Titel: Ueber das Volumen der Atome und die Veränderungen, welche dasselbe bei den chemischen Verbindungen erleidet. Von Hrn. Polydore Boullay, d. Sohne.
Fundstelle: Band 37, Jahrgang 1830, Nr. LXXV., S. 283
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LXXV. Ueber das Volumen der Atome und die Veraͤnderungen, welche dasselbe bei den chemischen Verbindungen erleidet. Von Hrn. Polydore Boullay, d. Sohne. Auszug aus einer Dissertation desselben im Journal d. Pharmacie. Juillet. S 398.Diese Abhandlung findet sich zu Paris bei Bechet. Boullay, uͤber das Volumen der Atome etc. Hr. Bullay, der Sohn, suchte in dieser Abhandlung die Veraͤnderungen zu bestimmen, welche das Volumen eines zusammengesezten Koͤrpers im Vergleiche zum Volumen der zusammensezenden Koͤrper lediglich durch die bloße Verbindung erleidet. Das eine der Elemente dieser Bestimmung ist durch die specifischen Schweren gegeben. Er mußte also vor Allem die bis auf den heutigen Tag bekannten specifischen Schweren sammeln, pruͤfen, diejenigen, welche noch nicht ganz zuverlaͤssig waren, genauer bestimmen, und durch neue Versuche die zahlreichen Luͤken ausfuͤllen, die noch bis zur Stunde in den gewoͤhnlichen Tabellen sich finden. Wir fuͤhren in der gegenwaͤrtigen Tabelle nur jene specifischen Schweren an, welche er selbst bestimmt hat, und werden dann einige Worte uͤber das Verfahren beifuͤgen, welches er befolgte, um dieselben zu erhalten. Tabelle. Namen der Koͤrper. Formeln. MittlereDichtigkeitender erhaltenenResultate. Bemerkungen. Spießglanz-Protoxyd. Sb² + O³   5,778 In langen Nadeln. Spießglanz-Deuteroxyd. Sb + O²   6,525 Silber-Oxyd Ag² + O   7,250 Aus salpetersaurem Silber mittelst reiner uͤberschuͤssiger Potasche. Silber-Chloruͤr Ag + Ch   5,548 Silber-Joduͤr Ag + I.   5,614 Queksilber-Bioxyd Hg² + O 11,000 Durch Calcinirung des salpetersauren Queksilbers. Queksilber-Bichloruͤr Hg + Ch   5,420 Queksilber-Chloruͤr Hg² + Ch   7,140 Queksilber-Bijoduͤr Hg + I   6,320 Queksilber-Joduͤr Hg² + I   7,750 Queksilber-Bisulfuͤr Hg² + S   8,124 Kupfer-Protoxyd Cu² + O   5,300 Natuͤrliche Krystalle. Kupfer-Bioxyd Cu + O   6,130 Durch Calcinirung des salpetersauren. Wißmuth-Oxyd Di² + O³   8,968 Ebenso. Zinn-Deuteroxyd St + O²   6,900 Zinn-Protosulfuͤr St + S   5,267 Zinn-Bisulfuͤr St + S²   4,415 Blei-Protoxyd Pb + O   9,500 Blei-Peroxyd Pb + O²   9,190 Blei-Joduͤr Pb + I²   6,110 Zink-Oxyd Zi + O   5,600 Eisen-Peroxyd Fe² + O³   5,225 Eisen-Deuteroxyd Fe + O + 2 (Fe² + O³)   5,400 Mittelst Wasserdampfes. Eisen-Deuteroxyd 2 (Fe + O) + (Fe² + O³)   5,480 Reiner Hammerschlag. Kalk Ca + O   3,179 Calcium-Chloruͤr 2,2692,214 Barium-Chloruͤr 3,860 Potassium-Joduͤr 4,1563,0783,104 Verfahren, die Dichtigkeiten zu erhalten. Man weiß, daß, wenn man die Dichtigkeit eines Koͤrpers finden will, man trachten muß denselben entweder krystallisirt, oder grob gepulvert zu erhalten, wenn leere Raͤume in den Krystallen vorzukommen scheinen. In lezterem Falle reicht es hin, den urspruͤnglichen Krystall in mehrere kleine zu theilen, welche man dann als hinlaͤnglich rein betrachten kann. Wenn der Koͤrper sich nicht krystallisirt, muß er auf mechanische Weise, oder durch chemischen Niederschlag fein gepuͤlvert werden. Wenn man mit gehoͤriger Sorgfalt arbeitet, so erhaͤlt man immer dieselben Resultate, der Koͤrper mag sich in was immer fuͤr einem Zustande befinden: allein, wenn das Verfahren bei krystallisirten Koͤrpern leicht und einfach ist, indem es sich bloß darum handelt, den Koͤrper in der Luft und hierauf im Wasser zu waͤgen, so ist dieß nicht derselbe Fall bei gepulverten Koͤrpern. Die Pulver verdichten immer eine groͤßere oder geringere Menge Gases, oder enthalten Luft, welche sie mit solcher Kraft umhuͤllt, daß man sie nur mit Muͤhe befeuchten kann. Indessen gelingt dieß am Ende doch, indem man sie entweder so lang kocht, bis sie sich vollkommen auf dem Boden des Gefaͤßes gesammelt haben, und sie sodann so lang dem leeren Raume aussezt, als noch Luftblasen aus demselben aufsteigen, oder indem man sich bloß auf die Luftpumpe beschraͤnkt. Hr. Boullay beschraͤnkte sich bloß auf leztere. Er bediente sich kleiner Flaschen, die 30 bis 40 kubische Centimeter hielten, und die mit einem Stuͤke Glasroͤhre, das mit Schmergel abgerieben war, geschlossen waren. Homberg lehrte zuerst solche kleine Flaschen anwenden, und heute zu Tage werden dieselben, mit kleinen Abaͤnderungen, allgemein angewendet. Das Pulver kommt in diese kleinen Flaschen, und wird mit siedend heißem Wasser bedekt; man ruͤhrt mit einem Platinna-Drathe, um die Entwikelung der Luft so viel wie moͤglich zu beguͤnstigen, und bringt dann die Gloke unter die Luftpumpe, unter welcher man behutsam und langsam einen leeren Raum herzustellen sucht. Man uͤberlaͤßt das Flaͤschchen hierauf 12 Stunden lang sich selbst, oder uͤberhaupt so lang, als sich noch Luft entwikelt, und schließt dann den Versuch auf die gewoͤhnliche Weise. Wasser ist nicht das einzige Vehikel, dessen man sich bedienen kann, um die Dichtigkeit der Koͤrper zu bestimmen. Man muß sogar nothwendig, wenn sie aufloͤsbar sind, sich eines anderen Mittels bedienen. Queksilber waͤre in dieser Hinsicht ein sehr kostbares Mittel, weil es nur wenige Koͤrper gibt, welche von demselben aufgeloͤst werden; es nezt sie aber zu wenig und zu schwer, als daß man sich desselben zur Bestimmung des Volumens gepulverter Koͤrper, und selbst der Krystalle, bedienen koͤnnte. Man weiß auch in der That, daß das Queksilber sich nicht in Oeffnungen einsenken kann, in welche die Luft und das Wasser sehr leicht eindringt: dahin gehoͤren nun auch die Zwischenraͤume, welche die Theilchen irgend eines Pulvers zwischen sich lassen. Man muß also, wo der Koͤrper gepuͤlvert ist, eine Fluͤssigkeit waͤhlen, welche in einem hohen Grade fluͤssig ist: Terpenthingeist, Weingeist, erfuͤllt diesen Zwek sehr gut. Diese Fluͤssigkeiten gewaͤhren den großen Vortheil, daß sie gepuͤlverte Koͤrper beinahe augenbliklich nezen. Es ist nur die Vorsicht noͤthig, daß man bei jeder Operation die specifische Schwere derselben genau bestimmt, indem dieselbe sich sehr schnell veraͤndern kann. Da die Flaͤschchen, welche die Pulver enthalten, eine lange Zeit uͤber in dem luftleeren Raume bleiben muͤssen, so dachte Hr. Boullay auf ein Mittel die Wirkungen der Luftpumpe zu vervielfaͤltigen, und gerieth auf folgendes: Er bedient sich mehrerer Glasplatten, oder einer einzigen großen, gehoͤrig zugerichteten Glasplatte, die in einem hoͤlzernen mit Kitt gehoͤrig verstrichenen Gehaͤuse eingesezt ist, welches auf einen Tisch in der Naͤhe der Maschine gebracht wird. Er hat mehrere mit einem Hahne versehene kleine Glasgloken, welche er mittelst einer bleiernen Roͤhre und mehrerer Roͤhren aus Kautschuk, oder auf irgend eine andere Weise mit der Maschine in Verbindung bringt. Diese Roͤhre kann aus zwei Theilen bestehen, wovon der eine Kalk oder Calcium-Chloruͤr enthalten muß. Bei dieser Vorrichtung wird der Teller in der Maschine durchaus uͤberfluͤssig, und, abgesehen von dem Vortheile, welchen sie dadurch darbietet, daß sie die Wirkung der Luftpumpe nach Belieben vervielfaͤltigt, gewaͤhrt sie auch noch den Vortheil, daß die Leder der Staͤmpel dadurch gegen alle Feuchtigkeit geschuͤzt werden. Ohne diese Vorsicht wird die Reibung derselben durch das Anschwellen des Leders so groß, daß man sie nur mit Muͤhe, und oft gar nicht bewegen kann. Durch dieses Verfahren kann man ferner die vielen Abdampfungen und Austroknungen, die man gewoͤhnlich im leeren Raume vornimmt, bis ins Unendliche vervielfaͤltigen, und man vermeidet die Notwendigkeit, die Schwefelsaͤure in die Naͤhe der Luftpumpe stellen zu muͤssen. Es geschieht, leider, nur zu oft, daß etwas von dieser Saͤure in die Luftroͤhre sprizt, und von da unter die Staͤmpel gelangt, welche auf diese Weise groͤblich beschaͤdigt werden koͤnnen. Mit einem Worte, der Dienst der Luftpumpe leidet bei dieser Vorrichtung nicht mehr durch die Laͤnge der Dauer der Arbeit: es ist nichts anderes noͤthig, als daß der luftleere Raum hergestellt wird; die Luftpumpe ist gegen jeden schaͤdlichen Einfluß gesichert. Die Resultate, auf welche Hr. Boullay gelangte, sind folgende: 1) Bei chemischen Verbindungen ist das Volumen des Atomes des zusammengesezten Koͤrpers gewoͤhnlich groͤßer oder kleiner, als die Summe der Volumen der Atome der zusammensezenden Koͤrper. Unter Volumen des Atomes der einfachen Koͤrper versteht er die materielle Molekel und den leeren Raum, der sie umgibt, und der symmetrisch rings um jede Molekel vertheilt ist. Dieses Volumen erhaͤlt man, indem man das Gewicht des Atomes des Koͤrpers durch seine Dichtigkeit theilt. Unter Volumen des zusammengesezten Atomes versteht er die materiellen Molekeln, welche den zusammengesezten Koͤrper bilden, und den leeren Raum, der sie umgibt. Dieses vorausgesezt koͤnnen nun verschiedene Umstaͤnde eintreten. Entweder ist das Volumen des zusammengesezten Koͤrpers gleich der Summe der Volumen der Elemente desselben; dieß ist selten der Fall. Oder dieses Volumen weicht davon ab, und es hat Zusammenziehung Statt: dieß ist das Resultat bei den Schwefelverbindungen (Sulfuͤren). Oder es hat Erweiterung Statt, wie bei einigen Jodverbindungen (Joduͤren). Die Ausmittelung der Veraͤnderungen der Volumen bildet also einen wichtigen Gegenstand, obschon sie uͤbrigens keinem bisher wahrnehmbaren Geseze unterliegen. Man konnte also nicht auf jene Schwefel- und Jod-Verbindungen schließen, welche man nicht untersucht hat. Auch waren die mit aller Genauigkeit beobachteten Thatsachen nicht zahlreich genug, um den Grundsaz aufstellen zu koͤnnen, daß die an den Schwefelverbindungen beobachtete Zusammenziehung ein wesentliches Merkmal der Koͤrper dieser Art bildet; dieß ist um so weniger wahrscheinlich, als die Jodverbindungen Resultate von beiderlei Art gaben. 2) Die beobachteten Zusammenziehungen waren zuweilen so bedeutend, daß das Volumen des Atomes des zusammengesezten Koͤrpers kleiner befunden wurde, als das Volumen des Atomes eines der zusammensezenden Koͤrper. Dieß hat wirklich bei der Verbindung des Chlores mit dem Potassium Statt. Bei dieser Ein- und Gegenwirkung vermindert sich das Volumen der Elemente, welche sich mit einander vereinigen, so sehr, daß es selbst kleiner wird, als jenes des Potassium, welches das Chloruͤr bildet. Auch bei dem Sodium ist das Resultat noch sehr hervorspringend, obschon weniger ausgezeichnet. Man sieht, daß die Verschiedenheit, die sich immerdar bei der Zusammenziehung und Ausdehnung darbietet, welche die Elemente eines zusammengesezten Koͤrpers erleiden, der aus demselben einfachen Koͤrper mit anderen Koͤrpern, wie mit Schwefel, Jod, Chlor, Sauerstoff und Metallen gebildet wird, erweiset, 3) daß man bei dem gegenwaͤrtigen Zustande der Wissenschaft sich keine auch nur etwas genaue Idee uͤber das atomische Volumen oder uͤber die Dichtigkeit im festen Zustande derjenigen Koͤrper bilden kann, die, wie Sauerstoff und Chlor, noch nicht auf den festen Zustand zuruͤkgefuͤhrt werden konnten. Obige Resultate haͤtten auch ohne Ruͤksicht auf Volumen und Abstaͤnde der Atome, bloß durch Vergleichung der Dichtigkeit eines zusammengesezten Koͤrpers mit jener seiner Elemente erhalten werden koͤnnen. Indessen hat diese Ansicht das Gute, daß die Beruͤksichtigung der Verhaͤltnisse zwischen den Volumen oder dem Abstande der Atome, und den sogenannten Cohaͤsionskraͤften und der chemischen Verwandtschaft gestattet, und die Gewichte der Atome der HHrn. Petit und Dulong in einer neuen Hinsicht pruͤfen laͤßt. Wenn man diese atomischen Gewichte annimmt, so findet sich 4) in den einfachen Koͤrpern, wie es scheint, ein solches gewisses Verhaͤltniß zwischen dem Zusammenhange und dem Volumen der Atome, daß das kleinste Volumen mit der groͤßten Cohaͤsion im Verhaͤltnisse steht. In der Voraussezung, daß in den Koͤrpern, die die staͤrkste Cohaͤsion besizen, auch die Molekeln einander am naͤchsten stehen, und folglich das Volumen am kleinsten seyn muß, hat Hr. Boullay die einfachen Koͤrper in einer Tabelle in progressiver Ordnung zusammengestellt von dem Koͤrper angefangen, dessen Atom das kleinste Volumen besizt, bis zu jenem mit dem groͤßten. Die Tabelle zeigt, daß die Annahme nicht ganz ungegruͤndet ist. Kohlenstoff steht als der haͤrteste Koͤrper oben an, und die weichsten, Sodium und Potassium, stehen am Ende. Die zweite Gruppe nach dem Demant enthaͤlt Eisen, Kobalt, Nikel, Braunstein, Kupfer, bei welchen allen eine starke Cohaͤsion vorkommt. Hierauf folgen Zink, Palladium, Chrom, Platinna. Dann Gold, Silber, Zinn, Blei. Endlich Sodium und Potassium, welche die Reihe schließen. 5) Bei zusammengesezten Koͤrpern bemerkte man, in vielen Faͤllen, wo eine Untersuchung moͤglich war, aͤhnliche Verhaͤltnisse zwischen dem Volumen des Atomes, der chemischen Verwandtschaft und der Cohaͤsion, d.h., man bemerkte in gewissen Reihen von Koͤrpern, daß das kleinste Volumen des Atomes mit der groͤßten Cohaͤsion des zusammengesezten Koͤrpers correspondirt, und mit der groͤßten chemischen Verwandtschaft der zusammensezenden Elemente.