Titel: Schonung der Kohle bei der Entladung aus Eisenbahnwagen.
Autor: Carl Weicken
Fundstelle: Band 343, Jahrgang 1928, S. 42
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Schonung der Kohle bei der Entladung aus Eisenbahnwagen. Von Dr.-Ing. Carl Weicken, Berlin. WEICKEN, Schonung der Kohle bei der Entladung aus Eisenbahnwagen. Während bei Gasanstalten, wo die Kohle so wie so gebrochen wird, die Wertminderung der Kohle ohne Belang ist, liegt dieses bei den Betrieben, bei welchen die Kesselfeuerung auf eine bestimmte Kohlensorte eingerichtet ist, wesentlich anders. Hier ist die Wertminderung der Kohle, die sich durch die Grusbildung bei der Entladung zeigt, insofern außerordentlich nachteilig, als durch Beimengung von Grus die Anlage nicht genügend ausgenutzt werden kann. Ueber die Höhe der Wertminderung herrscht vielfach noch ungenügende Kenntnis. Während man bei einigen Betrieben die Kohle prüft, unterläßt man dieses in sehr vielen anderen Fällen. Meist wird auch die Prüfung der Kohle nur im Eisenbahnwagen bei der Ankunft vorgenommen, nicht aber nach der Entladung, so daß die entstandene Minderung nicht bekannt wird. Um die Bedeutung der Wertminderung und damit die Notwendigkeit der Schonung der Kohle zu ermessen, sei zum Beispiel erwähnt, daß nur für den Umschlagsplatz Duisburg-Ruhrort jedes Prozent der Kohlenminderung bei einem Durchschnittspreis der Kohle ab Zeche von RM. 20.– pro Tonne und bei einem Umschlag von durchschnittlich 3000 Wagen zu je 17,5 t, also gleich rd. 52500 t, einen täglichen Verlust von RM. 10 500 darstellt. In Wirklichkeit ist die Wertminderung jedoch nicht 1 %, sondern beträchtlich mehr. Die Schonung der Kohle ist daher bei der Wahl der Entladeart und der Berechnung der Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen. Um die Höhe der Grusbildung zu ermitteln, sind schon verschiedene Untersuchungen und Rundfragen vorgenommen worden. Reedereidirektor Reschowski gibt im Jahre 1902 die Grusbildung beim Kippen für weiche Kohle zu 8 %, bei harter Kohle zu 5 % an, Bergrat Zoerner zu 8,5 % bei weicher und 4,7 % bei harter Kohle. Die Angaben von Baurat Stelkens, durch Rundfrage ermittelt, bewegen sich zwischen 2 und 5 %. Schilling untersuchte die Grusbildung beim Gleiten sowohl bei einer Neigung von 60, 45 und 30° und beim Fallen aus verschiedenen Höhen einerseits auf harte Unterlagen (Eisen, Holz, Steine usw.) mit oberschlesischer Förderkohle von verhältnismäßig mürber Beschaffenheit, andererseits auf Kohle selbst als nachgiebigere Unterlage. Das Untersuchungsergebnis ist in der Abbildung zusammengestellt. Diese Kurven besagen, daß das Gleiten der Kohle auch bei starker Neigung stets dem Fallen wegen der größeren Schonung der Kohle vorzuziehen ist. Bei einem Wirtschaftlichkeitsvergleich der hauptsächlichsten in Frage kommenden KohlenentlademöglichkeitenEin ausführlicher Vergleich ist in meinem Buch „Kohlenentladung aus Eisenbahnwagen“ Beuth-Verlag, G. m. b. H., Berlin S. 14., Dresdener Straße 97, Preis 3.50 RM, enthalten. a) aus Einheits-20-t-O-Wagen1. von Hand,2. durch Becherwerk,3. durch Selbstgreifer,4. durch Kipper, b) aus 50-t-Kübelwagen, c) aus 50-t-Selbstentladewagen legte ich einer Rundfrage die von Schilling ermittelten Werte zugrunde. Die daraufhin erhaltenen Antworten schwankten für die verschiedenen Entladearten und Kohlensorten außerordentlich. Es scheint die Art der Kohle für die Grusbildung von weit größerem Einfluß zu sein als die Höhe des Falles und die Länge und der Winkel des Gleitens. Die geringste Grusbildung ist wohl immer noch bei der Handentladung möglich, wenn bei besonders schonender Behandlung der Kohle die Entladezeit vergrößert wird. Bei der Becherentladung, welche hauptsächlich durch den sogenannten Heinzelmann-Entlader erfolgt, greifen besonders die Schnecken, welche die Kohlen dem Becherwerk zuführen, dieses außerordentlich an. Je großstückiger die Kohle ist, desto größer wird auch die Grusbildung. Bei Selbstgreifern tritt die Hauptwertminderung während des Greifens ein. Je großräumiger der Greifer, desto weniger zerstörende Greiferhübe sind zum Entladen der Wagen notwendig. Großstückige Kohle wird durch die Schneiden erheblich zerteilt. Bei der Entladung des Greifers kann die Schonung der Kohle dadurch berücksichtigt werden, daß der Greifer bis dicht über die Lagerstelle abgesenkt wird. Die eigentliche Rutschfläche an den Seiten des Greifers ist so gering, daß durch das Rutschen selbst keine wesentlichen Verluste eintreten. Bei den Kippern tritt der Hauptverlust durch den freien Fall in den Bunker oder von den Hochgleisen ein. Besonders in den Umschlagbetrieben muß das Bestreben darauf gerichtet sein, den freien Fall der Kohle möglichst auszuschalten. Dies wird erreicht 1. durch die Anbringung von Rutschen, 2. durch ausziehbare Fülltrichter und Ausziehrohre, 3. durch Zuleitung der Kohle in das Schiff oder auf die Lagerstelle mittels Förderbändern, 4. durch Verwendung besonderer Ladegefäße, 5. durch besondere Kipperbauarten. Rutschen müssen der wechselnden Höhe des Lagers, im Hafenumschlag dem wechselnden Wasserstand angepaßt werden können. In Hamburg z.B. beträgt der Unterschied zwischen Ebbe und Flut 1,9 m. Rutschen müssen daher durch Winden verstellbar eingerichtet sein. Ausziehbare Füllrümpfe sind bei den neueren Kippern in Duisburg-Ruhrort in Anwendung. Es besteht hierbei die Möglichkeit, die in die Fülltrichter gekippte Kohle so tief abzusenken und alsdann durch eine Schurre zu entleeren, daß ihre Fallhöhe gering bleibt. Bei diesen Füllrümpfen wird allerdings die Schonung der Kohle dadurch etwas beeinträchtigt, daß sie mit ziemlicher Wucht gegen die Wände des Füllrumpfes aufschlägt. Ausziehrohre haben sich besonders bei der Verladung in Seeschiffe eingeführt. Sie bestehen aus ineinandergreifenden Rohren, deren unteres bis auf das Material im Schiffe heranreicht. Der Trichter wird bis zum Hals gefüllt gehalten. Nach jeder Wagenentleerung wird die untere Röhre mittels Windwerk so weit gehoben, daß eine der Wagenentladung entsprechende Kohlenmenge austreten kann. Das Windwerk kann von Hand oder durch Motor angetrieben werden. Eine weitere Möglichkeit der Schonung der Kohle mit gleichzeitiger Anpassung an verschiedene Lagerhöhen bzw. an verschiedenen Wasserstand ist dadurch erreicht, daß der Kipper die Kohle auf dem Kai in einen Schüttrumpf kippt, von welchem aus sie durch einen schwenkbaren und in seiner Neigung verstellbaren Bandförderer in das Schiff geleitet wird. Bei der Seeschiffverladung ist auch ein Verfahren in Anwendung, die Kohle in ein großes Ladegefäß zu kippen, welches dann durch einen Dreh- oder Laufkran bis tief in das Schiff abgesenkt wird. Besondere Kipperbauarten, welche die Kohle außerordentlich schonen, sind fahrbare Kipperkatzenbrücken, welche den Wagen direkt bis in das Schiff dicht über der Lagerstelle zur Entladung bringen. Textabbildung Bd. 343, S. 42 Unbestreitbar erfolgt die größte Schonung der Kohle durch die Entladung aus Kübelwagen. Diese können ebenso wie die Greifer ihren Inhalt direkt über der Lagerstelle abgeben. Bei ihnen ist aber jede Zwischenbehandlung vermieden, weil die Kohle genau so wie sie in der Zeche in den Kübel eingefüllt wird, liegen bleibt bis zur Oeffnung des Kübels über der Lagerstelle oder über dem Schiff. Es wird vielfach von Gegnern der Kübelwagenentladung behauptet, daß die Kranführer zur Erzielung einer größeren Leistung die Kübel doch nicht bis dicht über die Lagerstelle absenken würden. Meine von den Kranführern nicht bemerkten Beobachtungen in dem hauptsächlichsten Kohlenumschlagsplatz dieser Art ergaben, daß bei umzuladender Stückkohle jeder Kübel bis dicht über den Kohlenstapel abgesenkt wurde. Daß bei Kohle, welche nicht so sehr geschont zu werden braucht, z.B. bei Feinkohle, im Interesse der Leistungssteigerung die Oeffnung des Kübels in zwei bis drei Metern Höhe über dem Stapel erfolgt, kann den Wert der Kübelwagen hinsichtlich der Schonung der Kohle nicht beeinträchtigen. Bei den Selbstentladewagen ist die Wertminderung der Kohle wohl die gleiche wie bei den Kippern. Die Angaben der Firmen bewegen sich im großen und ganzen im Rahmen der von Schilling aufgestellten Kurven, so daß diese als Anhalt für die Berechnung der Grusbildung dienen können. Als Beispiel der Wertminderung seien nachfolgend zwei Wertminderungsberechnungen durchgeführt. 1. Schaufeln von Hand aus 20-t-O-Wagen in Bunker zu ebener Erde, also bei einem Fall der Kohle in einer Höhe von 2 m, ergibt eine Grusbildung von 5 %. 2. Kippen von einem Hochgleise mit einem Fall von 4,5 m bewirkt für das Rutschen 3,8 m Transportlänge bei 45° zu 1,4 %, beim freien Fall 4,5 m Höhe = 15 %, also bei etwa 7 m Gesamthöhe 16,4 % Grusbildung. Stückkohle I kostet ab Zeche Mk. 19,90 je Tonne Fördergruskohle ab Zeche Mk. 13,68 je Tonne –––––––––––––––––––– Unterschied Mk. 6,22 je Tonne Demzufolge entspricht 1. Bei Handentladung 5 % Grusbildung = 0,31 Mk. = 1,55 % Preisverlust; 2. bei Kippern 7 m Höhe 16,4 % Grusbildung = 1,02 Mk. = 5,2 % Preisverlust. Diese Berechnungsart ist wohl als die vorteilhaftere anzusprechen, weil bei Kesselanlagen, die für Grus eingerichtet sind, dieser immer noch wertvoll ist, während er in anderen Feuerungen als Beigabe einen großen Nachteil bedeutet, so daß der wirkliche Verlust ein noch größerer ist als oben angegeben. Besondere Beachtung hinsichtlich der Schonung verdient der Koks. Oberbaurat Binder in Freiburg hat das Ergebnis seiner Untersuchungen in der Zeitschrift „Das Gas- und Wasserfach“ veröffentlicht. Er hat festgestellt, daß ausgekühlter trockener Stückkoks aus Kohle bei einem Fall aus 3 m Höhe 24 % Nußkoks, 23 % Perlkoks, 25 % Gruskoks bildet. Je größer die Stücke beim Koks sind, um so wertvoller ist er. Es wird daher die Gabelverladung von Hand die meiste Schonung bieten. Aus diesem Grunde wird zur möglichsten Schonung bei wertvollem großstückigem Koks z.B. in Duisburg-Ruhrort ein Zuschlag bis zu 100 % auf die üblichen Akkordsätze für die Entladung bezahlt. Selbstgreifer zerstören den Koks durch das Zerschneiden besonders stark.. Diese kurzen Andeutungen weisen nach, daß bei jeder Entladungsart der Schonung der Kohle zwecks Vermeidung nicht unerheblicher Verluste größte Beachtung zu schenken ist.