Titel: 200 Jahre Bleistift-Industrie.
Autor: Landgraeber
Fundstelle: Band 342, Jahrgang 1927, S. 282
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200 Jahre Bleistift-Industrie. 200 Jahre Bleistift-Industrie. Der Bleistift gehört zu denjenigen Erzeugnissen, die eine verhältnismäßig lange und wechselvolle Geschichte hinter sich haben. Auf fast allen Betätigungsgebieten wie Wissenschaft, Kunst, Industrie und Handel übte er einen nicht unbedeutsamen Einfluß aus. Hervorgegangen ist er aus den zugespitzten Stäbchen der alten Römer, mit denen diese Schriftzeichen in Wachstafeln eingruben. Die älteste noch erhaltene Spur eines Bleistiftstriches findet sich auf dem Teophilus-Manuskript in der Bibliothek zu Wolfenbüttel und stammt aus dem Jahre 1125. Wie diese feinen Graphitlinien in dieses Manuskript gelangt sind, ist nicht mehr festzustellen, da Theophilus den Graphitstift anscheinend noch nicht gekannt hat, Albrecht Dürer (1471 bis 1528) benutzte einfaches Bleimetall als Zeichenman Blei- oder Bleizinn-Legierungen durch Graphit der Name Bleistift her. Er wurde beibehalten, als man Blei- oder Bleizinn-Legierungen durch Grafit ersetzte. Die Ursache ist darin zu suchen, daß Graphit ebenfalls die bleigraue, metallische Farbe, die Weichheit und die Abfärbbarkeit wie das Bleimetall besitzt. Man hat sogar lange Zeit Graphit für ein bleihaltiges Mineral gehalten. Vermutlich wurde Graphit an Stelle von Blei als, „Flandrischer Stein“ (Cäesalpin 1596) zuerst in Italien zum Schreiben und Zeichnen verwandt. In der Mitte des 16. Jahrhunderts gab die Entdeckung eines ausgezeichneten Graphit-Vorkommens zu Borrowdale in Cumberland Anstoß zu einer fabrikmäßigen Herstellung von natürlichen Graphitstiften. Die Güte und vorzügliche Reinheit des aus der Erde gewonnenen Materials gestattete, es unmittelbar in Stäbchen zu schneiden, die zwischen Holzstreifen festgeklemmt wurden. Anfänglich nannte man diese Naturstifte Aschblei, Wasserblei oder Weißblei. Sie waren die eigentlichen Vorläufer unserer Bleistifte. Ihre Herstellung gelangte von England bereits Ende des 16. Jahrhunderts nach Deutschland, wo diese Kunst vornehmlich in Nürnberg, der klassischen Bleistiftstadt Europas, geübt wurde. Friedrich Staedtler (1662) wird lt. Urkunde als erster „Bleiweißstiftmacher“ erwähnt. Von Abraham a Santa Clara ist uns ein Bild von einer Werkstatt eines deutschen Graphitstiftmachers (1711) überliefert. Die Erschöpfung der vorbenannten Graphitgewinnungsstätte und der gesteigerte Verbrauch an diesem Industrieerzeugnis lehrten später auch mindergute Graphitsorten hierfür zu verwenden. Außer in England hatte man in anderen Ländern ein hierfür verwendbares Rohmaterial inzwischen gefunden. Das Graphit-Vorkommen bei Passau in Niederbayern, das schon seit zweitausend Jahren ausgebeutet wurde, wurde zur Belieferung des Rohmaterials herangezogen. Zur Herstellung von Graphitstiften war der Passauer Graphit wegen seiner Verwachsung mit anderen Substanzen nicht unmmittelbar zu Schreib- oder Zeichenzwecken verwendbar. Er mußte erst geläutert werden. Im Jahre 1726 ging man in Stein bei Nürnberg erstmalig dazu über, dieses Material für die Bleistiftenmacher zu verwenden. Einer der Pioniere dieser Industrie ist Kaspar Faber, der Gründer der heutigen Weltfirma. Er brachte diese junge Industrie zu hoher Blüte. Auch die bayerische Regierung begünstigte sie und errichtete später in Obernzell bei Passau eine Fabrik mit vervollkommneten Maschinen und sonstigen Einrichtungen. Im Jahre 1821 ging diese in die Hände der Gebr. Rehbach über und wurde 1836 nach Regensburg verlegt. Damals schmolz man Graphit mit Schwefel zusammen und formte die Schmelze zu Kuchen, die in Platten und Stäbchen zerschnitten wurden. Diese wurden alsdann in Holzstäbchen mit einer Rinne eingelegt. Die Schwefelschmelze erwies sich jedoch als wenig brauchbar. Ebenso ungeeignet waren andere Bindemittel wie Leim, Harz, Gummiarabikum und dergl. Einen bedeutsamen Fortschritt war die Erfindung, das Rohmaterial für Bleistifte aus einer Mischung von Graphit und Ton herzustellen, die zuerst von Conté und später von Hardtmuth angewandt wurde. Dieses Verfahren hat sich bis auf den heutigen Tag erhalten. Die beiden Ausgangsstoffe, insonderheit der Graphit, werden so fein wie möglich gemahlen, zu Kuchen gemischt und getrocknet. Alsdann werden sie in sogenannten „Bleimühlen,“ das sind kleine Mahlgänge, in nassem Zustande tage- und wochenlang verarbeitet. Der so entstehende Brei wird entwässert und zu einem zähen Teig getrocknet. Sodann preßt man das Endprodukt durch kleine Oeffnungen der sogenannten „Bleipresse“ zu runden oder kantigen Stäbchen, die durch nachträgliches mehrstündiges Ausglühen in Graphitschmelztiegeln die gewünschte Festigkeit erhalten. Die so entstandenen „Minen“ werden zu Bleistiften in Holz aus Floridazeder (für ganz feine Sorten), Lindenholz oder andere Holzarten gefaßt. Zur Herstellung von Kopier-, Tinten- oder Farbstiften bedient man sich des Farbstoffes Methylviolett. Der Farbträger ist entweder Graphit oder Kaolin, Talkum oder Speckstein. Das Methylviolett ist im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Ansicht völlig ungiftig. Der wesentliche Bestandteil unserer heutigen Bleistifte ist der Graphit. Er ist ein Kohlenstoff, der uns bekanntlich kristallisiert in zwei Formen in der Natur entgegentritt, nämlich als Diamant und als Graphit. Trotz der gleichen chemischen Beschaffenheit beider sind die physikalischen Eigenschaften grundverschieden: der Diamant ist das härteste Mineral, der Graphit gehört zu den weichsten, der Diamant ist im allgemeinen wasserhell, durchsichtig, spröde, der Graphit stets undurchsichtig, schwarz, sehr geschmeidig. Durch die röntgenographischen Forschungen der letzten Jahre, die uns einen Einblick gewährt haben in dem Atomaufbau beider Minerale, sind wir in der Lage, auch für das verschiedene physikalische Verhalten den Grund zu finden. Wir wenden hier nur dem Graphit unsere Aufmerksamkeit zu. Was zunächst seine Entstehung betrifft, so sind die Ansichten geteilt. Der Graphit tritt nämlich einerseits in Gesellschaft solcher Gesteine auf, von denen wir mit Sicherheit wissen, daß sie ehemals durch Wasser abgesetzt wurden. Andererseits bildet er einen Gemengteil in sogenannten Eruptivgesteinen, die aus schmelzflüssigem Zustande erstarrt sind, welchen Prozeß wir an unseren heutigen Vulkanen noch studieren können. Im ersteren Falle sagen uns die vielfach beobachteten Uebergänge des Graphits in Kohle, daß ihm dieselbe Entstehungsweise zukommen muß, wie den Kohlen selbst. Daß wir aber letztere auf veränderte pflanzliche Reste zurückzuführen haben, das ist heute unzweifelhaft bewiesen. Es muß also auch der Graphit organischer Herkunft sein. In jungen, unveränderten Absatzgesteinen aber finden wir niemals Graphit, sondern nur in solchen, die im Laufe geologischer Zeiten eine weitgehende Veränderung erfahren haben, entweder dadurch, daß sie in tiefere Regionen der Erdrinde gelangt sind, wo sie unter hohem Druck und hoher Temperatur entstanden, oder im Kontakt mit glutflüssigen Magmen lange Zeit durchwärmt wurden. Um sich da den veränderten physikalischen Verhältnissen anzupassen, muß das Gestein seinen Mineralbestand ändern, es kristallisiert um und nimmt ein anderes Gepräge an. Wir nennen solche Gesteine metamorphe Gesteine. Die dem Ausgangsprodukt beigemengten pflanzlichen Stoffe machen da eben jene Veränderung durch, die wir als den Prozeß der Inkohlung bezeichnen, dessen Endprodukt unser Graphit darstellt. Im anderen Falle, wo der Graphit Gemengteil eines Eruptivgesteines ist, war die Annahme naheliegend, daß er anorganischer Herkunft sein müsse. Doch zeigt auch hier die geologische Beobachtung, daß mit großer Wahrscheinlichkeit der Kohlenstoff beim Durchbruch des Magmas durch kohle- und graphithaltige Schichten aufgenommen und bei der Auskristallisation wieder als Graphit ausgeschieden wurde. Es wäre also auch hier der Graphit seiner Herkunft nach organisch. In Deutschland befindet sich das bedeutendste Vorkommen in der Gegend von Passau–Wegscheid. Weitere Vorkommen befinden sich in der Oberpfalz bei Thirschenreuth, Flosberg, Wampenhof und Wilden. Vereinzelte Fundpunkte liegen in Oberfranken bei Wunsiedel, Hofenberg, Friedrichsburg sowie bei Zwiesel im Bayerischen Wald. Auch in Thüringen bei Friedrichsroda, in Sachsen- bei Röhrdorf und in der Rheinpfalz bei Konken und Diedelkopf sind Vorkommen bekannt. In Niederösterreich wurde das sog- „Hafnergewerbe“ aus dem dort gewonnenen erdigen Graphit, „Tachet“ geheißen, schon im Mittelalter betrieben. Die bedeutendsten außereuropäischen Graphitlagerstätten befinden sich auf den Inseln Ceylon und Madagaskar. Während Ceylon mit etwa 300 Graphitvorkommen bislang den Hauptbedarf der Welt deckte, datiert die bergmännische Ausbeutung der Fundstätten auf Madagaskar erst seit zwei Jahrzehnten. Der Ceylongraphit zeichnet sich durch einen hohen, fast reinen Edelgehalt an Kohlenstoff aus, so daß eine besondere Läuterung unterbleiben kann. Weitere Graphitlager befinden sich in Nordamerika in der Gegend von Adirondak sowie in Kalifornien und Canada. Neuzeitlich beginnt man die Graphitvorkommen in Sibirien, sowie im schwedischen Nordland bei Nunaswaara und Wittange auszubeuten. Kürzlich sind große Graphitlager in Grönland entdeckt worden. Auch in Rußland, im Tomsker Steinkohlenbecken bei Bachta, Fatianicha sind Graphite bekannt geworden. Um den Rohgraphit, wie er in den Gruben gewonnen wird, verwenden zu können, muß er in den meisten Fällen einer eingehenden Aufbereitung unterzogen werden. Die Läuterung besteht vornehmlich darin, ihn von den mit ihm vergesellschafteten Verunreinigungen, wie Silikate, Eisen, Ton, Glimmer, Schwefelkies u.a.m. zu befreien. Dank der neuen Fortschritte auf dem Gebiete der Aufbereitungstechnik ist man imstande, ein Produkt zu liefern, das dem Ceylongraphit an Güte ebenbürtig ist. Der Vorgang bei der Aufbereitung besteht in der Anreicherung des Rohmaterials, das etwa 10–30 Proz. Kohlenstoff enthält, auf 60–90 Proz. Hierfür kommen mehrere Methoden in Frage. Die älteste Methode ist die Trockenaufbereitung. Hierbei wird das in Steinbrechern, Kollergängen und Walzwerken zerkleinerte Gut auf Mahlgängen, ähnlich wie in der Weißmüllerei, vermählen. Um es von den schädlichen Schwefelverbindungen zu reinigen, wird es, ehe es auf die Mahlgänge gelangt, in Drehöfen mit einer Temperatur von 400–500° geröstet. Während des Mahlprozesses gelangt es mehrere Male auf Siebe aus Seide oder Drahtgewebe, wobei es von den unhältigen Stoffen gereinigt und immer weiter angereichert wird. Das Endprodukt dieses Mahlverfahrens ist ein Flins von 80–95 Proz. Als Abfall erhält man einen Staub von 20–35% C je nach der Beschaffenheit des Rohmaterials. Der großschuppige Graphit findet Verwendung zu Schmelztiegeln. Die kleinflinzigen Produkte werden weiter vermählen bis ein Erzeugnis entsteht, das so fein ist wie Puder. Dieser Pudergraphit findet Verwendung zu Bleistiften u.a.m. Die abfallenden Staube, die man bis vor kurzem nur schwer absetzen konnte, werden neuerdings weiter verarbeitet. Mittels des sog. Schwimmverfahrens kann man aus diesem Staub einen Puder herstellen, der 70–80% C enthält. Mit diesem neuen Aufbereitungsverfahren ist es möglich, den Kohlenstoffgehalt fast restlos aus dem Roherz herauszuziehen. Nur etwa 5–6 Proz. gehen mit dem Abwässern des Schwimmverfahrens verloren. Der Vorgang beim Schwimm- oder Flotationsverfahren ist kurz folgender: Der fast bis auf kolloidale Feinheit zerkleinerte Rohgraphit wird in mit etwas angewärmtem Wasser gefüllte Rührwerke aufgegeben, gleichzeitig setzt man dem Wasser ein Flotationsöl zu und läßt die Mischung kräftig in Bewegung bringen. Durch eine Rohrleitung wird in die so entstandene Flotationsbrühe komprimierte Luft eingepreßt. Fast sofort nach Einblasen der Luft und Inbetriebsetzung des Rührwerkes erfolgt in der Schwebe die Trennung der Graphitpartikelchen von dem unhältigen Gesteinsmaterial. Der Graphit mit dem Oel treibt an die Oberfläche und wird abgeschöpft, während das Unhältige im Rührkessel zurückbleibt und, nachdem aller Graphit herausgezogen ist, als Abwasser entfernt wird. So einfach das Verfahren nunmehr vor sich geht, so schwierig gestalteten sich die Versuche, um ein für Graphitflotation geeignetes Oel herauzufinden. Dieses Oel ist nach den neueren Erfahrungen ein billiges, kreosothaltiges Braunkohlenteeröl. Der sog. Graphitpuder muß alsdann noch durch Rösten von dem Flotationsöl befreit werden, was weiter keinerlei Schwierigkeiten bereitet. Gleichzeitig wird er dabei getrocknet. Ein anderes Graphitaufbereitungsverfahren ähnelt den Methoden der üblichen Erzaufbereitung. Auch hierbei wurden in letzter Zeit Verbesserungen getroffen. Der vorzerkleinerte Rohgraphit, wie er aus der Grube kommt, wird einer Rohrmühle zugeführt und darin durch Mahlen mit Wasser aufgeschlossen. Auf Schüttelherden wird das Mahlgut weiter behandelt, bis eine Anreicherung auf 60–80 Proz. erreicht ist. An Stelle der gebräuchlichen Schüttelherde werden neuerdings sog. Schüttelsiebe verwandt, die sich befriedigend bewährt haben. Auf den Schüttelherden wird das Produkt gleichzeitig teilweise von Schwefelkies befreit. Mittels der Schüttelherde und -Siebe wird lediglich der Gehalt von Flinsblättchen aus dem Rohgraphit gewonnen. Die kleinen, feinen Kohlenstoffteilchen gehen in die sog. Berge auf die Halde. Aus diesem Material den Kohlenstoff restlos zu gewinnen, ist schwierig und kostspielig, da das Bergematerial zuvor erst wieder abgeröstet werden muß, um es zu Flotationszwecken in einen geeigneten Zustand zu versetzen. Da außerdem die kolloidale Feinheit in den Rohrmühlen nicht erreicht worden ist, muß es meist nochmals zerkleinert werden. Durch längeres Lagern auf der Berghalde verliert das Material außerdem einen beträchtlichen Teil seiner Geeignetheit für die Aufbereitung mittels Flotation. Das von den Schüttelherden kommende Flinsmaterial wird durch sog. Nutschen und neuerdings durch Saugtrockner entwässert. Da der Feuchtigkeitsgehalt noch 10–20 Proz. beträgt, wird er restlos in Drehöfen beseitigt, in die das Material alsdann gelangt. In den Drehöfen findet durch schwaches Ausglühen gleichzeitig die Austreibung des etwa noch vorhandenen Schwefelgehaltes statt. Die Endprodukte enthalten ungefähr 80–90 Proz. Kohlenstoff. In neuerer Zeit ist die Nachfrage nach Graphitpuder erheblich gestiegen. Ein beträchtlicher Teil der so gewonnenen Schuppengraphite wird infolgedessen auf Puder vermählen. Die bei der Puderfabrikation anfallenden Staube, die immerhin noch einen Kohlenstoffgehalt von 30 Proz. aufweisen, werden entweder so, wie sie sind, an Gießereien oder an chemische Fabriken abgesetzt, die sie mit Flußsäure zu einem hochwertigen Puder bis zu 99% C aufarbeiten. Ein gewisser Teil dieser Staube wird auch wohl durch das Flotationsverfahren weiter extrahiert und zur Puderherstellung verwendet. Außer den bereits erwähnten Aufbereitungmethoden sind neuerdings in Deutschland Versuche gemacht worden, den Rohgraphit unmittelbar zu flotieren. Die Art der Aufbereitung findet Verwendung beim Gröndal- und Appelquistverfahren. Neuere Versuche einer elektrothermischen Aufbereitung von Graphit in luftdicht gebauten Oefen haben ganz erfreuliche Resultate ergeben und einen Reingraphit von 99 Proz. hervorgebracht. Der Graphitpuder gelangt so fein wie bestes Mehl an die Bleistiftfabriken und wird hier trotz größter Feinheit nochmals tage- und wochenlang gemahlen, ehe er für Bleistifte brauchbar ist. Landgraeber.