Titel: Ueber das hydrostatische Bett oder die schwimmende Matratze, deren man sich in den englischen Spitälern bedient; von Dr. Neil Arnott.
Fundstelle: Band 138, Jahrgang 1855, Nr. LIX., S. 221
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LIX. Ueber das hydrostatische Bett oder die schwimmende Matratze, deren man sich in den englischen Spitälern bedient; von Dr. Neil Arnott. Aus den Comptes rendus, Sept. 1855, Nr. 10. Arnott, über das hydrostatische Bett. Man ist allgemein der Ansicht, daß das Leiden von Personen die lange sitzen oder liegen, welches sie zwingt ihre Stellung oder Lage oft zu verändern, hauptsächlich ein nervöses sey, und man glaubt, daß die häufig vorkommende Aufregung und Schlaflosigkeit bettlägeriger und schwacher Kranken gleicher Natur ist. Und doch ist ein großer Theil dieser Leiden lediglich die Folge einer mechanischen Verhinderung des Blutkreislaufs in den, zwischen der Körpermasse und dem sie unterstützenden Sitze oder Bette am meisten zusammengepreßten Fleischtheilen. Man wird sogleich sehen, daß dieses Uebel und der Tod, welcher dessen Folge seyn kann, durch zweckmäßige mechanische Vorrichtungen leicht zu vermeiden sind. Das als Druckpumpe wirkende Herz ist das Instrument, welches das Blut durch die Arterien nach allen Theilen hinsendet. Die Kraft einer Wasserpumpe wird durch die Höhe gemessen, auf welche sie das Wasser treibt, und Versuche haben gezeigt, daß das Herz in den Arterien einen Druck unterhält, welcher das Blut in einer offenen verticalen Röhre, die mit einer großen Arterie in Verbindung stünde, 10 Fuß hoch steigen machen würde. Mit dieser Kraft also fließt bei einem gesunden Menschen das Blut durch die Arterien und die unzähligen Gefäße der Organe, indem es dabei die innern Reibungen und den allenfallsigen äußern Druck auf die Körpertheile überwindet. Wird nun in Folge einer Krankheit die Triebkraft des Herzens vermindert, so kann sie zur Unterhaltung des Kreislaufs in den comprimirten Theilen unzulänglich werden, und wenn in diesem Fall der auf einen Theil der Hüllen ausgeübte Druck über eine gewisse Zeit fortdauert, so kann die Zerstörung dieses Theils die Folge seyn. Ein besonders lehrreicher und diese Ansicht bestätigender Fall veranlaßte mich zu dem ersten Versuch mit dem hydrostatischen Bett. Eine junge Frau hatte nach einem schweren Wochenbette ein von ganz außerordentlicher Muskelschwäche begleitetes Fieber. Sie konnte kaum den Finger bewegen; den Körper aber, um ihre Lage im Bett zu verändern, gar nicht; sie hatte nicht die Kraft vernehmlich zu reden, und die Thätigkeit des Herzens war so schwach, daß der Puls kaum fühlbar war. Mehrere Tage und Nächte hindurch blieb sie in diesem Zustand ohne Schlaf, dabei alle 10–15 Minuten verlangend, in ihrem Bett umgelegt zu werden. Als sie endlich eine halbe Stunde verbracht hatte, ohne dieses zu verlangen, hofften die Wärter daß es besser gehe; es waren aber im Gegentheil alle Theile der Haut, auf denen sie gelegen hatte, abgestorben, nämlich auf dem heiligen Bein, den Schultern und den Fersen, und bald darauf, nachdem sie auf die Seiten gelegt worden war, hatte sie sich auch auf den beiden Schenkeldrehern wundgelegen. Mehrere Aerzte hielten ihren nahen Tod für gewiß. Ich bemerkte bei dieser Gelegenheit: 1) daß die Ursache örtlicher Gangrän, die sich genau auf die Theile beschränkt welche den Druck erlitten, ohne Zweifel gerade in diesem Druck zu suchen sey; 2) daß wenn man die Kranke in einem Bad hätte schwimmen lassen, die Schorfe sich nicht erzeugt hätten; 3) daß es möglich sey ein Bett zu construiren, so trocken wie man ein Bett sich denken kann und so weich wie die Oberfläche des Wassers. Es wurde sogleich dazu geschritten. Man spannte über eine Wanne und das darin enthaltene Wasser ein großes Kautschuktuch aus, legte eine vierfach zusammengelegte Decke als Unterlagematratze und ein Kopfkissen darauf und auf dieses Bett die Kranke. Sie schwamm auf demselben ohne allen merklichen Druck auf die untere Oberfläche ihres Körpers. Sogleich rief sie aus: „ich befinde mich im Himmel, lasset mich in Ruhe,“ sie schlief ein und bewegte sich fast fünf Stunden nicht. Nach dem Erwachen nahm sie Nahrung zu sich; kurz sie war gerettet. Die sieben Massen abgestorbenen Fleisches lösten sich durch Eiterung ab und die wunden Stellen vernarbten. Dieses Verfahren hat sich bis jetzt, obwohl der eben erwähnte Fall nicht mehr vereinzelt steht, nur sehr langsam Bahn gebrochen,Dr. Arnott brachte das hydrostatische Bett schon im Jahr 1832 in Vorschlag; man sehe seine Abhandlung im polytechn. Journal Bd. XLVI S. 189.A. d. Red. wohl in Folge mangelhafter Kenntniß der oben erwähnten Veranlassung des Uebels. Ferner mochten viele Personen bisher geglaubt haben, daß ein Luftsack, dessen man sich als Bett bedient, oder ein, auf einen Strohsack gelegter Sack der mit Wasser gefüllt ist, dieselben Dienste leiste, wie das hydrostatische Bett. Aber eine auf einem Luft- oder Wassersack liegende Person wird in der That von einer gespannten und harten Leinwand getragen, denn der Sack wird um so härter, je größer das darauf ruhende Gewicht ist. Beim hydrostatischen Bett hingegen trägt das Kautschuktuch durchaus nichts bei um den schwimmenden Körper zu tragen, sondern dient nur um zu verhindern daß die Matratze (Unterlage) naß werde. Das Kautschuktuch wird am Rande der Bettwanne befestigt, damit es immer an seinem Platze bleibt; es bleibt aber, da es 2–3mal größer ist, als nothwendig wäre um die Wanne zu bedecken, über dem Wasser und unter der Matratze immer in Falten. Die Aehnlichkeit zwischen dem Wassersack und dem hydrostatischen Bett hat viele Personen getäuscht. Ein Sack mit Wasser, wie ein Luftsack angewandt, ist nur um weniges minder hart, als ein Luftsack. Bei dem einen, wie dem andern, wird der Zeug, wenn die Person sich darauf legt, gespannt. Indessen stellt ein Wassersack, zur Hälfte angefüllt und in einen Kasten oder sonst einen hohlen Raum gebracht, der seinem Rande engere Gränzen setzt, ein wirkliches hydrostatisches Bett dar. Das hydrostatische Bett gewährt, abgesehen davon daß es weicher ist als jedes andere Bett, noch folgende Vortheile: es erleichtert es sehr dem Kranken eine andere Lage zu geben, um z.B. eine Wunde auf dem Rücken zu verbinden; ferner ihm ein Gefäß unter den Leib zu bringen; auch kann man mittelst desselben sehr leicht die gewünschte Temperatur unterhalten; endlich läßt sich dem Kranken mittelst der Dicke der Matratzen-Theile oder der Kissen, eine beliebige Lage geben.