Titel: | I. Ueber die Identität des raffinirten Runkelrübenzukers und des Rohrzukers, und über die Mittel den Rohzuker beider zu unterscheiden. II. Ueber das Abschäumen des Saftes der Runkelrüben und ein neues Merkmal bei der Anwendung des Kalkes am Rohrzukersafte. III. Ueber Verwandlung des Stärkmehles in Zuker durch das Malz. IV. Fortschritte der Runkelrübenzuker-Fabrikation. Von Hrn. Dubrunfaut. |
Fundstelle: | Band 37, Jahrgang 1830, Nr. LIV., S. 194 |
Download: | XML |
LIV.
I. Ueber die Identitaͤt des raffinirten
Runkelruͤbenzukers und des Rohrzukers, und uͤber die Mittel den Rohzuker
beider zu unterscheiden. II. Ueber das Abschaͤumen des Saftes der
Runkelruͤben und ein neues Merkmal bei der Anwendung des Kalkes am
Rohrzukersafte. III. Ueber Verwandlung des Staͤrkmehles in Zuker durch das Malz.
IV. Fortschritte der Runkelruͤbenzuker-Fabrikation. Von Hrn. Dubrunfaut.
Aus dem Agricultur manufacturier. April – Mai.
1830. (Im Bulletin des Sciences technol. April 1830. S. 326.)
Dubrunfaut, uͤber Runkelruͤbenzukers.
I.
Hr. Dubrunfaut bekaͤmpft die Vorurtheile, nach
welchen der raffinirte Runkelruͤbenzuker ein anderer Zuker seyn soll, als der
Rohrzuker.183) Er zeigt, daß der Umstand, daß Runkelruͤbenzuker specifisch leichter, und daher, in
gleichem Volumen, weniger zukerhaltig ist, bloß von dem Verfahren bei dem Raffiniren
abhaͤngt, und bei demselben Verfahren auch bei dem Rohrzuker Statt hat. Nur
wenn man vom raffinirten
Zuker zum Rohzuker uͤbergeht, findet man verlaͤssige Kennzeichen,
durch welche man diese beiden Arten von Zuker beinahe immer mit Sicherheit
unterscheiden kann. Der Rohr-Rohzuker hat meistens einen gewissen
Gaͤhrungsgeruch, welcher dem Runkelruͤben-Rohzuker fehlt.
Dieser hat dafuͤr einen etwas scharfen Nachgeschmak, oder einen alkalischen
oder saͤuerlichen Nachgeschmak, und in keinem Falle den honigartigen
Nachgeschmak des Rohrzukers, außer wenn man ihm denselben besonders mittheilt. Außer
diesen beiden durch unsere Sinne wahrnehmbaren Unterschieden gibt es aber noch zwei
verschiedene Verfahrungsweisen, um beide Arten von Zuker von einander zu
unterscheiden.
1stes Verfahren. Man nimmt 1 Theil des zu untersuchenden
Zukers, und 6 bis 7 Theile Salpetersaͤure von 25°, wie zur Bereitung
der Zuker-
oder Sauerkleesaͤure. Man erhizt sie, und laͤßt sie so lang kochen,
bis keine rothen Daͤmpfe (salpetriges Gas) mehr aufsteigen. Wenn man dann die
Fluͤssigkeit betrachtet, und am Boden des Kolbens einen weißen Niederschlag
findet, so ist der Zuker Runkelruͤbenzuker. Dieser Niederschlag ist
sauerkleesaurer Kalk, welcher durch die Gegenwart des Kalkes in diesem Zuker erzeugt
wird.184)
2tes Verfahren. Man loͤst den Zuker in destillirtem
Wasser oder in Regenwasser auf, und troͤpfelt einige Tropfen basisch
essigsaures Blei in diese Aufloͤsung. Wenn der Zuker Runkelruͤbenzuker
ist, wird sich immer ein haͤufigerer Niederschlag finden. Wenn man ferner ein
paar Stunden wartet, wird man finden, daß beim Runkelruͤbenzuker die
Fluͤssigkeit, die uͤber dem Niederschlage steht, hell ist,
waͤhrend sie beim Rohrzuker etwas schillert und der Niederschlag sich nur
schlecht bildet.
II.
Die gegenwaͤrtig gebraͤuchlichste Methode Abzuschaͤumen ist ganz
dieselbe, wie in den Colonien, d.h. bloß mittelst Kalkes. Erst in diesem Jahre hat
sie sich auf eine siegreiche Weise in einem großen Theile unserer
Runkelruͤbenzuker-Raffinerien verbreitet, und zwar unter dem Schuze
der gekoͤrnten Kohle in starker Gabe, wodurch den Nachtheilen vorgebeugt
wird, welche diese Methode bei Ruͤben hat, die sehr reich an Kali sind. Einer
der wichtigsten Nachtheile derselben war die Schwierigkeit beim Klaͤren.
Hr. Dubrunfaut verfuhr bei dieser Arbeit auf folgende
Weise. Der Kalk wurde, wie gewoͤhnlich, geloͤscht, und 5 1/2 bis 7
Gramm (1 Gramm = 16 Gran bayersches Apothek. Gewicht) auf das Liter (0,7068 Wiener
Maß) fuͤr die angewendeten Wurzeln abgewogen und mit Wasser
angeruͤhrt. Man sezte ihn dem Safte bei 70 bis 75° am hundertgradigen
Thermometer unter starkem Umruͤhren zu. Hierauf beobachtete man den Saft auf
einem Loͤffel. Wenn sich nun ein leichtes Haͤutchen auf der
Oberflaͤche der Fluͤssigkeit bildete, so hielt man die Menge Kalkes
fuͤr hinreichend, und fing an zu sieden; im entgegengesezten Falle sezte man
so lang Kalk zu, bis ein solches Haͤutchen zum Vorscheine kam. Bis jezt galt
Klarheit des Saftes fuͤr das einzige Merkmal einer guten Abschaͤumung:
allein diese Klarheit kann sehr wohl Statt haben, ohne daß eine vollstaͤndige Abschaͤumung
geschehen ist. Das Kennzeichen, welches von dem Haͤutchen hergenommen ist,
gewaͤhrt dafuͤr immer volle Sicherheit, daß man eine gehoͤrige
Abschaͤumung erhalten wird. Was zeigt uns dieses Haͤutchen, das bloßer
kohlensaurer Kalk ist, der sich in Beruͤhrung mit der atmosphaͤrischen
Luft bildete, anders, als daß der Saft Kalk aufgeloͤst enthaͤlt, und
zwar im Ueberschusse? Nun ist es aber gerade dieser Ueberschuß, den Hr. Dubrunfaut fuͤr durchaus nothwendig haͤlt,
wenn die Arbeit gelingen soll. Da der Kalk dazu bestimmt ist, die fremdartigen
Theile in dem Safte des Zukers abzuscheiden, welche die Krystallisation desselben
erschweren wuͤrden, so waͤre das beste Mittel hierzu dieses, den Kalk
in dem gehoͤrigen Verhaͤltnisse zuzusezen. Da es uns aber bisher
unmoͤglich ist, dieses Verhaͤltniß mit Genauigkeit zu bestimmen, so
muß man sich bis zu einem kleinen Ueberschusse vorwagen.
Die Anzeige der Abwesenheit des Kalkes in dem Runkelruͤbensafte beruhte also
auf unvollstaͤndigen Versuchen, wie das Kennzeichen der Abschaͤumung,
das Hr. Dubrunfaut hier aufstellt, deutlich erweiset. Hr.
Dubrunfaut schließt mit einigen Bemerkungen
uͤber Kalks dosen in der Fabrik des Hrn. Aubineau
zu Dallon, wo man bis auf 21 Gramm auf das Liter stieg.
III.
Man weiß daß Malz, wenn es mit Staͤrke in Beruͤhrung gebracht wird, bei
einer Temperatur von 62 bis 70° beinahe augenbliklich fluͤssig wird.
Dieses Verfahren, daß sich beim Brautweinbrennen, Brauen, bei der Syrupbereitung
anwenden ließe, hat den Nachtheil, die Fluͤssigkeit durch das Parenchym des
Malzes teigig zu machen. Dieser Nachtheil laͤßt sich vermeiden, wenn man das
Malz fuͤr sich allein bei einer Temperatur von 62° einweicht, die
klare Fluͤssigkeit, welche man dadurch erhaͤlt, sammelt, und dann mit
dem zu einem Kleister angeruͤhrten Starkmehle mengt, so daß man eine
Temperatur von 62 bis 70° am hundertgradigen Thermometer erhaͤlt.
Diese Fluͤssigkeit oder dieses Malzexract hat also alle Eigenschaften des
Malzes, behaͤlt jedoch dieselben nur so lang, als sie noch nicht uͤber
eine Temperatur von 70° erhizt wurde. Denn in dieser Temperatur wird sie
truͤb, und wenn sie bis zum Sieden gebracht wird, bildet sie einen mehr oder
minder haͤufigen Niederschlag, der aus einem gelben, schmuzigen, in Wasser
und in Alkohol unaufloͤsbaren Stoffe besteht. Dieser gibt bei der
Destillation etwas Ammonium, besizt mehrere Eigenschaften des Klebers, und scheint
nichts anderes als dieser Kleber, der durch das Keimen aufloͤsbar wurde.
Diese Thatsache erklaͤrt den Nachtheil, welcher entsteht, wenn man Staͤrke, die man in Zuker
verwandeln will, bis auf 100° erhizt; sie erklaͤrt auch, warum man bei
dem Brauen nie siedend heißes Wasser zum Einweichen nehmen darf. Man hat selbst
bemerkt, daß uͤber 70° die Verwandlung in Zuker weniger gut von
Statten geht, und daß sie, ohne allen Zweifel, bei 87° gar nicht Statt haben
wuͤrde. In jedem Falle verwandelt das Malz nur jenen Theil des
Staͤrkmehles in Zuker, welcher in siedend heißem Wasser aufloͤsbar
ist, und welchen Hr. Raspail als ein Analogon fuͤr Gummi darstellte. Die
Deke, welche in der Staͤrke nur aufgeschwollen und im Wasser schwebend
erhalten wird, erleidet nicht die Wirkung des Malzes. Man weiß auch, daß dieselbe
Deke den Einwirkungen der Schwefelsaͤure widersteht. Dieser Umstand erzeugt
ohne Zweifel den Unterschied, den man in den Producten der
Staͤrkzuker-Fabriken wahrnimmt, und der nach Hrn. de Saussure im
Laboratorium gemacht wird.
IV.
Ueber die Fortschritte der
Runkelruͤbenzuker-Fabrikation in Frankreich in den Jahren
1829–30. April 1830.
Dieses Jahr, in welchem an 200 Fabriken gearbeitet haben, ist eines der
merkwuͤrdigsten durch die Aufklaͤrungen, welche dieses
Geschaͤft erhalten hat. Bisher schwankte dasselbe noch in der That zwischen
Methoden, welche sowohl in ihren Grundsaͤzen, als in der Anwendung derselben
und in den Huͤlfsmitteln von einander abwichen. Nun hat sich eine neue
Laufbahn geoͤffnet, und Hr. Dubrunfaut betrachtet
dieselbe, ohne sich die Schwierigkeiten zu verbergen, auf welche man auf derselben
stoßen wird, als die einzige Richtung, welche man allen Verbesserungen in diesem
Zweige der Industrie wird geben muͤssen. Er erklaͤrt seine Ansichten,
indem er an die Schwierigkeiten erinnert, welche bei den Krystallisirgefaͤßen
und bei der Anwendung des Dampfes Statt haben, wenn man gewiß seyn will, daß jedes
Mal der Sud gelingt. Heute zu Tage sind alle Verbesserungen auf die Verbesserung des
Syrupes gerichtet, welche man durch thierische Kohle erhaͤlt, wenn man sie in
starker Gabe anwendet. Diese Richtung, welche die
Runkelruͤbenzuker-Fabrikation gegenwaͤrtig genommen hat,
verdankt man großentheils dem Gebrauche des Filtrirapparates mit koͤrniger
Kohle, welchen Hr. Dumont uns zuerst kennen lehrte.185) Gegen diese Methode laͤßt sich indessen die ungeheuere Menge
Materiales einwenden, welches man bei derselben braucht, und deren Preis bis auf
eine unbestimmte Hoͤhe steigen kann.
Das Abschaͤumen mittelst Kalkes wurde gleichfalls als die einzige gute Methode
anerkannt, und der klar abgezogene Saft wird hierauf filtrirt. Die Saͤure
wurde gaͤnzlich bei allen Anstalten aufgegeben, an welchen man von
koͤrniger Kohle Gebrauch machte, die man damals bis zu einer Menge von
50–60 p. C. des vermeintlichen Zukers im Syrupe anwendete. Durch Beseitigung
dieses so aͤußerst schwierig zu behandelnden Mittels wird die Arbeit um
Vieles einfacher; die Verbesserung des Syrupes durch die Kohle macht sie um Vieles
leichter, und man kommt auf Ersparung, auf Anwendung von Maschinen und einfache
Apparate zuruͤk. Diese Richtung hat Hr. Dubrunfaut
in seinen Antworten an die Untersuchungs-Commission sehr empfohlen.
Die Apparate sind auf demselben Punkte geblieben, auf welchem sie im vorigen Jahre
standen: man hat nur die Ausfuͤhrung derselben vervollkommnet. Die
Abschaͤumungskessel in freiem Feuer wurden in mehreren Fabriken beweglich
vorgerichtet, damit man desto leichter den Kessel vom Feuer nehmen kann, damit der
Syrup sich leichter und schneller sezen, und dem Aufsteigen abgeholfen werden kann.
Eingesotten wird bei freiem Feuer beinahe uͤberall in feststehenden Kesseln
von 5 Fuß Laͤnge und 2 1/2 Fuß Breite. Zehn aͤhnliche Kessel reichen
bei den HHrn. Blanquet et Harpignies zum Einsieden von
100 Hektoliter186) in 12 Stunden zu. Der Klarkessel ist bei dem neuen Verfahren nicht mehr so
unentbehrlich. Die Anwendung des Blutes ist theils vermindert, theils beseitigt. Das
Auswaschen der Kohle geschieht ohne Schwierigkeit mit dem abgeschaͤumten
Safte.
Das Heizen mit Dampf findet noch bei denjenigen Theilnahme, die mittelst Dampfes
kochen, vorzuͤglich deßwegen, weil man dadurch beinahe augenbliklich das
Heizen unterbrechen kann. Statt der Speisungspumpen laͤßt man das Wasser
zuruͤklaufen.
Hr. Dubrunfaut hat in einer von ihm erbauten Fabrik die
Autoclave mit Vortheil bei dem Aufsieden (montage) des
Saftes und der Syrupe angewendet,. Er ließ auch große mit Zink ausgefuͤtterte
hoͤlzerne Kisten verfertigen, um die Formen zu ersezen, und man hat sich bei
denselben sehr gut befunden.
Die Klaͤrmethode, welche Hr. Dubrunfaut im lezten
Jahre einfuͤhrte, hat sich in mehreren Fabriken erhalten; das Verfahren bei
derselben ist aber etwas schwierig. Das Verfahren mittelst des sogenannten Mutisme
hat im Großen Schwierigkeiten bei der Ausfuͤhrung gezeigt, welche man der
schlechten Qualitaͤt der Wurzeln zuschrieb. Der Saft der Wurzeln, welchen man
dieser Operation unterwirft, gibt bei der Abschaͤumung haͤufige
Niederschlaͤge, die nicht als Schaum aufsteigen koͤnnen, und die sich
nur langsam sezen. Die Behandlung mit Erde so wie das Klaͤren laͤßt
sich nur bei grobkoͤrnigem Zuker mit Vortheil anwenden, folglich nur bei
Syrupen, die schwach gekocht wurden. Hr. Dubrunfaut verspricht, außer dieser
allgemeinen Uebersicht uͤber die gesammte Fabrikation, diejenigen Theile der
Runkelruͤbenzuker-Fabrikation, die noch weiterer Ausfuͤhrung
und Erklaͤrung beduͤrfen, umstaͤndlicher im Detail zu
behandeln.