Titel: Ueber die deutschen Straßen. Von Hrn. General-Lieutenant Bazaine.
Fundstelle: Band 46, Jahrgang 1832, Nr. LXXVI., S. 285
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LXXVI. Ueber die deutschen Straßen. Von Hrn. General-Lieutenant Bazaine. Aus dem Journal de voies de communication de St. Petersbourg im Bulletin des Sciences technologiques. Oktober 1831, S. 116. Bazaine, uͤber die deutschen Straßen. Die Chaussée von Koͤnigsberg nach Berlin, welche erst im verflossenen Jahre vollendet und dem Publicum eroͤffnet wurde, scheint mir mit eben so großer Sachkenntniß als Sparsamkeit gebaut zu seyn. Ihr Profil besteht groͤßten Theils aus einem mittleren Theile von 4 Sagenen Breite, in welchem sich die Steinlager befinden, aus zwei Seitentheilen, von denen jedes eine Sagene breit ist, und aus zwei Graͤben von 3–4 Fuß mittlerer Breite und 1 1/2 bis 2 Fuß Tiefe. Die Seitentheile, welche durch große, unbehauene, in den Boden eingesezte Steine von der eigentlichen Straße oder Chaussée getrennt sind, dienen zum Auffuͤhren der Materialien, die zum Unterhalte der Straße bestimmt sind, und fuͤr die Fußgaͤnger; sie sind mit einer Schichte Sand uͤberdekt und an den Raͤndern in Entfernungen von 4 Sagenen von einander mit Baͤumen bepflanzt. Die Oberflaͤche dieser Straße liegt selten hoͤher als das natuͤrliche Terrain, manchmal liegt sie sogar tiefer, wie dieß besonders in den sandigen Streken der Fall ist. Auf diesen lezteren glaubte man naͤmlich die obersten Schichten abraͤumen zu muͤssen, indem man dieselben mit Recht fuͤr zu beweglich und daher zur Aufnahme der Steinlager untauglich hielt. Obschon nun das Klima Preußens viel milder ist, als jenes Rußlands, so scheint uns diese Einrichtung in langen Wintern, in welchen sehr viel Schnee faͤllt, doch mit Schwierigkeiten verschiedener Art verbunden. Man scheint diese Schwierigkeiten und Hindernisse nicht fuͤr so groß gehalten zu haben, als die Ersparnisse, welche sich bei einer solchen Bauart und bei der großen Verminderung der kostspieligen Terrassirungen nothwendig ergeben muͤßten. Das Steinlager, welches beilaͤufig 10 Zoll dik ist, besteht groͤßten Theils aus Granit, welcher nach Mac Adam's Methode in Stuͤke von gleichfoͤrmiger Groͤße zerschlagen worden. In einigen Gegenden, in welchen der Granit nicht so haͤufig war, bildete man das Steinlager aus einer Schichte zerschlagenen Granit und aus einer Schichte Geroͤll, welches mit grobem Sande vermengt war. Diese beiden schichten haͤtten in umgekehrter Ordnung auf einander gebracht werden muͤssen, und die befolgte Bauart waͤre fehlerhaft gewesen, wenn die Oberflaͤche der Straße, wegen der Zusammendruͤkbarkeit oder Nachgiebigkeit des natuͤrlichen Terrains, in eine wasserdichte Schichte haͤtte umgewandelt werden muͤssen. Da der Boden jedoch in diesem Falle groͤßten Theils von kieseliger Natur war, so war die eben erwaͤhnte Bedingung nicht streng nothwendig; im Gegentheil konnte man sogar dem Kiese, als oberster Schichte den Vorzug geben, weil sich von demselben ein groͤßerer Widerstand und eine laͤngere Dauer erwarten ließ. In einer Entfernung von einigen 20 Meilen von Berlin haͤtte man dem Steinlager eine geringere Breite geben koͤnnen, denn die Haͤlfte desselben erhielt, wie man sich taͤglich uͤberzeugen kann, keine Senkung und ist, so zu sagen, ganz unter Gras verborgen. Diese Beobachtung mag die Direktoren dieser Straße wahrscheinlich auch veranlaßt haben, bei dem Reste der Straße, einer Streke von 50 Meilen, nur die Haͤlfte des zur eigentlichen Straße bestimmten Raumes mit Steinlagern zu versehen, und sich das Legen von solchen Steinlagern auf der zweiten Haͤlfte so lange vorzubehalten, bis es durch eine groͤßere Lebhaftigkeit des Verkehres gefordert wuͤrde. Diese zweite Haͤlfte ist gegenwaͤrtig mit Erde uͤberdekt, sorgfaͤltig planirt, und gibt so bei troknem Wetter eine sehr gute Bahn, die auch beim Ausweichen und Vorfahren gute Dienste leistet. Die groͤßeren und kleineren Bruͤken, auf welche man im Laufe dieser Straßen trifft, bestehen saͤmmtlich aus Holz und bieten durchaus nichts Bemerkenswerthes dar. Die Haͤuser, die man in gewissen Zwischenraͤumen angebracht findet, und welche fuͤr die mit der Unterhaltung der Straße beschaͤftigten Leute bestimmt zu seyn scheinen, sind saͤmmtlich aus Steinen oder Baksteinen erbaut, und zeigen eine Einfachheit, die gehoͤrig mit Eleganz gepaart ist. Bei den erwaͤhnten Ersparnissen und nur bei Verminderung alles Ueberfluͤssigen und strengem Festhalten an dem von der Nothwendigkeit Gebotenen gelang es in Preußen, in wenigen Jahren und fuͤr eine Summe von 1,600,000 Thalern (5,600,000 Rubel) eine Straße von 80 Meilen oder 560 Wersten herzustellen, durch welche die Zeit, welche man bisher zur Zuruͤklegung dieser Streke brauchte, um mehr als einen ganzen Tag abgekuͤrzt wurde. Die Fehler dieser großen Unternehmung liegen hauptsaͤchlich in dem Mangel von Randsteinen (bordures) zwischen der eigentlichen Straße und den Seitentheilen, und in dem Mangel an gehoͤrigen Vorrichtungen zur Erleichterung des Abfließens des Wassers in den huͤgeligen Gegenden. Hr. Bazaine zieht aus seiner Untersuchung der deutschen Straßen folgende allgemeine Schluͤsse: 1) Die Methode Mac Adam's soll nur da in ihrer ganzen Ausdehnung angewendet werden, wo man der Straße wegen der großen Festigkeit des Bodens nur 4, 5 oder 6 Zoll Dike geben kann. Selbst in diesem Falle duͤrfte es, wenn der Boden nicht vollkommen unnachgiebig ist, klug seyn, das Steinlager auf eine Schichte Baksteine oder sehr flacher Bausteine, welche so neben einander gelegt sind, daß keine merklichen Zwischenraͤume zwischen denselben bleiben, zu legen. 2) Wenn die Straße wegen der Beschaffenheit des Bodens oder wegen des großen Verkehres auf derselben mehr als 6 Zoll tief werden soll, so soll man das Steinlager aus zwei auf einander gelegten, je 5 bis 6 Zoll diken Schichten erbauen. Die erste dieser Schichten, welche mit dem natuͤrlichen Boden oder Erdreiche in Beruͤhrung steht, soll aus einer einzigen Lage unregelmaͤßiger Bausteine oder zerschlagener Steine zusammengesezt werden, wobei man diese Steine mit der Hand so legt, daß deren Spize nach Oben gekehrt ist, und daß nach Unten zu kein leerer Raum bleibt. Die zweite oder die den oberen Theil der Straße bildende Schichte soll hingegen aus Steintruͤmmern von beinahe gleichfoͤrmiger Groͤße bestehen, deren Umfang nicht uͤber 1/4 Kubikfuß betragen darf. Dieß sind die beiden einzigen Faͤlle, welche in der Natur vorkommen koͤnnen; sowohl in dem einen, als in dem anderen soll man jedoch durchaus nichts unter die Steintruͤmmer mischen; sie sollen lediglich aus zerschlagenen Kieselsteinen, Granitbloͤken oder selbst Kalksteinen bestehen; immer soll man aber die haͤrtesten waͤhlen, die in der Gegend zu haben sind. Man darf weder Sand, noch erdigen Kies, noch schieferige oder irgend solche Substanzen darunter mischen, welche vom Wasser durchdrungen werden koͤnnen, oder welche demselben einen Durchgang gestatten. Die auf diese Weise zubereiteten Steintruͤmmer muͤssen gleichmaͤßig auf der Stelle, auf welcher sie aufgetragen werden sollen, ausgebreitet werden. Statt der gewoͤhnlichen Schaufel bedient man sich hiezu am besten eines eigenen Instrumentes, welches nichts weiter als ein Rechen mit 7 bis 8 Zaͤhnen ist, dessen Zaͤhne so weit von einander entfernt sind, daß sie den Staub und die kleineren Stuͤke, welche beim Zerschlagen der Steins nothwendig immer entstehen, durchfallen lassen, waͤhrend sie die Stuͤke von gehoͤriger Groͤße zuruͤkhalten. Ist das Steinlager auf diese Weise bis zur gehoͤrigen Hoͤhe erbaut, so ebnet man dasselbe mit dem Rechen, und uͤberlaͤßt dann die Straße sogleich der Passage der Wagen. Waͤhrend der ersten Zeit, und bis die Straße eine von dem Wasser unangreifbare Rinde bildet, muͤssen in gewissen Entfernungen Leute aufgestellt werden, welche die obere Flaͤche der Straße bestaͤndig ebnen. Von Berlin bis an die saͤchsische Graͤnze ist der Fahrweg groͤßten Theils so, wie ihn die Natur geschaffen hat, und daher entweder sehr mittelmaͤßig oder schlecht. So wie man aber an jenen Theil von Lachsen kommt, der die sogenannte saͤchsische Schweiz bildet, wird die Straße ziemlich gut und regelmaͤßig. Dieß dauert von Dresden bis Muͤnchen, Stuttgart und an die Graͤnzen Frankreichs. Diese Straße laͤßt uͤbrigens in einer großen Streke viel zu wuͤnschen uͤbrig; sie ist oft ganz fehlerhaft gezogen, und ihr Profil ist nur zu oft den Local-Verhaͤltnissen durchaus nicht angepaßt. Das aus Kies oder zerschlagenen Steinen bestehende Steinlager hat meistens keine Randsteine und ist auch sonst mit wenig oder gar keiner Sorgfalt erbaut. Die Materialien, deren man sich beim Baue derselben bedient, sind uͤberdieß meistens schlecht und zu zerreiblich, so daß man auf diesen Straßen entweder gegen den Koth oder gegen den Staub zu kaͤmpfen hat. Deßhalb fordern diese Straßen auch eine bestaͤndige, kostspielige Unterhaltung; wuͤrde diese auch nur ein einziges Jahr uͤber ausgesezt, so waͤre die ganze Straße vernichtet oder wenigstens unbrauchbar. Der Vorwurf der zu geringen Breite, den man den deutschen Straßen macht, scheint nicht begruͤndet. Mit einigen wenigen Ausnahmen sind sie naͤmlich fast uͤberall so breit, daß zwei Lastwagen einander bequem ausweichen koͤnnen. Hieraus und aus der taͤglichen Erfahrung ergibt sich, daß man die Breite von 4 Sagenen, welche fuͤr die meisten neuen Straßen Rußlands angenommen wurde, in allen, von groͤßeren Staͤdten entfernteren Gegenden ohne Nachtheil um 1/4 oder 1/2 schmaͤler machen koͤnnte. Man wuͤrde auf diese Weise beinahe den 6ten Theil der ganzen Arbeit ersparen, was bei einer großen Streke gewiß eine bedeutende Ersparniß geben wuͤrde.