Titel: Ueber die thierische Kohle überhaupt, und deren vortheilhafteste Anwendung in den Zuker-Raffinerien. Von Hrn. Payen, Salmiak-Fabrikanten.
Autor: Anselme Payen [GND]
Fundstelle: Band 9, Jahrgang 1822, Nr. XXVIII., S. 223
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XXVIII. Ueber die thierische Kohle überhaupt, und deren vortheilhafteste Anwendung in den Zuker-Raffinerien. Von Hrn. Payen, Salmiak-FabrikantenDiese Abhandlung erhielt den zweiten Preis von der Société de Pharmacie. Wir liefern sie hier im Auszuge uͤbersezt.. Payen, über die thierische Kohle. Herr Guillon war der Erste, der Holz-Kohle zur Raffinirung des Rohzukers anwendete, und dadurch sich einen weit ausgebreiteten Absaz seines schoͤnen und schmakhaften Syrupes verschaffte, der alle anderen Syrupe, und selbst den Rohzuker, waͤhrend der Theuerung der Colonial-Artikel, wo raffinirter Zuker so hoch zu stehen kam, verdraͤngte. Herr Payen glaubte, das Caput mortum bei seiner Salmiak-Fabrike, das thierische Kohle war, eben so gut benuͤzen zu koͤnnen, als Herr Guillon seine vegetabilische Schwaͤrze (noir vègétal). Er ließ einige Zentner davon puͤlvern, und schikte sie in die kaiserliche Runkelruͤben-Fabrik zu Rambouillet zum Versuche. Man erklaͤrte die thierische Kohle nicht bloß fuͤr unbrauchbar, sondern sogar fuͤr schaͤdlich. Erst zwei Jahre spaͤter uͤberzeugte sich Hr. Durosne, daß thierische Kohle weit besser entfaͤrbt, als Pflanzen-Kohle, theilte seine Beobachtungen Hrn. Payen mit, und wandte fortan, vereint mit Hrn. Pluvinet, die thierische Kohle sowohl bei Bereitung des Runkelruͤben-Zukers als bei Raffinirung des westindischen Zukers an. Man hatte mit zahllosen Schwierigkeiten bei Einfuͤhrung tiefer neuen Methode zu kaͤmpfen, bis es endlich gelang alle Hindernisse, welche Vorurtheile, Herkommen, und Schlendrian derselben entgegen thuͤrmten, zu besiegen. Hr. Payen vereinfachte und vervollkommnete diese Methode immer mehr und mehr, und bald reichte die Menge Schlachtviehes von Paris nicht mehr fuͤr den Bedarf zweier Knochen-Kohlen Fabriken in den Ebenen von Grenelle und Clichy hin. Herr Payen mußte in Orleans aͤhnliche Anstalten errichten, und Rouen, Lille, Bordeaux, Nantes holten sich Knochen-Kohle aus Paris. Die Vortheile der Anwendung der thierischen Kohle bei den Zuker-Raffinerien mußten demnach sehr auffallend gewesen seyn, weil sich der Gebrauch derselben mit solcher Schnelligkeit allgemein verbreitete. Man erhielt nicht nur eine Krystallisation mehr aus dem Syrupe, als man nach der aͤlteren Methode erhielt, und dadurch wenigstens 10 p. C. mehr Gewinn, sondern auch schoͤneren Raffinade- und Lumpen-Zuker, schoͤnere Vergeoises, Melasse etc., und es war kein Wunder, daß jezt die Gelehrten anfingen, uͤber die Wirkung der thierischen Kohle allerlei Hypothesen zu schmieden. Durch mehr als 500 verschiedene Versuche uͤber Erzeugung der zur Entfaͤrbung brauchbarsten thierischen Kohle uͤberzeugte sich Hr. Payen, daß die am laͤngsten calcinirte und am feinsten gepuͤlverte Kohle, alles Uebrige gleich gesezt, zu diesem Zweke die beßte ist. Gas kann also nicht die Ursache der entfaͤrbenden Kraft der Kohle seyn. „Wenn man“ sagt Hr. Payen, „glaubt, daß die fremdartigen Koͤrper in der Knochen-Kohle, die Gasarten, die Eisen- und Braunstein-Oxide, die Schwefelverbindungen, die hydrothionsauren Verbindungen, das Kochsalz, das Ammonium etc. einzeln oder zu zwei und zwei etc. verbunden, die Entfaͤrbung veranlassen, so bitte ich mir zu sagen, was aus diesen Koͤrpern wird, wenn man die Knochen-Kohle auf folgende Weise behandelt:“ Hr. Payen versuchte auf Rohzuker-Aufloͤsungen hydrochlorsaure, schwefelsaure, hydrothionsaure Verbindungen, Alkalien und alkalische Schwefellebern, Bittererde, Thonerde, Kieselerde, Kalk, kohlensauren Kalk etc. Alle diese Koͤrper erhoͤhten entweder die Intensitaͤt der Farbe, und stoͤrten den krystallisirbaren Zuker, oder sie brachten gar keine Wirkung hervor: nur die Thonerde allem schlug den Farbestoff und den Extractiv-Stoff nieder; jedoch viel weniger als die Kohle. Keiner dieser Koͤrper kann also an und fuͤr sich auf eine merkliche Weise zur Entfaͤrbung der Syrupe beitragen. „Ich nahm 50 Kilogramme wenig gebrannte (pen cuit) Knochenschwaͤrze, die ein Raffineur fuͤr nicht gewoͤhnlich entfaͤrbend erklaͤrte, und bereitete mir eine hinlaͤngliche Menge gefaͤrbter oder gebraͤunter Rohzuker-Fluͤßigkeit zu einer Reihe von vergleichenden Versuchen.“ „Zuerst wandte ich die wenig gebrannte Knochenschwarze an. Sie entwikelte Schwefelleber-Geruch, und entfaͤrbte die Fluͤßigkeit merklich. Da ich die bereitete gefaͤrbte Probe-Fluͤßigkeit A nannte, bezeichnete ich die jezt mit dieser Knothenschwaͤrze entfaͤrbte mit B. Von eben dieser Knochen, schwaͤrze calcinirte ich einen Theil etwas staͤrker, und entfaͤrbte damit wieder einen Theil der Proͤbe-Fluͤßigkeit, den ich ach der Entfaͤrbung mit C bezeichnete. Dieselbe Kohle calcinirte ich noch staͤrker bis zur Kirschroth-Gluͤhhize, in welcher ich sie eine Stunde lang erhielt, und zeichne die dadurch entfaͤrbte Probe-Fluͤßigkeit mit D. Ich trieb das Gluͤhen noch weiter, und hielt den Tiegel durch 2 Stunden der Rothgluͤhhize ausgesezt: die Schwaͤrze der Kohle, die bis dahin bei jeder neuen Calcination zunahm, schien jezt sich vermindert zu haben, und ich ward einige weiße Punkte gewahr, die in der Masse zerstreut lagen. Die mit dieser Kohle entfaͤrbte Fluͤßigkeit nannte ich B. Ich nahm hierauf von der neugegluͤhten Kohle, die wir die entfaͤrbte Fluͤßigkeit D gab. und theilte sie in mehrere Theile, welche ich auf folgende Weise behandelte. Ich wusch. „1. einen Theil mit sieden dem destillirten Wasser wiederholt aus, so daß ich, dem Gewichte nach, 50 mal so viel Wasser brauchte, als das Gewicht der Kohle betrug. Nachdem ich ihn getroknet und leicht gegluͤht hatte, gab er mir in der Probe-Fluͤßigkeit die Entfaͤrbung E. Ich nahm“ „2. statt destillirten Wassers sehr verduͤnnte Essigsaͤure, und wusch mit dieser, und endlich mit destillirten Wasser. Nach dem Troknen und Gluͤhen erhielt ich in der Probes-Fluͤßigkeit die Entfaͤrbung E'.“ „3. Ich wusch zuerst reichlich mit destillirtem Wasser dann mit Alkohol. Nach dem Troknen und Calciniren hielt ich in der Probe-Fluͤßigkeit die Entfaͤrbung E''.“ „4. Setze ich einen Monat lang diese Schwaͤrze auf einer flachen Porzellan-Schale der Luft an einem feuchten Orte aus. Ich wusch sie hierauf mit sehr viel Wasser troknete und gluͤhte sie, und erhielt die Entfaͤrbung E'''.“ „Es war leicht, wo man diese entfaͤrbten Fluͤßigkeiten in Roͤhren von gleichem Durchmesser goß, die verschiedenen Grade der Entfaͤrbung derselben zu bemessen.“ „Auffallend gefaͤrbt war die Probe-Fluͤßigkeit A, und eben so deutlich waren alle Abstufungen der uͤbrigen Fluͤßigkeiten folgender Ordnung:“ „B und B' waren beinahe gleich, aber viel weniger entfaͤrbt, als alle uͤbrigen.“ „C mehr entfaͤrbt als die beiden vorhergehenden.“ „D mehr als alle drei vorhergehenden.“ „E, E', E'', E''' unter sich beinahe gleich, aber viel schoͤner, als alle vorhergehenden.“ Hr. Payen schloß hieraus, daß die Schwaͤrze B zu wenig gegluͤht, und ihr Kohlenstoff nicht gehoͤrig bloß gestellt war; daß B', zuviel gegluͤht, einen Theil seines Kohlenstoffes verloren hatte, vielleicht der phosphorsaure Kalt durch beginnende Verglasung einen Theil der Kohle ganz unthaͤtig gemacht hat; daß in der Schwaͤrze C der Kohlenstoff sich mehr entwikelte, und thaͤtiger wurde, und beides noch mehr in D; daß endlich in E, E', E'', E''' alle Alkalien und alkalische Schwefellebern (welche die Farbe der Syrupe so sehr erhoͤhen) entfernt wurden, und die Kohle dadurch die hoͤchste Entfaͤrbungs-Kraft erhielt. Alle diese Versuche an Syrupen wiederholt, gaben Hrn. Payen dieselben Resultate, und er fand immer, daß bei allen Entfaͤrbungen, wo der Kohlenstoff allem thaͤtig war, die Menge des erhaltenen krystallisirten Zukers im Verhaͤltnis der Entfaͤrbung stand; daß folglich die Kohle vielleicht den Extractivstoff zugleich mit dem Faͤrbestoffe niederschlaͤgt. Er bemerkt, daß bei dem Roͤsten gewisser Pflanzen-Koͤrper, wie z.B. der Cichorien, sich zugleich Faͤrbestoff und schleimiger Extractivstoff bildet, welche beide im Wasser zugleich aufloͤsbar und faͤllbar sind. Wenn die Wirkung der thierischen Kohle bei der Zuker-Raffinerie verwikelt ist, so muͤßte die Pflanzen-Kohle noch mehr Verschiedenheit bei ihrer Anwendung darbiethen, und, insofern man die Beobachtungen nicht beruͤksichtigte, von welchen wir gleich sprechen werden, die Theorie der Entfaͤrbung durch Kohle noch dunkler machen, als sie ehevor gewesen ist. Der westindische Zuker leidet auf seiner Ueberfahrt bedeutend durch Feuchtigkeit und Waͤrme, welche eine Art von Gaͤhrung veranlassen, deren allmaͤhlich erzeugte Produkte, Alkohol, kohlensaures Gas und Essigsaͤure zum Theile im Rohzuͤker zuruͤkbleiben, so daß, wenn man die Kisten oͤffnet, ein sehr starker geistiger und saurer Dampf aus denselben hervor dringt. Die Aufloͤsung dieses Zukers roͤthet die Lakmus-Tinctur. Es wurde also ein Theil des Zukers zersezt, und die Produkte dieser Zersezung wirkten auf den nicht zersetzten Zuker in solchem Maße ein, daß sie einen Theil desselben unkrystallisirbar machten, und schleimigere Syrupe erzeugten. Wenn man unter diesen Umstaͤnden bei der Raffinirung eines solchen Zukers entweder Kalk, oder Pflanzen-Kohle in ihren verschiedenen Zustaͤnden, oder endlich thierische, immer auf dieselbe Weise bereitete, gleichfoͤrmige Kohle anwendet, so wird, im ersten Falle alle Saͤure sogleich gesaͤttigt werden und der uͤberschuͤßige Kalk wird sich auf den Extractiv-Stoff werfen, und diesen mehr faͤrben und fluͤßiger machen er wird den Pflanzen-Eiweißstoff unaufloͤsbar machen, in dem er sich in der Hize mit demselben verbindet, und denselben als Schaum ausscheidet; er wird sich endlich mit dem Zuker selbst verbinden, und einen Theil davon fluͤßig und unkrystallisirbar machen. Durch etwas langes Sieden wird dieser auf solche Weise veraͤnderte Zuker in eine gummiartige suͤße Substanz verwandelt, welche ihr Saͤttigung mit Kalk nicht mehr krystallisirbar werden laͤßt: wirft man aber thierische Kohle in diese Fluͤßigkeit, ehe als diese Veraͤnderung mit dem Zuker sich gaͤnzlich ausgebildet hat, so wird die in dieser Kohle in großer Menge verdichtete Kohlensaͤure sich in dem Augenblike ihrer Verbindung mit dem Syrupe entwikeln, und eine Theil des Kalkes saͤttigen: die Kohle selbst wird den Niederschlag des Kalke beguͤnstigen, den man in Menge darin findet, und der Syrup wird weniger alkalisch werden. Alle Runkelruͤben-Zuker-Fabrikanten konnten sich von der Wahrheit dieser Thatsachen uͤberzeugen. Der basische kohlensaure Kalk, der sich hier bildet, faͤllt mit der Kohle nieder, und der davon befreit Zuker wird neuerdings krystallisirbar, und erhaͤlt alle uͤbrigen Eigenschaften. Die Pflanzenkohle, welche ihrer glasigen Form wegen weit weniger entfaͤrbt, aͤußert oft gar keine merkliche Wirkung; ja zuweilen werden sogar die mit Pflanzen-Kohle behandelten Syrupe dunkler, wie zuvor, wenn naͤmlich 1. die Holz-Kohle etwas Pottasche enthaͤlt, welche, auf den Zuker eben so, wie der Kalk, wirkt, und selbst noch staͤrker und noch schaͤdlicher. Der Kohlenstaub aus dem Kiele großer Kohlenschiffe, dessen man sich zur Bereitung der vegetabilischen Kohle bedient, ist zuweilen genug durchgewaschen, um von aller Pottasche befreit zu seyn; zuweilen enthaͤlt er aber auch alles Alkali, welches aus den, nicht seiten 6–8 Metres hoch aufgeschichteten, Kohlen der Regen ausgewaschen hat, so daß dieses nicht bloß zur Saͤttigung aller im Zuker enthaltenen Saͤure hinreicht, sondern daß der Ueberschuß desselben, der auf den Zuker und den Extractivstoff einwirkt, alle Entfaͤrbung-Kraft der Kohle zuweilen aufhebt, ja sogar faͤrbt, und eine gewiße Menge Zuker unkrystallisirbar laͤßt. 2. das Holz, wie es haͤufig geschieht, ungleich verkohlt. ist. Es bleiben Braͤnde halb verkohlte Stuͤke, mit allem Theere zuruͤk; die anliegenden Kohlen saugen den Theer ein, welcher sich aus diesen Halbkohlen entwikelt, und faͤrben damit, selbst noch in dem Pulver (wenn nicht allenfalls sich solche Halbkohlen selbst unter diesem befinden) die Syrupe, in welche man sie schuͤttet, gerade so, wie halb verkohlte oder gebraͤunte Gemuͤse die Suppe faͤrben. Auch die thierische Kohle bringt zuweilen aͤhnliche Erscheinungen hervor, wenn sie nicht hinlaͤnglich verkohlt ist, und die Raffineurs wissen sich dieselben nicht zu erklaͤren; sie ziehen jedoch die thierische Kohle stets der Pflanzen-Kohle vor. Die Gruͤnde hievon wird man sich aus Obigem leicht selbst angeben koͤnnen. Der in Gaͤhrung uͤbergegangene Zuker ist naͤmlich sauer, und bildet schleimige Aufloͤsungen. Wenn man nun in diesem Falle sehr guten Rohzuker mit etwas Aufloͤsung des saͤuerlichen Zukers zergehen laͤßt, so reicht die gewoͤhnliche Menge des in gehoͤrig verkohlter Knochen-Kohle enthaltenen kohlensauren Kalkes, und die geringe Menge von Ammonium nicht hin, die frei gewordene Saͤure zu neutralisiren, waͤhrend die zu wenig gebrannte thierische Kohle bei ihrer Einschuͤttung in den geschmolzenen Zuker eine Menge von Ammonium entwikelt, welche nicht bloß die Saͤure saͤttigt, sondern selbst, durch ihr Uebermaß, auf den schleimigen Stoff wirkt, diesen fluͤßiger macht, und dadurch die Krystallisation erleichtert. Der Zuker laͤßt auf diese Weise leichter den Syrup durchlaufen, erhaͤrtet leichter, und ist weißer, wenn er aus der Form kommt, als wenn er mit gut gebrannter Knochen-Kohle behandelt worden waͤrt. (Wenn man gut gebrannter Kohle etwas Ammonium zusezt, so laͤßt sich diesem Nachtheile dadurch gleichfalls steuern.) Es scheint, daß die Ursache, warum die Pflanzen-Kohle weniger faͤrbt, der glasigen Natur derselben zuzuschreiben ist: ihre Molekeln scheinen wie aneinander gegossen, und undurchdringlich, wie im Demante der Kohlenstoff beinahe unverbrennbar wird. Daher haben auch alle Kohlen, die eine Art von Verglasung erlitten, und die man selbst noch an dem Glanze ihres Pulvers erkennt, nur wenig entfaͤrbende Kraft. Hr. Payen hat sehr viele Arten solcher thierischer und vegetabilischer Kohlen versucht, und immer die selben Resultate erhalten. Kohlen von Nadelholz, von Acacien, Eichen, Buchen, Eschen, Nuß- und Pfirsich-Baͤumen und Aprikosen-Baͤumen und von Schwarz-Erlen etc. (die Kohlen von Schwemmholz, und von jenem Holze, das man in Oefen einaͤschert, die Loͤschkohlen, sind weniger glaͤnzend, und entfaͤrben besser) Kohlen von Blut, von Horn, Leder, von Sehnen, Muskeln, Knorpeln, Knochen-Ansaͤzen, Knochen, Haaren, Seide- und Wollen-Lappen werden alle unkraͤftig, und selbst die beßte thierische Kohle wird es, wen man sie mit Blut oder Pflanzen-Extractivstoff oͤfters durchweicht, dann jedesmal neuerdings calcinirt und puͤlvert: alle diese Kohlen erhalten hiedurch jenes glaͤnzende Ansehen, welches die unkraͤftigen Kohlen charakterisirt. Dieß ist aber gerade dasjenige, was bei Anwendung der Kohle in den Zuker Raffinerien geschieht: der Extraktivstoff und der Faͤrbestoff, welcher sich zugleich mit dem waͤhrend des Raffinirens angewendeten Eiweißstoffe des Blutes oder der Eier auf den Kohlen fixirt, vermehrt den Gehalt des Kohlenstoffes in denselben, und bringt ihre Theilchen einander naͤher, in dem er die Zwischenraͤume ausfuͤllt; die aneinander gepreßten Molekeln werden dadurch weniger angreifbar, und nur wenn man vor dem Wiederausgluͤhen dieser Kohlen den groͤßten Theil des in der Knochen-Schwaͤrze zertheilten Extractiv- und Eiweiß Stoffes aus derselben entfernt hat, erhaͤlt man wieder eins thierische Kohle die eben so gut entfaͤrbt als diejenige, die man zuerst anwendete. Hr. Payen uͤberzeugte sich hievon durch Gaͤhrung der bereits gebrauchten Kohle, wie oben angefuͤhrt wurde. Einen deutlichen Beweis, daß die entfaͤrbende Kraft der Kohle von dem unter eine gewiße Form gebrachten Kohlen-Stoffe herruͤhrt, liefert uns der Umstand, daß man an Pflanzen-Kohlen dieselben Phaͤnomene wahrnimmt, wie an thierischen Kohlen. Vollkommen ausgelaugtes und vollkommen getroknetes Soda-Mark z.B. wirkt. wie Pflanzen-Kohle, und doch enthaͤlt es nur 50 p. C. reine Kohle; hat also eine doppelt so starke entfaͤrbende Kraft. Die matte graue Kohle, welche als Ruͤkstand bei der Berlinerblau-Erzeugung zuruͤkbleibtMan muß diese Kohle sehr oft waschen, um ihr alle Pottasche zu entziehen; und dieses Waschen wird uͤberdieß wegen der außerordentlichen Feinheit derselben sehr beschwerlich. Die kleinste Veraͤnderung in der Temperatur oder das Ruͤhren des Gemenges, welches das Berlinerblau waͤhrend der Calcinirung der thierischen Stoffe mit der Pottasche liefern soll, ertheilen dem kohligen Ruͤkstande ganz verschiedene Eigenschaften; der Zustand des Kohlen-Stoffes scheint Hrn. Payen das Einzige, was waͤhrend dieser kaum zu berechnenden Ungleichfoͤrmigkeiten veraͤndert werden konnte, und diesem glaubt er die Verschiedenheiten der entfaͤrbenden Kraft dieser Ruͤkstaͤnde zuschreiben zu koͤnnen. Die entfaͤrbende Kraft einer guten thierischen Kohle = 10 gesezt, ist jene der Ruͤkstaͤnde des Berlinerblau bald 40, bald nur 5., erhaͤlt man aus thierichen Stoffen, welche, wenn man sie fuͤr sich verkohlt, die glaͤnzendsten, asphaltartigsten, und folglich auch die unkraͤftigsten, Kohlen liefern, naͤmlich aus Hoͤrnern und aus Blut, und dessen ungeachtet erhaͤlt der in derselben befindliche Kohlenstoff waͤhrend der Berlinerblau-Bildung eine 20 mal staͤrkere Kraft, als die Pflanzen-KohleHr. Payen will uns einen Entfaͤrbungs-Messer (Décolorimetrè) mittheilen, mit welchem man die entfaͤrbende Kraft genau messen kann. Die Einrichtung desselben beruht auf dem Grundsaze, daß die Intensitaͤt, der gefaͤrbten Schichten sich umgekehrt, wie ihre Dichtigkeit verhaͤlt; wenn man daher irgend einen Ton der Farbe derselbe als Einheit annimmt, so erhaͤlt man alle moͤgliche Verhaͤltniße dieses Tones zu anderen, alle Vielfache desselben etc. es bedarf hiezu weiter nichts, als genau die senkrechte Hoͤhe zwischen zwei durchscheinenden Flaͤchen zu messen, welche die gefaͤrbte Fluͤßigkeit einschießen, die, durch Erweiterung oder Verengerung des Raumes zwischen diesen beiden Flaͤchen, auf die Einheit des Tones zuruͤkgefuͤhrt wuͤrde. Pluvinet meinte, daß, um fuͤr ewige Zeiten eine Farbe zu erhalten, die als Vergleichungs-Punkt diente, man eine Platinna Aufloͤsung von gegebenem Verhaͤltniße anwenden koͤnnte.. Hr. Payen glaubt demnach, daß alles, was in der thierischen Kohle nicht Kohlenstoff ist, entweder bei der Entfaͤrbung nichts nuͤzt, oder sogar schadet: hoͤchstens, meint er, koͤnnten die in derselben befindliche dazu dienen, die Oberflaͤche der Kohle zu vergroͤßern, und die Molekeln derselben von einander zu ruͤken, so daß sie freier auf den Faͤrbestoff wirken koͤnnen. Dieß ist z.B. der Fall mit dem, an und fuͤr sich beinahe durchaus kraftlosen, phosphorsauren Kalke: entzieht man denselben mittelst der Hydros-Chlorsaͤure einer thierischen Kohle, so wird diese im reinen Zustande nicht mehr in dem Verhaͤltniße ihres vorigen Gewichtes wirken. Es handelt sich also hier nicht bloß um eine einfache Theilung (denn Kienruß entfaͤrbt kaum merklich besser als Holzkohle), sondern um Isolirung der Molekeln, die noͤthig ist, wenn der Kohlenstoff mit der moͤglich staͤrksten Kraft auf den Faͤrbestoff wirken soll. Ammonium und basischer kohlensaurer Kalk, die in der thierischen Kohle enthalten sind, koͤnnen hoͤchstens dazu dienen, die in dem Zuker vorhandene Saͤure zu neutralisiren, und den Extractivstoff leichter sich niederschlagen zu lassen. Zwei ganz neuerlich angestellte Versuche scheinen Hrn. Payen seine Ansichten zu bestaͤtigen. Er nahm eine Kohle die man aus brenzeliger Holzsaurer-Soda (im Großen geroͤstet, um sie von dem Theere zu befreien, in dem man einen Theil verfluͤchtigt, den anderen verkohlt) erhalten hat. Mehrerer Waschungen ungeachtet enthielt diese Kohle noch immer essigsaure Soda. Er calcinirte sie in einem geschlossenen Tiegel bei der Kirschroth-Gluͤhhize, wusch sie hierauf reichlich, so daß alle durch Zersezung der Essigsaͤure waͤhrend der Hize frei gewordene Soda entfernt wurde, calcinirte sie wieder ganz leicht, und rieb sie in einem Moͤrser. Dieses Kohlen-Pulver entfaͤrbte beinahe eben so gut, als die gewoͤhnliche thierische Kohle, und folglich sechsmal staͤrker, als die gewoͤhnlichen Pflanzen-Hohlen, Kienruß, und thierische Kohlen ohne phosphorsaͤuren Kalk. Und zwischen dieser Kohle und der thierischen findet Hr. Payen kein anderes Analogon, als den auf chemische Weise getheilten Kohlenstoff. Er nahm ferner das Innere schwammige Knochenstuͤk des Hornes eines Rindes, und entzog demselben alle fluͤchtigen Bestandtheile und allen Kohlenstoff, in dem er dasselbe zwei Stunden lang im Luftzuge in einer Kirschroth-Gluͤhhize hielt. Den hiedurch erhaltenen weißen phosphorsauren Kalk weichte er in 15 graͤdiger weißer Zuker-Aufloͤsung, troknete und calcinirte ihn in einem geschlossenen Tiegel, tauchte ihn neuerdings in dieselbe Zuker-Aufloͤsung und calcinirte ihn wieder und nachdem er dieselbe Operation zum drittenmale wieholt hatte, zerrieb er den kohligen Ruͤkstand, der ein mattes Pulver gab, dessen entfaͤrbende Kraft noch einmal so stark, als die der Pflanzen Kohle war. Nun haͤlt aber diese Kohle, bei gleichem Gewichte, nur 20 p. C. jenes reinen Kohlenstoffes, welcher in der Pflanzen-Kohle enthalten ist; folglich ist die entfaͤrbende Kraft des Kohlenstoffes auf diese Weise um 10 mal staͤrker geworden. Hr. Payen zweifelt nicht, daß man mit gehoͤriger Vorsicht es dahin bringen koͤnne, auf diese Weise eine Kohle zu erhalten, deren entfaͤrbende Kraft der thierischen Kohle gleich kommt, und daß, diesem Versuche zu Folge, die entfaͤrbende Kraft der Kohle von dem Zustande ihrer chemischen Zertheilung abhaͤngt: denn etwas anderes als dieses, als Entfernung der Kohlen-Molekeln von einander mittelst des phosphorsauren Kalkes, konnte durch obige Operation an der schwaͤchsten aller Kohlen, der Zuker-Kohle, nicht hervorgebracht werden. Hr. Payen schließt nun aus einer Reihe unzaͤhliger Versuche: 1. daß der Kohlenstoff in den verschiedenen Kohlen allem dasjenige ist, was auf den Faͤrbestoff zu wirken vermag, den er dadurch faͤllbar macht, daß er sich mit demselben verbindet; daß die einmal gebrauchte Kohle durch bloße neue Calcination nicht wieder brauchbar zur Entfaͤrbung gemacht werden kann, in dem der von ihr verschlungene, und in ihr festgewordene, Faͤrbe- und Extraktivstoff eine glaͤnzende, asphaltartige, gewißer Maßen glasartige Kohle gibt, welche alle Molekeln des Kohlenstoffes umhuͤllt, und gleichsam uͤberfirnißt, und eben dadurch gegen alle Einwirkung sichertIn dem ersten Hefte der Verhandlungen de Vereins zur Befoͤrderung des Gewerb-Fleißes in Preußen findet sich in dem Berichte der Abheilung fuͤr Chemie und Physik „uͤber die Benuzung der Thier-Kohle zur Raffinirung des Zukers,“ verfaßt vom G. Rth. Hermbstaͤdt, S. 35 ein Verfahren, um die schon zu Zukerraffiniren benuzte thierische Kohle wieder zu gute zu machen. Er sagt: „was die zu Zugutmachung der einmal zur Klaͤrung des Zukers gebrauchten Thier-Kohlen betrifft, so ist dies kein Geheimniß, sondern in mehreren Raffinerien bereits eingefuͤhrt. Die dazu angewendete Verfahrungsart ist auch in der That sehr einfach! Die einmal gebrauchte Kohle wird so vollkommen wie moͤglich mit warmen Wasser ausgefuͤßt, um die etwa darin noch vorhandenen Zukertheile nicht zu verlieren, hierauf stark ausgepreßt und getroknet. Die trokne Masse ist ein Gemenge aus der angewendeten Thier-Kohle, dem faͤrbenden Stoffe, welchen sie dem Zuker entzogen hat, und dem geronnenen Blute, welches zur Klaͤrung angewendet worden ist. Um diese trokne Masse in eine gute, brauchbare Hohle wieder umzuwandeln, darf sie nur auf's Reuß im verschloßnen Raume ausgegluͤht werden. Hiezu bedient man sich eines aus gegossenem Eisen angefertigten Cylinders, der in einem Ofen in horizontaler Richtung, aber etwas geneigt, uͤber einen Rost eingemauert ist, so daß derselbe, wenn der Ofen geheizt wird, von der Flamme, umspuͤhlt werden kann. Der eiserne Cylinder kann an seiner vordern Oeffnung mit einem eisernen Stoͤpsel verschlossen werden; an der Hintern ist derselbe mit eine Absatz von Bleich verschlossen, welcher sich heberfoͤrmig, unter einen stumpfen Winkel, nach Unten biegt, und in einem Gefaͤß mit Wasser eingetaucht wird. Wenn der Cylinder mit der schon gebrauchten trokenen Kohlen-Masse angefuͤllt ist, und alle Fugen mit Lehm verkittet sind, wird der Ofen angefeuert, und die Feuerung so, lange, fortgesezt, bis sich aus der hinteren Oeffnung des Cylinders keine riechende Duͤnste mehr entwikeln, und der Cylinder in voller Glut steht. Bei dieser Operation, werden nicht nur hie Kohlen-Theile auf's Neue verkohlt, sondern auch die damit verbundenen Theile des geronnenen Blutes, erleiden eine Verkohlung, und eben so alle uͤbrigen vegetabilischen Materien, welche aus dem Zuker an die Kohle getreten seyn moͤgen. Man erleidet bei dieser Operation fast gar keinen Abgang Und die nach dem Erkalten des Cylinders herausgenommene Kohle leistet nun, bei ihrer Anwendung zur Raffinirung des Zukers, ganz dieselben Dienste wie vorher.“ Die Wichtigkeit dieses Gegenstandes veranlaßte dieses Jahr die Société d'Encouragement in Paris einen Preis von 2000 Franken auf Wiederherstellung bereits gebrauchter thierischer Kohle auszusezen, weßhalb wir wuͤnschen, daß uns aus einer Zukerraffinerie, die Bestaͤtigung der eben angegebenen Art die schon gebrauchte thierische Kohle wieder im Großen zu Gute zu machen, recht bald mitgetheilt werden moͤge. D.. 2. Daß die in der Kohle vorkommenden fremdartigen Stoffe nur durch ihre Stellung hinsichtlich auf den Kohlenstoff mitwirken helfen, fuͤr sich allem aber ganz unkraͤftig sind, Daß endlich. 3. Der physische Zustand der thierischen Koͤhle als die wesentliche Ursache ihrer staͤrkeren Wirkung auf den Faͤrbestoff (und wohl auch auf den Extractivstoff, weil sie hie Krystallisation des Zukers fordert,) betrachtet werden kann, den er als Folge chemischer Zertheilung ansieht, in dem mechanische Theilung dieß nicht zu leisten vermag. In einer spaͤter eingesandten Note bemerkt Hr. Payen, daß, wenn man thierischer Kohle allen phosphorsauren Kalk mittelst Saͤuren entzieht, und den Kohlenstoff dadurch isolirt, sie nicht mehr in umgekehrtem Verhaͤltnisse ihres verlornen Gewichtes auf den Faͤrbestoff wirkt. 100 Gramme Knochen-Kohle hoͤchst fein gepuͤlvert, sorgfaͤltig gewaschen und getroknet, gaben das Pulver Nr. 1. 40 Gramme von diesem Pulver Nr. 1 mit reichlich uͤberschuͤßiger Hydrochlor-Saͤure behandelt, hinauf vollkommen rein gewaschen und getroknet, ließen genau 4 Gramme auf dem Filtrum, als Pulver Nr. 2, zuruͤk. Hr. Payen nahm nun 2 Gramme von Nr. 1 und 2, und versuchte sie auf den Faͤrbestoff des Rohzukers. Die Entfaͤrbung von Nr. 1 = 1 gesezt, war jene von Nr. 2 = 3. 100 Theile einer Kohle, deren entfaͤrbende Kraft = 2,5 ist, muͤßten demnach auf obige Weise mit Hydrochlor-Saͤure behandelt, auf 10. 50 zuruͤk kommen, und ihre entfaͤrbende Kraft betruͤge dreimal so viel als jene derjenigen Kohle, die ihres phosphorsauren Kalkes nicht beraubt wurde, jedoch getheilt durch den Verlust am Gewichte; oder (3 × 2,5)/10 = 0,75. Wenn man daher mittelst einer Saͤure den phosphorsauren Kalk aus der thierischen Kohle entfaͤrbt, wuͤrde man an entfaͤrbender Kraft einen reinen Verlust im Verhaͤltniße von 2,5 zu 0,75 oder von 10 zu 3 erleiden, d.h. 100. Kilogramme einer auf diese Weise behandelten Kohle waͤren kaum mehr so viel als 30 Kilogramme Knochen-Schwaͤrze.