Titel: Technische Betrachtungen zum deutschen Ozeanflug.
Autor: P. Martell
Fundstelle: Band 343, Jahrgang 1928, S. 99
Download: XML
Technische Betrachtungen zum deutschen Ozeanflug. Technische Betrachtungen zum deutschen Ozeanflug. Angesichts des Welterfolges des deutschen Ozeanfluges mögen die nachfolgenden technischen Betrachtungen eine gewisse Beachtung verdienen. Für die siegreichen deutschen Ozeanflieger stand von Anfang an bei der technischen Durcharbeitung des ganzen Flugplanes die Brennstofffrage weitaus im Vordergrund. Das brennstofftechnische Durchhalten des Fluges war mit das Entscheidende. Zunächst galt es, das Gesamtgewicht des Flugzeuges zu Gunsten des Brennstoffes auf das denkbar kleinste Mindestgewicht herunterzudrücken. Demgemäß fiel auch die Wahl auf das leichtere Landflugzeug an Stelle des eigentlich logisch gegebenen Seeflugzeuges. Dieser mit voller Ueberlegung gefaßte Entschluß, lediglich zu Gunsten der mitführbaren Brennstoffmenge das im Gesamtgewicht leichtere Landflugzeug an Stelle des schwereren Seeflugzeuges zu wählen, hat durch den Erfolg die Bestätigung seiner Richtigkeit gefunden. Aller Voraussicht nach hätte eine Notlandung der Flieger mit einem Seeflugzeug im freien, weltenfernen Ozean kaum eine Rettung bedeutet, abgesehen davon, daß eine derartige Landung in einem Ozeansturm ohnehin praktisch kaum durchführbar ist. Aus dem gleichen Grunde der Gewichtsfrage des Flugzeuges wählten die deutschen Ozeanflieger auch nur einen einziger Motor, so daß die geringste motorische Störung aus Mangel eines Ersatzmotors, der das Gewicht des Flugzeuges wesentlich vergrößert hätte, zum sicheren Untergang des Flugzeuges führen mußte. Alles war also auf die Brennstoffrage eingestellt, da vom Brennstoff und der mitführbaren Menge das Gelingen des Ozeanfluges im technischen Sinne im wesentlichen abhing. Bei dem zur Verwendung gekommenen Junkers-Flugzeug, Bauart W 33, handelt es sich um einen verspannungslosen freitragenden Tiefdecker, um ein typisches Post- und Frachtflugzeug, ganz aus Duralumin hergestellt. Lediglich für die Verbindungsstellen zwischen Rumpf und Tragfläche gelangte hochwertiger Stahl zur Verwendung. Gleich allen Junkersflugzeugen besteht auch bei dem Amerika-Flugzeug die Tragfläche aus Rohrholmen. Der auf das Flächenmittelstück aufgebaute Rumpf setzt sich aus einigen Hauptspanten zusammen, die durch Duraluminprofile verbunden und mit Wellblech beplankt sind. Der benutzte 280/310 P.S. Junkers-Flugmotor, Bauart L 5, ist vorn mit einem Junkers-Glanzmetall-Einstellerpropeller ausgerüstet, also mit einer Metalluftschraube. Der wassergekühlte Sechszylinder-Viertaktmotor arbeitet mit 1500 Umdrehungen in der Minute. Der Oelverbrauch stellt sich auf 7 bis 10 g/P Se in der Stunde. Das Gewicht des Motors beträgt 315 kg; die Bohrung 160 mm und der Hub 190 mm. Hinter dem Motor befinden sich die beiden Führersitze mit der Schaltwarte. Eine zwischen den Sitzen befindliche Tür gestattet den Zugang zu dem Frachtraum. Die Abmessungen des Amerika-Flugzeuges sind im Einzelnen: 17,75 m Spannweite, 10,5 m Gesamtlänge und 43 qm Tragfläche. Die normalerweise in die Tragflächen eingebauten Brennstoffbehälter wurden bei der „Bremen“ durch drei im Frachtraum untergebrachte Brennstoff-Benzolbehälter ergänzt. Daneben befanden sich 200 kg Oel als Schmiermittel an Bord. An Benzol wurden insgesamt 1900 kg mitgeführt. Da sich das Leergewicht der „Bremen“ auf 1360 kg stellt, betrug das Startgewicht einschließlich Besatzung, Instrumenten und Proviant rund 3700 kg. Das Flugzeug entwickelt bei normalem Wetter eine Reisegeschwindigkeit von rund 150 km in der Stunde. Da bei dem Ozeanflug ein mit siebenfacher Verdichtung arbeitender Motor zur Verwendung kam, verbot sich der Benzinbetrieb von selbst. Benzin ist infolge seiner geringen Kompressionsfestigkeit in derartigen Motoren nicht mehr benutzbar. Motoren mit einer siebenfachen Verdichtung erfordern unerläßlich hochkompressionsfestes Benzol. Die Frage, aus welchem Grunde beim deutschen Amerikaflug die Wahl auf einen hochverdichtenden, und nicht niederverdichtenden Motor fiel, ist sehr einfach zu beantworten. Denn der hochverdichtende Motor arbeitet in dem Sinne wirtschaftlicher, daß er weniger Brennstoff für die Pferdekraftstunde gebraucht, so daß mit einer kleineren Brennstoffmenge die gleiche Strecke geflogen werden kann. Es ist der Sachlage nach mit Sicherheit anzunehmen, daß bei Gebrauch eines niederverdichtenden Motors auch der deutsche Amerikaflug mit einer Katastrophe geendet hätte, da beim Benzinbetrieb alsdann der Brennstoffmangel zweifellos bereits eingetreten wäre, bevor die Flieger das amerikanische Festland erreicht hätten. Bereits bei dem Dauerflug-Weltrekord im August 1927, der mit dem gleichen Junkers-Motor L 5 bestritten wurde, gelangte das auch bei dem deutschen Amerikaflug benutzte B.V.-Benzol zur Verwendung, das gegenüber Benzin den wertvollen Vorteil hoher Kompression besitzt. Praktisch gleichbedeutend mit erheblicher Leistungserhöhung und Verminderung des Brennstoffverbrauches. Während beim Benzin die normalen Verdichtungsgrade auf 1 : 5 bis 1 : 5,5 lauten, hat man den für den Ozeanflug benutzten Junkers-Motor auf einen Verdichtungsgrad von 1 : 7 gebracht. Damit entfiel die Betriebsmöglichkeit mit Benzin, während der Benzolbetrieb an Ersparnis und Leistungssteigerung einen Vorteil von etwa 10 bis 15 Prozent gewährleistet. Versucht man auf Grund einer überschläglichen Rechnung sich über die für den Ozeanflug so entscheidende Brennstoffrage Klarheit zu verschaffen, so ergibt sich etwa folgendes Bild. Nach den vorliegenden Angaben leistet der Junkers L 5-Motor normalerweise max. 310 PS bei einem Brennstoffverbrauch von etwa 210 g/PS Std. Im gewöhnlichen Fluge erfährt der Motor eine Drosselung auf etwa 200 PS, wobei sich ein Brennstoffverbrauch von etwa 230 g/PS Std. bei einer Fluggeschwindigkeit von 150 km/Std. ergibt. Der Stundenverbrauch an Brennstoff läßt sich hiernach auf 48 kg, d.h. ein Verbrauch von 320/kg/1000 km berechnen. Da die über den Ozean zurückzulegende Flugstrecke rund 5000 km beträgt, so würde ein normaler Sparflug über den Ozean einen Gesamtverbrauch von rund 1600 kg Brennstoff erfordern. Legt man beim Benzolbetrieb eine mögliche Ersparnis an Brennstoff von 15% zu Grunde, so würde sich einerseits entweder eine Gewichtsersparnis von 240 kg Brennstoff oder anderseits eine Vergrößerung des Aktionsradius von rund 750 km ergeben. Erweist sich jedoch die volle Leistung des Motors während des Fluges als notwendig, wie dies starke Gegenwinde oder eine schwerbeladene Maschine notwendig macht, so wird mit einem spezifischen Verbrauch von 210 g/PS Std. d.h. 65 kg je Stunde zu rechnen sein, wobei sich eine Stundengeschwindigkeit von 170 km bei 380 kg Benzolverbrauch auf 1000 km ergibt. Bei letzterer Berechnung erfordert die Flugstrecke von 5000 km einen Gesamtverbrauch von 1900 kg. Legt man die beim Benzol gegebene Gewichtsersparnis von 15% zu Grunde, so ergeben sich demgemäß 285 kg Brennstoff oder eine entsprechende Flugradiusvergrößerung. Nach den vorliegenden Berichten ist angesichts der gekennzeichneten Sachlage in der Brennstofffrage die Feststellung von großem Wert, daß das Benzol den deutschen Ozeanflug technisch gewissermaßen sicherstellte und den Fliegern mittelbar das Leben rettete. Die Landung auf der kleinen Insel Greenly Island wäre ohne die 15% Verlängerung des Flugradius nicht möglich gewesen, so daß beim Gebrauch eines anderen Brennstoffes die „Bremen“ mit größter Bestimmtheit einige 100 km vor der rettenden Küste im Ozean versunken und verschollen wäre. Unverkennbar zeigt der so glücklich und erfolgreich verlaufene deutsche Ozeanflug, daß trotz Berücksichtigung aller nur denkbaren Sparmaßnahmen die Berechnung des Brennstoffverbrauchs eine sehr knappe war. Die Sicherheitsreserven waren recht schwach und für dauernd ungünstige Windverhältnisse kaum ausreichend. Das ausländische Benzin hätte bei der gegebenen Sachlage versagen müssen, um so erfreulicher der Erfolg des deutschen Edelkraftstoffes Benzol. Im Vordergrund des deutschen Amerikafluges steht natürlich die geniale, von unerhörter Tatkraft getragene sportliche Leistung der deutschen Flieger. Nichtsdestoweniger gibt der deutsche Amerikaflug klare Fingerzeige für die künftige Entwicklung des Ozeanfluges im allgemeinen. Als nächstes Ziel ist noch eine weitere Vervollkommnung der Brennstoffausnutzung des Motors und die damit gegebene Erhöhung des Flugaktionsradius zu erstreben, wenngleich nach dem gegenwärtigen Stand der Technik die Höchstgrenzen erreicht scheinen. Aber auch die Schaffung weiterer hochwertiger Brennstoffe scheint geboten. Zu den sicher nicht einfach liegenden Problemen des Ozean-Luftverkehrs gehört schließlich auch die Organisation von Glugetappen, etwa in der Form von schwimmenden Tank- und Ruhestationen auf See, welche die Flugsicherheit zweifellos erhöhen würden. Wohl mit das schwierigste Problem des Ozean-Luftverkehrs, der sich schließlich nur dann entwickeln kann, wenn seine Wirtschaftlichkeit sichergestellt erscheint. Das setzt eine größere Passagierbeförderung voraus, die nach dem gegenwärtigen Stand der Flugzeugtechnik nur dann möglich wird, wenn die an Bord mitzuführenden Brennstoffmengen sich wesentlich herabsetzen lassen. Einen Ausweg aus dieser Schwierigkeit würde nur die Errichtung von schwimmenden Tank- und Ruhestationen auf See bringen, die allerdings bei praktischer Ausführung auf nicht unerhebliche maritime Schwierigkeiten stoßen dürften. Wie dem auch sei, zunächst wollen wir uns angesichts des glänzenden deutschen Ozeanfluges des Welterfolges der deutschen Fliegerei erfreuen, die sich damit sportlich und technisch mit an die Spitze gebracht hat. Dr. P. Martell.