Titel: | Ueber einige neue Methoden zur Hervorbringung und Fixirung elektrischer Figuren; von W. R. Grove. |
Fundstelle: | Band 144, Jahrgang 1857, Nr. LXXXVI., S. 352 |
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LXXXVI.
Ueber einige neue Methoden zur Hervorbringung und
Fixirung elektrischer Figuren; von W.
R. Grove.
Aus dem Philosophical Magazine, Januar 1857, durch
Poggendorff's Annalen der Physik, 1857, Nr. 2.
Grove, über einige neue Methoden zur Hervorbringung und Fixirung
elektrischer Figuren.
Eine Classe von Figuren, erzeugt auf polirten Flächen von Glas, Metall oder Glimmer
durch ElektrisirungEkektrisirung einer darauf gelegten Münze oder Medaille, ist von Karsten
bekannt gemacht. In seiner Abhandlung erwähnt er der früheren Resultate von Moser und Rieß, welcher
letztere den durch elektrische Entladungen hervorgebrachten Figuren den Namen
Thaufiguren beigelegt hat, da sie, wie die Karsten'schen,
durchs Anhauchen sichtbar werden. Karsten sagt, daß es
ihm nur unvollkommen gelungen sey diese Figuren durch Jod- oder
Quecksilberdämpfe zu fixiren, und daß, wenn er zwischen den Gegenstand und die
aufnehmende Platte eine isolirende Substanz eingeschaltet hatte, keine Figuren
gebildet wurden.
Diese Classe von Versuchen waren von vielem Interesse, da sie zeigten, daß die
elektrischen Erscheinungen von Molecular-Veränderungen begleitet sind. Da ich
seit vielen Jahren glaube, daß die Elektricität nichts als eine Veränderung oder
Bewegung in der Materie ist, eine Kraft und keine Flüssigkeit, so habe ich neuerlich
einige Versuche gemacht, um zu ermitteln, ob ähnliche Effecte stattfinden in Fällen,
wo das elektrische Licht nur auf isolirten Flächen sichtbar ist, da viele Versuche
schon gezeigt haben, daß von Metallen oder anderen leitenden Körpern, wenn
elektrische Funken aus ihnen hervorspringen, Theilchen fortgeschleudert werden.
Hr. Du Moncel hat gezeigt, daß wenn zwei Glasplatten, die
respective auf ihren Außenseiten mit Metall belegt sind, getrennt gehalten und
darauf elektrisirt werden, zwischen denselben ein glänzendes elektrisches Licht
gesehen wird. Ich vermuthete, man würde die Molecular-Veränderung, die hiebei
meiner Meinung nach zwischen den gegenüberstehenden Glasflächen stattfindet,
sichtbar machen können, und die folgenden Versuche, die aus vielen andern ausgewählt
sind, werden, glaube ich, dieß in der That beweisen.
1. Zwei Scheiben Fensterglas, 3 und 3 1/2 Zoll in Seite, wurden in Salpetersäure
getaucht, dann gewaschen und durch ein reines seidenes Taschentuch abgetrocknet, bis
sie beim Behauchen gleichförmig anliefen. Darauf brachte ich zwischen diese Platten
ein bloß auf der einen Seite bedrucktes Papier, legte an die Außenseite jeder Platte
ein etwas kleineres Stück Zinnfolie, und verband diese Belege mit den Polen des Ruhmkorff'schen Inductionsapparats. Nach einer
Elektrisirung von wenigen Minuten wurden die Belege abgehoben, und als ich darauf
die innere Glasfläche anhauchte, zeigte sie die Druckschrift, die ihr gegenüber
gelegen hatte, in großer Schönheit, wie eingeätzt oder wie Reif aussehend; selbst
die Fasern des Papiers kamen durch den Athem zum Vorschein, doch nichts jenseits des
Randes der Zinnfolie.
2. Ich verfiel nun darauf, daß diese Abbildungen sich wohl mittelst Flußsäure dürften
bleibend machen lassen. Es wurde daher ein ähnlicher Versuch gemacht und die nackte
Platte nach der Elektrisirung auf eine Bleischale gelegt, die ein Gemisch von
gepulvertem Flußspath und Schwefelsäure enthielt und gelinde erwärmt wurde. Die
Buchstaben kamen zwar etwas unvollkommen zum Vorschein, wohl aber sehr schön einige
Runzeln im Papier.
3. Ich schnitt nun aus weißem Briefpapier das Wort Volta
aus und legte es zwischen die Glasplatten, elektrisirte diese wie zuvor und setzte
nun eine derselben, ohne die Papierbuchstaben, mit ihrer Innenseite den Dämpfen der
Flußsäure aus. Die zuvor unsichtbaren Züge traten nun vollständig hervor, ein
bleibendes und vollkommen genaues Abbild des Wortes Volta darstellend, so vollkommen, wie wenn es in den gewöhnlichen
Aetzgrund eingegraben worden wäre. Es konnte ohne Veränderung gewaschen und beliebig
gerieben werden, und dieß läßt erwarten, daß man in der Folge auf diese Weise sehr
schöne Effecte wird hervorbringen, z.B. Silhouetten und
selbst feine Kupferstiche auf Glas u.s.w. übertragen können.
4. Ich elektrisirte nun wieder eine Platte wie zuvor, überzog dann die das
unsichtbare Bild tragende Seite mit jodirtem Collodium und tauchte sie in ein Bad
von salpetersaurem Silberoxyd (40 Gran auf eine Unze) in einem durch eine Kerze
erhellten Zimmer auf die zu Photographien üblichen Weise. Dann wurde es einige
Secunden lang gegen ein Fenster gehalten, wieder in das dunkle Zimmer gebracht und
mit einer Lösung von Pyrogallussäure übergossen. Das Wort Volta und die Ränder des Glases jenseits der Gränzen der Zinnfolie wurden
geschwärzt und kamen vollkommen deutlich zum Vorschein, während die übrigen Theile
des Glases durch die Elektrisirung gleichsam vor der Wirkung des Lichts geschützt
blieben. Eine starke Lösung von unterschwefligsaurem Natron fixirte die Bilder
bleibend.
5. Bei einem ähnlichen Versuche wie der letzte wurde die Collodiumschicht nach der
Fixirung des Bildes abgeschwemmt; diese enthielt das Bild, wie es bei einer
gewöhnlichen Photographie der Fall ist; und die Glasplatten zeigten, nachdem sie mit
destillirtem Wasser gewaschen und getrocknet worden, kein Bild beim Anhauchen.
6. Ein elektrisches Bild des Wortes Volta wurde mit einem
Taschentuch wohl abgerieben, dann mit Wasser und Alkohol gewaschen, und darauf
getrocknet. Dennoch kam das Bild beim Anhauchen zum Vorschein. Einige der beim
Collodium-Proceß angewandten Reagentien hatten wahrscheinlich den Effect gehabt, das Bild im
Versuch 5 zu entfernen, allein ich habe noch nicht ermittelt, durch welches es
geschah.
7. Buchstaben aus Zinnfolie geschnitten, gaben dieselben Wirkungen wie die aus
Papier, doch, wie mir schien, schwächere.
8. Eine Lösung von salpetersaurem Silberoxyd wurde auf eine elektrisirte Platte
gegossen, so daß sie ein Bad auf derselben bildete. Dann machte ich aus zehn
gewöhnlichen Stecknadeln eine Harke und berührte mit den Spitzen das Glas längs den
Umrissen des unsichtbaren Bildes; das Silber wurde natürlich in arborescirender Form
niedergeschlagen. Ich hielt es für wahrscheinlich, daß die Ablagerungslinien den
Umrissen des unsichtbaren Bildes folgen würden, konnte aber nichts Gewisses davon
wahrnehmen, obwohl mir ein Versuch schwache Anzeigen davon zu geben schien.
Die obigen Versuche wurden mehrmals wiederholt, mit der positiven und der negativen
Elektricität des Apparates. Zuerst glaubte ich, bei Anwendung von Flußsäure, einen
merkwürdigen Unterschied je nach der Richtung der Entladung gefunden zu haben. Bei
zwei Versuchen, bei denen die Zinnfolie der oberen Glasplatte mit dem positiven Pol
verbunden war, erschien das Bild des Wortes an der Unterseite der oberen Platte,
nachdem sie dem Dampf ausgesetzt worden, polirt, während das Uebrige der Platte
bereift war. Bei zwei folgenden Versuchen, bei denen die obere Zinnfolie mit dem
negativen Pol verbunden war, fand das Umgekehrte statt. Bei späteren Versuchen
zeigten sich jedoch in dieser Relation große Unregelmäßigkeiten, und der Erfolg
schien mir abzuhängen von der Zeit der Aussetzung und von geringen Unterschieden in
dem Abstande des Glases von den Buchstaben, die nicht vollkommen gleichförmig mit
den Glasflächen in Berührung gebracht worden waren.
Nach einem Paar ersten Versuchen legte ich einen marmornen Briefbeschwerer auf die
obere Platte und fand nun die Wirkungen gleichförmiger und vollkommener.
Eine fünf bis zehn Minuten lange Elektrisirung gab die schärfsten und deutlichsten
Wirkungen; dauerte die Elektrisirung länger, so erschien allmählich ein schmutziger
oder zweiter Rand, der sich rund um die Umrisse der Buchstaben ausdehnte, und fast
das Ansehen darbot, wie wenn die Papierbuchstaben feucht gewesen wären, und die
Flüssigkeit sich über deren Ränder hinaus etwas auf dem Glase ausgebreitet
hätte.
Bei so langer Elektrisirung wurden die Bilder, ohne das Glas zu behauchen, sichtbar,
wenn man dasselbe gegen das Licht neigte, und sie machten sehr den Eindruck, als
habe das Glas eine oberflächliche Auflockerung oder Zersetzung erlitten; allein ich
konnte unter dem Mikroskop oder durch polarisirtes Licht keinen Unterschied in
seiner Structur entdecken, hoffe jedoch, daß es mir bei weiterer Untersuchung noch
gelingen werde.
Ich halte es für gut zu bemerken, daß Gegenversuche gemacht wurden, bei denen die
Buchstaben zwischen den Platten ohne Elektrisirung liegen blieben; es fand keine
Wirkung statt, allein nach der Analogie mit den Moser'schen Erscheinungen ist es wahrscheinlich, daß bei sehr langer Dauer der
Berührung eine Wirkung erfolgen würde.