Titel: Ueber die Knallpulver-Fabriken. Von Hrn. A. Chevallier, Mitglied der Académie royale de Médecine, des Sanitätscollegiums etc. in Paris.
Fundstelle: Band 61, Jahrgang 1836, Nr. XXXIX., S. 192
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XXXIX. Ueber die Knallpulver-Fabriken. Von Hrn. A. Chevallier, Mitglied der Académie royale de Médecine, des Sanitaͤtscollegiums etc. in Paris. Im Auszuge aus dem Journal des connaissances usuelles. Maͤrz u. Mai 1836. Chevallier, uͤber Knallpulver-Fabriken. Wenn auch die Fabriken im Allgemeinen eine der reichsten Quellen der Nationalwohlfahrt eines Landes sind, so sind doch manche derselben nicht bloß fuͤr die Fabrikanten und ihre Arbeiter, sondern auch fuͤr die ganze Nachbarschaft mit mehr oder minder großen Unannehmlichkeiten verbunden. Zu diesen lezteren gehoͤren hauptsaͤchlich die Gefahr von Explosionen oder Feuersbruͤnsten, der Steinkohlen- oder Torfrauch, das Entweichen von sauren Daͤmpfen oder uͤblen Geruͤchen, das Stehen von ungesunden Fluͤssigkeiten, und das Einathmen von Stoffen, die der Gesundheit nachteilig sind.Man koͤnnte unter die Unannehmlichkeiten, welche die Fabriken mit sich bringen, fuͤglich auch noch die oft eingebildeten und uͤbertriebenen Besorgnisse gewisser Leute, die leider nur zu oft aus Privatinteressen verbreitet werden, rechnen. Diese falschen Besorgnisse, welche die Sanitaͤtscommission fortwaͤhrend, aber leider oft ohne Erfolg zu bekaͤmpfen bemuͤht ist, sind nicht selten Ursache, daß die Erlaubniß zur Gruͤndung von Fabriken zum allgemeinen Schaden nicht ertheilt wird. A. d. O. Zum Schuze der Nachbarschaft und um Abhuͤlfe zu schaffen, sind die Fabriken in Frankreich gesezlich in drei große Abtheilungen gebracht. Die erste derselben umfaßt die gefaͤhrlichsten Fabricationszweige, welche aus diesem Grunde nur von Wohngebaͤuden entfernt betrieben werden duͤrfen. Uebrigens ist die Errichtung aller Fabriken, die in eine der drei Classen gehoͤren, nur nach bestimmten Verordnungen und unter gewissen Bedingungen gestattet. Diese Verordnungen bezweken nur die Sicherung der Nachbarschaft gegen Gefahren und Unbequemlichkeiten; keineswegs ist jedoch dabei auch die Erhaltung der Gesundheit und des Lebens der Arbeiter, die doch so haͤufig bloßgestellt ist, beruͤksichtiget. Ich habe mir es zur besonderen Aufgabe gemacht, die Krankheiten der sogenannten ungesunden Gewerbe und deren Ursachen zu studiren, um danach Mittel zur Verhuͤtung derselben vorschlagen zu koͤnnen. Mit den Buchdrukern, Bleiweiß-Fabrikanten und Messerschmieden bin ich bereits hieruͤber einig; gegenwaͤrtig beschaͤftige ich mich mit den Fabrikanten des Howard'schen Knallqueksilbers, deren Arbeiter sich seit einiger Zeit sehr vermehrt haben, und die nicht nur haͤufig dem Einathmen des salpeterigsauren Gases, sondern auch den Gefahren der Explosionen in hohem Grade ausgesezt sind. Da das Geschichtliche der Knallpulver-Fabrikation nur wenig bekannt ist, so will ich Einiges hieruͤber vorausschiken. Wir verdanken die Entdekung des Knallqueksilbers, welche in das Jahr 1799 zu fallen scheint. Hrn. Howard. Seine Bereitung ward im 38sten Bande der Annales de Chimie einem Briefe Crell's an Bouillon-Lagrange folgender Maßen angegeben. „Man loͤst 100 Gr. Queksilber in 1 1/2 Unzen Salpetersaͤure auf, und sezt der Aufloͤsung nach dem Erkalten eine Unze Alkohol zu. Dann sezt man die Fluͤssigkeit einer gelinden Waͤrme aus, wobei man das durch das Vermengen entstehende Aufbrausen abwartet. Den allmaͤhlich gebildeten Niederschlag scheidet man endlich durch das Filter ab, um ihn dann mit destillirtem Wasser abzuwaschen und bei einer Temperatur, welche jene des siedenden Wassers nur um wenig uͤbersteigt, zu troknen.“ Howard erhielt aus 100 Theilen Queksilber 120 bis 132 Theile Knallqueksilber, welches nicht immer gleiche Farbe hatte, sondern vom Weißen bis zum Schwarzen wechselte. Er suchte es, nachdem er ermittelt, daß es durch Waͤrme, Percussion, Feuersteinfunken und elektrische Funken zum Detoniren gebracht werden kann, als Schießpulver zu benuzen; fand jedoch hiebei, daß die Explosion so rasch erfolgte, daß die Laͤufe plazten, ehe die Geschosse hinausgeschleudert werden konnten. Spaͤter erst ward das Knallqueksilber als Zuͤndkraut benuzt, und zu diesem Behufe mit Wachs, mit alkoholischer Benzoëtinctur, mit Salpeter, mit Schwefel, oder mit lezteren beiden zugleich vermengt. In Frankreich datirt sich diese Zuͤndkraut-Fabrikation erst vom Jahre 1816 her. Der erste Fabrikant Julien Leroy kam durch Explosion der Masse, die er bereitete, ums Leben; dasselbe Schiksal hatte der Sohn seines Nachfolgers und Schwagers Daguère-Leroy. Bis zum Jahre 1826 gingen noch zwei Personen zu Grunde, worunter ein Apotheker in Versailles. In diesem Jahre kaufte Hr. Gevelot das Material der Fabrik Leroy's, und errichtete dann eine ausgedehntere Fabrik in Moulinaux, wo mehrere Ungluͤksfaͤlle Statt fanden, von denen jedoch keiner toͤdtlich ablief. Spaͤter errichtete Gevelot noch eine andere Fabrik, in der leider bei zwei Explosionen mehrere Personen den Tod fanden. Vom Jahre 1819 an, von wo die kupfernen Zuͤndkapseln in Aufnahme kamen, erstanden noch mehrere Fabriken, welche, so viel mir bekannt ist, zu 9 Explosionen, von denen die Mehrzahl toͤdtlich ablief, Anlaß gaben. Alle diese Ereignisse erzeugten natuͤrlich große Furcht vor diesen Fabriken; und aus diesem Grunde sind denn auch in saͤmmtlichen zu ihrer Gruͤndung ertheilten Licenzen folgende Bedingungen gestellt: 1) die Fabrik darf sich an keinem bewohnten Orte befinden; 2) kein Arbeiter darf unter 18 Jahre alt seyn; 3) die Fabrik gehoͤrt zu den gefaͤhrlichen Fabriken erster Classe und unterliegt daher der hierauf bezuͤglichen Verordnung, gemaͤß welcher die Arbeiten nur von Wohnungen entfernt vorgenommen werden duͤrfen; gemaͤß welcher beim Verkaufe von detonirenden Substanzen der Name und Wohnort des Kaͤufers eingetragen werden muß; gemaͤß welcher die Zuͤndkrautverkaͤufer diese Substanzen an einem sicheren Orte unter Verschluß halten muͤssen; und gemaͤß welcher die Polizei die Fabriken zu besuchen hat, um sich zu uͤberzeugen, ob deren Local so eingerichtet ist, daß allen Gefahren so viel als moͤglich vorgebeugt ist. Der vielen Ungluͤksfaͤlle, welche Statt fanden, und der damit verbundenen Gefahren ungeachtet, hoͤrte die Fabrikation nicht auf; man schenkte ihr groͤßere Sorgfalt, und Dank dieser und einiger von dem Berathungscomité fuͤr Kuͤnste und Gewerbe vorgeschlagener Vorsichtsmaßregeln bietet sie auch wirklich weniger Gefahren. Sie wurde so zu einem Industriezweige, der im Departement la Seine concentrirt, bereits direct 5 bis 600 Individuen beschaͤftigt, abgesehen von den zahlreichen Haͤnden, die er indirect durch Beschaͤftigung von Mechanikern, Drahtziehern, Drehern, Gelbgießern etc. in Bewegung sezt. Nach den bei unserem ersten Fabrikanten, Hrn. Gevelot, und den ihn zunaͤchst stehenden HH. Goupillat und Delion Diese Fabrik beschaͤftigte, als ich sie das lezte Mal besuchte, 64 Arbeiter; davon waren 55 mit der Zubereitung des Kupfers und 6 mit dem Fuͤllen der Kapseln beschaͤftigt; 3 waren an den Maschinen verwendet, und diesen half noch ein Lehrling und ein Schmied. Die Fabrik zahlt alle 14 Tage 2400 bis 3000 Fr. Arbeitslohn, und fuͤhrt der Gemeinde, in welcher sie besteht, jaͤhrlich 48 bis 60,000 Fr. zu. – Goupillat arbeitet mit einem Pferdegoͤpel, Gevelot mit einer Dampfmaschine. A. d. O. eingezogenen Erkundigungen gewinnt die Zuͤndkraut-Fabrication taͤglich mehr an Ausdehnung; so wurden im Jahre 1835 gegen 800 Mill. Zuͤndkapseln erzeugt, von denen 3 bis 400 Millionen ins Ausland gingen. Man brauchte dazu 80,000 Kilogr. Kupferblech von verschiedenen Fabriken; 200 Pipen Alkohol von 36° (jede Pipe zu 600 bis 650 Liter), welche zusammen eine Auflage von 100,000 Fr. zahlen; 160 bis 170,000 Kilogr. Salpetersaͤure zu 36°; 15 bis 16,000 Kilogr. Queksilber; 7 bis 8000 Kilogr. Salpeter; 2000 Kilogr. Schwefelsaͤure zum Reinigen des Kupfers, und 1500 Kilogr. Gußstahl.Die Zuͤndkapsel-Fabrication hat bei uns auch die Gewehr-Fabrication sehr gehoben. A. d. O. In Deutschland besteht meines Wissens nur eine einzige Zuͤndkrautfabrik, und zwar in Prag, wo dieselbe von drei Franzosen, worunter Dr. Bellot, ehemaliger Associé des Hauses Tardy und Blanchet, errichtet wurde. Diese Fabrik liefert jaͤhrlich 40 bis 45 Millionen Zuͤndkapseln, die jedoch anders zubereitet werden als die unserigen. Unsere werden aus Knallqueksilber und Salpeter zusammengesezt; die Prager hingegen, welche die Flinten mehr schonen sollen, aus Knallqueksilber, Salpeter und Schwefel. Das Knallqueksilber wird auf folgende Weise bereitet. Man bringt in einen großen Ballon aus weißem Glase 1 Pfund 8 Unzen Queksilber und 18 Pfund Salpetersaͤure von 36°, welche so rein als moͤglich seyn muß. Ist die Aufloͤsung mit Beihuͤlfe einer gelinden Waͤrme erfolgt, so sezt man nach und nach auf mehrere Male 8 bis 10 Liter Alkohol zu.Manchmal muß man die Fluͤssigkeit, um die Wirkung einzuleiten, gelinde erwaͤrmen, wobei man jedoch mit dem Heizen aufzuhoͤren hat, sobald die Wirkung beginnt. A. d. O. Waͤhrend dieser Zusaz geschieht, entwikelt sich eine ungeheure Menge Untersalpetersaͤure mit Aetherdaͤmpfen vermengt, welche Daͤmpfe sich nicht nur in dem Fabrikslocale, sondern in der ganzen Umgebung verbreiten. Die Arbeiter werden hiedurch sehr belaͤstigt, sie bekommen einen heftigen Husten, durch den es bisweilen bis zum Erbrechen kommt, so daß die Arbeiter bis zu gaͤnzlicher Beendigung der Arbeit nichts genießen koͤnnen. Hat der Alkohol seine Wirkung vollbracht, so laͤßt man die Masse stehen, und gibt das Knallpulver in Schalen, in welchen man es von der Mutterlauge abscheidet, um es dann auf kleinen zeugenen Filtrirsaͤken, welche man in glaͤserne Filtrirtrichter bringt, abtropfen zu lassen. Man kann dasselbe auch mit etwas destillirtem Wasser auswaschen. Nach den Angaben verschiedener Fabrikanten erhaͤlt man, wenn die Ingredienzien in obigem Verhaͤltnisse angewendet worden sind, 1 Pfd. 10 bis 12, ja bis 14 Unzen Knallqueksilber.Hr. Bellot in Prag nimmt auf 1 Pfd. Queksilber 12 Pfd. Salpetersaͤure und 8 Liter Alkohol. Er sagt, daß die Qualitaͤt der Salpetersaͤure großen Einfluß auf das Fabrikat habe, was unsere Fabrikanten auch schon lange erkannt hatten. A. d. O. Das erzielte Knallpulver wird nach dem Abtropfen und noch feucht mit dem dritten Theile seines Gewichtes Salpeter vermengt. Die Vermengung geschieht auf einer Tafel mit einem hoͤlzernen Reiber oder mit einer Walze, wobei, da die Masse noch feucht ist, die Gefahr nicht groß ist. Hierauf folgt das Koͤrnen, welches schon mannigfache Gefahren darbietet. Da das Gemenge gewoͤhnlich zu feucht ist, als daß man es auf das Sieb bringen koͤnnte, so troknet man es mit dem Staube, der von der trokenen Masse abfaͤllt; und da dieß Geschaͤft gewoͤhnlich in Schalen aus Steingut vorgenommen wird, so kann leicht eine Detonation erfolgen. Zur Vermeidung einer solchen ließe sich dieß auch auf einem Haarsiebe oder auf einem uͤber ein Vierek gespannten Tenakel vollbringen. Das gekoͤrnte Gemenge kommt in die Trokenstube, wo es auf Papier in duͤnnen hoͤlzernen Schachteldekeln auf die um den Trokenofen herum angebrachten Gestelle gesezt wird. Dieses Papier muß, wenn das Gemenge zum Sieben gegeben worden ist, in Wasser oder noch besser in Salzsaͤure geworfen werden. Das Sieben geschieht mittelst eines Haarsiebes, und dadurch wird die Masse in die Koͤrner und in den Staub gesondert. Erstere werden in Flaschen aus gesottenem Leder oder aus lakirtem Pappendekel in einem eigens dazu bestimmten, ganz abgesonderten und unter Schloß und Riegel gehaltenen Magazine aufbewahrt. Will man das Pulver zum Behufe des Verfuͤllens desselben in die kleinen Kapseln in die Werkstaͤtte bringen, so theilt man es vorher in kleine Flaͤschchen aus Pappendekel. In einigen Fabriken sezt man dem Pulver etwas Gummischleim zu, damit es nicht lose werden und aus den Kapseln herausfallen kann. In Deutschland verfaͤhrt man anders, d.h. man sezt dem Knallqueksilber Schwefel und Salpeter zu. Hr. Bellot gab uns bei seiner lezten Anwesenheit in Paris im Oktober 1835 folgende Verhaͤltnisse an. Man nimmt auf 1170 Salpeter 230 Schwefel, und vermengt endlich 450 Theile dieses Gemenges mit 350 Theilen Knallqueksilber. Uebrigens vertroͤdelt man in DeutschlandIch muß hier bemerken, daß ich Beweise in Haͤnden habe, daß man neuerlich einige unserer Fabrikanten bewegen wollte nach Deutschland zu uͤbersiedeln. A. d. O. auch noch verschiedene, angeblich in Frankreich gekaufte Knallpulver, von denen manche den von mir angestellten Analysen gemaͤß 40 bis 60 Proc. Salpeter enthalten. Die großen Ungluͤksfaͤlle, die sich bei der Knallpulverfabrication ereigneten, veranlaßten die Staatsverwaltung dem Comité der Kuͤnste und Gewerbe und dem Sanitaͤtscollegium ein Gutachten uͤber die in diesen Fabriken zu befolgenden Vorsichtsmaßregeln abzuverlangen, damit das Leben und die Erhaltung der Fabrikanten und Arbeiter mehr gesichert sey. Die Maßregeln, welche das Comité in einer Eingabe an das Handelsministerium vom Jahre 1834 vorschlug, lauteten wie folgt. 1) Die Arbeit soll abgetheilt und in fuͤnf verschiedenen Werkstaͤtten vollbracht werden. In der ersten soll die Aufloͤsung geschehen, welche auch in freier Luft vorgenommen werden kann; in der zweiten soll die Vermengung des Knallqueksilbers mit dem Salpeter geschehen; in der dritten soll die Koͤrnung mit Haarsieben vollbracht werden; die vierte soll zur Aufbewahrung des Knallpulvers dienen; in der fuͤnften endlich soll das Pulver in die Kapseln verfuͤllt werden. 2) Man soll einen vertrauten und verstaͤndigen Mann haben, der so selten als moͤglich gewechselt werden soll, und dem es mit dem Fabrikmeister allein gestattet ist, in die Werkstaͤtten zu treten, wo das Pulver gemengt, gekoͤrnt und aufbewahrt wird. 3) Der Boden der Werkstaͤtten soll aus Gyps gebaut seyn, weil man gefunden hat, daß das Knallpulver auf dem Gypse nicht verknallt, selbst wenn man mit einem Hammer darauf schlaͤgt, 4) Die Waͤnde sollen mit Gyps beworfen werden, und zwar so, daß nichts davon lose werden und auf die Faͤcher, auf denen sich das Knallpulver befindet, herabfallen kann. 5) Diese Faͤcher sollen aus Tannenholz oder aus einem anderen weichen weißen Holze verfertigt werden, weil das Pulver auf solchem Holze schwerer verknallt, als auf haͤrterem Holze. 6) Die Deken muͤssen gut belattet und plafonnirt seyn; auch darf sich uͤber ihnen kein zweites Stokwerk befinden. 7) Man soll in die Fuͤllwerkstaͤtte nie mehr als den achten Theil des fuͤr einen Tag bestimmten Knallgemisches bringen, und dieses Pulver in einer Buͤchse aus weichem Holze oder aus Leder auf einen hoͤlzernen Rost stellen, welcher uͤber einem mit Wasser gefuͤllten und mit Pappendekel bedekten Kuͤbel angebracht ist. 8) Die Werkstaͤtten muͤssen oft gefegt, und der Kehricht in einen Bach geworfen, oder noch besser mit Salzsaͤure begossen werden. 9) Man soll sich nur hoͤchst einfacher Werkzeuge bedienen, sie oft abtroknen, und sie jedes Mal, so oft man sich ihrer bediente, abwaschen. Das Pulver, welches sich davon abloͤst, soll in einen mit Wasser gefuͤllten Kuͤbel gebracht werden. 10) Immer soll in den Werkstaͤtten Wasser und außerhalb diesen Faͤßer mit Wasser vorraͤthig gehalten werden. 11) In keiner der Werkstaͤtten soll Feuer geduldet werden, und will man dieselben ja heizen, so hat dieß nur mit Wasserdampf, der an einem gehoͤrig entlegenen Orte erzeugt wird, zu geschehen. Das Sanitaͤtscollegium verlangte in seinem unterm 12. Junius an die Polizei erstatteten Berichte folgende Maßregeln: 1) Jede Knallpulver-Fabrik soll von allen Wohnungen und von den Landstraßen entfernt, auch ringsum mit Mauern umgeben seyn. 2) Die Werkstaͤtte, worin das Knallpulver fabricirt wird, soll von dem Magazine und von dem Aufbewahrungsorte fuͤr den Weingeist entfernt seyn. 3) Die uͤbrigen Werkstaͤtten sollen saͤmmtlich von einander geschieden und aus Holzwerk und Gyps ohne Bausteine aufgefuͤhrt seyn. Der Boden werde mit einer Bleiplatte uͤberzogen, indem das Collegium gefunden hat, daß das Knallpulver auf Blei nicht zur Explosion zu bringen ist. Die Waͤnde muͤssen geglaͤttet und mit Gyps bekleidet werden. Die Fenster, wenn deren vorhanden sind, muͤssen aus Glas, welches mit einer duͤnnen Schichte einer weißen Farbe bestrichen worden ist, bestehen, um die Temperatur niedriger zu erhalten, und um zu verhuͤten, daß durch Fehler im Glase, welche das Glas als Brennglas wirken machen, nicht an einzelnen Orten eine groͤßere Hize entstehen kann. Das Dach muß so fest seyn, daß es den Erschuͤtterungen, welche durch Explosionen der einen oder der anderen der benachbarten Werkstaͤtten entstehen koͤnnten, Widerstand zu leisten im Stande ist, um auf diese Weise noch groͤßerem Ungluͤk vorzubeugen. 4) Es darf kein Feuer in den Werkstaͤtten gemacht werden; das Rauchen ist zu verbieten und eben so das Arbeiten bei kuͤnstlichem Lichte. 5) Die Waͤnde der Trokenstube sind mit Gestellen aus weichem Holze zu bekleiden; auf deren oberstes jedoch kein Knallpulver gebracht werden darf. Auch duͤrfen diese Gestelle nicht hoͤher an den Waͤnden hinauf reichen, als so weit, daß man ohne auf eine Staffelei oder auf einen Stuhl zu steigen, zu ihnen hinauf gelangen kann. 6) Metallsiebe sind nicht zu dulden, und jene, deren man sich bedient, sind an ihren unteren Raͤndern mit einem Bleistreifen zu besezen. 7) Das gekoͤrnte und getroknete Pulver soll in Flaschen, welche mit Binsen uͤberflochten sind, gefuͤllt und in diesen im Magazine aufbewahrt werden. 8) Das Magazin ist ganz abzusondern und mit einem Blizableiter zu versehen. Das einzige zur Aufbewahrung der Flaschen dienende Gestell soll so niedrig seyn, daß man leicht dazu gelangen kann. Der Boden ist mit einer Bleiplatte zu belegen. 9) Unter keinem Vorwande darf in dem Magazine selbst ein Umfuͤllen des Pulvers vorgenommen werden. 10) Die Buͤchsen, in welche die Arbeiter die Pulverflaͤchchen sezen, sollen aus Leder bestehen und außen mit Wolle oder Roßhaar gefuͤttert seyn. 11) Es darf nie mehr Knallpulver in die Verfuͤllwerkstaͤtte gebracht werden, als hoͤchstens der zehnte Theil des taͤglichen Verbrauches. Der Director oder Eigenthuͤmer der Fabrik allein darf den Schluͤssel zu dem Magazine fuͤhren. 12) Der Werkfuͤhrer muß solche chemische Kenntnisse besizen, daß er eine moralische Garantie darbietet. 13) Es darf keine Fabrik errichtet werden, ohne daß vorher ein genauer Plan saͤmmtlicher innerer Einrichtungen vorgelegt wurde. An dieser Einrichtung darf dann unter keinerlei Vorwand irgend eine Aenderung vorgenommen werden, ohne die Ermaͤchtigung hiezu eingeholt zu haben. Endlich soll kein Arbeiter unter 18 Jahren in diesen Fabriken verwendet werden. Diese Maßregeln werden allerdings vielen Gefahren vorbeugen; allein wird man ihnen auch entsprechende Folge leisten? Wir glauben, daß die Regierung sie wenigstens zum Theil zum Geseze erheben, und uͤber deren Handhabung dann wachen soll; waͤhrend sie die uͤbrigen als gute Rathschlaͤge anbieten soll. Die Verantwortlichkeit wuͤrde dann ganz auf die Fabrikanten fallen. Da ich als Mitglied des Sanitaͤtscollegiums mehrere dieser Fabriken zu besuchen hatte, so verfolgte ich deren Gang, und war hiebei namentlich in der Fabrik des Hrn. Gevelot, wo man im Großen arbeitet, von der ungeheuren Masse von Daͤmpfen, die sich bei der Einwirkung der Salpetersaͤure auf den Alkohol entwikelt, uͤberrascht. Ich fand, daß die diesen Daͤmpfen ausgesezten Arbeiter wegen der in dem Dampfe enthaltenen salpeterigen und untersalpeterigen Saͤure, so wie auch wegen des Aetherdampfes sehr zu leiden hatten. Selbst der Werkfuͤhrer, Hr. Delion, gegenwaͤrtig Associé des Hauses Goupillat, beklagte sich daruͤber, obwohl er seit langer Zeit an diese Operation gewohnt ist.Ich habe bemerkt, daß die bei der Knallpulver-Fabrication verwendeten Arbeiter saͤmmtlich schlechte oder schwarz und grau gefaͤrbte Zaͤhne besizen. Ob dieß vom Queksilber oder von den Sauren herruͤhrt, weiß ich nicht; doch findet man bei den Goldscheidern und anderen mit Saͤuren beschaͤftigten Arbeitern gewoͤhnlich dieselben Erscheinungen. A. d. O. Ich kam demnach auf die Idee diese Daͤmpfe zu verdichten, und dadurch nicht nur Nuzen von ihnen zu ziehen, sondern auch die Arbeiter von einer großen Qual zu befreien: eine Neuerung, von der ich mir versprach, daß sie bei den Fabrikanten schon aus ersterem Grunde willig Eingang finden duͤrfte. Einige Laboratoriumsversuche, welche ich in dieser Hinsicht anstellte, uͤberzeugten mich bald von der Moͤglichkeit diese Daͤmpfe zu verdichten und aus deren Verdichtung Nuzen zu ziehen. Ich schrieb hieruͤber im Mai 1833 an Hrn. Gevelot, wurde jedoch durch anderweitige Geschaͤfte verhindert der Sache Folge zu geben. Da ich mich spaͤter mit Hrn. Gevelot nicht daruͤber vereinigen konnte, so wendete ich mich an die HH. Delion und Goupillat, welche eben damals eine Fabrik in Bas-Meudon errichteten, und welche auf meinen Rath auch wirklich den von mir ausgedachten Verdichtungsplan in Anwendung brachten. Seither vollbringt nun dieser Apparat die Dienste, zu denen er bestimmt ist, wie sich auch Hr. Gaultier de Claubry bei Gelegenheit des Besuches dieser Fabrik uͤberzeugte. Dieser hoͤchst einfache Apparat besteht: 1) aus einer ballonfoͤrmigen Retorte, welche an ihrer oberen Woͤlbung mit einer trichterfoͤrmigen Tubulirung versehen ist. 2) aus einem Gestelle, in welchem diese Retorte so ruht, daß man sie mittelst einer unter sie gebrachten Weingeistlampe nach Belieben erhizen kann. 3) aus einem Stoͤpsel aus weichem Holze, der zum Verschließen der Tubulirung dient. 4) aus einem cylindrischen Vorstoße aus Steingut von 54 bis 60 Zoll Laͤnge, welcher aus 3 Stuͤken von 18 bis 20 Zoll Laͤnge und 8 bis 9 Zoll Durchmesser besteht. Man gibt diesem Vorstoße, der einerseits mit dem Halse der Retorte und andererseits durch eine Glasroͤhre mit der ersten Vorlage in Verbindung steht, eine schwache Neigung, damit die Fluͤssigkeiten, die sich in ihm verdichten, in die erste Vorlage abfließen koͤnnen. Uebrigens koͤnnte man den Vorstoß wohl leicht auch so zulaufen lassen, daß er direct mit der ersten Vorlage in Verbindung gebracht werden koͤnnte. 5) endlich aus drei oder vier Vorlagen, von denen jede mit drei Tubulirungen versehen ist, und welche durch rechtwinkelig gebogene Roͤhren mit einander in Verbindung stehen. Von der lezten Vorlage laͤuft eine gerade oder gekruͤmmte Roͤhre aus, durch welche die aͤtherhaltigen Daͤmpfe, die sich in den mit Wasser umgebenen Vorlagen nicht verdichteten, entweichen koͤnnen. Man kann die Aufloͤsung des Queksilbers im Ballon nach Zusammensezung des ganzen Apparates vornehmen, oder man kann den Ballon nach vollbrachter Aufloͤsung mit dem Vorstoße in Verbindung bringen, indem man seinen Hals durch einen Pfropf aus weichem Holze stekt, und das Ganze mit einem fette Kitte gut verkittet. Der erste in der Fabrik in Bas-Meudon errichtete Apparat dieser Art wurde in einem der Gemaͤcher der Fabrik probirt. Man arbeitete mit 1 Pfd. 8 Unzen Queksilber, 18 Pfd. Salpetersaͤure und 10 Liter Weingeist, wobei man zu den guͤnstigsten Resultaten gelangte. Die Entwiklung von Aetherdampf aus der Roͤhre der lezten Vorlage war so unbedeutend, daß ich mich ohne die geringste Belaͤstigung zu verspuͤren, in dem Gemache, welches nur 20 bis 24 Fuß Laͤnge auf 10 bis 12 Fuß Breite haben mochte, aufhalten konnte. Seither wurden in genannter Fabrik mehrere derlei Apparate errichtet, und die Eigenthuͤmer finden sie ihrer officiellen Angabe gemaͤß sehr vortheilhaft. Die Arbeiter, die ihre Arbeiten sonst oͤfter wegen Unwohlseyns aussezen mußten, koͤnnen gegenwaͤrtig ohne alle Belaͤstigung ununterbrochen ihrem Geschaͤfte nachgehen. Hr. Gevelot, der seither gleichfalls den Apparat annahm, aͤußerte in einem Schreiben an Hrn. Gaultier de Claubry vom Januar 1836 Folgendes: „Dieses System ist in Hinsicht auf die Erleichterung, welche es den Arbeitern gewaͤhrt, unstreitig sehr vorzuͤglich: man ist gegenwaͤrtig durchaus nicht mehr durch die Gase, welche sich sonst hei windstiller Witterung herabsenkten, sich auf der Erde verdichteten, und daher einen heftigen Husten erzeugten, belaͤstigt. Ich bemerkte fruͤher, daß meine Arbeiter oͤfter durchaus nichts bei sich behalten konnten, und daher gezwungen waren, ihre Mahlzeiten bis zu gaͤnzlicher Vollendung der Arbeit zu verschieben. Ich ließ sie haͤufig Milch nehmen, und wendete dieses Mittel auch zur Beschwichtigung der Reizung, welche diese Daͤmpfe erzeugten, an. Bei dem neuen Verfahren faͤllt alles dieß weg, da nur mehr sehr wenige Daͤmpfe entweichen.“ Die bei dem alten Verfahren gewonnenen Nebenproducte bestanden nur in Mutterlaugen, welche, wenn man mit 1 Pfd. 8 Unzen Queksilber, 18 Pfd. Salpetersaͤure und 10 bis 11 Liter Alkohol arbeitete, gewoͤhnlich nur 13 Pfd. wogen. Sie enthielten mehr oder weniger Queksilber aufgeloͤst, manchmal ein hydrocyansaures Salz, und immer eine gewisse Quantitaͤt Alkohol, die jedoch wandelbar war. 4 Liter der Fluͤssigkeit gaben mit einem Alkali versezt und der Destillation unterworfen, einen Liter Alkohol von 27°, welcher nach rectificirtem Salpeteraͤther roch. Man verwendete ihn zur Firnißfabrication, obschon er auch neuerdings zur Knallpulver-Fabrication haͤtte dienen koͤnnen. Bei einem zweiten Versuche gaben mir nur 5 Liter Mutterlauge einen Liter Alkohol von 26°; doch hatte ich bei beiden Versuchen keine ganz frische Mutterlauge zur Verfuͤgung. Mit dem Verdichtungsapparat erhaͤlt man: 1) Mutterlauge in dem Ballon; 2) eine Alkoholaͤther und eine Queksilbersalz enthaltende Fluͤssigkeit in der ersten Vorlage; 3) einen sauren Aether in den uͤbrigen Vorlagen. Ich hoffe durch weitere Versuche beweisen zu koͤnnen, daß man durch Saͤttigung der Mutterlauge mit Kalk Queksilberoxyd, welches sich leicht reduciren laͤßt, salpetersauren Kalk, der auf Salpeter benuzt werden kann, und Weingeist, der sich zur Firnißbereitung oder neuerdings zur Knallpulver-Fabrication verwenden laͤßt, erzielen kann. Ferner, daß man durch Saͤttigung der in der ersten Vorlage verdichteten Fluͤssigkeiten mit einem Alkali Queksilberoxyd und eine aͤtherhaltige alkoholische Fluͤssigkeit gewinnen kann; und endlich, daß man durch gehoͤrige Behandlung der in den uͤbrigen Vorlagen gewonnenen Fluͤssigkeiten eine Fluͤssigkeit erhaͤlt, die mit Alkohol vermengt neuerdings zur Knallpulver-Fabrikation oder auch zur Aufloͤsung von Harzen und Gummiharzen, so wie zur Firnißbereitung dienen kann. Ich behalte mir jedoch vor, hieruͤber in Zukunft noch mehrere Versuche anzustellen.