Titel: Polytechnische Schau.
Fundstelle: Band 342, Jahrgang 1927, S. 106
Download: XML
Polytechnische Schau. (Nachdruck der Originalberichte – auch im Auszuge – nur mit Quellenangabe gestattet.) Polytechnische Schau. Einkristalle. (Nachdruck verboten.) Man glaubte vielfach bisher, daß man einen Stoff vollkommen kenne, wenn seine chemische Natur bekannt sei. Bei Flüssigkeiten und Gasen trifft dies im großen ganzen auch zu. Wirklich reines Wasser, aqua destillata, ist, wenn seine Temperatur bekannt ist, und wenn keine besonderen Bedingungen, Druck, elektrische Spannungen, Strömungsgeschwindigkeiten und dergleichen dazu kommen, wirklich immer dasselbe. Ebenso etwa auch reiner Alkohol, Stickstoff und Wasserstoff. Bei festen Stoffen aber steht die Sache im allgemeinen ganz anders. Man kann hier keinesfalls sagen, daß etwa ein Kupferstab, auch wenn er aus chemisch reinstem Kupfer besteht, einem andern Stab aus gleichfalls reinstem Kupfer von gleicher Form und Größe wirklich gleich sei: Zwischen ihnen sind Unterschiede möglich, sozusagen wie Tag und Nacht. Woher das kommt und wie man diese Unterschiede für die Technik nutzbar machen kann, darüber steht die Forschung gerade erst in den ersten Anfängen. Zunächst ist aber das eine sicher, daß fast alle Stoffe, namentlich die unserer täglichen Gebrauchsgegenstände, aus Kristallen bestehen. Eine Ausnahme machen hierbei nur Stoffe wie Teer, Leim, Glas, dieses auch wenn es sogenanntes Kristallglas ist; aber selbst Glas hat die Neigung zu kristallisieren, zu „entglasen,“ und dadurch undurchsichtig zu werden, was gerade wieder bei Kristallglas nicht vorkommen darf. Insbesondere sind die Metalle durchweg Kristalle. Wenn sie äußerlich nicht so regelmäßige Formen zeigen, wie wir dies von den bekannten Kristallen, etwa dem Bergkristall, dem Diamanten, dem Alaun, gewöhnt sind, so liegt das daran, daß sich die kleinen Kriställchen nicht wie bei einem einheitlichen Kristall ganz regellos aneinanderschließen, ähnlich wie wir dies etwa beim Zucker leicht sehen können. Dann aber dürfen wir die inneren Kristalleigenschaften, nämlich die, daß sich der Körper in einer Richtung anders verhält als in einer anderen, nicht mit der äußeren Form verwechseln. Eine äußere regelmäßige Form kann ohne irgendwelche inneren Kristalleigenschaften vorhanden sein, wie etwa bei den Similidiamanten, die einfach aus Glas geschliffen werden und nichts weniger als Kristalle sind. Umgekehrt können sich die Einzelkriställchen, aus denen die meisten Stoffe bestehen, regelmäßig anordnen, ohne daß die äußere Form eine solche Regelmäßigkeit erkennen zu lassen braucht. In diesem Fall spricht man von einem „Einkristalle“. Aus den meisten Metallen lassen sich durch ganz vorsichtiges Auskristallisieren der Metalle aus einer Schmelze Einkristalle erzeugen. Man braucht sozusagen nur dafür zu sorgen, daß die kleinsten Teilchen in ihrer natürlichen Neigung, sich ganz regelmäßig aneinander zu schließen, nicht gestört werden. Ist dies geschehen, so kann man aus einem solchen Stoff selbst eine Kugel drehen. Sie ist und bleibt ein Kristall, wenn auch nur ein sogenannter Einkristall. Ebenso lassen sich Drähte ausziehen, rechteckige Stäbe gewinnen und andere beliebige Formen herstellen, bei denen zunächst kein Mensch an einen Kristall denken würde. Und doch zeigen sich bei einem solchen Einkristall schon bei flüchtiger Betrachtung merkwürdige Eigenschaften. Zunächst in der Zurückwerfung des Lichtes, auf der ja das Aussehen der Körper überhaupt beruht. In bestimmten Richtungen zeigt sich ein hoher Metallglanz, dem dann wieder Mattstellen folgen: Es sieht beinahe aus, als ob künstlich einige Streifen poliert seien; aber man erkennt natürlich sogleich, daß das unmöglich der Fall sein kann. Ia, man erkennt häufig die geometrische Grundform des zugrunde liegenden Kristalls, sieht also z.B. ganz deutlich durch die Art der Lichtzurückwerfung auf der Kugel das als häufige Kristallform vorkommende Oktaeder. Werden solche metallenen Einkristallkörper geäzt, so zeigen sich ähnliche Ätzfiguren, die ganz deutlich die Kristallform, die dem Körper zugrunde liegt, erkennen lassen. Ungleich wichtiger sind freilich die Festigkeitseigenschaften der Einkristalle. Im allgemeinen weisen sie eine weit geringere Festigkeit auf als gleichartige Metallkörper, bei denen die Kristalle unregelmäßig angeordnet sind. Auffallend ist folgender Versuch: Von zwei völlig gleichen Einkristallkupferstäben wird einer an einem Ende eingeklemmt und am andern Ende um 360 Grad herumgedreht, wodurch natürlich seine Einkristalleigenschaft großenteils zerstört wird. Klemmt man nun die Stäbe an einem Ende ein und belastet sie am freien Ende, so zeigt sich, daß der Stab, der die Drehung erfahren hat, dessen Einkristalleigenschaft also aufgehoben ist, etwa die zwanzigfache Belastung verträgt, ehe er eine größere Durchbiegung erfährt als der Einkristall. Wird auf einen Einkristallstab aus Kupfer vorsichtig ein gleichmäßiger Zug ausgeübt, so läßt er sich fast auf die doppelte Länge ausdehnen; dann endlich reißt er, aber in einer ganz bezeichnenden Weise, nämlich so, daß an der Rißstelle scharfe Schneiden entstehen. Solche und ähnliche Versuche zeigen, daß die Festigkeit der Metalle keine chemische Eigenschaft ist, also nicht etwa von ihren Atomen oder Molekeln herrührt, sondern nur von der Art, wie sich diese aneinanderschließen. Manche Metalle, wie z.B. Blei, zeigen nur eine geringe Neigung zur Verfestigung. Es ist die Frage, ob man durch tieferes Eindringen in die Bedingungen dieser Verfestigung schließlich auch lernen wird, solche Metalle in größerer Festigkeit oder in härterer Form herzustellen. Der ganze Zweig der Wissenschaft, von dem wir hier sprechen, steckt noch in den ersten Anfängen und stellt noch kein geschlossenes Gebiet dar; aber seine Bedeutung kann kaum überschätzt werden, denn keine Rohstoffe spielen in der Technik eine so überwältigende Rolle wie die Metalle. Die neueren Arbeiten haben gezeigt, daß wir gerade über ihre Eigenschaften und insbesondere über eine so wesentliche Eigenschaft wie die Festigkeit bisher noch ziemlich im Dunkeln tappen. Erst langsam beginnen die Früchte der neueren Untersuchungen zu reifen. Man hat z.B. schon gelernt, wie man das lästige Reißen der Metallfäden unserer Glühlampen, das auch auf Einkristalleigenschaften beruhte, vermeiden kann. Ungleich größere Ergebnisse sind von der Fortführung der Arbeiten für die Zukunft zu erwarten. Es wird hieran rüstig gearbeitet, und nicht unerwähnt soll bleiben, daß nicht nur die reinen Forschungsstätten sondern auch die Laboratorien unserer Großindustrie daran beteiligt sind: Unsere Kenntnisse vom Wesen der Einkristalle verdanken wir nicht zum geringsten Teil den Arbeiten im Wernerwerk der Aktiengesellschaft Siemens und Halske. Prof. Dr. Weilburg. C.Bach. Am 8. März d. Js. konnte einer unserer fruchtbarsten Techniker und der älteste Lehrer an den deutschen technischen Hochschulen seinen 80. Geburtstag begehen, in voller Frische und Leistungsfähigkeit, auch im Alter noch ein Vorbild der strengen Arbeit und Pflichterfüllung. Ueber sein Leben und seine Tätigkeit hat C. Bach selbst in einem fesselnden, leider nur für seine Freunde zu kurzem BucheC. B. „Mein Lebensweg und meine Tätigkeit.“ J. Springer, Berlin 1926. berichtet. Seine Anfänge reichen in die Zeit der noch nicht ganz festgelegten akademischen Verhältnisse, deshalb ist der Entwicklungsgang des angehenden Technikers weniger gleichmäßig gewesen, als jetzt zumeist, aber wohl zum Besten der Eigenart und Ursprünglichkeit des Gereiften. Selbst einer Handwerkerfamilie entsprossen und dann durch eigne Neigung der höheren technischen Tätigkeit zugeführt, hat Bach immer das Zusammenwirken aller Glieder des gewerblichen Lebens gefördert und besonders als Lehrer, unbeirrt durch irgend welche Voreingenommenheit, für die Lösung der vorliegenden Fragen nachdrücklich den jeweilig zweckmäßigen Weg gewiesen. Dem berüchtigten „Gegensatz zwischen Theorie und Praxis,“ der nur von der unzureichenden Einsicht der Benutzer zeugt, hat er den Boden entzogen und namentlich ihrem unheilvollen Einflüsse auf die Lehrweise der Technischen Hochschulen entgegengearbeitet. Darüber, namentlich über seine Arbeiten für die Festigkeitsprüfung der Baustoffe, berichtet Bachs schon erwähntes Buch. Er hat auf diesem Gebiete bahnbrechend gewirkt und in seiner langen Lehrtätigkeit in Stuttgart seit 1878 bedeutende Erfolge erzielt. Die Vielseitigkeit seiner Arbeiten und die Weite seiner Betrachtungen zeigt die zweite Hälfte des Buches, in die der Verfasser die Vorworte von seinem bekanntesten Werke über die Maschinenelemente aufgenommen hat und anschließend daran Aufsätze technischer und sozialer Art, sowie die stattliche Liste seiner laufenden literarischen Arbeiten. Immer stand bei ihm im Vordergrunde die Erziehung leistungsfähiger Techniker, bei der nicht nur die fachliche Seite Berücksichtigung fand, sondern auch der Grundsatz des Verfassers zur Wirkung kam: „Die Gesinnung ist das Maßgebende“. R. Mitteilung der Schriftleitung. Der Dampfkessel-Ueberwachungs-Verein „Berlin“ E. V. sendet uns zu dem Aufsatze von Herrn Dipl.-Ing. E. Gutmann in Heft 3 über die Behandlung des Dampfkesselspeisewassers berichtigende Bemerkungen, die wir nach ihrem wesentlichen Inhalt unsern Lesern gebührend bekanntgeben. Danach darf schon wegen der Verschiedenheit der Kesselspeisewässer das Kespurit nicht als ein Universalmittel angesehen werden, wie auch durch die Erfahrung festgestellt ist. Im allgemeinen sind überhaupt keine Verfahren zu empfehlen, die das Wasser im Kessel anstatt vor dem Kessel zu reinigen versuchen. Aus der Erwiderung des Herrn Verfassers des Aufsatzes ist zu entnehmen, daß Kespurit bei falscher Handhabung natürlich zu Mißerfolg führen wird, wie jede andere Speisewasser-Behandlung. Jedenfalls sei bei der Verwendung von Kespurit nicht ein einziger Kesselschaden nachzuweisen. Hinsichtlich der Wasser-Vorreinigung bezieht er sich auf: Schmid, „Reinigung und Untersuchung des Kesselspeisewassers,“ Stuttgart 1918; Schweisgut, Ztschr. d. Bayr. Rev. Ver. 1924; Die Wärme 1922, S. 515; Sachs. D.K.U.V. Chemnitz; Essener Anzeiger Nr. 13 1927 usw. Wegen der Kesselsteingegenmittel im allgemeinen führt der Herr Verfasser noch an die Schrift von Prof. Blacher „Das Wasser in der Dampf- und Wärmetechnik.“ Die Schriftleitung.