Titel: Ueber Bierbrauerei. Beantwortung der von der Société de phys. expériment. de Rotterdam unter N. 81 aufgestellten Frage.
Fundstelle: Band 39, Jahrgang 1831, Nr. XXII., S. 56
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XXII. Ueber Bierbrauerei. Beantwortung der von der Société de phys. expériment. de Rotterdam unter N. 81 aufgestellten Frage. Aus der Revue des Revues. Avril 1830. S. 236. Im Bulletin d. Scienc. technol. 1830. N. 6. S. 117.Wir uͤbersezen diesen Aufsaz bloß, um unseren Lesern zu zeigen, was man in anderen Laͤndern fuͤr Begriff von Bier hat, und um die Brauer großer Staͤdte auf die Vortheile aufmerksam zu machen, die sie haben koͤnnten, wenn sie fuͤr die Fremden in denselben Bier nach ihrer Heimath bereiteten. Man sieht, wie wohlhabend franzoͤsische, italiaͤnische, englische Koͤche etc. in großen Staͤdten werden. Wuͤrden Brauer in großen Staͤdten englisches, Brabanter, hollaͤndisches, Berliner, saͤchsisches etc. Bier brauen (mit welchem allen man uͤber Nacht fertig wird), so wuͤrden sie selbst fuͤr schlechtere Waare reichlichere Einnahme haben. A. d. Ue. Ueber Bierbrauerei. Materialien, aus welchen Bier bereitet wird. Getreidearten sind das Hauptmaterial, welches Bier liefert: Hopfen und Hefen sind nur Nebensachen; um so mehr noch die uͤbrigen Materialien, welche Laune und Geschmak denselben beizusezen pflegt. Der Saft, den man aus den Getreidearten auszieht, geraͤth fuͤr sich selbst in Gaͤhrung, ohne daß man Hefen zuzusezen noͤthig haͤtte, wie man z.B. zu Bruͤssel sehen kann, wo man zur Bereitung des sogenannten Faro gar keine Hefen nimmt. Hopfen dient sehr oft bloß zur Maͤßigung der Gaͤhrung und zur Verbesserung der natuͤrlichen Neigung, welche die Fluͤssigkeit hat, sauer zu werden. Die uͤbrigen Materialien, welche man, außer den oberwaͤhnten, vorzuͤglich in DeutschlandIm noͤrdlichen und auch in Oesterreich, nicht in Bayern, wo man allein gesundes und gutes Bier zu brauen versteht. A. d. Ue. und England dem Biere zusezt, haben entweder einen eigenen fremdartigen Geschmak, oder dienen dazu, die schlechte Beschaffenheit dieses Getraͤnkes zu verbergen. Man kann aus allerlei Arten von Getreide Bier bereiten, aus Erbsen, Bohnen, aus Staͤrkmehl, aus Wurzeln etc., uͤberhaupt aus jedem Stoffe, welcher aus einer hinlaͤnglichen Menge Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff besteht, um mittelst der beiden lezteren Wasser zu bilden. Diese Stoffe geben unter Beiwirkung des Klebers und mit Huͤlfe des Siedens eine Staͤrkmehl-zuckerhaltige Fluͤssigkeit (liqueur amilaceo-saccharine), welche durch Gaͤhrung in ein Getraͤnk verwandelt wird, das man Bier nennt.Es unterliegt keinem Zweifel, daß sich aus verschiedenen Arten von Getreiden (wir koͤnnten sagen aus allen Grassaamen und uͤberhaupt aus allen Staͤrkmehl haltigen Pflanzentheilen) bierartige Getraͤnke bereiten lassen. Es scheint, daß man erst die wenigsten mehl- und zukerhaltigen Pflanzen darauf versuchte, und daß man vielleicht, in einer langen Reihe von Versuchen, auf eine Art Bieres kommen koͤnnte, das zwar nimmermehr den jezt bekannten und beliebten Bieren gleichkommen, dieselben aber vielleicht bei gewissen Liebhabern uͤbertreffen koͤnnte. A. d. Ue. Die Getreidearten, die man gewoͤhnlich zu diesen Bierarten braucht, sind Weizen, Gerste, Hafer, Roken, Spelz, Mais oder tuͤrkisch Korn, Heidekorn, Reiß, Bohnen, Erbsen, theils einzeln, theils mehrere unter einander gemengt. Roken braucht man selten, weil er zu sehr geneigt ist sauer zu werden. In England, Deutschland und Frankreich bedienen die Brauer sich nur der gekeimten Gerste.In Deutschland und England auch des gekeimten Weizens zum weißen oder Weizenbiere, dem Ale der Englaͤnder. A. d. Ue. Wenn man in Deutschland Weizen der Gerste zusezt, laͤßt man ersteren keimen. In Indien macht man Bier aus Reiß, in Amerika aus Mais oder tuͤrkischem Korne; in China braut man Bier aus gekeimtem Weizen. In Belgien nimmt man zu den besseren Biersorten nur Gerste und Weizen: diesen gekeimt und jene roh; zu den gemeinen Sorten hingegen benuzt man jede Art von Getreide. In einigen Provinzen braut man indessen Bier aus reiner geleimter Gerste, zuweilen mengt man gekeimte und rohe Gerste; an gewissen Orten mengt man rohe Gerste mit Weizen und Hafer, uͤbrigens sezt man, vorzuͤglich in Holland, Heidekorn und Spelz zu. Bei uns bedient man sich derjenigen Getreideart zum Biere, die am meisten an dem Orte, oder in den Umgebungen des Ortes, wo man braut, gebaut wird. So ist unter den Wallonen, wo am meisten Weizen gebaut wird, Weizen der Hauptbestandtheil des Bieres; um Loͤwen und zu Loͤwen sezt man mehr oder weniger von den wohlfeileren Getreidesorten zu; zu Bruͤssel, in dessen Umgebungen viel Weizen gebaut wird, nimmt man niemals weniger Weizen als Gerste; zu Luͤttich und in den Umgebungen macht man Vier aus Gerste und Spelz oder Dinkel, beide gekeimt. In der sogenannten Campine, die sandig ist, und wo nur Roken gedeiht, braut man gar kein Bier. In jenen Gegenden unter den Wallonen, wo eben so viel Spelz als Gerste gebaut wird, wird geleimter Spelz unter die Gerste gethan, und daselbst sowohl zu braunem als weißem Biere verbraut; und da Weizen daselbst auch sehr haͤufig ist, so bildet dieser, gekeimt, gleichfalls einen Hauptbestandtheil dieser Bierarten. In Brabant ist auch nicht eine einzige Art von Bier zu finden, zu welcher kein Weizen kaͤme. Die Getreidearten, und vorzuͤglich Weizen, Gerste, Hafer, enthalten offenbar dieselben Bestandtheile, nur nicht in denselben Verhaͤltnissen. Die Verhaͤltnisse dieser Bestandtheile sind nicht nur in den verschiedenen Getreidearten, sondern in einer und derselben Getreideart verschieden nach Klima, Boden, Witterung, nach Art der Cultur, und bei Gerste und Weizen vorzuͤglich dadurch, ob sie ein- oder zweijaͤhrig sind, d.h. im Fruͤhjahre oder im Herbste gebaut wurden. So haͤlt, nach Davy, der Weizen in kalten Laͤndern weit weniger Kleber als in warmen. Man behauptet selbst, daß das Staͤrkmehl im Weizen bedeutend zunimmt, wenn der Aker mit Kuhmist geduͤngt wurde, und daß der Kleber vorwaltet, wann er mit Roß- oder Schafmist geduͤngt worden ist. Es ist erwiesen, daß in den Samen der Getreidearten die Menge des Klebers in dem Verhaͤltnisse abnimmt, als die Menge des Staͤrkmehles zunimmt, und umgekehrt. Mahlen oder Schroten des Getreides. Alles Getreide, welches man zum Brauen bedarf, muß vorher gemahlen oder geschroten werden; gewoͤhnlich mahlt man die verschiedenen Getreidearten, deren man sich bedienen will, zugleich mit einander, außer an denjenigen Orten, wo man das Mehl (den Schrot) roh der heißen Wuͤrze zusezt, und wo dann dieses Getreide einzeln gemahlen wird. Das Getreide muß nicht zu fein gemahlen werden; es reicht zu, wenn es bloß zerquetscht oder zerdruͤkt (geschroten) ist, so daß jedes Koͤrnchen in zwei oder drei Theile zertheilt wird. Die Brauer sind nicht alle einerlei Meinung uͤber die Weise, wie das Getreide zu behandeln ist, nachdem es geschroten wurde; die einen wenden dasselbe so an, wie es von der Muͤhle herkommt; andere fuͤllen es in Saͤke und bewahren es einige Tage, selbst zwei bis drei Wochen lang auf, um es daselbst, wie sie sagen, ausreifen zu lassen (mûrir); andere breiten es auf einem Brette aus, und lassen es vier oder fuͤnf Tage lang der Luft ausgesezt. Die Brabanter und Wallonen-Brauer ziehen frisch gemahlenes Getreide vor; in Flandern und in Holland befolgt man aber ein entgegengesetztes Verfahren. In der Baͤkerei zum Brote wird altes Mehl in jeder Hinsicht dem neuen vorgezogen; es mag auch derselbe Fall beim Biere seyn. Wahl des Hopfens. Wenn man in der flachen Hand einige Hopfenbluͤthen kraͤftig zerquetscht, so wird man, wo der Hopfen gut ist, eine oͤhlige Substanz und einen sehr starken Geruch gewahr werden, und wenn man sie reibt, so erhaͤlt man eine gewisse Menge Staubes, der schoͤn gelb ist. In diesem Staube liegt, nach der Behauptung des Dr. Ives zu New-York, die ganze Kraft des Hopfens, die in demselben zehn Mal staͤrker seyn soll als in dem Hopfen selbst. Diese gelbe Masse bildet ungefaͤhr den sechsten Theil des Gewichtes des Hopfens; sie laͤßt sich durch Ruͤtteln des Hopfens in einem Siebe, oder durch Umruͤhren desselben im Wasser leicht davon absondern. Man trifft sie nur an den weiblichen Individuen, wo sie wahrscheinlich durch die Nektarien abgesondert wird. Man nannte sie Lupuline. Die Analyse derselben gab Hrn. Ives 5 Theile Gerbestoff, 10 Theile Extractiv-, 11 Theile Bitterstoff, 12 Theile Wachs, 35 Theile Harz und 48 Theile Faserstoff. Er konnte nicht die mindeste Spur eines fluͤchtigen Oehles entdecken, und sagt, daß der aromatische Theil, welchen sie enthaͤlt, sich leicht durch die Hize zerstreut.Die vollstaͤndige Abhandlung von Ives siehe im Polyt. Journ. B. V. S. 188. A. d. R. Die Herren Payen und Chevallier haben zeither diese Resultate bestaͤtigt, und noch uͤberdieß ein wesentliches Oehl in der Lupuline entdeckt, dessen Arom sowohl im Wasser als im Alkohol aufloͤsbar ist. Da die Lupuline sich durch Umruͤhren im Wasser leicht absondert, so ist es wahrscheinlich, daß man dieselbe durch eine vorlaͤufige Abkochung leicht vollkommen beseitigen koͤnnte, und da in einigen Oertern der Hopfen drei bis vier Mal mit verschiedenen Wuͤrzen abgekocht wird, und denselben doch noch immer seine Eigenschaften mittheilt, so sollte man glauben, daß die Wirksamkeit des Hopfens nicht in dem Maße in diesem gelben Staube vorhanden ist, wie Hr. Ives und Andere mit ihm es glauben. Wir werden uͤberdieß bald sehen, daß man statt des Hopfens sich anderer bitterer Substanzen bedienen kann. Malzbereitung. Man haͤlt das Getreide fuͤr hinlaͤnglich geweicht, wenn man sieht, daß es aufgeschwollen ist, daß es weich geworden ist, und daß es, wo man es zwischen den Fingern druͤckt, leicht dem Druke nachgibt; es muß sich unter dem Nagel des Daumens biegen, ohne zu brechen; seine Spizen duͤrfen nicht mehr stechen, und die aͤußere Haut desselben muß, wenn sie etwas gehoben wird, sich abloͤsen und springen. Gewoͤhnlich fuͤhrt man ein Korn zwischen die Zaͤhne und beißt auf dasselbe. Wenn die Haut abgeht und ganz bleibt, so ist das Getreide hinlaͤnglich geweicht; wenn aber, im Gegentheile, das Haͤutchen zugleich mit dem Koͤrnchen zerreißt, und dieses im Mittelpunkte mehlig und troken ist, so muß es noch einige Zeit unter Wasser bleiben. Wenn man das Koͤrnchen der Laͤnge nach durchschneidet, so sieht man den Fehler sehr deutlich. Waͤhrend des Keimens erhoͤht sich die Temperatur nach und nach, und in einigen Stunden ist das Getreide meistens um fuͤnf Grade waͤrmer, als das dieselbe umgebende Luft. In dieser Periode verliert das Getreide den Ueberschuß seiner Feuchtigkeit, welche ausschwizt, und zum Theile wieder eingesogen wird. Die Oberflaͤche bleib troken, so lang die Temperatur nicht zunimmt; sobald man aber bemerkt, daß Waͤrme sich entwikelt, wird auch die Feuchtigkeit so merklich, daß die Hand davon benezt wird. Das Getreide riecht dann wie sehr reifer Kaͤse, und man sagt, daß es schwizt (sue). Durch diesen Schweiß verliert das Getreide das uͤberfluͤssige Wasser, welches zur Darstellung eines Staͤrkmehlhydrates nothwendig, ist. Die Hauptsache bei der Malzbereitung ist, daß die Arbeiter darauf sehen, daß die Temperatur nie zu sehr erhoͤht wird, aus welchem Grund sie das Getreide immer umruͤhren muͤssen, damit es aufgefrischt wird. Die Temperatur, welche man zu unterhalten wuͤnscht, spielt von 12 bis 160 Reaum. Wenn das Getreide sich zu sehr erhizt, so verliert es seinen angenehmen Geschmak, bekommt dafuͤr einen bitteren und einen faulen Geruch, der selbst in das Bier uͤbergeht, welches man daraus bereitet; es ist sogar moͤglich, daß in Folge groͤßerer Erhizung dasselbe sich schwaͤrzt, und in eine vollkommen faule Gaͤhrung uͤbergeht. Wenn man nach dem Keimen das Malz in kleine Haufen aufschaufelt, so erhizt es sich neuerdings, und der Zukergeschmak desselben nimmt um Vieles zu. Wenn das Keimen des Getreides vorgeschritten ist, so unterdruͤkt man dasselbe dadurch, daß man es troknet, und zwar entweder mittelst eines starken Luftzuges, oder durch Anwendung der Waͤrme. Das an der Luft getroknete Malz nennt man weißes Malz oder Luftmalz (malt blanc, malt séchéau vent); das andere heißt Darrmalz (malt de touraille, wind moût Dieß ist offenbar ein Fehler des Verfassers, der weder Englisch, noch Deutsch, noch Hollaͤndisch kann, und nicht weiß, daß vent Wind ist. Touraille ist Belgisch aber nicht Franzoͤsisch. A. d. Ue.). Dieses Malz wird zu weißen Bieren gebraucht.Sollte heißen jenes, das Luftmalz. A. d. Ue. Die zum Troknen des Malzes nothwendige Zeit laͤßt sich nicht mit Genauigkeit bestimmen, indem sie nothwendig von der groͤßeren oder geringeren Dike der Schichten, so wie von dem Zustande der Trokenheit und Feuchtigkeit und von der Temperatur der Luft abhaͤngt. Man beschleunigt das Troknen des weißen Malzes, wenn man es lagenweise auf einem Bretterboden ausbreitet und oͤfters umkehrt. Einige pflegen das Malz, wenn es zur Haͤlfte troken geworden ist, in Haufen von der Hoͤhe einer doppelten flachen Hand aufzuschaufeln, und zwei bis drei Stunden lang in dieser Lage zu lassen, und dann neuerdings wieder auszubreiten: auf diese Weise, sagen sie, verbessert das Malz sich noch mehr, es wird reif und bekommt einen eigenen Geruch und Geschmak. Die Zeichen, an welchen man uͤberhaupt ein gutes Malz erkennt, sind, wenn der Kern fest ist ohne hart zu seyn; wenn es frisch ist, einen gewissen markigen Geschmak hat, der suͤß und zukerartig ist, ohne fad zu seyn, und wenn es einen angenehmen Geruch besizt. Es muß specifisch leichter seyn als Wasser, und folglich auf demselben schwimmen; es muß unter den Zaͤhnen sich leicht zerkauen lassen, und wenn es gegen einen harten Koͤrper gerieben wird, einen weißen Strich wie Kreide auf demselben zuruͤcklassen. Wo man es zerdruͤkt, muß es ein sich sanft anfuͤhlendes Mehl geben, das in einer leichten Haut eingehuͤllt ist, und muß, der Laͤnge nach durchschnitten, einen Kern zeigen, der voll Mehl ist. Malz, das nicht suͤß ist und keinen angenehmen Geschmak hat, muß weggeworfen werden. Ein sicheres Mittel, die Menge gaͤhrungsfaͤhigen Stoffes zu finden, welche in jedem Malze enthalten ist, waͤre dieses, daß man denselben mittelst Wassers auszoͤge, und dann diesen Auszug oder dieses Extract nach Zusaz einer gehoͤrigen Menge Gaͤhrungsstoffes seine Gaͤhrung vollkommen vollenden ließe und die Kohlensaͤure sammelte, die sich entwikelt. Das Maß dieses Gases gaͤbe ganz sicher die Menge des gaͤhrungsfaͤhigen Stoffes, die in dem Malz enthalten ist. Malz, das zwei Monate alt ist, gilt fuͤr besser in den Brauereien, als juͤngeres oder aͤlteres. Man bemerkt, daß es reicher an Zuker ist. In England haͤlt man es fuͤr noͤthig, dem Malze die Keimen zu nehmen.Auch in Deutschland. A. d. Ue. Ich wuͤßte nicht, daß irgendwo die Brauer bei uns dieses Beispiel nachahmten, obschon nichts leichter gethan ist, als diese Wuͤrzelchen wegzuschaffen, die bei der geringsten Beruͤhrung brechen. Sie suchen vielmehr dieselben zu erhalten, und ich glaube, sie haben Recht, indem diese Keime die Abscheidung des bei uns meistens rohen Schrotes erleichtern.