Titel: Technische Notizen, auf einer Reise durch Belgien und Westphalen gesammelt von Dr. Adolph Poppe.
Autor: Dr. Adolph Poppe [GND]
Fundstelle: Band 68, Jahrgang 1838, Nr. LXXIII., S. 348
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LXXIII. Technische Notizen, auf einer Reise durch Belgien und Westphalen gesammelt von Dr. Adolph Poppe. Mit Abbildungen auf Tab. VI. [Poppe's technische Notizen.] A. Beschreibung einiger interessanter Maschinen auf der Saynerhuͤtte bei Coblenz. Das koͤnigl. Eisenhuͤttenwerk Saynerhuͤtte liegt zwei Stunden von Coblenz in einem engen, uͤberaus romantischen Thale. Aus einem Hohofen, zwei Kupoloͤfen und vier Flammoͤfen werden außer den gewoͤhnlichen Gußarbeiten, große Cylinder zu Geblaͤsen und Dampfmaschinen beliebigen Kabilers, Wasserradwellen, Kanonen, Gloken, alle Arten von Raͤderwerk u.s.w., so wie auch feine Galanteriewaaren gegossen. Die ganze Einrichtung dieses Werks, in welchem woͤchentlich 700 Cntr. Eisen geschmolzen werden, ist großartig und wahrhaft koͤniglich zu nennen. Die Schmelzhuͤtte selbst, bis auf das Dach von Gußeisen, bietet durch ihre eigenthuͤmliche beinahe gothische Bauart einen imposanten Anblik dar. Der fuͤr das Maschinenwesen sich Interessirende findet hier mehrere bemerkenswerthe mechanische Apparate. Die guͤnstige Lage des Etablissements in einem engen wasserreichen Thale macht die so kostspielige Anwendung von Dampfmaschinen zum Betriebe der Maschinerie entbehrlich. Es sind vier Wasserraͤder in Thaͤtigkeit, wovon ein oberschlaͤchtiges von 20 Fuß Hoͤhe und 3 Fuß Breite die Geblaͤse, das zweite einen Hammer zum Zerklopfen des Kalksteines, das dritte ein Pochwerk mit 4 eisernen Stampfern, das vierte endlich mehrere Dreh- und Bohrwerke in Bewegung sezt. a) Beschreibung des Cylindergeblaͤses. Auf die von der Huͤtteninspection mir ertheilte Erlaubniß, die Maschinen, welche mich interessieren, nach meinem Belieben abzuzeichnen, war mein erstes Geschaͤft, das Cylindergeblaͤse, dessen elegante, von der gewoͤhnlichen Construction abweichende Einrichtung mir besonders in die Augen fiel, so genau, als es die Kuͤrze der zugemessenen Zeit gestattete, mit Huͤlfe des Maaßstabes aufzunehmen. Fig. 9 stellt diese Maschine in der Seitenansicht, Fig. 10 in der vorderen Ansicht dar. Das Geblaͤse besteht aus drei neben einander gestellten doppeltwirkenden Cylindern A, A, A, deren Kolben durch drei an einer starken eisernen Welle unter Winkeln von 120º von einander abstehende Krummzapfen in Thaͤtigkeit gesezt werden. B, B, B, B ist das mit einem Schuzgelaͤnder versehene gußeiserne Geruͤst, worauf die Geblaͤsecylinder festgeschraubt sind. Diese sind bei einem inneren Durchmesser von 2 Fuß 3 Zoll fuͤr einen Hub von 4 Fuß eingerichtet und stoßen daher bei jedem Auf- oder Niedergang des Kolbens 15,8 Kubikfuß Luft aus. b, b, b sind die Kasten der oberen luftsaugenden Ventile, deren offene Seite ein feiner Flor bedekt, um den Staub abzuhalten. Die unteren Ventilkasten werden durch das Gestelle verdekt und sind deßwegen nicht leicht zugaͤnglich; c und d sind die Roͤhren, welche oben und unten den Wind unmittelbar aus den Cylindern erhalten. Die Kolbenstangen treten durch die Stopfbuͤchsen e, e, e von Unten in die Cylinder. A und B, Fig. 12, zeigen die Stopfbuͤchsen in groͤßerem Verhaͤltniß. Unter dem Maschinengestelle laͤuft zwischen vier soliden Lagern in 14 Fuß lothrechter Entfernung von den Geblaͤsecylindern die Krummzapfenwelle C, C. Sie erhaͤlt von dem oben erwaͤhnten Wasserrad ihre Bewegung, indem ein am Wellbaume des lezteren sizendes gußeisernes Stirnrad von 10 Fuß Durchmesser und 88 Zaͤhnen in das Rad a, a, welches bei 4 Fuß Durchmesser 36 Zaͤhne besizt, eingreift. Die Anordnung der drei Krummzapfen, welche, wie schon bemerkt unter gleichen Winkeln von einander abstehen, ist aus der Zeichnung sichtbar; sie bewirken mittelst der 8 Fuß langen und 3 Zoll diken Lenkstange f, f die Kolbenbewegung in den Cylindern. Da bei der vorliegenden Construction die mit der Kurbelbewegung eintretenden todten Momente vermoͤge der Stellung der drei Kurbeln sich so weit compensiren, daß ein hinreichend gleichfoͤrmiger Luftstrom erfolgen kann, so hat man die Aufstellung eines Regulators fuͤr entbehrlich gefunden. Weil der Kolbenhub 4 Fuß betraͤgt, so mußte man jedem Krummzapfen eine Laͤnge von 2 Fuß geben. Der mittlere hat eine eigenthuͤmliche Einrichtung, welche besondere Beachtung verdient. Die beiden anderen gegenuͤberstehenden Theile g, g h, h, Fig. 10, dieses Krummzapfens weichen, wie Fig. 13 deutlicher zeigt, unter einem Winkel von etwa 30º von einander ab; g, g ist der eigentliche Kurbelarm, dessen Zapfen k von dem Ende der Lenkstange umfaßt wird. Der an die eine Haͤlfte der Krummzapfenwelle befestigte Arm h, h ist an die andere Haͤlfte der Welle durch das Verbindungsgelenk i gekuppelt, indem dieses mit dem einen Ende den Zapfen k, mit dem anderen Ende einen zweiten an dem Arm h, h befindlichen Zapfen umfaßt. Der Hauptzwek dieser Kupplungsmethode ist folgender. Weil man es fuͤr gut fand, die Hauptwelle C, C, Fig. 10, aus zwei Theilen bestehen zu lassen, so mußte auch dafuͤr gesorgt werden, den Nachtheilen, welche aus der geringsten Verruͤkung einer Welle aus der gemeinschaftlichen Centralachse hervorgehen koͤnnten, vorzubeugen. Diesen Zwek erreichte man durch das Verbindungsstuͤk i, Fig. 13. Wenn sich nun auch eine der Wellen etwas senken oder seitwaͤrts weichen sollte, so kann doch, so lange sie nur noch zu einander parallel sind, keine Torsion Statt finden, weil in diesem Fall das Zwischengelenk i sich nachgiebig bewegt. Es eruͤbrigt nun noch, die Einrichtung zu erklaͤren, wodurch den Kolbenstangen die senkrecht auf- und niedersteigende Bewegung, welche fuͤr jedes doppeltwirkende Geblaͤse eine unerlaͤßliche Bedingung ist, ertheilt wird. Die Art, wie dieser Zwek erreicht ist, erhellt aus Fig. 9 und 10 und der in groͤßerem Maaßstabe gegebenen Darstellung Fig. 11. Die Kolbenstange ist naͤmlich mit ihrem unteren Ende in einen massiven Cylinder b, Fig. 11, geschraubt. Zu den Seiten dieses Cylinders sind zwei Frictionsraͤder a, a von einem Fuß Durchmesser angebracht, deren Peripherien rinnenartig einwaͤrts gehoͤhlt sind. Die Frictionsraͤder laufen zwischen 4 Leitungen, wovon jedoch in den genannten Zeichnungen immer nur zwei sichtbar sind, indem die anderen zwei durch diese verdekt werden. Die Achse des Frictions-Raͤderpaares wird von der Kurbelstange f mittelst zweier Baken c, d umfaßt; sie ist au dieser Stelle bestaͤndig mit Oehl in Beruͤhrung, womit die kleinen oben bei d angebrachten Oehlbehaͤlter gefuͤllt sind. Die Leitschienen sind wegen des unvermeidlichen Seitendrukes in der Mitte diker als an ihren Enden. Da die Maschine bestaͤndig im Gang war, so mußte der Verfasser auf die Hoffnung, einzelne interessante Details naͤher betrachten zu koͤnnen, verzichten, und sich darauf beschraͤnken, die gegebene Abbildung mit dem Maaßstabe aufzunehmen. Der Gang des Geblaͤses ist sanft und geraͤuschlos; das etwas ungleichfoͤrmige Spiel mag in einem Fehler am Wasserrade seinen Grund haben, es kann aber auch von der bei drei Kurbeln wohl noch zu unterscheidenden Veraͤnderlichkeit des Widerstandes herkommen. Ich beobachtete 17 einfache oder 8 1/2 doppelte Hube in der Minute, wonach sich das von allen Cylindern in einer Minute gelieferte Luftquantum zu 805,8 Kubikfuß, mit 2 Pfd. Pressung auf den Quadratzoll, berechnet. Neben dieser Maschine war seit kurzem noch ein einfaches Windfanggeblaͤse, fuͤr die Flammoͤfen bestimmt, aufgestellt. In einem runden Gehaͤuse dreht sich eine Welle mit einer Anzahl krummer Schaufeln von Eisenblech so, daß die Convexitaͤt der lezteren gegen die Luft gestoßen wird. In der Mitte da, wo die Welle durchgeht, ist eine weite Oeffnung, durch welche die ausgetriebene Luft sich ersezt. Die Achsenbewegung wird mittelst eines endlosen Riemens durch dasselbe Wasserrad, welches das Cylindergeblaͤse treibt, eingeleitet. Sollen beide Geblaͤse zugleich gehen, so laͤßt man mehr Aufschlagwasser auf das Rad. Die Fluͤgelwelle liegt nicht vollkommen im Mittelpunkt des Gehaͤuses, sondern so, daß von einem Punkte des leztern aus, die Fluͤgel sich immer mehr entfernen, und sich dann gegen die Ausgangsoͤffnung demselben naͤhern, wodurch die vermoͤge der Centrifugalkraft gegen den Umfang des Gehaͤuses getriebene Luft nothwendig eine gewisse Spannung erhalten muß. b) Beschreibung der Maschine zum Zerkleinern des Kalksteins. Besonders auffallender Art ist die Maschine, welche zum Zerkleinern des Kalksteines dient; sie befindet sich oben in der Naͤhe der Gicht. Ihrer Eigenthuͤmlichkeit wegen habe ich auch diese Vorrichtung aufgenommen und in Fig. 14 dargestellt. Der 2 Fuß hohe 8 Zoll breite und gegen 4 Cntr. schwere Hammer A sizt am Ende eines 16 Fuß langen ungleicharmigen Hebebalkens, dessen Umdrehungszapfen zwischen einem eisernen, auf eine solide Weise an den Boden festgeschraubten Gestelle sich bewegt. Die Laͤnge der Hebelarme A, B und B, C ist beziehlich 12 und 4 Fuß. Unter dem Hammer befindet sich eine starke eiserne mit quadratischen Oeffnungen gitterartig durchbrochene Platte a, b von 4 Fuß im Gevierte. An der von dem Hammer genossenen Stelle ist diese Platte unterstuͤzt und massiv ohne Oeffnungen. Auf diese Stelle legt ein Kind, waͤhrend der Hammer in die Hoͤhe geht, den Stein, welcher im folgenden Moment durch den niederfallenden Hammer in kleinere Stuͤke zerschlagen wird. Ein Theil der lezteren faͤllt durch die Loͤcher der Platte hindurch und sammelt sich unter derselben an; diejenigen Steine, welche noch zu groß sind, um durch das Gitter zu fallen, werden abermals unter den Hammer gelegt. Die Bewegung wird dem Hammer von dem 40 Fuß tiefer liegenden Wasserrade auf folgende Weise mitgetheilt. D, E, F ist ein starker 18 Fuß langer Balken, welcher, um die Achse F beweglich, mit seinem Ende D den Hebel B, C niederdruͤckt und das durch den Aufwerfhammer hebt. Er ist in seiner Mitte E mit der 40 Fuß langen Lenkstange verbunden, welche durch eine Bodenoͤffnung hindurch bis an das Wasserrad reicht, und durch einen Krummzapfen auf eine einfache Art in die hin- und herschiebende Bewegung gesezt wird, woraus die Oscillation des Balkens D, F hervorgeht. Es ist klar, daß der leztere beim Zuruͤkgehen nicht gegen das Ende c des Hammers anstoßen darf, was aber wirklich der Fall seyn muͤßte, wenn der Zapfen F in einem unbeweglichen Lager sich drehen wuͤrde. Allein eine einfache und recht sinnreiche Anordnung verhindert dieses Begegnen der Balken A, C und D, F beim Aufgang des lezteren. Es ist naͤmlich noch ein um den fixen Punkt G bewegliches Zwischengelenk F, G angebracht, welches, im Verein mit dem schiefen Zug der Lenkstange den Endpunkt D noͤthigt, waͤhrend seiner Bewegung eine eigenthuͤmliche ovale in der Zeichnung durch Punkte angedeutete Linie zu beschreiben. Auf dieser Bahn weicht der Punkt D bei seinem Steigen dem Endpunkt C des Hammers aus. Der Hammer macht 12 Schlaͤge in der Minute und 2 Knaben, welche abwechselnd Steine unterlegen, sind im Stande, auf diese Weise 300 Centner Steine in 8 Stunden zu zerklopfen. Gleich beim ersten Anblik faͤllt das gefaͤhrliche Geschaͤft der Kinder in die Augen, und die Maschine laͤßt daher schon in dieser Hinsicht manches zu wuͤnschen uͤbrig. In mechanischer Ruͤksicht bemerkt man, daß durch die Uebertragungsart der Bewegung ein bedeutender Kraftverlust Statt finden muß. Die Erschuͤtterung durch den Ruͤkstoß ist namentlich in den Punkten F und G sehr bedeutend und es laͤßt sich absehen, daß das Verbindungsstuͤk F, G ziemlich oft erneuert werden muß. Waͤre es bei der Anlegung dieser Vorrichtung nicht von besonderem Werthe gewesen, die Steine in der Naͤhe der Gicht zerkleinern zu lassen, so haͤtte sich derselbe Zwek durch ein einfaches, mit der Wasserradwelle in unmittelbarer Verbindung stehendes Quetschwerk mit gezahnten Walzen, wie solches z.B. in Wasseralfingen im Gang ist, ohne Zweifel weit besser erreichen lassen. Noch erwaͤhne ich eines Apparates, welcher im Inneren der Schmelzhuͤtte angebracht ist, um die schweren gegossenen Waaren auf eine bequeme und leichte Weise aus dem Sande zu heben, und nach dem Haupteingang zu schassen. Es ist dieß naͤmlich eine schwebende Eisenbahn, welche in einer Hoͤhe von 30 Fuß durch die ganze Laͤnge des Huͤttenraumes nach dem Thore fuͤhrt; sie wird mittelst haͤngender Eisenstangen von dem Dachwerk getragen. Eine zierlich gebaute eiserne, sich selbst tragende Wendeltreppe fuͤhrt zu dieser Eisenbahn hinauf, laͤngs deren Schienen eine kleine Galerie angebracht ist. Auf der Eisenbahn nun, deren Spurweite 12 Fuß betraͤgt, laͤuft ein eigenthuͤmlicher eiserner Wagen, welcher durch 4 Maͤnner mit Leichtigkeit vor- und ruͤkwaͤrts geschoben werden kann. Die Arbeiter verrichten diese Operation auf dem Wagen selbst stehend, mit Huͤlfe von Kurbeln; haben sie sich auf diese Weise senkrecht uͤber den aus dem Sande zu hebenden schweren Koͤrper hingearbeitet, so lassen sie vom Wagen aus vermittelst einer eigenen unten naher zu beschreibenden Vorrichtung einen Flaschenzug hinab, an welchen sofort von den unten befindlichen Arbeitern die Waare befestigt wird. Nun ziehen sie diese bis auf die erforderliche Hoͤhe empor, und schieben den Wagen auf der Eisenbahn gegen den Eingang vor, wo dann der Cylinder, oder was es fuͤr ein Gegenstand seyn mag, auf einen bereitstehenden Wagen herabgelassen wird. Die in Fig. 15 von Vornen und in Fig. 16 im Profil dargestellte Zeichnung, deren Dimensionen gleichfalls auf den beigefuͤgten Maaßstab zu reduciren sind, wird diesen Apparat anschaulicher machen. Die Bahnschienen sind an ihrer oberen Flaͤche halbrund gestaltet, nach dem Princip des Englaͤnders Wyatt, und die vier Raͤder a des Wagens sind daher an ihrer Peripherie rinnenartig vertieft. Der Mechanismus des Wagens zerfaͤllt in zwei Theile, naͤmlich in eine Vorrichtung zur Fortbewegung des Wagens und in eine solche zum Heben und Senken der schweren zu transportirenden Lasten. Die erstere ist sehr einfach und in Fig. 16 sichtbar. An der Achse des hinteren Raͤderpaares sizt auf der einen Seite ein Rad A, A von 5 Fuß Durchmesser, in welches das Getriebe B von 1 Fuß Durchmesser eingreift. Die verlaͤngerte Achse des lezteren ist in vier Kniee abgebogen, welche eben so viele Kurbeln bilden. An diesen Kurbeln stellt sich die Mannschaft, welche durch ein Gelaͤnder vor der Gefahr des Hinabfallens geschuͤzt ist, auf dem Wagen selbst auf, und bewegt mittelst des Eingriffes der Raͤder A und B den Wagen mit der angehaͤngten Last und sich selbst mit Leichtigkeit vor- oder ruͤkwaͤrts. Die andere Vorrichtung, naͤmlich der Hebe-Apparat, laͤßt sich am deutlichsten aus Fig. 15 beschreiben. Zum Emporwinden der schweren Lasten dient der 12 Fuß breite Flaschenzug F, F mit 7 in einer Linie neben einander befindlichen, 1 Fuß im Durchmesser haltenden Rollen b, b... b, b, welchen 6 andere mir dem Wagengestell verbundene fixe Rollen c, c.... c, c entsprechen. Ein Seil laͤuft, wie aus der Zeichnung ersichtlich ist, abwechselnd um eine untere und obere Rolle, und seine beiden Enden sind dergestalt mit einer Seiltrommel C, C, Fig. 16, verbunden, daß das Seil bei erfolgender Umdrehung der lezteren von beiden Enden an gleichzeitig umgleiche Stuͤke sich verkuͤrzt, woraus folgt, daß der Flaschenzug, waͤhrend er gehoben wird, bestaͤndig in horizontaler Lage bleiben muß. Die Seiltrommel, welche, wie Fig. 16 zeigt, aus zwei Haͤlften besteht, ist mit einem Sperrrad d, in welches ein Sperrhaken faͤllt, versehen, damit eine ruͤkgaͤngige Bewegung der einmal gehobenen Last unmoͤglich werde. Auf ihrer Achse sizt ein großes Rad R, R mit 120 Zaͤhnen, in welches zwei kleine Getriebe r von 12 Zaͤhnen greifen. Die Achse jedes dieser Getriebe enthaͤlt zwei Kurbeln. Dieselben 4 Maͤnner, welche den Wagen uͤber den zu translocirenden Gegenstand gerollt haben, stellen sich, nachdem der leztere an den Flaschenzug befestigt worden ist, an die 4 zulezt erwaͤhnten Kurbeln, und winden die Last bis zur erforderlichen Hoͤhe empor; sodann verlassen sie diese Kurbeln und bewegen den Wagen durch Umdrehung des Getriebes B nach dem Ort hin, wo die Last abgeladen werden soll. Nimmt man an, daß ein Mann an der Kurbel die Kraft von 22 Pfd. ausuͤbt, so folgt aus den Dimensionen der Maschinentheile, so wie aus dem Princip des Flaschenzugs, daß jene 4 Maͤnner mit der gegebenen Vorrichtung ein Gewicht von beilaͤufig 180 Cntr. zu heben vermoͤgen. B. Furnierschneidemaschine und Dampfsaͤgemuͤhle der HH. Boisserée in Koͤln. Steknadelfabrik der Madame Reinecker. Auf dem linken Rheinufer, eine Viertelstunde vor Koͤln faͤllt ein ansehnliches in elegantem Styl erst seit dem Fruͤhjahr 1836 aufgefuͤhrtes Gebaͤude in die Augen, welches seine ganze Fronte dem Rheine darbietet, und durch einen thurmhohen schlanken Schornstein schon von der Ferne auf ein industrielles, durch Dampfkraft betriebenes Etablissement rathen laͤßt. Dieß ist die Fabrik und zugleich das Wohnhaus der HH. Boisserée. Eine Dampfmaschine von 20 Pferdekraͤften, niederen Drukes mit Expansion, treibt eine Furnierschneidemaschine, drei gewoͤhnliche Saͤgemaschinen, jedes Gatter zu 10 Blaͤttern eingerichtet, und noch eine kleine Kreissaͤge zum Zerschneiden des von der Furniermaschine kommenden Abfalles zu Latten; dieselbe Dampfmaschine schleppt uͤberdieß die schweren Baumstaͤmme vom Rheinufer herbei. Die Einrichtung der Furnierschneidmaschine ist aͤußerst sinnreich. Weil jedoch der innere Mechanismus durch das Gestell groͤßten Theils verdekt ist, so war es mir unmoͤglich eine genuͤgend deutliche Anschauung der Details zu erhalten, und obgleich der Eigenthuͤmer der Fabrik mit zuvorkommender Liberalitaͤt mir die eigenthuͤmlichen Bewegungen und wundervollen Leistungen dieser Maschine erklaͤrte, so erlaubte die nicht unbedeutende Complication derselben doch nur eine allgemeinere uͤbersichtliche Anschauung. Die vertikale Kreissaͤge bildet eine Scheibe von 8 Fuß Durchmesser, auf deren Peripherie die gezahnten Segmente von Stahlblech festgeschraubt sind. Das Furnierholz, welches in feine Blaͤtter zersaͤgt werden soll, ist in senkrechter Lage auf einen Kloz angeleimt, und dieser leztere wird durch mehrere Schrauben auf dem Wagen, welcher sich der Saͤge entgegenbewegt, befestigt. Der Wagen selbst laͤuft mittelst Rollen auf einer Art Eisenbahn, und erhaͤlt seine langsame Bewegung mit Huͤlfe von Raͤderwerk und Schrauben von der Maschine selbst. In dem Augenblik, wo das duͤnne Furnier abgeschnitten ist, steht die Saͤge still, der Wagen geht von selbst zuruͤk, das Furnierholz ruͤkt um die Breite des Schnittes zur Seite, der Wagen ruͤkt wieder langsam vorwaͤrts, und die Saͤge greift von Neuem an, um ein zweites Blatt abzuschneiden. Diese manigfaltigen und scheinbar heterogenen Bewegungen werden durch keine Menschenhand geleitet, sie gehen alle aus dem inneren wohlberechneten Mechanismus der Maschine hervor, welche, ohne zu viel zu sagen, als ein Meisterwerk menschlichen Scharfsinnes angesehen werden darf. Ein Furnier von 5 Fuß Laͤnge und 1 Fuß Breite war innerhalb 3 Minuten durchsaͤgt. Dabei machte die Saͤge ungefaͤhr 120 Umdrehungen in der Minute, was fuͤr einen Punkt der Peripherie einer Geschwindigkeit von 50 Fuß in der Sekunde entspricht. Es wurde oben bemerkt, daß durch dieselbe Dampfmaschine auch noch drei gewoͤhnliche Saͤgegatter, jedes fuͤr 10 bis 12 Blaͤtter eingerichtet, in Thaͤtigkeit gesezt werden. Da nur selten der Fall eintritt, daß alle drei Gatter oder Rahmen zugleich in Bewegung sind, so hat die eiserne Kurbelwelle, welche senkrecht uͤber denselben sich befindet, zugleich eine Einrichtung, um jedes einzelne Gatter aus dem Geschirr ruͤken, d.h. seine Verbindung mit den anderen aufheben zu koͤnnen. Jeder Saͤgerahmen kann, wie gesagt, einen Holzstamm zu 12 Bretter auf ein Mal zersaͤgen; daher ist die Moͤglichkeit gegeben, mit allen drei Rahmen innerhalb einer Stunde 3 Baumstaͤmme in 36 Bretter zu verwandeln; in diesem Falle waͤre jedoch beinahe die ganze Kraft der Dampfmaschine in Anspruch genommen, indem der Arbeit von 12 Saͤgeblaͤttern 6 bis 7 Pferdekraͤfte entsprechen. Die Einrichtung der Saͤgerahmen ist durch Fig. 17 dargestellt; a, a, b, b sind die cylindrischen Leitungen, welche den Rahmen noͤthigen, sich senkrecht auf und nieder zu bewegen; die Saͤgeblaͤtter sind zwischen den beiden Seiten c, c und d, d des Rahmens aufgezogen und durch Schrauben gespannt; e, e, f, f sind duͤnne Schienen mit Schlizen, durch welche die Saͤgeblaͤtter gehen und in der erforderlichen, der Dike der Bretter entsprechenden Distanz gehalten werden; man kann sie herausnehmen und an ihre Stelle andere einschieben und befestigen, wenn eine groͤßere oder geringere Dike der zu saͤgenden Bretter verlangt wird. Der ganze Rahmen und die Saͤulen, zwischen denen er spielt, ist von Eisen und sehr gefaͤllig gebaut. Dieselbe Dampfmaschine treibt außerdem eine kleine Circularsaͤge von 3 Fuß Durchmesser, welche mit der entsezlichen Geschwindigkeit von 800 Umdrehungen in der Minute umlaͤuft. Hier wird der von der Furniermaschine kommende Abfall, d.h. derjenige Theil des Furnierbrettes, welcher keine fehlerfreien Furniere mehr geben kann, zu duͤnnen zu sonstigen Zweken verwendbaren Latten zerschnitten. Der Arbeiter druͤkt aus freier Hand das Stuͤk gegen die Saͤge, und in weniger als 15 Sekunden ist ein Brett von 6 bis 8 Fuß Laͤnge durchsaͤgt. Der Laͤrm, welchen diese Operation verursacht, ist so ohrenzerreißend, daß man, aus Schonung fuͤr das Trommelfell, wohl thut, die Ohren sich zu verstopfen. Wenige Schritte von dieser interessanten Fabrik steht eine im Ganzen recht gut eingerichtete Windsaͤgemuͤhle mit zwei Rahmen, jeder zu 4 Saͤgeblaͤttern. Eine Dampfsaͤgmuͤhle und eine Windsaͤgmuͤhle dicht nebeneinander! Noch nie habe ich den Contrast in den Wirkungen zweier nach demselben Ziel gerichteter Kraͤfte, naͤmlich des Dampfes, dieser sicheren und energischen Triebkraft und des Windes, dieses unsicheren launischen Elementes, so lebhaft empfunden, als gerade bei dieser Gelegenheit. Hier ein rascher und gleichfoͤrmiger, dort ein schwankender ungleichfoͤrmiger, bald beschleunigter, bald verzoͤgerter Gang. Die Steknadelfabrik. Wer sich unter den zahllosen Producten der Fabrikindustrie etwas naͤher umsteht, wird auf manche Fabricate stoßen, welche sowohl dem Preise, als auch dem Zweke und der Form nach beim ersten Anblik als so unbedeutend sich darstellen, daß man sich scheuen moͤchte, dieselben unter die Zahl der Nationalgewerbszweige einzureihen. Gleichwohl muͤssen auch sie, aus dem richtigen Gesichtspunkte betrachtet, als wichtige Glieder jener großen Kette angesehen werden, welche den Wohlstand der Voͤlker befestigt und zusammenhaͤlt. Unter die Fabricate dieser Art gehoͤrt die Steknadel, diese einfache, kleine, spizige Waare. So einfach die Steknadel aussieht, so interessant und merkwuͤrdig ist ihre Fabrication im Großen, indem wohl bei keiner anderen Fabrik der Vortheil und die glaͤnzenden Resultate einer zwekmaͤßig angeordneten Arbeitstheilung so auffallend hervortreten. Sollte man denken, daß dieses unbedeutende Ding, welches wir am Wege liegen sehen, ohne uns die geringe Muͤhe zu nehmen, es aufzuheben, das wir spruͤchwoͤrtlich in den Mund nehmen, wenn wir eine fuͤr uns moͤglichst werthlose Sache bezeichnen wollen, durch sechzig bis achtzig verschiedene Haͤnde gegangen ist, ehe es als Waare in den Handel kam? Die Steknadelfabrik der Madame Reineker in Koͤln gewaͤhrt dem Freunde der Industrie besonders dadurch ein hoͤheres Interesse, daß ein und dasselbe Fabrikgebaͤude alle Operationen, welche der rohe Draht bis zur fertigen Steknadel durchzumachen hat, vereinigt und somit einen bequemen und sicheren Ueberblik uͤber das Ganze gestattet. Allen Steknadelfabriken, welche ich gelegentlich spaͤter sah, mangelt diese dem Betrachter so erwuͤnschte Annehmlichkeit. In der Regel weist der Fabrikherr den verschiedenen Arbeitern ihre verschiedenen Arbeiten an, gibt ihnen das Material dazu, und sie gehen damit in ihre Huͤtten, verarbeiten den Draht, jeder der ihm angewiesenen Operation gemaͤß, und empfangen im Verhaͤltniß der gelieferten Quantitaͤt ihren Lohn. Eine solche Fabrik bildet zwar auch ein Ganzes, aber ein Ganzes, dessen einzelne Theile im Umkreis von oft mehreren Stunden zerstreut liegen; daher es dem, welcher zum ersten Mal eine solche Fabrik besucht, schwer, ja oft unmoͤglich wird, einen richtigen Ueberblik und klaren Begriff von der Reihenfolge und dem Ineinandergreifen der verschiedenen technischen Acte, von der Art und Weise, wie ein Arbeiter dem anderen in die Haͤnde arbeitet, zu erhalten. Im genannten Etablissement dagegen verfolgt man die progressive Umwandlung des Messingdrahtes in die zur Versendung fertige Steknadel vom Anfang bis zum Ende mit allen vorkommenden Nebenoperationen. Im ersten Arbeitssaale beobachtete ich das Geraderichten, Zerschneiden und Zuspizen des Messingdrahtes. Dieser ist, so wie er aus dem Drahtzuge kommt, ringfoͤrmig zusammengelegt, und muß daher, bevor er in die einzelnen Stuͤke, welche nachher die Steknadeln bilden sollen, zerschnitten werden kann, ganz gerade ausgestrekt werden. Der Draht liegt, um eine Scheibe gerollt, auf einem etwa 18 Fuß langen Tische; mit Huͤlfe einer Beißzange wird er zwischen zwei Reihen dicht nebeneinander in den Tisch eingeschlagener eiserner Stifte gewaltsam hindurchgezogen, wodurch er seine Kruͤmmung verliert. Die Stifte liegen nicht alle in einer geraden Linie, sondern die vordersten Paare bilden eine sanfte Kruͤmmung, wodurch die urspruͤngliche Biegung des Drahtes auf der Rolle in eine entgegengesezte verwandelt wird, ehe einen Moment darauf das eigentliche Geradestreken erfolgt. Die so vorbereiteten langen geraden Drahtstuͤke werden nun von demjenigen Arbeiter in Empfang genommen, welcher den ganzen Tag nichts weiter zu thun hat, als dieselben in lauter kleine Drahtstuͤkchen oder Schaͤfte von gleicher Laͤnge zu zerschneiden. Diese lezteren muͤssen indessen die doppelte Laͤnge der daraus zu bildenden Steknadeln haben. Wenn jedes Drahtstuͤk einzeln abgemessen und abgeschnitten werden sollte, so gaͤbe dieß eine entsezlich langwierige und zeitraubende Arbeit, welche eine ganze Legion Arbeiter in Anspruch nehmen wuͤrde; allein ein bewundernswuͤrdig einfacher Apparat, der Schaftmodel, sezt einen einzigen Arbeiter in Stand, die ganze Fabrik mit Nadelschaͤften zu versehen. Dieses Meßinstrument ist bekanntlich weiter nichts als ein vierekiges, mit einem Handgriff versehenes Stuͤk Holz, welches in gemessener Entfernung vom Rand eine ebene Ruͤkwand besizt und seitwaͤrts noch mit erhoͤhten Leisten versehen ist. Der Arbeiter nahm 80 bis 100 Drahte auf ein Mal in die Hand, stieß ihre Enden, um sie in einerlei Flaͤche zu bringen, gegen die erwaͤhnte Ruͤkwand des Models, und schnitt sie mittelst einer kolossalen, an einen Blok befestigten Scheere alle mit einem Ruk an der Kante des Models ab; so mußte er nothwendig lauter Nadelschaͤfte von gleicher Menge erhalten. Diese Operation wiederholte er in der Minute wenigstens zehn Mal und lieferte daher in dieser kurzen Zeit den Stoff zu 1600 bis 2000 Steknadeln. Die rohen Steknadelschaͤfte, welche dieser Arbeiter zubereitet, werden den Haͤnden von vierzehn Zuspizern uͤbergeben. Vier Pferde sezen achtundzwanzig in zwei Reihen vertheilte Spizringe in ungeheuer schnelle Umdrehung. Fig. 18 zeigt ihre Anordnung. A, A ist die durch das Goͤpelwerk in Umdrehung gesezte Seiltrommel, welche durch einen großen Theil des Saales reicht; a und b die zu beiden Seiten derselben angeordneten Spizringe, welche, ihre Bewegung mittelst gekreuzter Schnuͤre von der Trommel aus erhalten. Diese die Stelle der Schleifsteine vertretenden Spizringe sind staͤhlerne Scheiben von 5 bis 6 Zoll Durchmesser, deren Umfang, um eine rauhe Oberflaͤche darzubieten, feilenartig mit Querfurchen behauen ist. Jeder Arbeiter sizt vor zwei Spizringen, einem rauh und einem feiner behauenen; zwischen beide Daumen und beide Zeigefinger faßt er eine Partie von etwa 30 Steknadelschaͤften und druͤkt ihre Enden unter einem spizigen Winkel gegen die eine rauhere Scheibe, indem er mit vieler Geschiklichkeit jedes einzelne Nadelstuͤk zwischen den Fingern hin- und herrollt. Dann haͤlt er die roh zugespizten Schaͤfte gegen die zweite feiner behauene Scheibe, um der Spize den gehoͤrigen Grad der Feinheit und Politur zu geben. Nun kehrt er die Schaͤfte um und wiederholt mit den anderen Enden den eben beschriebenen Proceß. Ein Schleifer spizte nach meiner Beobachtung in sechzehn Sekunden eine Handvoll Schaͤfte oder etwa 25 Stuͤk zu beiden Seiten, d.h. er versah innerhalb sechzehn Sekunden 50 Steknadeln mit Spizen. Acht Sekunden verflossen, bis er mit einer neuen Handvoll bereit war. Demnach waͤre ein solcher Zuspizer im Stande, in einem Tage, bei einer Arbeitszeit von 8 Stunden, 60,000 Steknadeln mit ihren Spizen zu versehen. Dieß stimmt auch wirklich mit den Angaben anderer uͤberein. Es wunderte mich, bei den Spizringen keine Anordnung angebracht zu sehen, um die Arbeiter vor dem so schaͤdlichen Feilstaub zu schuͤzen. Daß es an Erfindungen, welche diesem Uebel vorbeugen sollen, nicht fehlt, war mir wohl bekannt; wahrscheinlich haben sie ihrem Zweke nicht entsprochen. Indessen ist zu bedauern, daß der menschliche Erfindungsgeist, welcher zu Gunsten des Kraftsparungssystems und der koͤrperlichen Bequemlichkeit der Arbeiter sich sonst so außerordentlich thaͤtig zeigt, bis jezt noch kein befriedigendes Mittel ersonnen hat, um jenes Gift abzuwehren, welches der am Spizringe Arbeitende mit jedem Athemzuge einschluken und damit sein Leben verkuͤrzen muß. Die Zuspizer uͤbergeben die doppelt zugespizten Nadeln einem anderen Arbeiter, dessen Geschaͤft darin besteht, durch Halbiren dieser Drahtstuͤke den eigentlichen Steknadelschaft, welchem nur noch der Kopf fehlt, zu bilden. Dieß geschieht wieder, wie oben, auf sehr schnelle Weise mit Huͤlfe des Schaftmodels. Aus dem zweiten Arbeitssaale toͤnte uns ein klapperndes Getoͤse entgegen. Hier erhaͤlt die Steknadel ihren Kopf, dieses wesentliche Glied ihres einfachen Koͤrpers. Wenn man eine Steknadel naͤher betrachtet, so bemerkt man, daß Schaft und Kopf nicht aus einem Stuͤke gearbeitet sind; auch wird ein feiner Riß, welcher rings um den Kopf in einer Schraubenlinie laͤuft, dem Auge nicht entgehen. Der Kopf muß daher vorher besonders zubereitet und dann erst an den Nadelschaft befestigt worden seyn; und so ist es auch. Die Zubereitung des ganzen Bedarfs an Steknadelkoͤpfen wird von wenigen Knaben mit unglaublicher Geschwindigkeit bewerkstelligt. Sie bedienen sich hiezu einer einfachen, Fig. 19 dargestellten Vorrichtung, deren Haupttheile eine kleine Rolle a und ein groͤßeres Rad A sind, um welche eine sich kreuzende Schnur geschlagen ist, so daß, wenn das Rad A von einem der Knaben mittelst der Kurbel umgedreht wird, auch die Rolle a sehr geschwind umlaͤuft. Der zweite Knabe stekt in die Umdrehungsachse der lezteren einen ziemlich diken Draht b, c, fuͤhrt einen feineren, auf die Rolle B aufgespuhlten Messingdraht durch das Oehr eines einfachen, mit einem Handgriff versehenen Werkzeuges d, d, und befestigt ihn an den staͤrkeren Draht b, c zunaͤchst der Rolle a. Mittelst des Instrumentes d, d weiß der Knabe den feineren Draht so geschikt zu leiten, daß der Draht b, c, welcher mit der Rolle a sehr rasch sich umdreht, von dem ersteren der Laͤnge nach uͤbersponnen wird, wobei eine Windung genau an die andere sich anlegt. Darauf streift derselbe Knabe mit geringer Muͤhe den uͤbersponnenen Draht von dem anderen herab und erhaͤlt dadurch eine duͤnne Drahtroͤhre von etwa 2 Fuß Laͤnge, welche er sofort dem dritten Knaben uͤbergibt. Dieser steht mit einer Schere in Bereitschaft und schneidet mit großer Gewandtheit die Drahtroͤhre in lauter kleine Stuͤkchen von gleicher Groͤße. Jedes dieser Stuͤkchen bildet ein Drahtgewinde von zwei Windungen und verwandelt sich durch die darauf folgende Operation in einen Steknadelkopf. In 12 Secunden war eine Roͤhre gebildet, welche Gewinde zu 300 Steknadeln enthielt. Rechnet man in Betracht des durch das Abschneiden und Wiederaufnehmen des zu uͤberspinnenden Drahtes und durch zufaͤllige Umstaͤnde verursachten Zeitverlustes 30 Secunden auf die Verfertigung der Roͤhre, so ist ein fleißiger Knabe im Stande, in einem Tage, bei achtstuͤndiger Arbeit, zu 288,000 Steknadelkoͤpfen den Stoff zu liefern, mithin wahrscheinlich die ganze Fabrik zu versehen. Die Kinder, welche aus den Roͤhren die Gewinde aus freier Hand schneiden, hatten eine solche Uebung, daß sie im Mittel 60 Schnitte in der Minute machten, wonach ein Kind in acht Stunden Arbeitszeit 28,800 Gewinde liefern kann. Das Geklapper, welches mir, wie gesagt, schon von Weitem in die Ohren drang, ruͤhrte von einem Heer kleiner Fallmaschinen her, mit deren Huͤlfe das Ankoͤpfen oder die Verbindung des Nadelschaftes mit dem Kopfe bewerkstelligt wird. Diese Operation besorgen ungefaͤhr 40 Knaben von 6 bis 10 Jahren. Jedes Kind sizt vor seiner Wippe, deren Haupttheile ein kleiner Ambos und ein darauf passender, mittelst eines Fußtrittes auf und nieder bewegbarer Stempel sind. Stempel und Ambos bestehen aus gehaͤrtetem Stahl. In dem Ambose befindet sich ein halbkugelfoͤrmiges Gruͤbchen von der Groͤße des zu bildenden Steknadelkopfes, welches in eine kleine Rinne ausgeht, und in dem Stempel ein correspondirendes Gruͤbchen, welche beide zusammen eine Form fuͤr den Nadelkopf abgeben. Neben sich hat das Kind zwei Behaͤltnisse, wovon das eine mit den Nadelschaͤften, das andere mit den kleinen Drahtgewinden gefuͤllt ist. Es faͤhrt mit dem stumpfen Ende der Nadel in einen Haufen von Koͤpfen, spießt einen derselben auf, fuͤhrt den Schaft in die Form auf dem kleinen Ambose, schiebt das Gewinde bis an das aͤußerste Ende der Nadel und laͤßt den schweren Stempel drei bis vier Mal darauf fallen, welches hinreicht, nicht nur den Kopf zu befestigen, sondern auch demselben die bekannte Kugelform zu geben. Die Gewandtheit und Geschiklichkeit, welche die zarten Geschoͤpfe bei dieser Manipulation beweisen, ist wahrhaft bewundernswuͤrdig; das Ergreifen des Nadelschaftes, das Fassen des winzigen Ringchens, das Zurechtlegen auf dem Ambos, die vier Schlaͤge mit der Wippe, alle diese partiellen Acte, in welche sich die Operation des Ankoͤpfens theilt, sind das Werk von fuͤnf Secunden, wonach ein Kind in einer Stunde 720 Steknadeln liefern kann. Der Grund, warum zu diesem Processe so kleine, zum Theil kaum sechsjaͤhrige Kinder genommen werden, liegt nicht sowohl in der Ersparniß durch den geringen Arbeitslohn, als besonders in der Natur des Geschaͤftes, welches zarte, gelenkige Haͤnde und ein feines Gefuͤhl in den Fingerspizen verlangt, wie man es nur bei Kindern suchen kann. Von hier trat ich in ein anderes geraͤumiges Zimmer, wo die Koͤpfe an die Schaͤfte nicht angeschlagen, sondern angegossen werden. Dieses seltener angewendete Verfahren ist zwar viel leichter und productiver als ersteres, soll aber ein minder dauerhaftes Fabricat liefern. Auch hier finden wieder 30 bis 40 Kinder Beschaͤftigung. Jedes Kind hat eine Form vor sich, welche zum Gießen von fuͤnfzig und mehr Koͤpfen auf ein Mal eingerichtet ist; sie ist in Fig. 20 im Durchschnitte dargestellt. Damit der Guß festhaͤlt, sind die Schaͤfte vorher an derjenigen Stelle, wo der Kopf hinkommen soll, durch eine der oben erwaͤhnten Wippe ganz aͤhnliche Vorrichtung rauh geschlagen worden. Das Kind nimmt nun eine Handvoll Nadelschaͤfte und bringt sie auf die eine Haͤlfte a, b der Form in Rinnen, welche dicht neben einander liegen und sich in halbkugelfoͤrmige Vertiefungen endigen; sodann dekt es die zweite correspondirende Formhaͤlfte a, c, welche bei a durch Charniere mit der ersteren verbunden ist, daruͤber, so daß nun das stumpfe, rauhgeschlagene Schaftende von einer kugelfoͤrmigen Hoͤhlung umgeben ist, welche nur noch durch die Masse ausgefuͤllt werden darf. Ueber alle diese kleinen Hoͤhlungen geht eine Rinne d, von deren Grund kleine Gießloͤcher in die einzelnen Gruͤbchen gebohrt sind. Wenn alle Formen zum Gusse bereit stehen, so fuͤllt ein erwachsener Arbeiter die Composition, uͤber deren Bereitung ich keine Auskunft erhielt, aus dem Schmelztiegel in einen Trichter mit feiner, durch eine Art Hahnen oder Ventil verschließbarer Muͤndung. Er haͤlt die Trichteroͤffnung uͤber die naͤchste beste Form, oͤffnet den Hahn und faͤhrt in einem Striche uͤber alle Gießloͤcher in der Rinne hinweg, wodurch sich alle Kopfhoͤhlungen fuͤllen. Dieß ist das Werk einer Secunde. So schnell wie moͤglich eilt der Mann nun zu einer zweiten, dritten, vierten Form und fuͤllt sie auf dieselbe Weise. Der Knabe aber schlaͤgt, so bald der Guß erkaltet ist, die Form auseinander, nimmt die nunmehr mit Koͤpfen versehenen, zum Theil noch aneinander haͤngenden Steknadeln heraus, trennt das uͤberfluͤssige Metall, und bereitet die Form zu einem zweiten Gusse vor. Von der ungemeinen Productivitaͤt dieser Methode kann man sich einen Begriff machen, wenn man bedenkt, daß der erwaͤhnte Arbeiter in Zeit von zwei Minuten an 2000 Steknadeln mit ihren Koͤpfen versehen hatte. Die Nadeln, welche nun durch gar viele Haͤnde schon gegangen sind, haben ein schmuziges schwarzes Aussehen, und werden daher vor dem Verzinnen durch Sieden in verduͤnnter Schwefelsaͤure gereinigt, wodurch sie den urspruͤnglichen messinggelben Glanz wieder erhalten. Vom Verzinnen selbst konnte ich nicht Augenzeuge seyn, weil die Operation mit einigen Hunderttausend Nadeln zugleich erst spaͤter vorgenommen werden sollte. Nun ging es in den lezten Arbeitssaal, worin ich gegen 50 Kinder von acht bis zwoͤlf Jahren, und zwar zum groͤßten Theil Maͤdchen, mit Aufsteken der Steknadeln auf Briefe in emsiger Thaͤtigkeit erblikte. Mit dieser Arbeit, welche mit großer Behendigkeit und Geschicklichkeit gehandhabt wird, schließt sich die Kette der verschiedenen technischen Acte, welche den rohen Draht in zwekmaͤßig angeordneten Uebergaͤngen allmaͤhlich in die zur Verpakung fertige Steknadel umwandeln. Jedes Kind hat vor sich eine Art Mulde, in welcher die Steknadeln verworren nach allen Richtungen durcheinander liegen. Wenn es nun jede Steknadel einzeln aussuchen und ans Papier steken wollte, so wuͤrde diese Operation vielleicht mehr Zeit und Arbeit kosten, als die Verfertigung der Steknadel vom Anfang bis zum Ende. Daher kommt es erstens darauf au, die Steknadeln so zu ordnen, daß eine gewisse Quantitaͤt auf einmal bei den Koͤpfen gepakt werden koͤnne, zweitens dieselben in groͤßeren Partien zu zehn oder zwoͤlf auf ein Mal auf das Papier zu stechen, und zwar in gleichen Distanzen. Zu dem Ende ist das muldenfoͤrmige Behaͤltniß, worin die Steknadeln liegen, um eine Achse drehbar, und der Boden desselben ist reihenweise mit mehreren schmalen Rizen durchbrochen. Indem das Kind die Mulde einige Male hin- und herschwingt, geraͤth ein Theil der Nadeln in die Rizen, kann jedoch nicht ganz durchfallen, sondern bleibt an den Koͤpfen haͤngen, die Spizen nach Unten gekehrt; nun pakt es mit dem Daumen und dem Zeigefinger eine Anzahl Nadeln und legt sie auf den eigentlichen Aufstekapparat, welcher eben so einfach als sinnreich ist. Er besteht aus einem horizontalen messingenen Lineal, so lang als die Breite des Briefs und so breit als zwei Drittel der Steknadellaͤnge, welches seiner Breite nach mit so vielen kleinen, gleichweit von einander abstehenden Rinnen versehen ist, als der Brief Steknadeln in einer Reihe enthalten soll. Vor diesem Lineal ist eine Vorrichtung, welche das Papier an der Stelle bricht und einklemmt, wo die Nadeln durchgestochen werden sollen. Das Kind nimmt also, wie oben bemerkt, eine Anzahl von etwa 30 Nadeln aus der Mulde und streicht sie uͤber das Messinglineal, wobei jede Nadel in eine Rinne so zu liegen kommt, daß alle Koͤpfe uͤber die eine Kante des Lineals hervorstehen. Auf diese Weise liegen durch einen Strich alle Steknadeln in Reih und Glied neben einander vor dem Papiere, und es bedarf nur eines leichten Drukes mit der Hand aus die Koͤpfe, um zehn bis zwoͤlf Steknadeln auf einmal auf den Brief zu stechen. Diese einzelnen Manipulationen gehen so rasch vor sich, daß im Durchschnitt jedes Kind in einer Minute einen Brief liefert. – In demselben Saale bemerkte ich außerdem noch mehrere Knaben, welche das ganze Quantum der producirten Steknadeln noch ein Mal belasen und die fehlerhaften Stuͤke aussonderten; andere waren ausschließlich damit beschaͤftigt, die krummen und verbogenen Nadeln auf einem kleinen Ambose wieder gerade zu klopfen. Mit der Steknadelfabrication vereinigt dieß Etablissement auch noch die Fabrication der Haͤftchen und Haarnadeln, aber in einem beschraͤnkteren Maaßstabe. Fig. 21 zeigt die Umwandlung des Drahtes in die Haͤftchen und Haͤkchen in der Reihenfolge der einzelnen Acte. Das Haͤftchen geht durch drei Haͤnde; ein Knabe zerschneidet mit Benuzung des Schaftmodels den Eisen- oder Messingdraht in Stuͤke a von gleicher Laͤnge; ein zweiter Knabe bildet mittelst eines einfachen Instrumentes A an beiden Enden des Drahtstuͤkes a ein kleines Oehr, wie b zeigt. Die wirksamen Theile des Instrumentes A sind zwei Stahlstifte i und h, welche, ungefaͤhr eine halbe Linie von einander entfernt, in einem Handgriffe steten; um nun das fragliche Oehr zu bilden, stekt der Knabe das eine Drahtende zwischen beide Stifte und laͤßt, waͤhrend er das andere Ende mit den Fingern festhaͤlt, den Stift h einen Kreis um den Dorn i beschreiben, wobei das durchgestekte Drahtende nothwendig um diesen herumgebogen werden muß. Der dritte Knabe endlich biegt das Stuͤk b nur noch um einen duͤnnen Cylinder, um das fertige Haͤftchen c zu erhalten. Das zugehoͤrige Haͤkchen durchlaͤuft auf aͤhnliche Weise vier Haͤnde. Das Abschneiden der etwas laͤngeren Schaͤfte a, und das Bilden der geoͤhrten Stuͤke b, hat die Verfertigung der Haͤkchen mit den Haͤftchen gemein; nun wird aber das Stuͤk b durch scharfes Umbiegen in der Mitte in das Stuͤk d verwandelt, und aus diesem geht durch abermaliges Biegen das fertige Haͤkchen e hervor. Die Fabrication der Haarnadel ist noch einfacher; die geraden Drahtstuͤke werden zuerst an beiden Enden auf dem Spizringe flach zugespizt, dann in der Mitte umgebogen; zulezt wird die Haarnadel noch dadurch geschwaͤrzt, daß man sie in Oehl taucht und auf einer heißen Platte abdampft. Ich habe dieses Etablissement in hohem Grade befriedigt verlassen. Man sollte kaum denken, daß die Fabrication einer Waare, deren geringer Einzelwerth zum Sprichwort geworden ist, das Interesse noch anzuregen im Stande sey. Allein gerade die hier vor Augen liegende Thatsache, daß auch der scheinbar geringfuͤgigste Artikel, in Masse erzeugt, zu großen Unternehmungen fuͤhren kann, verleiht der Steknadelfabrication im Großen einen eigenthuͤmlichen, ich moͤchte sagen, verfuͤhrerischen Reiz, der einen industrioͤsen Kopf leicht zu aͤhnlichen Unternehmungen hinreißen kann. Man sieht das Ganze beinahe ausschließlich durch Kinder betrieben, welche hier eine ihrem zarten Alter und ihren Kraͤften angemessene Beschaͤftigung finden und dabei einen geringen Arbeitslohn in Anspruch nehmen; man uͤberzeugt sich mit eigenen Augen von den unverkennbaren Vortheilen einer selbst bis auf die kleinsten Details ausgedehnten Arbeitsteilung; das Auge sieht sich vergebens nach großen complicirten Maschinen um, man erblikt nur hoͤchst einfache, aber unendlich viel leistende Apparate zur Unterstuͤzung der Handarbeit; der zu verarbeitende Stoff ist wohlfeil, der Absaz der Waare muß bedeutend seyn, denn in unzaͤhliger Menge geht die Steknadel aus den lezten Haͤnden hervor; kurz, es vereinigt sich hier Alles, was den technischen Nachahmungstrieb zu erweken im Stande ist. (Fortsezung folgt.)

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