Titel: Wärmewissenschaftliche Behandlung wirklicher, mit endlicher Geschwindigkeit verlaufender Vorgänge am Beispiel des Eindampfens von Lösungen.
Autor: K. Schreber
Fundstelle: Band 346, Jahrgang 1931, S. 21
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Wärmewissenschaftliche Behandlung wirklicher, mit endlicher Geschwindigkeit verlaufender Vorgänge am Beispiel des Eindampfens von Lösungen. Von Dr. K. Schreber-Aachen. SCHREBER, Wärmewissenschaftliche Behandlung. Inhalt. 1. Aufgabe. I) Der endliche Temperatursprung. 2. „Die Natur macht keine Sprünge“. 3. Die vollständige Entropiegleichung. 4. Der osmotische Druck an der freien Oberfläche Arbeit leistend. 5. Wärmedurchgang durch die freie Oberfläche. II) Die Thermodynamik der Vorgänge. 6. Die Arten der Vorgänge. 7. Das Berkel. 8. Das Triekel. 9. Ausblick auf benachbarte Gebiete: Physiologie und Philosophie. 10. Die Dampfbildung aus Lösungen als nicht umkehrbarer Vorgang. 11. Zusammenfassung. 1. Aufgabe. Für die chemische Technik ist das Eindampfen von Lösungen eine der am häufigsten ausgeführten Aufgaben. Deshalb hat sie sich schon seit langem bemüht, sparsame Wärme- und Temperaturwirtschaft zu treiben, d.h. das Eindampfverfahren so einzurichten, daß das Ziel mit möglichst geringem Aufwand erreicht wird. Mag man nun das Eindampfen nach dem Mehrkesselverfahren oder mit Hilfe des aus der Lösung stammenden und durch Aufwendung von Arbeit erwärmten Dampfes vornehmen, immer muß man zur Berechnung der Heizflächen und des Verdichters die Temperatur des aus der Lösung entstehenden Dampfes wissen. Die Antwort auf die Frage nach dieser Temperatur ist seit mehr als 100 Jahren umstritten. Schon daraus kann man schließen, daß sie nicht nur für die chemische Technik zum Erreichen eines wirtschaftlichen Zieles wichtig, sondern auch für die allgemeine Wärmelehre von großer Bedeutung ist. Im Nachfolgenden soll gezeigt werden, daß diese Frage Veranlassung gibt, die Art der Einführung des Entropiebegriffes durch Clausius einer Nachprüfung zu unterziehen. Dabei wird man sie als unvorteilhaft erkennen und finden, daß man den Begriff der Entropie ersetzen muß durch zwei von einander unabhängige, von denen der eine, die Berechnungsentropie, oder kürzer, das Berkel, einigermaßen zusammenfällt mit dem Begriff der Entropie für umkehrbare Vorgänge, wie er zurzeit benutzt wird, während der andere, die Betriebsentropie, oder kürzer das Triekel, das Maß der Nichtumkehrbarkeit eines natürlichen Vorganges gibt und die Ungleichung bei Glausius durch eine Gleichung zu ersetzen ermöglicht. 2. Natura non facit saltus. Der erste, welcher zur Frage nach der Temperatur des aus einer Lösung entstehenden Dampfes Stellung nahm, war Faraday, welcher 1822 die Beobachtung veröffentlichte, daß aus einer Lösung von Salpeter in Wasser mit dem Siedepunkt 104° Dampf von 100° entsteht. Auf Veranlassung befreundeterPhysiker veröffentlichte er seine Beobachtung in den von Gay-Lussac herausgegebenen Ann. chim. phys. Unmittelbar anschließend widersprach ihm Gay-Lussac, ohne eine Beobachtung angestellt zu haben. Gay-Lussac unterliegt als Franzose den Nachwirkungen der Scholastik, weiche in Frankreich ihre vollste Blüte entwickelt hat. Wenn auch der theologische Einfluß der Scholastik wesentlich durch die Enzyklopädisten überwunden war, so blieben doch sehr viele naturwissenschaftliche Sätze noch lange herrschend. Einer dieser Sätze ist die Behauptung: Natura non facit saltus. Eine glänzende Bestätigung dieses Satzes hatte soeben Fourier in seiner Theorie der Wärmeleitung gegeben; und nun sollte nach der Meinung des Engländers Faraday an der Oberfläche einer Lösung die Temperatur einen endlichen Sprung machen! Das kann und darf nicht wahr sein! Da hilft Gay-Lussac eine Eigenschaft der Franzosen, welche sein Landsmann DuhemDuhem: Ziel und Struktur der physikalischen Theorien; deutsch von Adler. 1908. 84. mit folgenden Worten beschreibt: „Der Engländer ist im wesentlichen konservativ... Die Geschichte seines Vaterlandes erscheint ihm so, wie sie ist, als eine Folge verschiedener kontrastbildender Tatsachen, in welcher jede Partei der Reihe nach Glück und Mißgeschick erfahren hat. Der Franzose will eine Geschichte, die klar und einfach ist, die nach einer gewissen Ordnung und Methode entwickelt wird... Wenn die Wirklichkeit ihm nicht eine solche Geschichte liefert, so ist es um so schlimmer für die Wirklichkeit. Er wird dann Tatsachen entstellen, manche unterdrücken, andere erfinden, da er es lieber mit einem Roman, der klar und methodisch, als mit einer wahrheitsgetreuen Geschichte, die verwirrt und kompliziert ist, zu tun hat.“ Daß diese Eigenschaft eine scholastische ist, erkennt man aus den Worten von Cl. BäumkerBäumker: Geschichte der Philosophie des Mittelalters in „Kultur der Gegenwart“. V 1, S. 358. über die Geschichtsschreiber der Scholastik: „Mancher scheut, seiner Theorie zu Liebe, selbst vor Erdichtungen, ja Fälschungen nicht zurück und findet Gläubige dafür.“ Diese fast wortgetreue Uebereinstimmung zweier Forscher, welche nie von einander gewußt haben, gibt einen weiteren Beweis für die Richtigkeit des Satzes, daß bei den Franzosen die Scholastik noch immer nachwirkt. Gay-Lussac hat sich denn auch nicht gescheut, die Tatsachen zu entstellen. Versuche stellt er nicht an. Er verweist auf die Geisyrerscheinungen: Wenn am Boden einer 10 m hohen Wassersäule Dampf entsteht, so hat er 120°. Verläßt der Dampf oben das Wasser, so hat er 100°. Also, so schließt Gay-Lussac, hat der Dampf seine Temperatur der der letzten Flüssigkeitsschicht angeglichen. Diese Schlußfolgerung ist aber falsch. Der Dampf hat beim Aufsteigen Arbeit geleistet, er hat sich ausgedehnt und sich dabei nicht nur bis auf 100° abgekühlt, sondern ist sogar noch naß geworden. Die Dampfmaschine war zu jener Zeit schon genügend wissenschaftlich untersucht, daß Gay-Lussac das hätte beachten können. Aber er hat sein Ziel erreicht: er „hat Gläubige gefunden“ für seine Entstellung der Tatsachen. Trotzdem Rudberg, gestützt auf sehr sorgfältige Beobachtungen, 1835 gegen ihn auftrat, ist Gay-Lussacs Behauptung die anerkannte Lehrmeinung geblieben. Der Engländer Faraday war von den Nachwirkungen der Scholastik vollständig frei. War doch gerade in England der heftigste Widerstand gegen die Scholastik überhaupt gewesen. Schon Roger Bacon hatte auf die Notwendigkeit unmittelbarer Beobachtung hingewiesen, wenn auch er selbst infolge seiner Erziehung innerhalb der Scholastik diese Forderung nicht hatte durchführen können. Sie ist von Francis Bacon wieder aufgenommen worden und die Grundlage englischer Forschungsarbeit geblieben. Faraday hat wahrscheinlich den Satz, daß die Natur keine Sprünge mache, gar nicht gekannt; und sollte er ihn doch gekannt haben, dann nur als eine Erinnerung an eine für die Erforschung der Natur unvorteilhafte Zeitspanne in der Entwicklung des menschlichen Geistes. Er hat einfach beobachtet und seine Beobachtungen beschrieben. 3. Die vollständige Entropiegleichung. Nun ist ja jetzt jeder Naturwissenschaftler – ob mit Recht oder Unrecht, möge jeder selbst prüfen – von sich überzeugt, daß er von solchen aus dem nichtnaturwissenschaftlichen Mittelalter stammenden Nachwirkungen frei ist.Vergl. übrigens: Jäger in Geiger-Scheel: Handbuch der Physik 9, S. 144. Man schlage mit der Faust auf den Tisch; solange sich die Faust durch die Luft bewegt, empfindet sie keinen Widerstand, sobald sie den Tisch bei rührt, empfindet sie plötzlich einen unüberwindbaren Widerstand; macht hier die Eigenschaft des Widerstandes einen Sprung oder nicht? Die Lothar-Meyerschen-Reihen zeigen, daß zwischen den einzelnen Elementen Sprünge bestehen. Ich vermute, daß Herr Jäger römischchristlichen Bekenntnisses ist; vergl. Schreber: Beweiskraft des Versuches: Dingl. p. J. 1929, 89. Abschnitt, Weltanschauung. Trotzdem bestehen Faradays und Gay-Lussacs Meinungen noch immer neben einander. Esmüssen also noch andere Gründe für beide Auffassungen genannt werden können. Fragt man Akademiker, welche zu ihrem Fachstudium die Physik als Nebenfach nötig hatten, z.B. Biologen, Mediziner usw., welche Temperatur der aus einer Lösung entstehende Dampf hat, so antworten sie ohne Zögern, 100°, und als Begründung lachen sie: Unsere Thermometer sind doch so geeicht, daß der bei Atmosphärendruck entstehende Dampf 100° hat. Fragt man dagegen Akademiker, welche die Physik eingehend studiert haben, namentlich einen mathematisch geschulten Physiker, so erhält man sicher zur Antwort: Der Dampf hat die Temperatur der Lösung. Wie ist dieser Unterschied der Antworten zu verstehen? Nur durch Beachtung der Verschiedenheit des Stoffes, welcher in den von den beiden Gruppen von Akademikern besuchten Vorlesungen vorgetragen wird. Im Anschluß an Gay-Lussacs Hinweis auf das Angleichen an die Temperatur der letzten Flüssigkeitsschicht könnte man an die Gesetze der Wärmeleitung von Fourier denken. Diese sind es aber nicht, denn sie werden auch in der Experimentalphysik so behandelt, daß sie jeder Hörer, wenigstens in ihren Grundlagen, beherrscht und für sein Leben behält. Es ist vielmehr der erst in viel jüngerer Zeit, nach der Mitte des vorigen Jahrhunderts geschaffene Begriff der Entropie, welcher die große Verschiedenheit der Vorlesungen bedingt. In der Experimentalphysik, welche die erste Gruppe von Akademikern besucht, wird er vollständig gemieden. Die Entropie ist eben durch kein Mittel sinnlich zugänglich und noch weniger meßbar zu machen. Von ihr läßt sich also in der Experimentalphysik nichts, aber auch gar nichts sagen. Sollte im Anschluß an die mathematische Physik trotzdem das Wort Entropie gefallen sein, so haben die Hörer sicherlich nichts davon verstanden und nach der Prüfung alles glänzend wieder vergessen. Die andere Gruppe dagegen hat in der mathematischen Physik nicht nur sehr viel von Entropie gehört, sondern sie hat auch sehr viel damit gerechnet und bildet sich nun ein, daß sie diesen Begriff restlos verstanden habe. Nachdem Clausius bei seinen Forschungen über den Inhalt des Intensitätssatzes zum Begriff der Entropie geführt worden war, gab er für ihn den mathematischen Ausdruck: Σ Δ s ≧ O; in Worten: Die Entropie der Welt strebt einem Maximum zu. Mit einer Ungleichung ist rechnerisch wenig anzufangen. Wenn man nicht die Abweichungen von der Gleichheit irgendwie feststellen und anschreiben kann, ist mit ihr überhaupt nichts zu machen. Auch die Erweiterung unserer in der Endlichkeit angestellten Beobachtungen auf die unendliche Welt ist etwas sehr Unsicheres. Deshalb beschränken sich die mathematischen Physiker auf den Fall, für welchen Σ Δ s = O gilt auf den Gleichgewichts-, den Ruhezustand. Herzfeld sagt im Handbuch der Physik von Geiger und Scheel, IX, 2 ausdrücklich, daß sich die Thermodynamik auf Gleichgewichtszustände beschränkt. Er müßte also seine Wissenschaft Thermostatik nennen. „Auch die Wissenschaft hat lauter menschliche Eigenschaften. Wenn sie eine Zeit lang in einer bestimmten Richtung gearbeitet hat, so überfällt sie ein Ruhe-, ja man kann sagen, Schlafbedürfnis. Sie konstruiert dann einen Abschluß und streut auch anderen Leuten Sand in die Augen.“ Schuchhardt: Berl. Akademie, Phil-hist Kl. 1923, 205. Der Fortschritt der Wärmelehre von Clausius' erster Arbeit, 1850, bis zur Aufstellung des Entropiebegriffes war so ungeheuer schnell verlaufen, daß man das Eintreten eines Ruhebedürfnisses danach wohl verstehen kann. Man hat sich aber nicht wieder aufraffen können und hat, statt den Entropiebegriff genauer zu prüfen, sich auf die in der Natur nicht vorhandenen Gleichgewichts-, Ruhezustände beschränkt und übersehen, daß die Natur nur Vorgänge bietet. Die Physiker, namentlich die mathematischen Physiker, sind in der Statik der Wärmelehre stecken geblieben, wie die frühen Griechen in der Statik der Mechanik hängen geblieben waren. In der Mechanik haben Keppler, Galilei usw. den Uebergang zur Dynamik gebracht. Für die Wärmelehre fehlt er noch vollständig, trotzdem diese Wissenschaft mit dem stolzen Namen Thermodynamik bezeichnet wird. Die Akademiker der ersten Gruppe, welche die Physik nicht bis zur Ungleichung der Entropie kennen gelernt haben, haben keine Veranlassung, sich von den Vorgängen der Natur abzuwenden. Sie sehen ihnen ungetrübt in die Augen und kommen deshalb in der oben gestellten Frage zu einer anderen Antwort als die mathematischen Physiker. Schon seit langer Zeit benutze ich für mich an Stelle jener Ungleichung von Clausius die vollständige Gleichung \Delta\,\tau=\frac{A\,.\,\Delta\,W}{T} AΔW ist die in Wärmemaß gemessene Arbeit, welche beim umkehrbaren Vorgang hätte gewonnen werden können, welche aber infolge der Nichtumkehrbarkeit des wirklichen Vorganges nicht gewonnen wurde; T ist die Temperatur, bei welcher die nicht in Arbeit verwandelte Energie als. Wärme in Erscheinung tritt. Mit dem Besitz dieser Gleichung habe ich mich daran gewöhnt, alle wirklichen, d.h. nichtumkehrbaren Vorgänge wissenschaftlich zu behandeln, und als ich vor etwas mehr als 10 Jahren zum ersten Male Veranlassung hatte, auf den Vorgang beim Eindampfen einer Lösung zu achten, habe ich ihn sofort als Vorgang und nicht als Gleichgewichtszustand behandelt und bin deshalb zu anderen Ergebnissen gekommen als die übrigen Vertreter der Wärmelehre. 4. Der osmotische Druck, an der freien Oberfläche Arbeit leistend.Anmerkungszeichen zu dieser Fußnote fehlt im Text.Schreber: Theorie der Mehrstoffdampfmaschinen, Leipzig 1903. Schreber: Arbeitswert der Heizgase, Dingl. p. l. 1904, 113 usw. Zur Beschreibung einer ganzen Reihe wichtiger Eigenschaften der Lösungen hat die physikalischeChemie den Begriff des osmotischen Druckes ausgebildet. Seine Gesetze sind zuerst von van't Hoff erkannt worden: Der osmotische Druck folgt in Lösungen denselben Gesetzen wie der Gasdruck in Gasen. Man mißt den osmotischen Druck unmittelbar mit Hilfe von auswählend durchlässigen Häuten, d.h. von Wänden, welche unter den an sie herantretenden Stoffen eine Auswahl treffen, indem sie einige durch sich hindurchlassen, als wären sie nicht vorhanden, während andere Stoffe zurück gehalten werden, als wären die Häute vollständig undurchlässig. Für Zucker gelöst in Wasser gibt Ferrocyankupfer eine solche auswählend durchlässige Haut, welche wohl Wasser, aber nicht Zucker durchläßt. Eine von der Natur gegebene auswählend durchlässige Haut ist die freie Oberfläche von Lösungen. Auch sie läßt, wie die Möglichkeit, eine Lösung einzudampfen, beweist, nur Lösungsmittel, aber nicht den gelösten Stoff durch, falls dieser bei der vorhandenen Temperatur einen unendlich schwachen Dampfdruck hat. Die gewöhnlich als Ammoniaklösung bezeichnete Flüssigkeit ist eine Lösung von Wasser in Ammoniak. Würden wir eine künstliche Haut besitzen, welche wohl Ammoniak, nicht aber Wasser durchläßt, ähnlich wie die aus Ferrocyankupfer in wässrigen Zuckerlösungen wohl dem Wasser, nicht aber dem Zucker freie Bewegung gestattet, so würden wir den osmotischen Druck des Wassers im Ammoniak genau so nachweisen können, wie es Pfeffer in seinen osmotischen Zellen für wässrige Zuckerlösungen tun konnte. Weil Wasser einen nur wenig schwächeren Dampfdruck hat als Ammoniak, ist bei der Lösung von Wasser in Ammoniak der osmotische Druck nicht so stark, wie man ihn nach van't Hoff berechnet. Trotzdem wird gerade er in der Werktätigkeit in den Ammoniakaufsaugekältemaschinen, welche man deshalb besser als osmotische Kältemaschinen bezeichnen sollte, zur Arbeitsleistung herangezogen. Die im Verdampfer bei beispielsweise – 10° entstehenden Ammoniakdämpfe, deren Verdampfungswärme der Sole oder allgemein dem Kühlgut entzogen ist, werden im Aufsauger durch die Arbeit des osmotischen Druckes des Wassers im Ammoniak während des Aufsaugens verdichtet und dadurch beispielsweise auf + 20° erwärmt; genau wie in der bekannteren Kolbenkältemaschine die aus dem Verdampfer kommenden Dämpfe durch die Arbeit des Verdichterdruckes erwärmt werden. Die Arbeit des osmotischen Druckes bei der einen Art von Kältemaschinen entspricht vollständig der Arbeit des Kolbendruckes bei der anderen Art. Die zum Betrieb des Kolbenverdichters nötige Arbeit muß in einer besonderen, durch den Temperaturunterschied zwischen einem Kessel und einem Verflüssiger betriebenen Dampfmaschine erzeugt und dem Verdichter zugeführt werden. Ebenso muß auch der im Aufsauger arbeitende osmotische Druck durch eine Dampfmaschine erzeugt werden. Diese ist aber baulich ganz anders gebildet als die gewöhnliche Dampfmaschine, weil sie gegen einen osmotischen und nicht gegen einen Kolbendruck arbeiten muß: Sie hat weder Kolben mit Zylinder noch Turbine. Im Kocher wird die diesem durch die Umlaufpumpe zugeführte Lösung mit schwachem osmotischen Druck: wenig Wasser in viel Ammoniak, eingedampft, und zwar, wenn man diesen Ausdruck von Lösungen mit festem gelösten Stoff hierher übertragen darf, bis fast zur Trockne. Es bleibt der gelöste Stoff, das Wasser, fast rein übrig, und das Lösungsmittel, Ammoniak, wird fast vollständig verdampft. Bei diesem Eindampfen muß gegen den osmotischen Druck des Wassers im Ammoniak Arbeit geleistet werden. Dieses geschieht durch den Unterschied der Temperatur der Wärmequelle, z.B. des Heizdampfes, gegen die des Verflüssigers, denn der im Kocher entstehende Ammoniakdampf nimmt die Wärme des Heizdampfes bei dessen Temperatur auf und gibt die nicht in Arbeit verwandelte Wärme im Verflüssiger ab. Der Arbeitsstoff dieser Dampfmaschine ist also Ammoniak und nicht Wasser. Während man bei den gewöhnlichen Dampfmaschinen die Bewegung der die Arbeit aus dem Dampf aufnehmenden Teile, Kolben oder Turbinenläufer mehr oder weniger leicht sehen kann, sieht man bei dieser gegen den osmotischen Druck Arbeit leistenden Dampfmaschine nichts dergleichen. Wer beim Begriff Dampfmaschine zuerst an deren bauliche Einrichtung denkt, erkennt hier überhaupt keine Dampfmaschine; dennoch arbeitet, wärmewissenschaftlich betrachtet, auch hier eine solche.Schreber: Die Aufsaugekältemaschine; Z. f. ges. Kälteind. 1928, 193. Im Aufsauger einer osmotischen Kältemaschine haben wir also ein Beispiel aus der Werktätigkeit, in welchem der osmotische Druck an der Oberfläche einer Lösung dieselbe Arbeit leistet, welche bei Maschinen anderer Bauart aber derselben Zweckbestimmung ein Gas- oder Dampfdruck leistet. Die Arbeit im Aufsauger der osmotischen Kältemaschine ist genau dieselbe wie die Arbeit bei dem bei der Molekelgewichtsbestimmung nach dem Siedepunktsverfahren so viel benutzten Faraday-Landsbergerschen Versuch. Auch bei diesem wird durch die Arbeit des osmotischen Druckes des gelösten Stoffes die Wärme des Heizdampfes von der Temperatur des siedenden Lösungsmittels auf die Temperatur der Lösung erwärmt. In der osmotischen Kältemaschine wird diese Temperatur, bis zu welcher der osmotische Druck erwärmen kann, nicht erreicht, weil wegen des von der Werktätigkeit verlangten Schnellbetriebes die Lösung schon vorher aus dem Aufsauger weggepumpt wird, also der Gleichgewichtszustand nicht annähernd erreicht werden kann. Infolgedessen haben die sorgfältigen Beobachtungen von Frau Hilde Barkhausen-MollierHilde Mollier: Forschungshefte 63 u. 64. 1909. keinen Einfluß auf die Weiterentwicklung dieser Maschinen gehabt. Frau B.-M. hat bei ihren Beobachtungen im Durchschnitt ¾ Stunden gewartet, ehe sie abgelesen hat. Die Werktätigkeit wartet nicht ¼ Stunde, nicht einen Augenblick. DieFlüssigkeit ist in stetigem Strömen, und es kann sich niemals das von Frau B.-M. beobachtete Gleichgewicht einstellen. Auch die rechnerisch so schön durchgeführte Darstellung der umkehrbaren Aufsaugekältemaschine von AltenkirchAltenkirch: Z. ges. Kälteind. 1913, 1. ist aus demselben Grunde von der Werktätigkeit nicht beachtet worden. Daß im Faraday-Landsbergerschen Heizverfahren die Siedetemperatur der Lösung erreicht wird, im Aufsauger dagegen nicht, ist nur ein durch die äußeren Bedingungen des Schnellbetriebes veranlaßter, aber kein grundsätzlicher Unterschied. Die Werktätigkeit bringt uns in der osmotischen Kältemaschine und der Laboratoriumsbetrieb im Faraday-Landsbergerschen Heizverfahren den Beweis, daß der osmotische Druck an der freien Oberfläche Arbeit zu leisten imstande ist. Deshalb müssen wir ihn auch beim entgegengesetzten Vorgang, bei welchem das Lösungsmittel in der entgegengesetzten Richtung durch die Oberfläche hindurch geht, beachten. Leistet im Aufsauger und im Faraday-Landsbergerschen Heizverfahren der osmotische Druck die Arbeit, welche nach Carnot-Clausius nötig ist, die Verdampfungswärme des Lösungsmittels von dessen Siedetemperatur bis auf die der Lösung zu erwärmen, so muß umgekehrt beim Eindampfen Arbeit gegen den osmotischen Druck geleistet werden, welche, ebenfalls nach Carnot-Clausius, eine Abkühlung der Verdampfungswärme um denselben Betrag bedingt, welchen beim umgekehrten Vorgang die Erwärmung der Verdampfungswärme durch die osmotische Arbeit erreicht. Diese Abkühlung der vom Dampf getragenen Wärme bis auf die Temperatur, bei welcher der Dampf unter dem vorhandenen Druck bestehen kann, wird dadurch ermöglicht, daß der Siedepunkt der Lösung um so viel wärmer ist als der des reinen Lösungsmittels, wie der zur Leistung der Arbeit nach Carnot-Glausius nötige Temperaturunterschied verlangt. 5. Wärmedurchgang durch die freie Oberfläche. Als 1822 Gay-Lussac der Erkenntnis Faradays widersprach, kannte die Physik als Wärmebewegung nur erst die sogenannte Wärmeleitung, für welche Fourier soeben den grundlegenden Satz aufgestellt hatte. Seitdem hat die Wissenschaft sowohl die Erscheinungen der Wärmestrahlung als auch die der Wärmeübertragung durch Bewegung eines (chemischen) Stoffes, welcher die Wärme trägt, als wäre sie ein (physikalischer) Stoff, erforscht. Für den Durchgang der Wärme durch die freie Oberfläche einer Lösung haben wir also drei Möglichkeiten: a) Wärmebewegung durch Tragung, d.h. das durch die Oberfläche hindurchgehende Lösungsmittel, sei es als sich verflüssigender Dampf in der einen, oder als entstehender Dampf in der anderen Richtung, nimmt seine Verdampfungswärme mit sich, als wäre sie ein (physikalischer) Stoff; b) Wärmebewegung durch Strahlung aus der Lösung in den Dampf oder umgekehrt; c) Wärmebewegung durch Leitung nach Fourier von der Lösung in den Dampf oder umgekehrt. Beim Gleichgewichts-, Ruhezustand, wie ihn die Wärmelehre bisher allein behandelt hat, fällt die erste Möglichkeit weg, denn Bewegung des Lösungsmittels durch die Oberfläche ist bei ihm der gegebenen Bedingung entsprechend ausgeschlossen. Dagegen nimmt bei den für die Werktätigkeit allein wichtigen Vorgängen sowohl des Eindampfens einer Lösung durch Austreiben von Dampf wie auch des Heizens einer Lösung durch Einleiten von Dampf des Lösungsmittels der durch die Oberfläche hindurchgehende Dampf seine Verdampfungswärme mit sich. Hier ist also auch die erste der drei Möglichkeiten zu beachten. Wie im vorigen Abschnitt entwickelt, muß beim Durchgang des Lösungsmittels durch die Oberfläche in den Dampf räum Arbeit gegen den osmotischen Druck geleistet werden. Nach Carnot-Clausius muß, damit die getragene Verdampfungswärme diese Arbeit leisten kann, der nicht in Arbeit verwandelbare Teil der Wärme kälter werden können. Daraus folgt: Damit der entstehende Dampf beim vorhandenen Druck bestehen, d.h. die zum Druck gehörige Temperatur besitzen kann, muß der Siedepunkt der Lösung um einen vom osmotischen Druck abhängigen Betrag, die Siedepunktserwärmung, wärmer sein als der Siedepunkt des reinen Lösungsmittels. Hat die Lösung diese Temperatur erreicht, so kann der Dampf aus der Lösung mit der Temperatur des Dampfes aus dem reinen Lösungsmittel entstehen und deshalb auch unter dem vorhandenen Druck bestehen. Während das, streng genommen, erst nach unendlich langer Zeit, in Wirklichkeit aber schon recht bald hinreichend genau erreichte Endergebnis der beiden letzten Möglichkeiten der Wärmebewegung Gleichheit der Temperaturen von Lösung und Dampf ist, bedingt die erste Möglichkeit einen Temperatursprung zwischen Lösung und Dampf, welcher sich sofort beim Entstehen des Dampfes einstellt. Der aus der Lösung entstehende Dampf, auf welchen nach den beiden letzten Möglichkeiten noch keine Wärmeübertragung hat stattfinden können, weil sie Zeit beanspruchen, muß also im Augenblick seines Entstehens die Temperatur des siedenden Lösungsmittels haben. Die Temperatur dagegen, mit welcher der Dampf schließlich von der Lösung ab zieht, aus dem Dampfraum in das Abzugrohr eintritt, wird zwischen den Siedetemperaturen des reinen Lösungsmittels und der Lösung liegen, weil, vom Augenblick des Entstehens bis zum Verlassen des Einflußbereiches der Lösung, Eintritt in das Abzugrohr, Zeit vergeht, während welcher die beiden letzten Möglichkeiten der Wärmebewegung ihren Einfluß ausüben können. Die Erkenntnis, daß der Dampf nach seinem Entstehen noch den Einflüssen der Lösung und der Wandung des Kochgefäßes unterläge, kam mir bei der Bearbeitung der Wolfener Versuche.Schreber: Die Temperatur des aus einer Lösung entstehenden Dampfes; Chem. Apparatur XIII. 1926. 13 ff und 128 ff.Trotz der vielen Abweisungen, welche ich erfahren mußte, habe ich nichts unversucht gelasssen, Mittel zu bekommen, mit welchen ich eine neue Versuchsreihe beginnen konnte, welche den Einfluß dieser beiden Möglichkeiten prüfen sollte. Ich habe die Rudbergsche Röhre doppelt ummantelt, d.h., der aus der Meßröhre kommende Dampf strömt wie in der einfachen Rudbergschen Röhre im inneren, den Meßraum umgebenden Mantel wieder nach unten, und dann im zweiten äußeren Mantel noch einmal nach oben. Dort kann der Dampf abströmen, und das entstandene Dampfwasser wird unten abgeleitet. Der zweite Dampfmantel ist noch mit einem Mantel aus Schlackenwolle umgeben, so daß sich auch in ihm nur wenig Dampf verflüssigen kann. Ebenso ist der Deckel mit einer ungefähr 6 cm dicken Watteschicht bedeckt, welche zwischen die vielen durch den Deckel herausragenden Meß- und Vorwärmgeräte hindurchgedrückt wurde. Der Dampf ist also nach Möglichkeit gegen sämtliche Beeinflussungen seiner Temperatur geschützt. Die Temperatur wurde an 11 Stellen des Meßgerätes dauernd beobachtet. Als Kochgefäße wurden zwei innen spiegelnd vernickelte und ein strahlend geschwärzter Messingtopf benutzt. Geheizt wurde elektrisch durch zwei von einander getrennte, auf dem Mantel liegende Wicklungen. Die in der Nähe des Bodens befindliche Wicklung gab die eigentliche Verdampfungsheizung. Die andere in unmittelbarer Nähe des oberen Randes sollte dafür sorgen, daß die von der Lösung innen nicht berührte Wandung der Kochtöpfe eine Temperatur behielt, welche mindestens gleich der Temperatur der Lösung war, oder auch etwas wärmer. Auch diese Temperatur gehört zu den stets gemessenen. Die Wandung der Töpfe war dick genug, daß auch auf dem nicht bewickelten Streifen infolge der Wärmeleitung die Temperatur wärmer war als die Siedetemperatur. Die Versuche ergaben, daß bei einer Lösung von CaCl2 in Wasser mit einer Siedetemperatur von 116,0° der Dampf aus dem strahlenden Gefäß mit 107,2° und aus den spiegelnden mit 104,8 aus dem Dampfraum oberhalb der Lösung abzieht.Schreber: Die Temperatur des aus einer Lösung abziehenden Dampfes; Chem. Apparatur XVI. 1929. 21. Da der Mantel des Kochgefäßes wärmer ist als die Lösung, kann sich der Dampf bis zu seinem Eintritt in das Meßrohr nicht abgekühlt haben, denn er ist von allen Seiten von wärmeren Flächen umgeben. Die Behauptung Gay-Lussacs ist also auf jeden Fall als falsch erwiesen, wenn man einem Versuch überhaupt nach eine Beweiskraft zutraut.Schreber: Beweiskraft des Versuches. Dingl. p. J. 1929. 89. Daß der aus dem spiegelnden Gefäß abziehende Dampf kälter ist als der aus dem strahlenden abziehende, beweist, daß der Dampf mit noch kälterer Temperatur entstanden sein muß, denn nach den Gesetzen des Wärmeüberganges beeinflußt der spiegelnde Topf den Dampf weniger als der strahlende. Als solche bleibt dann nur die Temperatur des siedenden reinen Lösungsmittels. Diese Versuche bestätigen also glänzend Faradays Erkenntnis. Die Temperatur des entstehenden Dampfes kann man unmittelbar nicht messen, denn man kann mit keinem Meßgerät an ihn heran, ohne daß nicht auch die beiden letzten Möglichkeiten der Wärmebewegung an ihn herankämen. Man findet aber seine Temperatur mittelbar, indem man die elektromotorische Kraft von Reichtumsketten in Abhängigkeit vom Reichtum des Elektrolyten sowohl beobachtet als auch nach Helmholtz berechnet und dieser Berechnung einmal die Behauptung Gay-Lussacs und dann die Erkenntnis Faradays zugrunde legt. Dabei findet man, daß nur die Berechnung nach Faraday mit der Beobachtung übereinstimmt.Schreber: Die elektromor Kraft von Akkumulatoren in Abhängigkeit vom Säurereichtum. Z. f. Elektrochemie. 1926. 143. Nimmt man diese Verwertung allgemein als richtig anerkannter Versuche mit den eben mitgeteilten unmittelbaren Versuchen zusammen, so ist, soweit man überhaupt von der Beweiskraft eines Versuches reden will, einwandfrei erwiesen, daß der aus einer Lösung entstehende Dampf die Temperatur des siedenden reinen Lösungsmittels hat, und daß er nach seinem Entstehen, während er sich durch die Lösung und den Dampfraum über ihr bis zum Abzugrohr bewegt, durch Leitung und Strahlung von Lösung und Gefäßwand beeinflußt wird, so daß die Temperatur des von der Lösung abziehenden Dampfes zwischen der Siedetemperatur des Lösungsmittels und der der Lösung liegt.Dieselben Ueberlegungen, wie sie hier für Lösungen angestellt worden sind, gelten auch für einen in seinem Dampf schwebenden Tropfen, wenn man an Stelle des osmotischen Druckes der Lösungen die Oberflächenspannung des Tropfens setzt. Das ist z.B. von Bedeutung für die Bildung von Wolken und beim Durchschneiden der Dampfgrenzlinie während der arbeitleistenden Dehnung des Dampfes in Turbinendampfmaschinen. Vergl. Schreber: Physik der Atmosphäre. XII. 1926. 215. Während diese Arbeit in meinem Schreibtisch lag, weil ich keine Zeitschrift fand, welche sie veröffentlichen wollte, sind in der Physik, techn. Reichsanstalt Versuche über die Verdampfungswärme des Wassers angestellt worden, bei denen ebenfalls ein endlicher Temperatursprung festgestellt worden ist.Jakob und Fritz: Verdampfungswärme des Wassers; Techn, Mechanik und Thermodynamik. 1930. 173. Die Herren bestimmen die Verdampfungswärme des Wassers, indem sie siedendem Wasser durch eine im Wasser selbst befindliche elektrische Heizvorrichtung Wärme zuführen und während einer gemessenen Zeit die entwickelte Dampfmenge und die zugeführte Wärmemenge messen. Damit die Messung zuverlässig ist, müssen Verluste nach außen möglichst vermieden werden. Diese Bedingung erfüllen die Herren, indem sie das Siedegefäß mit einem Aluminiummantel umgeben, welcher geheizt werden kann, und dessen Temperatur stets ein wenig wärmer gehalten wird als die Temperatur des siedenden Wassers. Bei, den Versuchen einer eigens zur besonders genauen Bestimmung des Temperatursprunges vorgenommenen Gruppe vonVersuchen war der Mantel im Durchschnitt um 0,35° wärmer als das Wasser. Sie messen gleich zeitig die Temperatur des Wassers und des Dampfes und finden dabei stets das Wasser etwas wärmer als den Dampf; um 0,1° bis 0,3°. Da die Herren noch in der Gleichgewichtsphysik stecken, können sie diesen Temperatursprung nicht verstehen und suchen nach Fehlerquellen. Nachdem sie alle denkbaren geprüft haben, ohne durch eine befriedigt worden zu sein, begnügen sie sich mit dem Wort „Siedeverzug“, ohne für das Entstehen dieses Siedeverzuges Gründe angeben zu können. „Wo die Begriffe fehlen, stellt ein Wort sich ein zur rechten Zeit.“ Nachdem sie dieses Wort hingestellt haben, schreiben sie doch noch, 1. daß der Dampf etwas überhitzt aus der Oberfläche des Wassers austräte, obgleich sie in deren Nähe kein Thermometer haben, also hier die Temperatur nicht beobachten können, und 2., daß sich der Dampf auf dem Wege von der Oberfläche bis zu dem in einiger Entfernung von der Oberfläche befindlichen Dampfthermometer abgekühlt haben könnte. Sie vergessen dabei ganz, daß sie, um brauchbare Werte für die Verdampfungswärme zu erhalten, ihr Siedegefäß mit einem Mantel umgeben haben, dessen Temperatur sie wärmer halten als die des siedenden Wassers. Selbst wenn der Dampf mit der Temperatur des siedenden Wassers entstände, ist er noch immer kälter als die Umgebung, und er könnte sich nur abkühlen, wenn Wärme freiwillig von kälterer zu wärmerer Temperatur überginge. Wo bleibt da der zweite Hauptsatz der Wärmelehre? Dieser Satz zeigt deutlich die ganze Hilflosigkeit, mit welcher die Anhänger der seit Clausius üblichen Gleichgewichtsphysik dem Vorhandensein von endlichen Temperatursprüngen gegenüberstehen, selbst wenn so sorgfältige Beobachtungen wie die der Reichsanstalt einen solchen nachweisen. Wenn aus einer Flüssigkeit Dampf entsteht, so müssen sich wegen des großen Dichteunterschiedes der beiden Zustände in der Flüssigkeit Blasen bilden. Hierzu müssen die Oberflächenkräfte der Flüssigkeit überwunden werden. Die dazu nötige Arbeit kann nur von der Verdampfungswärme, welche vom entstehenden Dampf mit durch die Oberfläche genommen wird, geleistet werden; und nach Carnot-Clausius muß Wärme, welche Arbeit leisten soll, einen Temperaturunterschied durchlaufen. Diesen Temperaturunterschied haben die Herren gemessen. Die Herren haben mit luftfreiem Wasser gearbeitet, welches beim Einfüllen in das Siedegefäß ein wenig Stickstoff aufgenommen hat. Dieser Stickstoff wird je nach der Menge, in welcher er im Wasser noch vorhanden ist, die Blasenbildung erleichtern, und so ist bei allen Versuchsreihen am Anfang der Reihe, wo noch verhältnismäßig viel Stickstoff vorhanden ist, die Blasenbildung leichter, also der Temperatursprung kleiner als am Ende der Versuchsreihe. Entsprechend der Darstellung bei der osmotischen Kältemaschine haben wir hier eine Lösung von Wasser in Stickstoff. Je weniger Stickstoff im Wasser ist, um so stärker ist der osmotische Druck des Wassers im Stickstoff, und um so größer die zu seiner Ueberwindung nötige Arbeit. Ferner muß ein Wasserumlauf aufrecht erhalten werden, welcher durch seine Reibung an der Heizwand die Blasenbildung erleichtert; man denke an die Kavitationserscheinungen bei Schiffsschrauben. Auch dieser verlangt Arbeit, welche von der Verdampfungswärme geleistet werden muß, so daß hier ein weiterer Grund zum Temperatursprung gegeben ist. Leider bleibt aus Rücksicht auf die Erzeugung von trocknem Dampf die Verdampfungsgeschwindigkeit innerhalb recht enger Grenzen, so daß man den Einfluß der Verdampfungsgeschwindigkeit nicht weit genug verfolgen kann. Ist AΔW in Wärmemaß die Arbeit, welche zur Bildung der Blasen, zur Erzeugung des Wasserumlaufes usw. nötig ist, r die Verdampfungswärme bei der zum vorhandenen Druck gehörigen Temperatur T, welche einführungsgemäß gleich der Temperatur des entstehenden Dampfes ist, und ΔT der Temperaturunterschied zwischen Wasser und Dampf, so ist, wenn man ΔT neben T vernachlässigt, was bei diesen Versuchen zulässig ist, nach Carnot-Clausius: A\,\Delta\,W=r\,\frac{\Delta\,T}{T} Aus dieser Gleichung ist der Temperatursprung ΔT, welchen die Herren beobachtet haben, zu berechnen. Auf meine Bitte hatte mir Herr Jakob die von ihm gemessenen Temperaturunterschiede und die dazu gehörigen Verdampfungsgeschwindigkeiten ausführlicher geschrieben, als er sie selbst veröffentlicht hat. Ich habe sie Dingl. p. J., 1930. 189, veröffentlicht, nachdem ich diese Darstellung Herrn Jakob am 11. 6. 1930 vorgelegt hatte. Man erkennt sofort die Abhängigkeit von der Verdampfungsgeschwindigkeit und vom Stickstoffgehalt. Im Oktoberheft der von Herrn Jakob herausgegebenen Zeitschrift veröffentlicht Herr BosniakowitschBosniakowitsch: Verdampfung und Flüssigkeitsüberhitzung. Technische Mechanik und Thermodynamik. 1930. 358 einen Aufsatz, in welchem er das Vorhandensein eines endlichen Temperatursprunges zwischen Wasser und Dampf restlos anerkennt und ihn durch noch andere Eigenschaften des Wassers zu begründen sucht. Herr B. bestätigt durch eine recht gewaltsame Umbildung seiner Gleichungen die Behauptung des Herrn J., daß der Temperatursprung von der Länge derFlüssigkeitssäule, welche die entstehende Blase über sich hat, abhängig sei. Er merkt nicht, daß diese Behauptung mit den Beobachtungen im Widerspruch steht, denn bei der schnellsten der benutzten Verdampfungsgeschwindigkeiten ist, wie die von mir a. a. O. gegebene Zeichnung sofort erkennen läßt, der Temperatursprung unabhängig davon, ob der Versuch den Anfang einer Reihe bildet, also die Säule über der Blase noch lang, oder ob er am Ende der Reihe liegt, also die Säule über der Blase nur kurz ist. Auch führt diese Behauptung des Herrn B. zu der für die Physik sicher recht merkwürdigen Folgerung, daß die am Boden entstehende Blase empfinden muß, wie lang die Flüssigkeitssäule über ihr ist, damit sie den Temperatursprung danach einstellen kann. Der auf der Blase lastende Druck ist ohne Einfluß, denn der kann auch von einem auf der Oberfläche der Flüssigkeit lastenden Atmosphärendruck herrühren: nur die Länge der Flüssigkeitssäule ist von Einfluß. Herr B. gibt auf Grund seiner Ueberlegungen den mathematischen Ausdruck: \Delta\,T=\frac{3600\,r}{\alpha\,.\,v''}\ \frac{d\,\rho}{d\,z} wo r die Verdampfungswärme, a die Wärmeübergangszahl zwischen Wasser und Dampf, v'' der Raumbetrag des trocken gesättigten Dampfes, ρ der Halbmesser der Blase und z die Zeit ist. Da bei gegebener Temperatur r, α und v'' Festwerte sind, so besagt diese Gleichung, daß ΔT der Wachstumsgeschwindigkeit der Blase, d.h. der Verdampfungsgeschwindigkeit verhältnisgleich sei. Daß Herr B. diese unmittelbar in die Augen fallende Folgerung nicht zieht, ist jedenfalls recht sonderbar. Will man die Verdampfungsgeschwindigkeit ändern, will man in der Zeiteinheit mehr Dampf erzeugen, so hat man zwei Mittel: Man kann einen größeren Kessel nehmen, oder man kann bei vorhandenem Kessel die Heizfläche mehr belasten. Herr B. denkt nur an die erste Möglichkeit, während die Herren J. und F. die zweite benutzt haben. Nicht die von der Größe der Heizfläche abhängige Zahl der Blasen haben J. und F. geändert, sondern die Wachstumsgeschwindigkeit der Blase, und mit dieser wächst, wie die Gleichung des Herrn B. zeigt, der Temperatursprung. Dieser von Herrn B. berechnete Temperatursprung kommt zu den beiden von mir vermuteten noch hinzu. Vielleicht gibt es noch weitere Gründe für einen Temperatursprung. Das muß die Beobachtung entscheiden. (Fortsetzung folgt.)