Titel: Ueber das Einkühlen des Weines.
Fundstelle: Band 39, Jahrgang 1831, Nr. CXII., S. 461
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CXII. Ueber das Einkuͤhlen des Weines. Aus dem Mechanics' Magazine. N. 371. 18. Sept. S. 46. Ueber das Einkuͤhlen des Weines. Gemeines Glaubersalz (schwefelsaure Soda), wovon das Pfund ein paar Groschen kostet, ist das beste Salz um in heißen Sommertagen ein Getraͤnk schnell abzukuͤhlen. Das Einkuͤhlen der Getraͤnke in Eis (wir nehmen keinen Anstand dieß zu behaupten) geht heute zu Tage nicht mehr an: es ist heute zu Tage gaͤnzlich aus der Mode gekommen und man duldet es, in guter Gesellschaft, bei keiner Tafel mehr:Dem Aeskulap sey es gedankt, daß es einmal Mode ward, und endlich zum guten, zum hohen und vornehmen Tone zu gehoͤren anfaͤngt, das Eis von der Tafel zu verbannen. Der Umstand der Mode und des Vornehmthuns wird nun mehr Gutes bewirken, als aller gute und weise Rath der Aerzte seit Jahrhunderten nicht hervorzubringen vermochte. Vergebens machten die Aerzte seit Jahrhunderten auf dasjenige aufmerksam, was durch den schnellen Wechsel der Temperatur von Bruͤhewarm bis zu Eiskalt bei den Genuͤssen der Tafel sowohl an den Zahnen und den Druͤsen im Munde, als in dem Magen und in den Gedaͤrmen der unverstaͤndigen Schlaͤmmer entstehen muß, und was jeder, der Augen im und Ohren am Kopfe hatte, an jedem solchen Opfer der Schlaͤmmerei wahrnehmen konnte. Zahnschmerzen, Zahnluͤken, hohle Zaͤhne (denn der Schmelz der Zaͤhne springt wie Glas, wo Heiß schnell auf Kalt im Munde folgt und umgekehrt), Halsentzuͤndung, Verhaͤrtung der Hals- und Nachendruͤsen, die furchtbaren Magenkraͤmpfe, Magenentzuͤndungen, Erhaͤrtungen der Magendruͤsen, Durchfalle, Koliken, Gedaͤrmentzuͤndungen, und als Folge derselben ein Heer von Krankheiten des Unterleibes, alle diese traurigen Folgen des schlecht befolgten Rathes erfahrner Aerzte vermochten nichts gegen die Gewalt der Mode, so lang diese befahl, das Eis zum Kuͤhlen der Getraͤnke auf der Tafel bereit zu halten. Da nun die Mode und der gute Ton das Eis verbannt, wird man wenigstens aus Mode klug und gesund seyn lernen, wo man es nicht aus Verstand seyn will; und so haͤtte dann das Extrem der Cultur uns wieder dahin gefuͤhrt, wo wir einst im Zustande der Wildheit am anderen Extreme standen, als wir der Natur noch naͤher waren: denn der Wilde und das Thier verschmaͤht eiskaltes Wasser, wo weniger kaltes zu haben ist. Pferde und Rinder ziehen warmes Wasser dem kalten vor. Man darf ferner nicht vergessen, daß gute Weine durch starke Abkuͤhlung sehr verlieren: kein Weinkenner, kein Weinschmeker wird den Wein, dessen Guͤte er beurtheilen soll, in Eis kuͤhlen lassen: er geht in den Keller, und kostet den Wein in der Temperatur des Kellers, die, in guten Kellern, ungefaͤhr + 9° Réaumur ist.A. d. Ue. der Wein wird in Eis gekuͤhlt, zu kalt, zu rauh, und zuweilen durch die Eiskalte wirklich sogar zersezt. Eine Mischung, die den Wein um 15° Fahrenh. (ungefaͤhr 8° Réaum.) unter die Temperatur herabbringt; die er im Keller hat, muß den waͤrmsten Patron eines kuͤhlen Traubensaftes, der die schoͤnsten rothen Baken von demselben aufzuweisen hat, hinlaͤnglich befriedigen koͤnnen. Und diese Temperatur kann er seinem Weine leicht auf folgende Weise verschaffen. Er nimmt Glaubersalz, Eine Unze, Eine Drachme und Einen Scrupel; reine unverduͤnnte Schwefelsaͤure (vorher in einem Glase abgewogen) fuͤnf Drachmen, Einen Scrupel und dreizehn Gran. Man muß diese Verhaͤltnisse genau beobachten, indem die geringste Abweichung von demselben ganz andere Resultate gibt. Die Schwefelsaure muß vorlaͤufig mit dem Wasser gemengt werden, und da dadurch eine bedeutende Waͤrme entwikelt wird, so muß man warten, bis diese Mischung wieder kalt geworden ist. Nachdem sie ganz kalt geworden ist, und nicht ehe, stoͤßt man das Salz zu Pulver, was so schnell als moͤglich geschehen muß, und wirft es dann in die Mischung von Schwefelsaͤure und Wasser, welche hierauf bald sehr kalt davon werden wird. Dieses Verfahren ist das beste, um Wein von den nachtheiligen Wirkungen eines schlechten Kellers zu befreien. (Das Mech. Mag. entlehnte dieß aus dem Monthly Review.)