Titel: Ueber Brodbacken mit Steinkohlenheizung.
Fundstelle: Band 159, Jahrgang 1861, Nr. LXXXVII., S. 312
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LXXXVII. Ueber Brodbacken mit Steinkohlenheizung. Aus den Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins, 1860 S. 304. Ueber Brodbacken mit Steinkohlenheizung. Die Direction des Gewerbevereins für das Königreich Hannover hat in ihrer Sitzung am 27. November v. J. dem Bäckermeister J. H. Essen in Osnabrück wegen der Erfindung und des Betriebes eines seit Jahren praktisch bewährten Backofens mit Steinkohlenheizung als Auszeichnung die silberne Vereinsmedaille verliehen. Wir möchten dieser Mittheilung hier noch einige allgemeinere Bemerkungen über das Backen bei Steinkohlenfeuer nachfügen, welche zugleich die Bedeutung der Essen'schen Erfindung mehr hervorheben werden, inzwischen, wie wir ausdrücklich bemerken, nichts Neues bringen, sondern nur Bekanntes wieder in das Gedächtniß zurückrufen sollen. Die Benutzung oder Benutzbarkeit der Steinkohlen zur Heizung der Backöfen ist in der That ein Gegenstand, welchem eine erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung nicht abzusprechen ist. Wir wollen nur das Beispiel der Residenzstadt Hannover anführen, um solches näher vor Augen zu legen. Die Bäcker der Residenz gebrauchen zu ihrem Gewerbebetriebe ein Holzquantum von jährlich über 5000 Klafter. Könnten sie nun statt Holz Kohlen gebrauchen, so würde das ohne Zweifel dem Publicum in doppelter Weise zu Gute kommen. Einmal würden die bekanntlich stets steigenden Holzpreise abnehmen, oder wenigstens in der Preissteigerung ein Stillstand eintreten. Wenn ein Consum von 5000 Klafter Holz jährlich, bei einer Einwohnerzahl von etwa 63000, vom Markte verschwindet, so schafft das schon etwas. Sodann aber würden die Bäcker ihr Brod billiger herstellen. Die Steinkohlenheizung ist nämlich um mindestens die Hälfte wohlfeiler als die Heizung mit Holz. Die Bäcker der Residenz – um bei dem Beispiel zu bleiben – würden an den Heizungskosten (5000 Klafter, incl. Kleinmachens und Hereinbringens à 10 Rthlr. gerechnet, insgesammt 50,000 Rthlr.) jährlich an 25,000 Rthlr. sparen, und das müßte doch schließlich durch Ermäßigung der Brodpreise auch dem Publicum zu Statten kommen. – Als Nebenvortheil des Backens mit Steinkohlenheizung ist noch zu erwähnen, daß die Berührung des Gebäcks mit dem Heizungsmaterial vermieden wird. Beim Heizen mit Holz legt man dieses bekanntlich in das Innere des Backofens, welcher nach erfolgter Verbrennung und Erhitzung von den Kohlen wieder gereinigt wird. Die Reinigung ist aber bei aller Sorgsamkeit nicht immer vollständig. Man findet in mancher Brodkruste eine kleine Kohle, bemerkt auch daran oft Spuren von Asche etc. Die Steinkohlenheizung muß außerhalb des Ofens vor sich gehen, weßhalb dann das Innere des Ofens hier leichter rein gehalten werden kann, als bei der Heizung mit Holz. Die vorangedeuteten Vortheile des Backens mit Steinkohlen sind zu einleuchtend, als daß sie nicht schon lange das Streben hätten wach machen sollen, Backöfen mit Steinkohlenheizung herzustellen, in welchen eben so gutes Brod gebacken werden kann, wie in den alt hergebrachten Backöfen mit Holzheizung. Gleiche Güte des Brodes ist natürlich eine unerläßliche Anforderung; dem Publicum ist mit schlechtem, wenn auch billigerem Brode wenig gedient. Daß man aber in Backöfen mit Steinkohlenheizung gutes, sogar vortreffliches Brod aller Art herstellen kann, das beweisen die Engländer. Das englische Brod, namentlich das feine Weißbrod, ist berühmt, und doch backen die englischen Bäcker nur mit Steinkohlenheizung. Erreichen also kann man das Ziel, wenn man es nur recht anfängt. Die Versuche, um dahin zu gelangen, begannen in Hannover schon im Jahr 1816 und sind seitdem zu verschiedenen Zeiten wieder aufgenommen, immer aber noch nicht mit dem gewünschten Erfolge. Die Militär-Bäckerei in der Residenzstadt backt zwar schon lange und mit dem besten Erfolge in Oefen, welche mit Steinkohlen geheizt werden. Indessen bei Privatbacköfen, in welchen vorzugsweise auch feines Brod hergestellt werden muß, wollte das Heizen mit Steinkohlen seither noch nicht in ausgedehntem Umfange Eingang finden. Es mag seyn, daß das Altgewohnte noch zu mächtig war, daß man nicht Ausdauer genug hatte, um alle etwaigen Mängel mit offenem Auge zu beachten und mit rascher Energie zu beseitigen. Genug, die Sache wollte nicht recht vorangehen, und man klagte immer noch über Dieses und Jenes, insonderheit aber darüber, daß den Backöfen bei der Steinkohlenheizung eine gleichmäßige Hitze nicht gegeben werden könne. Diesen, sey es eingebildeten oder wirklich begründeten Klagen gegenüber steht nun die Essen'sche Erfindung als eine sehr wichtige Sache da. Wir beziehen uns, was die Construction des Essen'schen Ofens nebst Zubehör anbelangt, auf die nähere Beschreibung desselben im polytechnischen Journal Bd. CLVII S. 336, und erwähnen hier nur, daß die Mängel, welche man sonst bei dem Backen mit Steinkohlenheizung bemerkt oder zu bemerken geglaubt hat, bei dem Backen im Essen'schen Ofen nicht hervorgetreten sind. Das Essen'sche Backwerk ist nach dem Urtheile des Osnabrücker Publicums tadellos, und es ist Thatsache, daß Essen den Preis seines Backwerks gegen die sonst üblichen Preise anderer Bäcker ermäßigt und diese dadurch zur Nachfolge veranlaßt hat. Da nun außerdem der Essen'sche Ofen es zuläßt, daß während des Heizens gebacken werden kann – was bei anderen Backöfen natürlich nicht der Fall ist, – und da hierdurch in 16 Arbeitsstunden etwa 4 bis 5 Stunden gewonnen werden, so ist es klar, daß die Essen'sche Erfindung als eine bedeutende Erscheinung auf dem gewerblichen Gebiete angesehen werden muß.