Titel: Ueber die Mängel der gegenwärtig bei der Runkelrübenzuker-Fabrication gebräuchlichen Verfahrungsarten und Apparate.
Fundstelle: Band 68, Jahrgang 1838, Nr. LXI., S. 279
Download: XML
LXI. Ueber die Maͤngel der gegenwaͤrtig bei der Runkelruͤbenzuker-Fabrication gebraͤuchlichen Verfahrungsarten und Apparate. Aus den Annales de la Société polytechnique-pratique, Maͤrz 1838. S. 65. Ueber Runkelruͤbenzuker-Fabrication. In der Zukerfabrication muͤssen ohne Zweifel noch viele Verbesserungen eingefuͤhrt werden, ehe sie alle Vortheile darbieten kann, welche man dereinst davon erwarten darf. Schon die Ausziehung des Saftes ist noch bedeutender Verbesserungen faͤhig. Nachdem die Runkelruͤben zerrieben sind, bringt man sie in Saͤke und sezt sie einem mehr oder weniger starken Druke aus, wodurch man 60 bis 80 Proc. Saft auspreßt. Nun ist es aber erwiesen, daß die Runkelruͤbe 92 bis 96 Proc. mehr oder weniger zukerreichen Saft enthaͤlt; es findet also bei dieser Operation ein betraͤchtlicher Verlust an Zuker Statt. Zwar wissen die Fabrikanten, welche ihr Interesse verstehen und zugleich Landwirthe sind, das Mark sehr vortheilhaft zum Masten des Viehes zu benuzen; ich glaube aber, daß es noch vortheilhafter waͤre, allen Zuker aus den Runkelruͤben auszuziehen und weniger Futter fuͤr das Vieh zu erhalten; dieß wird schon dadurch sehr wahrscheinlich, daß in der Regel ein Theil des Markes unbenuzt bleiben muß, weil man davon viel mehr erhaͤlt, als man an Ort und Stelle zu Viehfutter verwenden kann. Anstatt die Runkelruͤben auszupressen, um den Saft daraus zu gewinnen, hat man sie in der neuesten Zeit theils mit warmem Wasser zu extrahiren versucht (Macerationsverfahren), theils mit kaltem Wasser (curage). Ich zweifle nicht, daß das Macerationsverfahren fuͤr die Fabrikanten sehr vortheilhaft werden koͤnnte, wenn es besser verstanden und mit zwekmaͤßigeren Apparaten ausgefuͤhrt wuͤrde. Gegenwaͤrtig ist es aber in Frankreich fast allgemein aufgegeben, und wird nur noch in wenigen Fabriken befolgt. Man haͤtte aber aus dem Principe dieser Methode, welches gut ist und viel Handarbeit und Triebkraft erspart, gewiß Nuzen ziehen koͤnnen, wenn man uͤberall die Reibmaschine durch die Schneidmaschine ersezt haͤtte. Wenn das Macerationsverfahren allgemein in Gebrauch kommen soll, so muß freilich der Apparat den Saft aus den Runkelruͤbenschnitten fast vollstaͤndig ausziehen koͤnnen, ohne daß seine Dichtigkeit durch hinzugekommenes Wasser um mehr als hoͤchstens einen halben Grad vermindert wird. Der Ruͤkstand wuͤrde dadurch allerdings allen Werth als Viehfutter verlieren. Da die Maceration aus den angegebenen Gruͤnden keine vortheilhaften Resultate gab, so versuchte man das Ruͤbenmark mit kaltem Wasser zu extrahiren. Dieses Verfahren liefert auch wirklich hinsichlich der Qualitaͤt und Farbe des Zukers sehr gute Resultate, man mag nun das Mark im Wasser zerruͤhren oder in Schichten aufthuͤrmen, durch welche man das Wasser filtriren laͤßt; Man hat aber bis jezt noch keine groͤßere Zukerausbeute auf diesem Wege erzielen koͤnnen; es liefert eben so wie das Macerationsverfahren einen Ruͤkstand, der keinen Werth mehr als Viehfutter hat, und erheischt noch dazu mehr Triebkraft als dieses, weil die Reibmaschine dabei nicht entbehrlich wird; wenn also diese Methode vor anderen den Vorzug erhalten soll, so muß dabei eine groͤßere Zukerausbeute erzielt werden koͤnnen, und ich glaube, daß dieses Resultat sowohl bei dem Auslaugen mit kaltem Wasser als bei der Macerationsmethode durch zwekmaͤßigere Apparate erreichbar ist.Man vergleiche die folgende Abhandlung: Dr. Reichenbach's Methode die Runkelruͤben zu extrahiren.A. d. R. Der Runkelruͤbensaft muß nun gelaͤutert werden, was mit Kalk geschieht, wodurch aber ohne Zweifel ein Theil Zuker zersezt wird. Sollte man denselben nicht durch eine andere Substanz ersezen oder vielmehr ohne Anwendung eines Alkalis oder einer Saͤure coaguliren und die festen Substanzen so wie die Farbstoffe beseitigen koͤnnen?Wahrscheinlich duͤrfte dieses durch die im vorhergehenden Hefte des polytechn. Journals S. 213 beschriebenen Peyron'schen Filter moͤglich werden.A. d. R. Nach der Laͤuterung muß man die Syrupe concentriren und verkochen. Obgleich man aber die Fortschritte, welche die Zukerfabrication in der neueren Zeit machte, uͤber alles Maaß geruͤhmt hat, so muß man doch gestehen, daß wir das Concentriren der Syrupe noch bei weitem nicht mit der noͤthigen Oekonomie und Schnelligkeit auszufuͤhren im Stande sind. In den Colonien ist der gelaͤuterte Zukerrohrsaft vollkommen farblos und faͤrbt sich erst waͤhrend des Concentrirens und Verkochens; mit besseren Abdampfapparaten waͤren folglich die Pflanzer im Stande uns stets einen fast ganz weißen Rohzuker zu liefern, und wuͤrden uͤberdieß nur sehr wenig Melasse erhalten. Waͤhrend nun einerseits in den Colonien die ungeheure Masse von Melassen fast ausschließlich dadurch hervorgebracht wird, daß die Hize so lange ihren nachtheiligen Einfluß auf den Zuker ausuͤbt, erhalten andererseits auch die Runkelruͤbenzuker-Fabrikanten viel Melasse, weil die Operationen bei unseren Abdampf- und Verkochungsapparaten sehr lange dauern. Diejenigen Fabrikanten, welche uͤber freiem Feuer abdampfen, koͤnnen ohne Zweifel sehr schoͤnen Zuker erzeugen; dieß ist aber nur dadurch moͤglich, daß sie mehr thierische Kohle anwenden, als die Besizer von Dampfapparaten, theils weil die Operation bei ihnen laͤnger dauert, theils weil das directe Feuer mehr Zuker als der Dampf zerstoͤrt, also mehr Melasse erzeugt wird. Die Dampfapparate haben eine sehr verschiedene Einrichtung, und offenbar verdienen diejenigen den Vorzug, wobei der Syrup weniger lange mit der Hize in Beruͤhrung bleibt; indessen findet zwischen ihnen in dieser Beziehung kein großer Unterschied Statt. Als man den luftleeren Raum bei den Abdampfapparaten zu benuzen angefangen haͤtte, glaubte man sie dadurch auf einen hohen Grad von Vollkommenheit gebracht zu haben. Gegen diese Abdampfapparate laͤßt sich indessen mehreres einwenden: 1) sind sie sehr complicirt und kostspielig, und 2) erfordern sie eine sehr große Menge Wasser, um den luftverduͤnnten Raum zu erzeugen. Bei einigen dieser Apparate reißt das Verdichtungswasser bisweilen auch Zuker mit sich, der also rein verloren geht; auch hat man bis jezt mittelst dieser Apparate noch seine merklich groͤßere Zukerausbeute erzielt. Allerdings liefern sie einen Zuker von besserer Qualitaͤt, was ohne Zweifel daher ruͤhrt, daß der Syrup beim Eindampfen nicht so stark erhizt wird und zum Theil auch der großen Menge Thierkohle zuzuschreiben seyn duͤrfte, welche man stets bei diesen Apparaten anwendet; aber die Verbesserung des Products ist doch nicht so betraͤchtlich, daß die Runkelruͤbenzuker-Fabrikanten sich so leicht zur Anschaffung von dergleichen Apparaten entschließen koͤnnten. Uebrigens muß man ja nicht glauben, daß bei den Abdampfapparaten mit luftverduͤnntem Raume die Hize keinen Zuker zersezt. Die Syrupmasse erreicht zwar keine so hohe Temperatur, wie wenn man sie unter dem atmosphaͤrischen Druke kocht; aber bei der Verdampfung im verduͤnnten Raume wird doch Dampf von drei bis vier Atmosphaͤren Druk angewendet, so daß diejenige Fluͤssigkeit, welche auf dem doppelten Boden und an den Schlangenroͤhren (in welche der Dampf geleitet wird) ruht, eben so heiß wird wie unter dem atmosphaͤrischen Druke; nur erhaͤlt die Masse der Fluͤssigkeit keine so hohe Temperatur, well keine Atmosphaͤre auf die Fluͤssigkeit druͤkt und folglich der Waͤrmestoff sich darin nicht anhaͤufen kann. Die Verdampfung erfolgt bei diesen Apparaten allerdings schneller, weil der Syrup, welcher in Beruͤhrung mit dem doppelten Boden und den Schlangenroͤhren erhizt worden ist, rascher auf die Oberflaͤche steigt, um daselbst seinen uͤberschuͤssigen Waͤrmestoff fahren zu lassen, welcher durch seine Entbindung die Verdampfung hervorbringt. Wenn nun der Vortheil der Abdampfapparate mit luftverduͤnntem Raume wirklich nicht sowohl in der niedrigeren Temperatur, welcher der Syrup ausgesezt wird, als vielmehr in der Beschleunigung der Operation besteht, so muͤssen wir unsere Bestrebungen offenbar dahin richten, diese Beschleunigung der Abdampfung auf einem einfacheren Wege zu erzielen. Schon Hr. v. Dombasle hat einmal bemerkt, daß wir nur dann einen bedeutenden Fortschritt in der Zukerfabrication machen werden, wenn es uns gelingt, die Einwirkung der Hize auf die Syrupe auf eine sehr kurze Zeit zu beschraͤnken.