Titel: Ueber die Anwendung des Dampfes zu landwirthschaftlichen Zweken, und namentlich über den Dampfpflug des Hrn. Heathcoat, Parliaments-Mitgliedes. Von Hrn. Henry Handley.
Fundstelle: Band 61, Jahrgang 1836, Nr. LXIV., S. 296
Download: XML
LXIV. Ueber die Anwendung des Dampfes zu landwirthschaftlichen Zweken, und namentlich uͤber den Dampfpflug des Hrn. Heathcoat, Parliaments-Mitgliedes. Von Hrn. Henry Handley. Aus dem Morning Chronicle im Mechanics' Magazine, No. 673. Ueber Heathcoat's Dampfpflug. Die Anwendung einer leblosen Kraft auf den Feldbau muß von den Praktikern als eine Aufgabe, gegen welche unuͤbersteigliche Hindernisse vorlagen, betrachtet worden seyn; denn sonst wuͤrde man sich schon laͤngst des Dampfes anstatt der Pferde und Ochsen als Triebkraft fuͤr verschiedene Akerbaugeraͤthe bedient haben. Mehrere leichte Verrichtungen, die mit einer fixirten Maschine vollbracht werden konnten, wie z.B. das Dreschen, Buttern, Haͤkselschneiden u. dergl., beschaͤftigten allerdings bereits mannigfach den Erfindungsgeist der Mechaniker; und an einigen Orten benuzt man wirklich mit mehr oder weniger Vortheil zu den angedeuteten Zweken Maschinen, welche von Wasser, Wind oder kleinen Dampfmaschinen in Bewegung gesezt werden. Die Idee einer Dampflandwirthschaft hingegen, d.h. einer mit Dampf anstatt mit thierischer Kraft betriebenen Oekonomie, ward bisher von Jedermann, mit Ausnahme einiger weniger Individuen und einer oder zwei landwirthschaftlicher Gesellschaften, fuͤr absurd oder fuͤr ein Hirngespinst gehalten.Unter den Zeitschriften, welche sich am kraͤftigsten fuͤr die Einfuͤhrung der Dampfpfluͤge ausgesprochen haben, erwaͤhnen wir vorzuͤglich die Flandre agricole. Dieselbe enthielt erst im Laufe Februars d. J. einen Artikel hieruͤber, worin sie namentlich auf die Erfindungen des Hrn. Thomas Gibbs und des Hrn. J. Upton aufmerksam macht. Der Dampfpflug des lezteren soll einen sehe geringen Raum einnehmen und selbst von dem Ungeuͤbtesten mit Leichtigkeit gefuͤhrt werden koͤnnen. A. d. R. Dessen ungeachtet wurde die Aufgabe endlich geloͤst, und zwar von dem Parliamentsmitgliede fuͤr Tiverton, Hr. Heathcoat, dem beruͤhmten Erfinder der Tull- oder Bobbinnetmaschinen, der sich hiedurch einen neuen Triumph und neue Verdienste um sein Vaterland erwarb. Die vielen im Wege stehenden Hindernisse wurden endlich nach mehrjaͤhrigen kostspieligen Versuchen durch den Unternehmungsgeist und die Liberalitaͤt dieses Mannes, dem Hr. Josiah Parker, Civilingenieur, mit seinem mechanischen Scharfsinne und seiner Ausdauer beistand, gluͤklich beseitigt. Die erste Maschine ward eigens fuͤr die Urbarmachung von Moorgruͤnden erbaut, und seit einigen Monaten auf dem sogenannten Red-Moß bei Bolton-le-Moors in Lancashire auch wirklich mir Erfolg praktisch angewendet. Eine aus Parliamentsmitgliedern und bekannten Mechanikern (worunter James Smith von Deanston, B. Hick und P. Rothwell) bestehende Versammlung, welche mehreren Versuchen mit der neuen Maschine beiwohnte, und unter der sich auch der Berichterstatter befand, war einstimmig der Ansicht, daß in dieser Erfindung der Keim zu ausgedehnten Verbesserungen in der Landwirthschaft gelegen sey, und daß sie bereits jezt schon zu dem Zweke, zu welchem man sich ihrer zuerst bediente, hoͤchst passend und vorteilhaft erscheine. Von den zwei verschieden gebauten Pfluͤgen, welche man vor der Versammlung in Bewegung sezte, erregten beide das allgemeine Erstaunen, besonders der eine, der doppeltwirkend und mit zwei in einer Flaͤche befindlichen Scharen ausgestaltet ist, so daß er am Ende eines jeden Ganges ohne Zeitverlust umkehrt und eine neue Furche beginnt. Die Vollkommenheit des Mechanismus des Pfluges, die Kraft, womit die Schneidinstrumente jede in dem Moorgrunde enthaltene Faser durchschnitten, die Breite und Tiefe der umgebrochenen Furchen, die Anwendung eines neuen und bewundernswerthen Zugmittels anstatt der Ketten und Strike uͤberraschten Jedermann. Die Geschwindigkeit, mit der sich der Pflug bewegte, betrug 2 1/2, engl. Meilen in der Stunde, wobei Furchen von 18 Zoll Breite und 9 Zoll Tiefe gezogen und das Erdreich vollkommen umgelegt wurde. Jede Furche von 220 Yards Laͤnge ward in etwas weniger als drei Minuten vollendet, so daß diese einzige Maschine mit zwei Pfluͤgen in 12 Stunden 10 Acres Marschland umbricht. Die Maschine, auf der sich die Dampfmaschine befindet, ist eine Locomotivmaschine; da sich die Pfluͤge jedoch unter rechten Winkeln mit deren Bahn bewegen und nicht hinter ihr nachgezogen werden, so braucht sich die Maschine nur um die Breite einer Furche, naͤmlich um 18 Zoll, vorwaͤrts zu bewegen, waͤhrend die Pfluͤge eine Viertelmeile durchlaufen; d.h. die Maschine bewegt sich durch 11 Yards, waͤhrend die Pfluͤge 5 1/2 engl. Meilen zuruͤklegen und einen Acre Land umgebrochen haben. Durch diese Einrichtung zeichnet sich die Maschine hauptsaͤchlich aus, auf ihr beruht besonders die Anwendbarkeit des Dampfes auf die Landwirthschaft, und in ihr beurkundet sich das Genie des Erfinders am maͤchtigsten; denn muͤßte sich die Maschine mit der Geschwindigkeit der Pfluͤge bewegen und dieselben nachziehen, so wuͤrde ein großer Theil der Kraft der Maschine nuzlos verbraucht werden. Eine weitere sehr schaͤzbare Eigenschaft der Maschine ist, daß fuͤr sie keine Bahn auf dem Moorgrunde hergestellt zu werden braucht, sondern daß es genuͤgt, wenn zu ihren beiden Seiten ein Abzuggraben gezogen wird. Wer die Moorgruͤnde kennt, wird sich gewiß wundern, daß eine Maschine von solchen Dimensionen und solcher Kraft gebaut werden konnte, und die dennoch geeignet war auf dem rohen Moorboden zu laufen. Die Irlaͤnder, welche bei den Versuchen zugegen waren, versicherten, daß die meisten irlaͤndischen Moorgruͤnde dieselben Eigenschaften besaßen wie das rothe faserige Moor von Red-Moß, und daß die Maschine daher in ihrem Vaterlande auf keine groͤßeren Schwierigkeiten stoßen duͤrfte, als sie auf dem Red-Moß zu uͤberwinden vermochte. Die Maschinen koͤnnen mit einer bis auf 50 Pferdekraͤfte reichenden Kraft betrieben werden; allein die nach dem Umbrechen oder Pfluͤgen noͤthigen Arbeiten erfordern im Vergleiche mit jener Kraft, welche noͤthig ist, um die Mooroberflaͤche mit der angegebenen Geschwindigkeit bis auf eine Tiefe von 9 Zoll umzubrechen, nur eine unbedeutende Kraft. Die von jedem Pfluge verbrauchte Kraft wird auf 12 Pferdekraͤfte angeschlagen; das Gewicht der Scholle, welche der Pflug von der Spize bis zu seiner Ferse aufreißt, auf nicht weniger als 300 Pfund. Der Kessel ist fuͤr eine Locomotivmaschine von ungewoͤhnlicher Groͤße gebaut, und zwar deßhalb, damit er mit Torf geheizt werden kann. Die Urbarmachung des Moores geschieht also durch ein Product, welches bei dessen Trokenlegung gewonnen ward. Zur Handhabung der Maschine und der beiden Pfluͤge waren 8 Personen noͤthig, wonach also auf jeden Acre beinahe ein Arbeiter kommt; doch muß bemerkt werden, daß eine solche Anzahl bloß bei der ersten schweren Arbeit, keineswegs aber bei den spaͤteren Operationen, und eben so wenig bei der Anwendung der Maschine auf die Bebauung von festem Erdreich erforderlich ist. Die Versammlung drillte Hrn. Heathcoat das Vergnuͤgen, welches sie uͤber die Leistungen seiner Maschine empfand, so wie auch die Wuͤnsche aus, daß es ihm gelingen moͤge seine Erfindung auch auf schwerem Thonboden anwendbar zu machen; besonders war sie der Ansicht, daß der Dampfpflug auch wesentlich dazu geeignet seyn duͤrfte, die neuerlich vorgeschlagene Kultur des Unterbodens, und die von Hrn. Smith in Deanston erfundene Methode Gruͤnde troken zu legen, wobei ein großer Aufwand an Kraft noͤthig ist, in Ausfuͤhrung zu bringen.