die Kabel durch „Dränieren“ zu schützen. Der Mantel der Kabel wird über Widerstände (Abb. 4) mit den Gleisen oder besser mit dem negativen Pol des Stromerzeugers verbunden. Die Widerstände sind entsprechend der Entfernung der Anschlußstellen abgestuft. Die in den Kabelmantel eingedrungenen Ströme nehmen so ihren Rückweg nicht in gefährdender Weise durch die Erde, sondern kehren durch die Saugleitungen zum Stromerzeuger zurück. Textabbildung Bd. 339, S. 68 Abb. 4. Nur mit großer Sachkenntnis unternommene eingehende Untersuchungen können bei eingetretenen Anfressungen zur Ermittlung der Ursache und Angabe der bestmöglichen Bekämpfungsart führen. Oft stehen hierbei große Werte auf dem Spiele, so daß gründliche Arbeiten lohnend sind.