Titel: Sondergußeisen auf der Werkstoffschau.
Fundstelle: Band 343, Jahrgang 1928, S. 45
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Sondergußeisen auf der Werkstoffschau. Sondergußeisen auf der Werkstoffschau. Vergleicht man die Erzeugnisse der Eisengießerei der Jetztzeit mit den noch vor einigen Jahren üblichen, so muß man mit Befriedigung feststellen, daß man es auch auf diesem Gebiete mit Unterstützung der wissenschaftlichen Forschung verstanden hat, weitgehende Verbesserungen und Veredlungen des Gußeisens durchzuführen. Noch vor wenigen Jahren hätte man Zerreißfestigkeiten von 35 kg/mm2 bei Gußeisen für nicht erreichbar gehalten. Derartige Fortschritte sind denn auch den Eisengießereien dadurch zugute gekommen, daß durch eine solche Gütesteigerung des Werkstoffes die Querschnitte dünner gewählt, die Gewichte geringer werden konnten und infolgedessen das hochwertige Gußeisen mit anderen Metallen in Wettbewerb getreten und seine Verwendungsmöglichkeit größer geworden ist. Was aber bei dieser Betrachtung besonders erfreulich wirkt, ist die Tatsache, daß – man kann sagen – fast alle Vorschläge und Verfahren für die Verbesserung und Veredlung von Gußeisen deutschen Ursprungs sind. Wie auch immer diese Verfahren heißen und nach welchem Grundsatz sie auch immer arbeiten mögen, alle zielen sie darauf hin, die Güte des Gußeisens zu steigern, sei es in bezug auf die physikalischen und chemischen Eigenschaften, sei es in bezug auf ein bestimmtes Gefüge. Der Abnehmer von Gußeisen hat es demnach heute in der Hand, sich für dieses oder jenes Sondergußstück zu entscheiden, je nach den Eigenschaften, denen das Stück zu entsprechen hat. Die Eisengußstücke waren auf der Werkstoffschau nach ihren Verwendungszwecken ausgestellt. Diese zweckmäßige Anordnung ließ auf der einen Seite die zahlreichen Gebiete besser hervortreten, für die heute Gußeisen herangezogen werden kann, auf der anderen Seite wurden hierdurch die heute möglichen Güteziffern innerhalb der einzelnen Verwendungsgruppen für bestimmte Stücke zum Ausdruck gebracht. Für den Besucher war diese Unterteilung nach Verwendungszwecken aus dem Grunde praktisch, weil er sein Interesse den jeweilig für ihn in Frage kommenden Gruppen widmen konnte. In der Gruppe Automobilzylinder waren verschiedene Stücke mehr oder weniger verwickelter Bauart zu sehen, so ein Autozylinder mit Wasserkühlung von 35 kg Gewicht und 183 Brinellhärte, bei dem auf seine hohe Verschleißfestigkeit gegen gleitende Reibung, auf seine Gefügebeständigkeit bei hohen Betriebstemperaturen, dann auch auf seine große Dichte, seine Spannungs- und Lunkerfreiheit und seine Bearbeitbarkeit aufmerksam gemacht wurde. Von den zahlreichen anderen Zylindern ist ein 12-Zylindermotor zu nennen, der von der Kunst des Eisengießens Zeugnis ablegte. Es war dies ein Zylindermotor der gleichen Art, wie sie in dem Amerikaluftschiff LZ 126 eingebaut war. Diese Stücke, von denen namentlich das im Schnitt gezeigte besonders lehrreich war, benötigen nicht weniger als 36 Kerne und werden auf dem Fließband fertiggestellt. Sie besitzen eine Zerreißfestigkeit von 28,8 kg/mm2 und widerstehen einem Probedruck von 240 atm. Es handelt sich dabei um einen Sonderguß, der auch nach einem Sonderschmelzverfahren hergestellt wird. In der Gruppe für wärmebeständigen Guß wurden u.a. gezeigt 1 Lokomotivdampfkammer, 1 Dieselmotorkopf von 70 kg Gewicht und 200–220 Brinellhärte von hoher Wärmebeständigkeit und Dichte, dann 1 Rippenrohr von 36 kg Gewicht und 190–200 Brinellhärte, welcher Sonderguß sich namentlich für hohe Druckbeanspruchung infolge seiner Dichte und hohen Widerstandsfähigkeit gegenüber hohem Druck und infolge der Gleichmäßigkeit seines Gefüges trotz ungleicher Querschnitte eignet. Bei einem Rippenzylinder der gleichen Gruppe wurde hervorgehoben, daß dieser Werkstoff ein besonders festes und dichtes Gefüge aufzuweisen hat und daß die Graphitadern fein und gleichmäßig verteilt sein müssen, damit sein Widerstand gegen Verschleiß stark erhöht wird. Diese Eigenschaften sind durch zweckmäßige Gattierung, vor allem durch den Kohlenstoff- und Siliziumgehalt zu erreichen. Eine Gruppe für sich bildeten verschiedene Stücke aus hochwertigem Gußeisen, u.a. ein Gitterstück im Vergleich zu einem solchen aus gewöhnlichem Grauguß zur Feststellung der Eigenspannungen; bei dem Gitterstück aus gewöhnlichem Guß wurde beim Ausleeren des Stückes infolge der großen Eigenspannungen ein Stück abgesprengt, während das Gitterstück aus Sonderguß trotz der Querschnittsunterschiede spannungsfrei ist. Dann verdient ein Walzenstück mit großer Bruchfläche Erwähnung, bei dem das feine Korn von der Mitte des Stückes wie auch am Rand sichtbar war. Hier handelt es sich um gerütteltes Eisen, bei dem vor allem die Gleichmäßigkeit des Gusses betont wird. Infolge der Durchmischung durch den Rüttelvorgang im Vorherd werden die Blasen und etwaigen Schlackeneinschlüsse an die Metalloberfläche gefördert, so daß der Guß blasen- und schlackenfrei und dadurch gleichmäßig wird. Der Graphit wird dabei in weitgehendem Maße aufgelöst und verteilt. Das perlitische Grundgefüge ist mit Ferrit und Graphitstreifen durchsetzt. Von Interesse war sodann die Abteilung für Hartguß teils wegen der vielseitigen Verwendungsart von Hartguß, teils wegen der auffallend hohen erzielbaren Härtezahlen. Lassen sich doch heute in Hartgußwalzen Brinellhärten von etwa 500 erreichen. Hier waren zu sehen Riffelwalzen für die Getreidemüllerei, Glanzlederwalzen, Kaliberwalzen, Kalanderwalzen für Papiermaschinen, Walzen für die Salzvermahlung, dann gehörten zu dieser Gruppe Brechbacken, Platten für Kollergänge, Mahlscheiben, Preßformen, Führungsbacken u.a.m. In einer anderen Gruppe wurden Gußstücke für säurebeständigen Guß (Rohre, Schalen, Töpfe) siliziumreicher Guß gezeigt, dann solche für feuerbeständigen Guß (Roststäbe, Rostglieder, Schmelzkessel für Nichteisenmetalle), dann Maschinenguß mit besonderen magnetischen Eigenschaften (Dynamogehäuse, Elektromotorgehäuse), ferner allgemeiner Guß (Seilrollen, Ventile, Zahnräder, Getriebegehäuse, Deckel für Dieselmotoren, Kolben, Kolbenringe), Guß für Werkzeugmaschinen und für Eisenbahnoberbau (Schienenstühle, Weichenböcke, Laternenteller, Schaltkasten). Die ausgestellten Pianoplatten aus Gußeisen sind dadurch bemerkenswert, daß bei ihnen die Stifte für die Besaitung in einem Guß mit der Platte angegossen sind. Früher wurde dies so gehandhabt, daß die Platten angebohrt und die Stifte eingesetzt wurden; später ging man dazu über, schmiedeeiserne Stifte in die Platten einzugießen. Auch dies letzte Verfahren war sehr umständlich. Erst die neue Herstellungsweise des gleichzeitigen Gießens der Stifte mit der Platte ist vollkommen. Dabei ist es möglich, die Gußstifte in beliebigem Querschnitt und in jeder Länge, Stärke und Schräge anzugießen. Das Bohren bzw. das Einsetzen der Stifte fällt durch dieses Verfahren fort, was eine Ersparnis an Arbeit, Stoff und Zeit zur Folge hat. Die Platten können nach dem Gießen direkt in die Lackiererei gebracht werden. – Daß auch einige Eisengießereien noch den Kunstguß pflegen, bewiesen mehrere schöne Proben von Büsten, Wandschmuck, Gebrauchsstücken, Leuchtern u.a.m.