Titel: Neuere Bestrebungen in der Schmiedetechnik.
Autor: H. Kalpers
Fundstelle: Band 344, Jahrgang 1929, S. 52
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Neuere Bestrebungen in der Schmiedetechnik. Von Dr.-Ing. H. Kalpers. KALPERS, Neuere Bestrebungen in der Schmiedetechnik. Unterscheidet man in der Schmiedetechnik das Freiformschmieden, d.h. die Herstellung beliebiger Schmiedestücke und das Gesenkschmieden, so dürfte zunächst in bezug auf das Freiformschmieden zu bemerken sein, daß der wichtigste Punkt, mit dem sich die Fachleute befaßt haben, die Antriebsart darstellt. Wie auf allen Gebieten, so ist auch hier die Frage der Wirtschaftlichkeit in den Vordergrund des Interesses gerückt worden. In der heutigen, jede Ersparnismöglichkeiten erheischenden Zeit ist anzunehmen, daß der Dampfhammer, der jahrzehntelang trotz der mit ihm verbundenen schlechten Wärmewirtschaft das Feld beherrschte, Gefahr läuft, für manche Zwecke von anderen Kraftquellen zurückgedrängt zu werden. So sind beachtenswerte Fortschritte an den Lufthämmern erzielt worden, an denen man Hammer und Kompressor vereinigte, um die aus der Leitung bei Zuführung der Druckluft von außerhalb sich ergebenden Verluste infolge des Undichtwerdens der Leitungen durch die Erschütterungen auszuschließen. Mit Luft betriebene Hämmer von 2000 und 3000 kg Fallgewicht (die letzten in Doppelständerbauart) gehören heute nicht mehr zu den Seltenheiten. Die Lufthämmer erfordern allerdings einen hohen Kraftbedarf. Der 2500-kg-Hammer z.B. bedingt eine Kraftaufnahme von etwa 220 PS bei maximaler Schlagleistung. Trotz dieses hohen Kraftbedarfes dürfte der Luftantrieb wirtschaftlicher sein als der Dampfantrieb; dies gilt namentlich, wenn es sich um mit Unterbrechungen arbeitende Betriebe handelt, wo auch während der mehr oder weniger großen Betriebspausen die Anlage betriebsbereit zu halten ist und infolgedessen beim Dampfantrieb kostbare Wärmemengen nicht verwertet werden. Allgemein wird der Preßluft vor dem Dampf der Vorzug zu geben sein, wenn sich eine großzügige Abdampfverwertung nicht lohnt, denn wenn die Möglichkeit einer billigen Erzeugung von Preßluft durch niedrige Stromkosten oder aus der Abhitze von Hochöfen besteht. Andererseits ist die Ueberzeugung durchgedrungen, daß für Größen von 50 bis 2500 kg der motorisch betriebene Lufthammer wirtschaftlicher ist als der Dampfhammer oder der Preßlufthammer, sofern eine einwandfreie Abdampfverwertung für den Dampfbetrieb nicht besteht Mit dem motorisch betriebenen Lufthammer ist es möglich, die Schlagstärke vom stärksten bis zum leichtesten Schlag einwandfrei einzustellen, Einzelschläge in beliebigen Folgen auszuführen, das Schmiedestück festzuhalten usw. Der an sich sehr gute Wirkungsgrad dieser Hämmer kann aber durch eine nicht unerhebliche Menge von Leerlaufstrom, den der Hammer verbraucht, auch wenn nicht geschmiedet wird, herabgesetzt werden. Diesem Fehler hilft eine sogenannte Leerlaufkupplung, wie sie z.B. von der A.G. Eumuco gebaut wird, ab, die den Hammerführer in die Lage versetzt, durch einen einzigen Handgriff den Hammer plötzlich still zu setzen und ihn ebenso plötzlich wieder in Betrieb zu nehmen. Auf die Weise werden selbst die kleinsten Schmiedepausen ausgenützt, während welcher Zeit Strom nicht verbraucht wird. Ein größeres Interesse hat das Gebiet der Gesenkschmiede seitens der Konstrukteure gefunden. In der Gesenkschmiede benutzt man bekanntlich in der Hauptsache Riemenfallhämmer, Brettfallhämmer, Seilfallhämmer und ferner die Oberdampfhämmer. Der zuletzt genannte Hammer wird zu dem Zweck der Gesenkschmiede derart gebaut, daß seine Ständer unmittelbar auf die Schabotte gesetzt und mit dieser elastisch verbunden sind. Für das Festspannen der Gesenke verwendet man schon wesentlich vollkommenere Einrichtungen als bei den bisher bekannten Fallhämmern. Daß trotzdem diese Hämmer noch keine besondere Verbreitung gefunden haben, hat seinen Grund in der geringen Lebensdauer der zum Anheben des Bares benutzten Kolbenstange, die mit dem Bär starr verbunden ist. Rechnet man doch nur mit einer Lebensdauer von 1 bis 6 Monaten. Dieser Nachteil gab Veranlassung zur Ausführung eines neuen Fallhammers, nämlich des Hammers Schneider-Urbanek. Der grundsätzliche Unterschied zwischen diesem und den früheren Hämmern besteht in der Kolbenstange, die bei der neuen Bauart auffallend dünn ist. Die Kolbenstange ist nicht mit dem Bär verbunden, sondern so beweglich angeordnet, daß ihr die Möglichkeit gegeben ist, im Augenblick des Aufschlagens des Bares auf das Schmiedestück einen größeren von dem zwischen den Gesenken vorhandenen Deformationsweg vollkommen unabhängigen Weg innerhalb des Bares zurückzulegen. Diese Möglichkeit wird durch einen sogenannten Katarakt oder Bremse geschaffen. Die Kolbenstange nimmt bei dieser Ausführung nicht mehr an dem Deformationsweg des Bares teil, vorausgesetzt, daß das Verbindungsorgan zwischen Kolbenstange und Bär einwandfrei arbeitet. Dies wird sowohl durch Behandlung der Verbindungsstelle z.B. mit Glyzerin als auch durch ein eingebautes Sicherungsglied erreicht, das beim Auftreten eines Fehlers selbsttätig reißt und dadurch als Alarmgerät wirkt. Bezeichnend für die Wirkung dieser Fallhämmerart ist, daß man geradezu sprunghaft die Fallgewichte gesteigert hat in der Erkenntnis, daß es viel wirtschaftlicher ist, ein großes Gesenkschmiedestück in einer einzigen Hitze fertigzustellen, als in 2 oder 3 Einzel-Arbeitsvorgängen wie früher. Nicht allein kleine, sondern auch die größten Achsen für Kraftwagen werden auf die Weise meistens in einer Hitze im Gesenk geschlagen. Derartige Hämmer sind mit Fallgewichten von 10, 12, 15, 18, 20 und 25 t in Betrieb. Der größte Hammer dieser Art von 25 t Fallgewicht hat am Unterteil des Bares, der zur Aufnahme des Gesenkes dient, eine Länge von 1700 mm, eine Breite von 1050 mrn, so daß die größte Länge des einzubauenden Gesenkes 2200 mm bei einer Breite von 1000 mm sein wird. Das Gewicht des Obergesenkes beträgt 6 bis 7 t, dasjenige des Bares etwa 18 ½ t. Die tiefste Sohle des Fundamentes liegt 10 m unter Flur und hat eine Basis von 11 × 11 m, während die größte Höhe des Hammers über Flur 9900 mm beträgt. Die Gewichte der unter solchen Hämmern hergestellten Gesenkschmiedestücke dürften zwischen 250 und 300 kg liegen. In den letzten Jahren haben die horizontalen Schmiedemaschinen erheblich an Bedeutung gewonnen. Man findet sie heute in Gesenkschmieden, Waggonfabriken, Eisenbahnwerkstätten, Kleineisenzeugfabriken, Maschinenfabriken aller Art, Kugellagerfabriken usw., dann aber besonders im Kraftfahrzeugbau. Ihre Verbreitung verdanken sie ihrer weitgehenden Verwendbarkeit und viele Gegenstände, die früher von Hand, unter Hämmern oder Pressen geschmiedet oder sogar aus Stahlguß oder Temperguß hergestellt wurden, lassen sich heute billiger auf diesen Schmiedemaschinen gewinnen. Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der horizontalen Schmiedemaschinen wird oft der Anzahl der herzustellenden Stücke insofern eine zu große Bedeutung beigelegt, als Bedenken gegenüber der angeblich großen Zeitbeanspruchung für das Auswechseln der Werkzeuge laut werden. Je nach Gewicht der Klemmbacken und Anzahl der Stempel erfolgt das Auswechseln der Werkzeuge z.B. auf der Hasenklever-Maschine in etwa 10 bis 30 Minuten und man kann eine solche Maschine schon mit Vorteil benutzen, wenn nur etwa 20 Arbeitsstücke herzustellen sind. Bei den Schmiede-Maschinen sind besonders wichtige Organe die Klemmbacken und die Hebelanordnung. Die rechte Klemmbacke wird meistens beweglich ausgeführt, da eine feststehende rechte Klemmbacke eine nur beschränkte Verwendbarkeit der Maschinen gestatten würde. So können Arbeitsstücke mit verhältnismäßig großem Bund oder mit mehreren Bunden bei feststehender rechter Klemmbacke nur schwierig hergestellt werden, ferner würden sich langschenklige Stücke, bei denen der in den Stauchstempel ragende Schenkel länger als der Stauchschlittenhub ist, überhaupt nicht aus den Klemmbacken herausnehmen, weil die geringe und nur einseitige Klemmbackenöffnung nicht die erforderliche Bewegungsfreiheit für die Stücke gibt. Für einfache Arbeitsstücke, die keine große Klemmbackenöffnung erfordern, kann bei der obengenannten Maschine die rechte Klemmbacke festgestellt werden. Mit dem hier angewendeten Zwei-Punkt-Hebelsystem bei der Uebertragung der Bewegung vom Hauptschlitten auf die beweglichen Klemmschlitten will man einen größeren Stauchhub und außerdem eine kräftigere Klemmwirkung der Klemmbacke erzielen. Der große Vorschub nach Schluß der Klemmbacken ist besonders wichtig bei langen Arbeitsstücken. Mit Rücksicht auf die gesteigerten Ansprüche, die in der Schmiedetechnik gestellt wurden, namentlich mit Rücksicht auf die Verwendung immer härterer Stähle erschien es notwendig, die vorgenannten Schmiedemaschinen durch eine Neukonstruktion dem verwendeten Schmiedegut anzupassen. Bemerkenswert ist hier ein neuartiger Klemmtrieb bei der Hasenklever-Maschine (Modell WS) mit Backenschluß von der Kurbelwelle aus, indem die Betätigung des Klemmschlittens unabhängig von der Hauptschlittenbewegung durch eine besondere Kurbel auf der Hauptwelle geschieht. Das Schließen des Backenschlittens erfolgt durch zwei hohe, türflügelartige Scharniere mit starker Klemmwirkung, so daß das Schmiedegut schon bei geringer Klemmlänge sicher festgehalten wird. Infolge Ausbildung der Drehkeilkupplung mit Stoßpuffer und vier Einrückmöglichkeiten auf eine Umdrehung hat der Drehkeil nur den ruhenden Druck beim Pressen auszuhalten. Außer dem Vorgelege läuft nur das große Zahnrad dauernd um Auch die neue Eumuko-Schmiedemaschine weis verschiedene beachtenswerte Neuerungen auf. Bei dieser Maschine besteht das Bett nicht aus Stahlguß, sondern aus Sondergußeisen und es besitzt warm eingezogene Stahlanker, die nahezu, in der neutralen Zone des Schmiedemaschinenbettes eingezogen sind. Diese Anker sind sowohl in der Längsachse der Maschine, also in der Richtung des auftretenden Preßdruckes, als auch in der Querachse der Maschine, also in der Richtung des auftretenden Klemmbackendruckes angeordnet, wodurch die geringst mögliche Durchbiegung oder Atmung der Presse angestrebt wird, und zwar aus dem Grunde, weil diese Atmungen zu einer mehr oder weniger großen Gratbildung im Schmiedestück führen und nicht nur ein unschönes Schmiedestück zur Folge haben, sondern auch Nacharbeiten bedingen. Auch bei dieser Maschine ist die rechte Klemmbacke beweglich; sie ist so ausgeführt, daß sie durch eine leichte Bewegung eines kleinen Griffes mit dem Fuß geöffnet und geschlossen werden kann. Gegenüber der früheren Bauart ist bei der neuen Ausführung der Klemmbackendruck verstärkt worden, so daß dieser praktisch ebenso groß ist wie der eigentliche Stauchdruck. Es besteht dadurch die Möglichkeit, auch Querschmiedearbeiten mit den Matrizen vorzunehmen Mit Rücksicht auf die hohen Drücke, die die Matrizen zusammenhalten, mußten auch die Gelenke für die Bewegung der Matrizen insofern anders gebaut werden, als nunmehr keine Gelenkbolzen mehr verwendet werden, die in den Gelenken auf Biegung beansprucht werden, sondern nur solche, die einfachen radialen Drucken unterworfen sind. Dann hat man die Matrizenabmessungen erheblich vergrößert in der Absicht, mehrere Gesenkgravuren unterzubringen und damit die Ausführung zahlreicher Arbeitsvorgänge ohne Gesenkwechsel zu ermöglichen. Von Interesse sind auch die Neuerungen an der Sack-Schmiedemaschine für riemenlosen Motorenantrieb mit elektrischer Kupplung und staubdicht gekapseltem Zahnradgetrieb. Das Schließen der Klemmschlitten erfolgt durch Kniehebel; auch die Sicherheitsdruckstange beruht auf Kniehebelwirkung. Alle hierbei vorkommenden Gelenke sind so ausgeführt, daß die Gelenkbolzen bei Ausübung des Preßdrucks unbelastet bleiben und nur für den Schlittenrückzug in Frage kommen. Die eigentliche Druckübertragung geschieht durch die an den Enden halbkreisförmig ausgebildeten Hebel selbst, die sich jeweils gegen entsprechende Druckschalen aus Bronze stützen. Eine solche Sicherheitsdruckstange bietet einen Schutz gegen Bruch des Maschinenständers, vermindert Zeitverluste durch Auswechslung von Scher- und Zerreißbolzen, gestattet die Kraftübertragung durch große Druckflächen und eine genaue Einstellbarkeit für einen bestimmten Preßdruck. Das an der Maschine angewendete Hebelsystem mit Sicherung der linken Klemmbacke ist gesetzlich geschützt; sie ist so gebaut, daß das Schließen der linken Klemmbacke bei kleinstem Stauchschlittenhub und größter Klemmschlittenöffnung schnellstens erfolgt. Hierdurch soll der größte ausnutzbare Stauchweg nach Schluß der Klemmbacken erreicht werden. Bei auftretendem Ueberdruck in der Klemmrichtung, der durch den Preßdruck des Hauptschlittens je nach Form der Gesenkausarbeitungen hervorgerufen wird, macht sich eine weitere Sicherheitsvorrichtung erforderlich, da die Sicherung im Hebelsystem nach Schluß der Klemmbacken. nicht mehr zur Geltung kommen kann. Es lag daher nahe, auch die rechte Backenseite gegen Ueberdruck zu sichern, und zwar nicht wie bei der früheren Bauweise durch Scher- oder Zerreißbolzen oder Brechtöpfe, sondern selbsttätig wirkend. Auch das Zahnradgetriebe erhielt eine Sicherung. Dieser Sicherung lag die Beobachtung zugrunde, daß durch auftretenden Ueberdruck in der Stauchrichtung die Umdrehungszahl stoßartig stark vermindert werden kann, wobei in den Wellen große Verdrehungsbeanspruchungen hervorgerufen werden. Ferner sind in solchen Augenblicken die in Eingriff befindlichen Zähne der Zahnräder großen Biegungsbeanspruchungen ausgesetzt. Um derartige Beanspruchungen nur bis zu einer zulässigen Grenze aufkommen zu lassen, ist der Antrieb der Maschine durch einen Scherbolzen im Ritzel des großen Zahnräderpaares gesichert. Das Ritzel ist dabei lose auf der Vorgelegewelle angeordnet und wird mit Hilfe eines Mitnehmers durch Verbindung des Scherbolzens in Drehung versetzt. Die horizontale Schmiedemaschine erfüllt aber nur dann ihren Zweck, wenn sie von Anfang an vor unnötigen Ueberbeanspruchungen geschützt wird. Erste und notwendigste Voraussetzung ist gründliches Durchglühen des zur Verarbeitung kommenden Werkstoffes. Je nach Zusammensetzung muß dieser gleichmäßig erwärmt und auf die höchstzulässige Temperatur gebracht werden. Chromnickelstahl, der für die Herstellung von Kraftwagenteilen meistens in Frage kommt, verträgt nur eine Erwärmung von höchstens 1000°, während man bei Flußstahl auf etwa 1200 bis 1300° gehen kann. So hat z.B. Flußeisen bei einer Temperatur von 1200° eine Druckfestigkeit von etwa 5 kg/mm2, die aber auf 15 bis 20 kg/mm2 steigt, wenn sich das Arbeitsstück um 300 bis 400° durch Abgabe von Wärme in den Matritzen abgekühlt hat oder von vornherein so niedrig erwärmt war. Die Erwärmung hat vor allem allmählich zu erfolgen, da sonst der Werkstoff äußerlich verbrennt und im Kern noch nicht die gewünschte Temperatur angenommen hat. Beim Pressen von dünnwandigen Hohlkörpern gilt dies besonders, da hier Flächendrucke bis zu 40 kg/mm2 auftreten können.