Titel: Griffiger Stahl.
Autor: Paul Wießner
Fundstelle: Band 346, Jahrgang 1931, S. 183
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Griffiger Stahl. Von Dipl.-Ing. Paul Wießner, Essen. Griffiger Stahl. Die Walzen der Kollergänge und Feinwalzwerke, die in Ziegeleien und der keramischen Industrie für das Zermahlen des Tones in Anwendung kommen, wurden lange Zeit aus Hartguß hergestellt. Die Oberflächen dieser Walzen wurden sauber geschliffen und poliert, bis man erkannte, daß dies nicht zweckmäßig war. Bei Verwendung von Hartguß zeigte sich der Nachteil, daß auch bei nicht geschliffenen Walzen innerhalb von 14 Tagen die Oberfläche spiegelblank wurde. Durch diese glatte Fläche wird das zu verarbeitende Material nicht genügend zwischen die Walzen eingezogen und rutscht längere Zeit vor denselben. Hierbei erwärmt sich der Ton und verliert infolgedessen an Bildsamkeit und Elastizität, eine Erscheinung, die man mit Uebermüden des Tones bezeichnet. Da die Maschinen in diesen Betrieben einem besonders starken Verschleiß unterliegen, sind die jährlichen Quoten an Reparaturen und für Anschaffung von Ersatzteilen sehr hoch. Man verwendete nun vielfach einen Hartguß, der in Kokillen gegossen wird und aus diesem Grunde nur auf der Oberfläche eine abgeschreckte und harteSchicht von nur 5 bis 10 mm besitzt. Das vor den Walzen rutschende Material enthält immer Steine, die ebenfalls nicht von den glatten Flächen mit eingezogen werden und allmählich Rillen in die Walzen einschleifen, wodurch unverarbeitete Tonknötchen und Steinstückchen durchschlüpfen und das aufbereitete Material verunreinigen. Diese Erscheinung wird noch dadurch verstärkt, daß auch an den Rändern der Walzen infolge der Sprödigkeit des Materials Stückchen ausbrechen. Durch diesen starken Verschleiß ist die äußere harte Schicht bald abgenutzt, und der weiche Kern kommt dann zum Vorschein; die Walzen werden dann bald unbenutzbar. Infolge der starken Spannungen zwischen äußerer und innerer Schicht treten außerdem bei Stößen leicht Brüche auf Durch das vor den Walzen schleifende Material wird weiterhin eine starke Bremswirkung ausgeübt und der Wirkungsgrad der Maschinen ungünstig beeinflußt. Aus den oben geschilderten Verhältnissen geht hervor, daß ein für solche Zwecke in Frage kommender Werkstoff nicht nur griffig, sondern auch hart und zäh sein muß. Auch besserer Hartguß, der eine dickere nach innen ausstrahlende harte Schicht besitzt, genügt nicht für diese Zwecke. Walzen aus Hartstahl halten zwar länger, schleifen sich aber auch blank und besitzen also keine Griffigkeit. Die Erfahrung, daß man besonders harte Stoffe am besten mit demselben Stoff bearbeiten kann, wurde den Untersuchungen über die geeignetsten Zusätze zu einem solchen Stahl zugrunde gelegt. Man sagte sich, wenn man Diamanten am besten mit Diamantenstaub anpacken könne, so müsse ein besonders griffiger Stahl einen Stoff enthalten, der einen hohen Prozentsatz des Tones bildet. Ein solcher Stoff ist die Kieselsäure, der im Eisenhüttenwesen das Silizium entspricht. Die Herstellung eines Stahles mit hohem Siliziumgehalt stieß zunächst auf Schwierigkeiten, da der Prozentsatz an Kohlenstoff möglichst hoch gehalten werden sollte und bei Vergrößerung des Siliciumgehalts der Anteil an graphitischer Kohle wuchs. Um statt dessen den notwendigen Prozentsatz an Härtekohle zu erzielen, wurde der Manganzusatz vergrößert. Mit Hilfe eines besonderen Schmelz- und Gießverfahrensmit Zusätzen und Vergütungen gelang es weiterhin, den so erhaltenen Stahl zu verbessern. Man nannte diesen Werkstoff Keramitstahl. Da er auch härtbar ist, hat er ein großes Anwendungsgebiet. Er wird verwendet für die Herstellung von Walzenmänteln, Panzerplatten für Kugel- und Hartmühlen, Laufrädern, Schnecken, Messern, Messerbelägen, Zylinderfuttern für Ziegelpressen und Tonschneider usw. Handelsüblicher Stahlguß hat im Mittel einen Gehalt von 0,3 % Kohlenstoff, 0,15 bis 0,18 % Silizium und 0,6 % Mangan. Im Gegensatz hierzu enthält Keramitstahl 0,5 bis 0,7 % Kohlenstoff, 0,7 bis 0,8 % Silizium und 1,2 bis 1,6 % Mangan. Für Keramitstahl wird im allgemeinen eine Festigkeit von 70 kg angegeben. Es ist jedoch möglich, durch ein besonderes Verfahren die Festigkeit einzelner Stücke auf über 90 kg und für bestimmte Zwecke auf über 200 kg zu erhöhen. Das Material ist vollständig homogen, so daß die Härte, Zähe und Griffigkeit ständig gleichmäßig bleibt. Alle Teile aus Keramitstahl werden mit Hilfe einer Kugeldruckprobe geprüft.