Titel: Chemische Untersuchung des Wad. Von Edw. Turner, M. Dr., F. R. S. E., Professor der Chemie an der Universität zu London. Vorgelesen vor der Royal-Society of Edinburgh am 1. Februar 1830.
Fundstelle: Band 37, Jahrgang 1830, Nr. XIV., S. 45
Download: XML
XIV. Chemische Untersuchung des Wad. Von Edw. Turner, M. Dr., F. R. S. E., Professor der Chemie an der Universitaͤt zu London. Vorgelesen vor der Royal-Society of Edinburgh am 1. Februar 1830. Aus dem Edinburgh Journal of Science. April 1830. S. 213. Turner, chemische Untersuchung des Wad. Da dieses Mineral noch nie krystallisirt gefunden wurde, und, seinem aͤußeren Ansehen nach, ihm jene bestimmte Beschaffenheit fehlt, welche die Analyse der meisten uͤbrigen Mineralien so interessant macht, so wurde es bisher von den Chemikern beinahe gaͤnzlich vernachlaͤssigt. Ich selbst wurde bloß dadurch veranlaßt es genauer zu untersuchen, weil es unter den Braunsteinerzen aufgefuͤhrt wird,Mehrere deutsche Mineralogen scheinen den Wad nicht recht zu kennen. Meinecke und Keferstein ziehen den Wad zu Werner's Brauneisenrahm; Blumenbach machte einen Graphit daraus; wie Reuß, welcher jedoch den schwarzen Wad richtig erdiges Graubraunstein-Erz nennt.A. d. Ue. auf welche ich seit zwei Jahren meine Aufmerksamkeit gerichtet habe. Diese nahe Verbindung mit meinem Versuche uͤber die Braunstein-Oxyde, welchen die r. Society mit der Aufnahme in ihre Transactions beehrte, mag als Entschuldigung dienen, daß ich gegenwaͤrtig dieses Mineral der Aufmerksamkeit der r. Society unterlege. Unter dem Namen Wad, Black Wad (schwarzes Wad) kommen verschiedene Mineralien vor, welche sich durch folgende Kennzeichen unterscheiden: sie sind weich, leicht, poroͤs, mehr oder minder erdig, braun; abfaͤrbend, und enthalten Braunstein. Obschon sie in diesen allgemeinen Kennzeichen uͤbereinkommen, so unterscheiden sich doch mehrere derselben durch ihre physischen Eigenschaften von einander, und sind in Hinsicht auf ihre chemische Zusammensezung wesentlich von einander verschieden. 1ste Art. Wad von Upton Pyne in Devonshire. Ich verdanke ihn der Gefaͤlligkeit des Herrn Koͤnig am British Museum. Er kommt in gekruͤmmten tafelfoͤrmigen Massen ungefaͤhr von der Dike eines halben Zolles vor, und laͤßt sich leicht in duͤnne Blaͤtter theilen. Er ist leicht zerbrechlich, bedeutend weicher als Gyps, und faͤrbt ab beim Beruͤhren. Er ist braun in's Gelbe ziehend, ungefaͤhr so wie beim Wißmuth. Auf dem frischen Bruche ist er ziemlich glaͤnzend, und etwas metallisch. Sein Strich ist braun und glaͤnzend. Er besteht aus kleinen schuppigen Theilchen, die so neben einander gestellt sind, daß der Bruch faserig scheint. Er ist sehr poroͤs, und wirft unter Zischen eine Menge Luftblasen, wenn man ihn ins Wasser legt. Seine specifische Schwere ist, nachdem er in Wasser gekocht wurde, 2,314. Da ich mich derselben Methode bei der Analyse bediente, welche ich in meiner fruͤheren Abhandlung umstaͤndlich beschrieben habe, so waͤre jedes weitere Detail hier uͤberfluͤssig. Das Mineral loͤst sich in Kochsalzsaͤure leicht und unter Entwikelung von Chlorine auf, und laͤßt bloß Spuren von unaufloͤsbarem erdigen Stoffe zuruͤk. Die Aufloͤsung war vollkommen frei von Eisen, und enthielt, außer Braunstein, nur eine geringe Menge Schwererde. Rothgegluͤht, nachdem er vorlaͤufig bei einer Temperatur von 212° (F. + 80° R.) getroknet wurde, gab er 10,66 Wasser, zugleich mit etwas Sauerstoff. In der Weißgluͤhhize verlor er 19,48 p. C.; naͤmlich 10,36 Wasser, und 8,82 p. C. Sauerstoff. Die Schwererde, wie gewoͤhnlich mit Schwefelsaͤure gefaͤllt, betrug 1,4 p. C. Auf diese Weise gab die Analyse: rothesAnmerkungszeichen zu dieser Fußnote fehlt im Text.Diese fuͤr die Technologie so wichtige Abhandlung findet sich im Polytechn. Journ. Bd. XXX. S. 74. A. d. R. Braunsteinoxyd   79,12 Sauerstoff     8,82 Wasser   10,66 Schwererde     1,40 –––––– 100,00. Der Hauptbestandtheil dieses Minerales ist hiernach Braunstein-Peroxyd-Hydrat, welches aus 88 Theilen oder zwei Aequivalenten Peroxyd, und 9 Theilen oder Einem Aequivalente Wasser besteht: eine Zusammensezung, welche, so viel ich weiß, im Mineralreiche noch nicht beobachtet wurde. Waͤre diese Zusammensezung ganz rein, so haͤtte die Analyse folgende Verhaͤltnisse geben sollen: rothes Oxyd, 79,12; Sauerstoff, 10,57; Wasser, 9; d.h. vielmehr weniger Wasser, und etwas mehr Sauerstoff, als man wirklich erhielt. Auf einen kleinen Ueberschuß von Wasser mußte man aber gefaßt seyn, indem man nicht erwarten konnte, daß eine Hize von 212° F. alle Feuchtigkeit zu verjagen vermag, die an einem leichten erdigen Pulver haͤngt. Ein Abgang an Sauerstoff ließ sich auch erwarten. Denn die Schwererde, welche dieses Mineral enthaͤlt, und welche, wie ich zeigen werde, nur zufaͤllig demselben beigemengt ist, ist nicht in ihrem gewoͤhnlichen Zustande von Verbindung, sondern ist mit irgend einem Braunsteinoxyde verbunden. Was dieß fuͤr ein Oxyd ist, wurde bisher noch nicht mit Sicherheit ausgemittelt; in drei Mineralien aber, in welchen ich eine Zusammensezung dieser Art entdekte, naͤmlich: in einem Wad, den ich sogleich beschreiben werde, und in zwei Mineralien, von welchen in meiner vorigen Abhandlung die Rede war, ist die Schwererde ganz sicher mit einem Braunsteinoxyde verbunden, das weniger hoch oxydirt ist, als das Peroxyd. Die Gegenwart einer solchen Zusammensezung im Wad von Derbyshire wird nun leicht erklaͤren, warum weniger Sauerstoff vorkommt, als die Theorie fordert. Das Braunstein-Peroxyd-Hydrat kann auf diese Weise als Hauptbestandtheil des Wad aus Derbyshire Sollte dieß vielleicht nicht ein Schreibfehler fuͤr Devonshire seyn, da der Derbyshire-Wad erst unten als zweite Art vorkommt. A. d. Ue.betrachtet werden, und, nach meiner Beobachtung, ist es die am haͤufigsten vorkommende Varietaͤt dieses Minerales. Ich fand es nie in einem vollkommenen Zustande von Reinheit. Es enthaͤlt gewoͤhnlich geringe Mengen irgend eines anderen Braunsteinoxydes, zugleich mit Schwererde, Eisenoxyd, Kalk und Kieselerde. Hr. Koͤnig war so guͤtig, mich mit zwei anderen Varietaͤten dieses Wad zu versehen: die eine von Huͤttenberg in Kaͤrnthen, die andere aus dem Nassau'schen. Sie kommen in ihren physischen Eigen schaften mit jenem von Derbyshire in Allem uͤberein, außer daß die kleinen glimmerartigen Theile weniger gedraͤngt (compact) an einander liegen, und mehr ein faseriges Gefuͤge an denselben deutlich ist. Sie geben auch bei der Analyse aͤhnliche Quantitaͤten von rothem Braunstein-Oxyde, Sauerstoff und Wasser. Beide enthalten Spuren von Kiesel- und Schwererde, und in lezterem entdekte ich etwas Kalk. Eine Abart von Wad, aus der Nachbarschaft von Elbingerode im Harze sandte mir Hr. Professor Hausmann zu Goͤttingen unter dem Namen schaumiges Wad,“ das zu derselben Art gehoͤrt.Meinecke und Keferstein zogen es zu Werner's Brauneisenrahm. A. d. Ue. Der groͤßte Theil desselben war Staub; die zusammenhaͤngenden Theile zeigten jedoch dieselben Eigenschaften, wie die vorigen. Auch die chemische Beschaffenheit ist dieselbe: er zeigt Spuren von Kieselerde, Schwererde und Eisenoxyd. Ich habe noch eine andere Abart desselben Minerales erhalten, unter dem Namen: erdiger ocheriger Wad (earthy ochreous Wad) von Hrn. Professor Stromeyer. Er kommt im Nassau'schen vor, und ist, obschon er wesentlich einerlei mit den vorigen ist, doch viel weniger rein. Er ist sichtbarlich mit rothem Eisen-Oxyd-Hydrate gemengt, und laͤßt, in Kochsalzsaͤure aufgeloͤst, eine bedeutende Menge unaufloͤsbaren erdigen Stoff zuruͤk. 2te Art. Wad aus Derbyshire. Dieser Wad, welchen ich Hrn. Koͤnig verdanke, ist erdig, ohne die geringste Spur von krystallinischem Ansehen. Er erhaͤlt durch Reiben etwas Glanz, ist aber sonst matt. Er ist sehr weich und zerreiblich, und faͤrbt beim Beruͤhren ab. Er verschlingt das Wasser mit Begierde, wenn man ihn befeuchtet, und stoͤßt, wenn man ihn in Wasser legt, eine Menge Luftblasen unter Zischen aus. Seine specifische Schwere ist, wenn man die in ihm enthaltene Luft ausgetrieben hat, 3,024. Er trennt sich leicht in parallele Blaͤtter, welche mittelst duͤnner Lagen von Eisen-Peroxyd-Hydrat unter einander verbunden sind. Lezteres ist haͤufig und innig mit dem Wad gemengt, so daß es sich nicht von demselben (mechanisch) scheiden laͤßt. Wenn dieser Wad aus Derbyshire in Kochsalzsaͤure digerirt wird, laͤßt er einen weißen Ruͤkstand, der großen Theils aus schwefelsaurem Kalke besteht, welcher in vielen kleinen Krystallen in dem ganzen Mineral eingesprengt ist. Die Menge desselben ist verschieden; in dem Stuͤke, welches der Analyse unterzogen wurde, betrug er 2,74 p. C. Die klare Aufloͤsung dieses Minerales in Kochsalzsaͤure war stark von Eisen gefaͤrbt, und gab auf zugesezte Schwefelsaͤure eine Menge schwefelsaurer Schwererde, in welcher 5,40 reine Schwererde enthalten war. Die Fluͤssigkeit wurde hierauf vollkommen neutralisirt, und das Eisen mittelst benzoesaurem Ammonium niedergeschlagen. Das Filtrum, auf welchem das benzoesaure Eisen lag, wurde in einen Platinnatiegel gethan, mit einigen Tropfen Salpetersaͤure und salpetersaurer Ammoniumaufloͤsung besprizt, und nachdem es im Sandbade getroknet wurde, verbrannt und der Ruͤkstand ausgegluͤht. Auf diese Weise konnte die Benzoesaͤure und das Filtrum zersezt werden, ohne daß irgend etwas von dem Eisenperoxyde reducirt wurde. Das erhaltene Peroxyd, welches nicht im Mindesten von dem Magnete angezogen wurde, betrug 52,34 p. C. Aus der nun von der Schwererde und von dem Eisen befreiten Aufloͤsung wurde der Braunstein mittelst Potasche niedergeschlagen, und man erhielt eine Menge rothes Oxyd, dessen Aequivalent 38,59 p. C. Deuteroxyd war. Die Aufloͤsung enthielt auch eine Spur von Kalk. Sorgfaͤltig bei einer Temperatur von 212° (F. + 80° R.) getroknet, und einer Rothgluͤhehize ausgesezt, verlor dieses Mineral 10,29 Wasser. Bei dieser Temperatur wurde noch kein Sauerstoff davon getrieben, zum Beweise, daß der Braunstein hier in keinem hoͤheren Oxydationsgrade, als in jenem eines Deuteroxydes sich befindet. Es ist also klar, daß diese AbartOben heißt sie „zweite Art“ Species.“ A. d. Ue.von Wad, außer Eisenoxyd und Wasser, ein Gemenge von Schwererde und Braunsteindeuteroxyd enthaͤlt, welches jenem, das den Hauptbestandtheil in dem nicht spaltbaren (uncleavable) Braunsteinerze bildet, und welches sich in geringer Menge im Wad aus Devonshire befindet, offenbar aͤhnlich ist. Das in dem Wad aus Derbyshire enthaltene Eisen befindet sich gaͤnzlich im Zustande eines Peroxydes. Es ist vielleicht nicht uͤberfluͤssig die Gruͤnde anzugeben, aus welchen ich schließe, daß gar kein Eisenprotoxyd vorhanden ist, indem die Methode, nach welcher ich auf diesen Schluß kam, mir feiner zu seyn scheint, als irgend eine der bisher gebraͤuchlichen. Sie gruͤndet sich auf eine Thatsache, welche ich an einem anderen OrteEdinb. Med. and Surg. Journal. XXX. p. 344. A. d. O.zu einem anderen Zweke eroͤrterte, naͤmlich auf diese: daß sich aus Blausaͤure und einer Mischung aus Eisensalz und Potasche kein Berlinerblau bildet, wenn das Eisen sich buchstaͤblich im Minimum seiner Oxydation befindet. Eine sehr geringe Menge von Eisenprotoxyd veranlaͤßt jedoch die Entstehung voll Berlinerblau, was deutlich erhellt, wenn man das niedergeschlagene Oxyd in einem geringen Ueberschusse von Schwefelsaͤure aufloͤst. Der Wad aus Derbyshire gab, in einem verschlossenen Gefaͤße mit verduͤnnter Schwefelsaͤure digerirt, eine gelbe Aufloͤsung, welche, wenn Blausaͤure derselben zugesezt, und wenn sie dann mir reiner Potasche gefaͤllt und mit Schwefelsaͤure gesaͤuert wurde, nicht die mindeste blaue Farbe zeigte. Wenn dieser Wad einer Weißgluͤhehize ausgesezt wird, verliert er 18,34; naͤmlich 10,29 Wasser, und 8,05 Sauerstoff. Der Ruͤkstand ist sehr zusammengezogen, schwarz, und wird stark vom Magnete angezogen. Es erhellt hieraus, daß der Sauerstoff sowohl vom Eisenperoxyde als vom Braunstein herruͤhrte. Eine aͤhnliche Veraͤnderung hat Statt, wenn ein Gemenge aus reinem Eisenperoxyde und aus Braunsteinoxyde einer Rothgluͤhehize ausgesezt wird. Nach obiger Analyse bestehen also 100 Theile Wad aus Derbyshire aus Eisenperoxyd 52,34 Braunsteinteuteroxyd 38,59 Wasser 10,29 Schwererde   5,40 unaufloͤsbarem erdigen Stoffe   2,74 ––––– 99,36. Der Wad vom Harze, welchen Klaproth im III. Theile seiner Beitraͤge analysirte, scheint von derselben Art gewesen zu seyn, wie der vorhergehende, enthielt aber eine groͤßere Menge Braunstein und Schwererde. 3te Art Wad. Ich erhielt neulich eine andere Art Wad aus Deutschland, unter dem Namen ocherartigen Wad, von Hrn. Professor Hausmann, dessen Fundort ich nicht genau anzugeben weiß. Sie ist, wie die vorige Art, erdig und zerreiblich: ihr Staub, wie ihr Strich, ist dunkel oder schwarzbraun. Sie ist sehr poroͤs, und stoͤßt eine Menge Luftblasen stromweise aus, wenn sie unter Wasser gelegt wird. Ihre specifische Schwere ist 4,506. Rothgegluͤht verliert dieser Wad, nachdem er bei einer Temperatur von 212° F. getroknet wurde, 3,08 p. C. Wasser zugleich mit Sauerstoffgas. In Weißgluͤhehize betraͤgt sein Verlust 12,755 p. C., naͤmlich: 3,08 Wasser, und 9,675 Sauerstoffgas. In Kochsalzsaͤure loͤst er sich leicht unter freier Entwikelung von Chlorine auf, und laͤßt bloß einige Spuren von unaufloͤsbarem Stoffe zuruͤk. Die Aufloͤsung war frei von Kalk und Eisen, enthielt aber eine Spur von Schwelerde. Wenn man die große specifische Schwere desselben, die geringe Menge Wassers und die große Menge Sauerstoffes, die damit verbunden ist und in der Weißgluͤhehize verloren geht, bedenkt; so bleibt kein Zweifel, daß diese Art Wad wesentlich am wasserfreien Braunsteinperoxyd besteht, welchem eine geringe Menge irgend eines Oxydhydrates, wahrscheinlich von Braunstein, zufaͤllig beigemengt ist.