Titel: | Ueber die Analyse und die chemische Constitution des Roheisens und des Stahls; von H. Caron. |
Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. XXXIII., S. 122 |
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XXXIII.
Ueber die Analyse und die chemische Constitution
des Roheisens und des Stahls; von H.
Caron.
Aus den Comptes rendus, December 1860, Nr.
24.
Caron, über die Analyse und die chemische Constitution des
Roheisens und des Stahls.
Die Bestimmung der Kohle und des Siliciums im Roheisen und Stahl ist keine leichte
Operation, und Verfahrungsarten zur unmittelbaren Analyse dieser complicirten
Producte sind noch unbekannt; ihre wahre Natur dürfte sich jedoch nur durch
Vergleichung der Resultate einer großen Anzahl von Analysen erklären lassen. Ich
beabsichtige im Folgenden einige Methoden mitzutheilen, deren ich mich gegenwärtig
bediene, und will hernach einige noch dunkel gebliebene Punkte aufzuklären
suchen.
Mittelst eines von Deville entdeckten Verfahrens, welches
schon seit langer Zeit im Laboratorium der École
normale angewandt wird, aber meines Wissens noch nicht veröffentlicht
wurde, läßt sich die Kohle leicht aus dem Roheisen abscheiden. Leitet man nämlich
gehörig gereinigte gasförmige Chlorwasserstoffsäure über Roheisen, welches in einem
Platinnachen in einem zum Rothglühen erhitzten Porzellanrohr enthalten ist, so wird
die Kohle von allen sie begleitenden Substanzen, welche sich von ihr als flüchtige
Chloride absondern, isolirt; man muß aber die Chlorwasserstoffsäure vor ihrer
Anwendung durch ein rothglühendes Porzellanrohr leiten, welches Löschkohlen oder
leichte Kohlen enthält, denn wenn man diese Vorsichtsmaßregel vernachlässigt, so
erhält man stets ein Gemenge von Kohle und Kieselerde. Dieß führte mich auf
folgendes Verfahren zur quantitativen Bestimmung des Siliciums auf trockenem
Wege.
Das Silicium bleibt als Kieselerde im Platinnachen zurück, wenn man beim
vorhergehenden Verfahren die Chlorwasserstoffsäure durch ein Gemisch von
Chlorwasserstoffsäure und atmosphärischer Luft ersetzt. Letztere zieht nach ihrem
Austritt aus einem kleinen Gasometer gleichzeitig mit der gasförmigen
Chlorwasserstoffsäure in eine kleine Waschflasche welche eine gesättigte Auflösung
dieser Säure enthält und gelangt dann in das erwähnte Porzellanrohr. Es entwickeln
sich Eisenchlorid und Kohlensäure, während Kieselerde zurückbleibt. Wenn das Roheisen Titan,
Aluminium oder Calcium enthält, so bleiben die Oxyde oder Chloride dieser Metalle
mit der Kieselerde zurück, von welcher man sie leicht trennen kann. Die Theorie
dieser Operation ist so einfach, daß ich sie nicht zu erklären brauche. Mittelst
dieser Methode konnte ich den Siliciumgehalt des Roheisens, des Stahls und
Stabeisens auf sichere Weise bestimmen; ich fand ihn höher als man gewöhnlich
annimmt und werde meine Resultate in einer Abhandlung zusammenstellen, welche ich
nächstens der Akademie einreiche.
Was den Stickstoff betrifft, so ist er im Roheisen und im Stahl in zweierlei
Zuständen enthalten, welche bisher der Beobachtung entgangen zu seyn scheinen, weil
Fremy in seiner neuesten Abhandlung (polytechn.
Journal Bd. CLVIII S. 209) derselben nicht
erwähnt. Dieß veranlaßt mich zu folgenden Bemerkungen über einige von Fremy's Resultaten.
Bekanntlich hat nach den Versuchen von Wöhler und Deville der Stickstoff eine ganz besondere Verwandtschaft
zum Silicium und zum Titan. Viele Roheisensorten enthalten das in den Hohöfen
vorkommende Kohlenstickstofftitan; ich bin überzeugt, daß auch das Silicium,
allerdings nur zu einem sehr kleinen Theil, sich darin als Stickstoffsilicium
befindet. Dieß müßte die unmittelbare Analyse nachweisen, welche aber gerade in
dieser Hinsicht auf die größten Schwierigkeiten stoßt; das Stickstofftitan und
Stickstoffsilicium widerstehen nämlich den chemischen Agentien hartnäckig, aber in
dem sehr zertheilten Zustande in welchem sie von den kräftigen Reagentien
zurückgelassen werden, womit man das Roheisen anzugreifen genöthigt ist, lassen sie
sich leider auch etwas leichter angreifen. Ich mußte daher ein indirectes Verfahren
einschlagen, wenn sie nicht mit bloßem Auge oder unter dem Mikroskop sichtbar sind,
wie manchmal das Stickstofftitan. Die Schwierigkeiten werden noch durch den Umstand
vergrößert, daß das Roheisen nach dem Auflösen auch ein wenig Siliciumoxyd
hinterläßt. (Man darf ferner nicht vergessen, daß der Wasserstoffgeruch beim
Auflösen des Roheisens nach Wöhler's Beobachtung fast
ausschließlich von Siliciumwasserstoff herrührt.)
Uebrigens ist das Vorkommen des Stickstoffs im Roheisen nicht so constant wie Fremy anzunehmen scheint; denn R. F. Marchand folgerte aus seinen (im J. 1850 angestellten)
Versuchen, daß man sich über das Vorkommen des Stickstoffs im Roheisen und Stahl
nicht mit Sicherheit aussprechen könne.
Was die braune, in Aetzkali lösliche kohlige Substanz betrifft, wovon Fremy spricht, so kannte Berzelius dieselbe vollkommen; er vergleicht sie (in seinem Lehrbuch der
Chemie) mit der Ulminsäure, deren sämmtliche Eigenschaften er ihr mit einigem Grund zuschreibt; er
hatte darin also keinen Stickstoff gefunden, ebensowenig als in dem flüchtigen
stinkenden Oel, das er als einen Kohlenwasserstoff betrachtet, welcher dieselbe
Zusammensetzung wie das Steinöl zu haben scheint. Wenn diese braune Substanz mit dem
Natron Ammoniak entwickelt, was nicht immer geschieht, so fragt es sich, ob dieser
Stickstoff nicht von Titan herrührt, und hauptsächlich von Silicium, welches man
darin constant antrifft.
Ich glaube auch nicht, daß man die Wirkung des Schwefels, des Phosphors und des
Arseniks, welche allen Metallen womit sie sich verbinden, die Eigenschaft ertheilen
spröde zu werden, in gleiche Kategorie bringen kann mit der Wirkung der Kohle auf
die Gruppe der dem Eisen analogen Metalle. Nach meiner Ansicht muß man annehmen, daß
das durch die Kohle hart gewordene Roheisen sich wesentlich von den Metallen
unterscheidet, welche durch die Metalloide (die sie alle ohne Unterschied verändern)
spröde gemacht sind.
Wenn das Roheisen und der Stahl Stickstoff enthalten, so fragt es sich also, mit
welchem ihrer zahlreichen Bestandtheile derselbe verbunden ist. Dieß ist die Frage,
welche ich mir gestellt habe und zu deren Lösung ich von folgenden Betrachtungen
ausging: Das Eisen und die Kohle verbinden sich im reinen Zustande bei keiner
Temperatur direct mit dem Stickstoff; dagegen verbinden sich das Silicium und das
Titan (dieses brennt im Stickstoff) direct und sehr leicht mit dem Stickstoff;
sollte also die geringe Menge von Stickstoff (Marchand
fand den Stickstoffgehalt des Roheisens und des Stahls niemals größer als 0,02
Proc., meistens erheblich niedriger) nicht mit dem Silicium oder mit dem Titan
verbunden seyn? Ich nehme daher vorläufig an, daß man dem Stickstoffsilicium oder
dem Kohlenstickstofftitan (welches in großer Menge in einigen Roheisensorten
enthalten ist)In der Sammlung der École des Mines zu
Paris befinden sich Roheisenproben, welche von so viel Kohlenstickstofftitan
durchdrungen sind, daß man letzteres leicht mit dem Auge erkennen kann. das Vorkommen des Stickstoffs im kohligen Rückstand des Roheisens
zuschreiben muß, wenn derselbe solchen enthält.
Bei meiner bisherigen Besprechung des Roheisens und des Stahls habe ich von dem bloß
cementirten Eisen ganz abgesehen. Diese eigenthümliche Stahlart könnte allerdings,
wie Berzelius vermuthet hat, Paracyan enthalten. Nachdem
sie geschmolzen worden ist, gehört sie in die Kategorie des Stahls, wovon ich
gesprochen habe.