Titel: Ueber das Bleichen des Papiers; von L. de Koninck, Professor der technischen Chemie zu Lüttich.
Fundstelle: Band 144, Jahrgang 1857, Nr. LXXXIX., S. 359
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LXXXIX. Ueber das Bleichen des Papiers; von L. de Koninck, Professor der technischen Chemie zu Lüttich. Aus der Lütticher Revue universelle, Jahrgang 1857, 1ste Lief. S. 131. de Koninck, über das Bleichen des Papiers. Alle Papierfabrikanten sind darüber einig, daß das Bleichen der Papiermasse eine Arbeit ist, welche mit großer Sorgfalt und unter genauer Aufsicht ausgeführt werden muß. Während bei unzureichender Anwendung von Chlor die gewünschte Weiße des Papiers nicht erzielt wird, kann dagegen ein Ueberschuß von diesem Bleichmittel die Festigkeit des Fabricats wesentlich beeinträchtigen. Das Chlor, welches bekanntlich eine große Verwandtschaft zum Wasserstoff hat, kann sich nämlich mit einem Theil des in der organischen Substanz (Papierfaser) enthaltenen Wasserstoffs vereinigen, sich demselben substituiren und eine Verbindung bilden, welche das Waschen und die weiteren Arbeiten, nicht immer wieder modificiren können.In dieser Hinsicht bemerkt Hr. Dr. L. Müller in seinem schätzbaren Werke über die Papierfabrication (Berlin 1855, Verlag von I. Springer) Folgendes: „Das Chlor wirkt zerstörend auf alle organischen Gebilde, indem es ihnen Wasserstoff entzieht und sich damit zu Chlorwasserstoffsäure verbindet; hiermit ist nun zwar das Hauptresultat, nicht aber der Verlauf des Processes der Wechselwirkung von Chlor und organischer Substanz bezeichnet. Dieser besteht nämlich darin, daß das Chlor sich zunächst mit organischer Substanz verbindet und aus dieser Verbindung erst im Laufe der Zeit als Chlorwasserstoffsäure wieder hervortritt. In jenem gebundenen Zustande nun wird das Chlor von kohlensauren Alkalien und chemisch ähnlich wirkenden Körpern nicht aufgenommen, und man mag Papierstoff, welcher Chlor in diesem Zustande enthält, noch so lange mit jenen Substanzen waschen, so wird man dadurch nicht vermeiden, daß nach einiger Zeit dennoch das Chlor als Chlorwasserstoffsäure zum Vorschein kommt und seine zerstörende Wirkung auf das nun fertige Papier ausübt. – Man kann sich leicht von der Wahrheit des hier Gesagten überzeugen, wenn man ein Papier, zu dessen Darstellung viel in der Gasbleiche gebleichter Halbzeug verwendet worden, mit destillirtem Wasser oder einer Auflösung von kohlensaurem Natron behandelt, es wird keine Spur von Chlor, die durch eine Auflösung von salpetersaurem Silberoxyd leicht zu erkennen wäre, an dieselben abtreten, wogegen sich der Chlorgehalt in der Asche sehr deutlich wird nachweisen lassen, wenn das Papier nach dem Eintauchen in eine verdünnte Lösung von reinem kohlensaurem Natron getrocknet und dann verbrannt wird. Auch wenn man das Papier mit einem dünnen Stärkekleister überstreicht, dem man etwas Jodkalium zugesetzt hat, so wird eine violette oder blaue Färbung des Kleisters ebenfalls den Chlorgehalt des Papieres beweisen.“ A. d. Red. Man begreift daher, daß das Vorhandenseyn einer so wirksamen Substanz, wie das Chlor, im Papier, selbst wenn es nur in einer geringen Menge darin vorkommt, mit der Zeit Reactionen veranlassen muß, welche dieselbe verändern (zersetzen) können. Diese, durch eine lange Erfahrung bestätigten Resultate, gaben die Veranlassung zu einer wichtigen Reform des Papierbleichens. Man bleicht jetzt nur noch den Zeug für die geringeren Papiersorten mit Chlorgas oder Chlorwasser. Die Bleiche des feineren Papierzeuges wird durch flüssigen Chlorkalk (unterchlorigsauren Kalk) vollendet. Dieses Verfahren, dessen Einführung man großentheils Hrn. Tennant in Glasgow verdankt, ist viel rationeller und gestattet eine genaue Regulirung des beabsichtigten Grades der Entfärbung. Bei Anwendung dieses Verfahrens hat man die chemische Reaction nicht zu fürchten, welche das ungebundene Chlor veranlassen kann und eben so wenig die daraus entstehenden, oft sehr nachtheiligen Folgen. Da der Chlorkalk nur durch die in ihm enthaltene unterchlorige Säure auf die Farbstoffe wirkt, so gibt er keine Veranlassung zu solchen Substitutionen, wie die oben erwähnten. Beide Elemente dieser Säure verbinden sich gleichzeitig mit dem Wasserstoff des Farbstoffs und bilden mit demselben Wasser und Chlorwasserstoffsäure. Diese Umwandlung erfolgt aber nur langsam, und wird nur durch Absorption der Kohlensäure aus der Luft bewerkstelligt, welche nach und nach eine entsprechende Menge von unterchloriger Säure ersetzt. Hiervon ausgehend, hat der berühmte französische Gewerbtreibende Hr. Didot den Vorschlag gemacht, den natürlichen Kohlensäurestrom durch einen künstlichen Strom von diesem Gase zu ersetzen; nach einem großen Maaßstabe ausgeführte und drei Monate lang fortgesetzte Versuche haben ihm die besten Resultate ergeben. So erforderten Lumpen von gleicher Qualität, die zum Theil nach der alten und zum Theil nach der von Didot erfundenen Methode gebleicht wurden, bei ersterer 5 bis 10 Mal mehr Zeit zur Erreichung desselben Grades der Entfärbung, als bei Anwendung der zweiten Methode. Zu diesem Zweck suchte Hr. Didot die Kohlensäure zu benutzen, welche aus dem in der Fabrik verbrauchten Brennmaterial entwickelt wird. Er hat zu dem Ende einen sehr sinnreichen Apparat erfunden (beschrieben im polytechn. Journal Bd. CXXXIX S. 390), mittelst dessen er die mit Kohlensäure beladene Luft in der Esse auffängt, sie von den begleitenden fremdartigen Stoffen befreit, und sie durch Wasser leitet, in welchem Chlorkalk aufgelöst enthalten ist.Ein solcher Apparat mag noch so vollkommen eingerichtet seyn, so zweifle ich doch sehr, daß man damit den Zweck vollkommen erreicht, und daß durch dieses Mittel Hr. Didot dahin gelangt, die letzten Spuren der theerartigen oder andern Substanzen, welche von dem Luftzuge der Esse mit fortgerissen worden sind, zu verdichten oder zurückzuhalten. Es scheint mir aber, daß es einfacher seyn würde, die Kohlensäure durch Einwirkung von Salzsäure auf Kreide oder Kalkstein zu erzeugen. Diese Gesteine kommen so allgemein vor und sind so wohlfeil, daß ihre Verwendung die Kosten des Papiers durchaus nicht erhöhen kann. Man würde auf diese Weise den Vortheil haben, ganz reine Kohlensäure zu erhalten und deren Strom nach dem Bedürfniß reguliren zu können, indem man mehr oder weniger atmosphärische Luft mit ihr vermengt. Statt der Kohlensäure kann man auch eine andere, stärkere, jedoch mit vielem Wasser verdünnte Säure anwenden. Essigsäure oder Schwefelsäure, auch Salzsäure, dürften am zweckmäßigsten seyn, aber ihre Benutzung erfordert mehr Sorgfalt, als die der Kohlensäure, weil letztere die Pflanzenfaser nicht angreift. Außerdem gewährt die Kohlensäure hauptsächlich den Vortheil, in ihrer Reaction in einem gegebenen Augenblick aufgehalten werden zu können, was bei den anderen Säuren nicht der Fall ist. Die rationelle Anwendung des Chlorkalks zum Bleichen des Papiers war eine wesentliche Verbesserung dieses Industriezweiges, welcher dadurch einen bedeutenden Fortschritt gemacht hat. Derselbe würde aber vielleicht noch größer gewesen seyn, wenn die Benutzung des schwefligsauren Natrons mit Zusatz von kohlensaurem Natron (Antichlor) sich allgemeiner verbreitet hätte, und wenn die Waschtrommeln überall eingeführt worden wären. Eine letzte Schwierigkeit, welche bei Anwendung des Chlorkalks noch zu beseitigen blieb, bestand in der Beschaffenheit der Materialien, die zur Anfertigung der Bütte oder der Trommel dienen, welche das Chlorkalkbad aufnehmen. Man hat sie gewöhnlich aus Holz gemacht und die Wände im Innern mit Bleiblech überzogen, deren Löthung jedoch sehr bald angegriffen wird und häufige Reparaturen erfordert. Die HHrn. Lhoest und Lemmens zu Maestricht haben diese Schwierigkeit glücklich überwunden. Sie construirten einen großen Trog von starken Thonschieferplatten (von Waleser oder anderm gutem Dachschiefer), der von Säuren unangreifbar ist; der Boden und die beiden langen Seitenwände dieses Troges bestehen jedes aus einem einzigen Stück, während die beiden Enden aus der Vereinigung einer gewissen Anzahl von Platten bestehen, die nach Art der Dauben zugerichtet und verbunden sind. Das Ganze wird durch eiserne Reifen zusammengehalten. Dieser Trog läßt nichts zu wünschen übrig. Der einzige, dagegen zu machende Einwand besteht in dem hohen Preise im Verhältniß zu einem hölzernen Troge; wenn man aber berücksichtigt, wie leicht letzterer angegriffen und untauglich wird, was daher seine Unterhaltung kostet, welchen Zeitverlust seine häufigen Reparaturen veranlassen, so ist der Vortheil jedenfalls auf Seite des steinernen Troges.