Titel: Ueber künstliche Blumen aus Fischbein und Hüte aus Weiden, aus der Fabrik des Hrn. Achill de Bernadiere.
Fundstelle: Band 12, Jahrgang 1823, Nr. XLIV., S. 234
Download: XML
XLIV. Ueber künstliche Blumen aus Fischbein und Hüte aus Weiden, aus der Fabrik des Hrn. Achill de Bernadiere. Aus dem Mercure technologique Julius 1823. S. 6. (Im Auszuge.) Bernadiere, über künstliche Blumen und Hüte etc. Die Kunst, kuͤnstliche Blumen zu verfertigen, deren fruͤheste Spuren sich in der Nacht der Zeiten verlieren, erreichte in Italien einen solchen Grad von Vollkommenheit, daß man verzweifeln mußte, jemals bis zu demselben zu gelangen. Allein, kaum hatten die Franzosen dieselbe kennen gelernt, als die ihrer Nation eigene Leichtfertigkeit sie in diesem Mode-Artikel zu Rivalen der Italiaͤner erhob. Man verfertigt heut zu Tage Blumen zu Paris, die der Italiaͤner nachzubilden verzweifelt. Man hat bisher allerlei Stoffe zur Verfertigung dieser Blumen verwendet: gefaͤrbtes Duͤnntuch, Baͤnder etc. gewaͤhrten nur eine rohe Nachbildung dieser Schoͤnheiten der Natur. Man hoffte an Federn ein schiklicheres Material hiezu zu finden; allein unser Clima bringt an diesen nicht jene Farbenpracht hervor, die zur Nachbildung der Blumen nothwendig ist, und wo man die Federn faͤrbte, verloren sie Glanz und Elasticitaͤt. Die Kunst erschien hier zu nakt, und als bloßer Affe der Natur: im heißen Affenlande, wo die Natur mir allen Farben prangt, wuͤrde dieser Versuch besser gelungen seyn. Wir haben Blumen aus Rio-Janeiro gesehen, die halbwilde Voͤlker aus Federn verfertigten, und die an Farbenpracht nichts zu wuͤnschen uͤbrig ließen; allein sie ahmten die Natur nur auf eine sehr unvollkommene Weise nach. Die Italiaͤner bedienen sich eines gedraͤngteren Duͤnntuches, das dem feinen Mousseline und dem schoͤneren Batiste nahe kommt, und das unter dem Namen Gaze d'Italie im Handel vorkommt. Sie nehmen auch die Seidenhuͤlle, die die Seidenraupe sich spinnt, dazu, die die Farbe eben so leicht annimmt, als fest haͤlt, und eine treffliche Wirkung hervorbringt: der Sammt, die Weichheit und Durchscheinenheit der Blumenblaͤtter wird dadurch trefflich nachgeahmt; dieser Stoff ist nur wenig hygrometrisch, und Luft und Licht wirken auf ihn weniger ein. Zu den Blaͤttern nimmt man Taffet und selbst Pergament. In Frankreich nimmt man zu den Blummenblaͤttern den feinsten Battist, vorzuͤglich zu Rosen, und zu den Blaͤttern Taffet, den man in der gehoͤrigen Schattirung in ellenlangen Stuͤken faͤrbt. Allein diese Stoffe bleiben noch weit hinter der Natur. Hr. Achill de Bernardiere war ehemals See-Cadett, und als solcher zehn Jahre lang in England gefangen. Er lernte, als Gefangener Strohhuͤte verfertigen, und ward bald Meister in dieser Kunst. Nach der Befreiung aus seiner Gefangenschaft etablirte er sich zu Paris, und lehrte dort seit 12 Jahren, die Gefangenen Strohhuͤte verfertigen, die mit den italiaͤnischen wetteifern. Seine Huͤte sind wenigstens besser als die Schweizerhuͤte. Er suchte einen brauchbareren Stoff zu Huͤten, als das Stroh nicht ist, und war so gluͤklich, einen zu finden, der Leichtigkeit mit Festigkeit verbindet, und wir werden von diesen Huͤten, in welche man jezt vernarrt ist, sogleich nach den Blumen sprechen. Unzufrieden mit allen unseren bisherigen Materialien zu kuͤnstlichen Blumen suchte er nach einem besseren, nicht gewebten. Nach einer unzaͤhligen Menge fruchtloser Versuche fuͤhrte der Zufall ihm ein aͤußerst duͤnnes Stuͤk Fischbein in die Hand: die Farbe allein schien ihm bei seiner Absicht hinderlich: doch diese entmuthigte ihn nicht. Nach vielen Versuchen gelang es ihm, die natuͤrliche graue Farbe des Fischbeines zu zerstoͤren, und dasselbe schoͤn weiß zu machen. Nun lag bloß noch die Zertheilung des Fischbeines in sehr feine Blaͤttchen im Wege, und auch hieruͤber siegte die Mechanik. Die Instrumente, deren er sich hiezu bedient, sind sehr einfach und sehr sinnreich. Wir werden sie spaͤter beschreiben. Es mußte aber auch noch versucht werden, ob das gebleichte Fischbein sich in allen Nuͤancen faͤrben laͤßt, und die Farben behaͤlt; ob man hiezu dieselben Farben, wie auf Battist und Taffet, anwenden, und ob man auf Fischbein eben so, wie auf diese Stoffe, mahlen kann? Hr. Achill hatte hier mit zahllosen Schwierigkeiten zu kaͤmpfen, und man wird sich dieselben leicht erklaͤren koͤnnen, wenn man bedenkt, daß Battist ein Pflanzenstoff, Fischbein aber ein thierischer Stoff ist. Einige Farben gelangen allerdings; man mußte sie aber auf eine ganz eigene Art modificiren, und das schoͤne Carminroth wollte durchaus keine natuͤrliche Schattirung annehmen: die ersten Rosen, die wir sahen, zogen ins Gelbe oder ins Bleifarbene. Roth ist indessen diejenige Farbe, die am haͤufigsten in der Natur vorkommt, und dieses Roth konnte Hr. Bernardiere lang nicht hervorbringen. Endlich gelang ihm auch dieß, und er verfertigte Rosen, die zum Pfluͤken treu nachgebildet waren. Er hat nun seine Erfindung vollendet; seine Farben sind so schoͤn und aͤcht, als moͤglich, und das Fischbein haͤlt noch besser als der Battist und Taffet das sogenannte Gauffriren, das hier unerlaͤßlich ist. Hr. Redouté, der bekannte beruͤhmte Blumen-Mahler, besucht oͤfters die Werkstaͤtte des Hrn. Bernardiere, und verlaͤßt sie nie ohne Bewunderung und Lobeserhebung der Meisterstuͤke, die er dort findet: Redouté's Urtheil geht hier gewiß uͤber Alles. Man kann nichts Schoͤneres sehen, als die Nelken und Tulpen des Hrn. Bernardiere, an welchen sowohl die Blumenblaͤtter als die Staͤngel und Blaͤtter von Fischbein sind. Die Arbeiter des Hrn. Bernardiere verfertigen keine phantastischen Blumen, sondern copiren treu ihre Blumen nach der Natur, und werden bei dieser Arbeit von einem sehr geschikten Botaniker geleitet, der sie auf die kleinsten Kleinigkeiten aufmerksam macht. Es ist offenbar, daß bei Verfertigung der Blumen aus diesem Materials mehr Zeit darauf gehen muß, als wenn man Battiste dazu waͤhlte: indessen kommen sie doch um nichts theurer zu stehen, als die kuͤnstlichen Blumen aus dem feinsten Battiste: Hr. Bernardiere wußte als geschikter Fabrikant nur zu wohl, daß Wohlfeilheit eine Hauptbedingung bei Erzeugung auch der beßten Waare ist. Bisher hatte er nur 20 Arbeiterinnen, die er großen Theils in dem Gebaͤude de Saint-Lazare selbst gebildet hat; er gibt aber gegenwaͤrtig seiner Fabrik taͤglich mehr Ausdehnung, und benuͤzt die Vorschlaͤge des ersten Pflanzen-Mahlers, Hrn. Redouté's, gewissenhaft bei derselben. Was seine Huͤte betrifft, so ward er bei seiner Ruͤkkehr aus der Gefangenschaft durch die schoͤnen Arbeiten der franzoͤsischen Korbflechtung auf die Idee geleitet, die Weidenreiser statt des Strohes zu Huͤten zu verwenden, indem sie eben so leicht und um Vieles fester und dauerhafter sind. Die Instrumente, die man zum Spalten des Strohes noͤthig hatte, wußte er mit Vortheil zum Spalten der Weideruthen zu verwenden. Und diese Idee fuͤhrte ihn auf die Benuͤzung des Fischbeines zu Huͤten, da es noch leichter, elastischer und weniger zerbrechlich, als Weide, ist. Er machte das Gestell aus Fischbein, und uͤberflocht es mit Weiden, wodurch die Huͤte weit fester wurden, als wenn man sie aus Stroh oder Weiden allein verfertigte. Diese Arbeit geht sehr leicht, und die ungeschiktesten Haͤnde koͤnnen die Weiden zur Verfertigung der Huͤte bereiten. Mittelst sehr sinnreicher und zum Theile bekannter Instrumente theilt man die Weidenruthen nach ihrer Dike in 5, 6, 8, 10 Stuͤke, und verfeinert sie hierauf noch dadurch, daß man sie durch schneidende Zieheisen zieht, wie man das Rohr zur Verfertigung der Kaͤmme fuͤr die Weberstuͤhle zurichtet: auf diese Weise werden sie so duͤnn und schmal, daß sie zu Faden von kaum einem halben Millimeter Breite werden. Dieß gibt, wenn man so sagen darf, den Eintrag: die Kette oder das Gestell ist aus Fischbein, welches eben so wie die Weiden behandelt wird. Die Huͤte des Hrn. de Bernardiere sind ganz vortrefflich; nur das Faͤrben derselben hat, bei der Ungleichheit der Substanzen, aus welchen sie bereitet sind, seine Schwierigkeiten. Da sie in ihrer natuͤrlichen Farbe einem Korbe zu sehr aͤhnlich waren, so mußte man sie jedoch faͤrben, und grau war die beliebte Farbe fuͤr Sommerhuͤte. Man wollte Anfangs die Weiden in einzelnen Stuͤken, noch ungeflochten, faͤrben, und dann nach der Farbe sortiren, allein dieß war so umstaͤndlich, ging so lang her und machte die Huͤte so theuer, daß man dieses Verfahren aufgeben mußte, zumal, da es dem Erfinder endlich gelang, die Huͤte im Ganzen gleichfaͤrbig grau zu faͤrben, wodurch sie zugleich eine Art von Glanz erhielten, den sie verloren, wo man die Weiden einzeln faͤrbte. Er verfertigte auch Tschakos fuͤr die leichten Truppen in Friedenszeiten, die schwarz gefaͤrbt waren. Er ist nun vorzuͤglich bemuͤht, seine Arbeiten immer wohlfeiler zu liefern, was ihm bei Verwendung der Straͤflinge zu denselben auch leicht moͤglich ist.