Titel: Erwärmung der Personenwagen auf den Eisenbahnen.
Fundstelle: Band 165, Jahrgang 1862, Nr. XXVII., S. 102
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XXVII. Erwärmung der Personenwagen auf den Eisenbahnen. Aus der Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen, 1862 S. 61. Ueber Erwärmung der Personenwagen auf den Eisenbahnen. Die Erwärmung der Personenwagen auf den Eisenbahnzügen während der kalten Jahreszeit geschah seither entweder durch kleine eingestellte Oefen oder vermittelst eingeschobener Wärmflaschen. Erst seit dem vorigen Jahre ist in Frankreich die unten näher beschriebene Erwärmung mit dem abströmenden Dampfe der Maschinen eingeführt. Diese Art der Erwärmung hat sich bereits als praktisch ausführbar und als ebenso leicht wie billig zu beschaffen erwiesen und wird deßhalb höchst wahrscheinlich die anderen, vielfache Unzuträglichkeiten mit sich führenden Heizungsmethoden mit der Zeit verdrängen. Die Erwärmung der Personenwagen durch eingestellte Oefen ist zuerst in Amerika ausgeführt und dort, wie auch auf mehreren französischen und den württembergischen Bahnen, noch fortwährend gebräuchlich. Sie bedingt das Vorhandenseyn durchgehender, d.h. nicht durch Wände in Coupées geschiedener Wagen und soll die Mißstände mit sich führen, daß einmal bei dicht schließenden Fenstern und Thüren die Gluth des Ofens die Luft im Wagen verdirbt und drückend macht, während die Luftschicht am Boden nur sehr wenig erwärmt wird und dann, daß die in unmittelbarer Nähe der Oefen sitzenden Personen durch die Wärmestrahlung, welche selbst durch umgesetzte Mäntel und Schirme nicht ganz zu beseitigen ist, sehr belästigt werden. Für Salon-Coupées, in denen die Passagiere nicht so eng zusammengesetzt werden, wie in gewöhnlichen Personenwagen und welche allgemein mit größerer Sorgfalt bedient werden, finden ebenberegte Mißstände in einem geringeren Grade statt. Die zweite Methode, die Erwärmung durch eingestellte Wärmflaschen, muß als eine, ihren Zweck nur sehr wenig erfüllende und sehr kostspielige Maßnahme bezeichnet werden. Weniger wohl die kaum auf wirkliche Erfolge gestützte Annahme, daß durch Einstellung von Wärmflaschen in die ersten Wagenclassen die Benutzung jener höheren Fahrclassen befördert werde, als die Kosten der Anschaffung, Füllung und Einschiebung jener Flaschen, sowie die Schwierigkeit des Wechselns einer größeren Anzahl derselben während der kurzen Aufenthaltszeiten auf den Stationen, hat die Einstellung solcher Wärmapparate auf die Coupées der ersten Wagenclassen beschränkt. Hierdurch wird der größte Theil des reisenden Publicums, und zwar gerade der, dessen beschränktere Mittel die Anschaffung wärmerer Reisekleider nicht gestatten, von der großen Wohlthat des Aufenthaltes in erwärmten Räumen während längerer Bahnfahrten ausgeschlossen. Aber auch die Reisenden, welche die mit Wärmflaschen versehenen Wagenclassen benutzen, haben nur einen verhältnißmäßig geringen Vortheil von jener Einrichtung. Im Anfange der Fahrt oder nach stattgehabtem Wechsel der Wärmflaschen entwickeln diese eine für längeres Aufstellen der Füße unerträgliche hohe Wärme. Dieser Zustand dauert jedoch wegen der raschen Abkühlung des Füllmaterials (Wasser oder Sand) nicht lange und tritt nun die Zeitperiode der angenehmen Wärmeentwicklung ein, ihr folgt jedoch leider bald die völlige Erkaltung der Flasche und somit deren völlige Unwirksamkeit. Die Dauer der verschiedenen Uebergänge von „über warm“ zu „angenehm warm“ und endlich „zu kalt“, hängt von der herrschenden Lufttemperatur und der schnelleren, den Fußboden des Wagens erkältenden Fahrt der Züge ab. Nach diesen beiden Verhältnissen müßte wo möglich die Entfernung der Wechselstation der Wärmapparate von einander bestimmt werden. Unter allen Umständen ist als äußerste Grenze der Wirksamkeit der Wärmapparate in ihrer jetzigen Construction u.s.w. eine Fahrt von 8 Meilen anzusehen. Nach dieser Darlegung der Mängel der jetzigen Erwärmungsmethoden soll die oben erwähnte französische Heizungsart näher beschrieben werden. Wie bei den Condensationsmaschinen, bei denen der verbrauchte Dampf das Wasser des Tenders erwärmt, wird ein Theil des abströmenden Dampfes nicht durch den Schornstein in die Luft, sondern durch ein vom Exhaustor abzweigendes, durch den Zug geführtes und am Ende des letzten Wagens ausmündendes Rohr abgeführt. Dieses Rohr ist zur Erhöhung des Wärmeeffectes in mehrfachen Schlangenwindungen unter den Sitzen der Personenwagen befestigt und läuft bei Coupée-Eintheilung von Sitz zu Sitz unter dem Fußboden des Wagens her. Wegen der nicht starren Kuppelung der Wagen untereinander wird die Verbindung der Wärmerohre von Wagen zu Wagen durch Kautschuk-Schläuche hergestellt. Leicht zugängliche Hähne zum Ablassen des condensirten Wassers sind passend angebracht. Mit dem Beginne der Fahrt tritt durch das Ausströmen des Dampfes durch die Rohre die Erwärmung der Wagen ein. Versuche, welche auf der Lyon-Pariser Bahn im verflossenen sehr kalten Winter angestellt wurden, ergaben in den ersten Wagen des Zuges eine überall gleichmäßige, dauernd auf + 13° R. sich haltende Temperatur, während die letzten Wagen noch so erwärmt waren, daß die darin befindlichen Passagiere auf langen Tages- und Nachtfahrten keine der Unannehmlichkeiten verspürten, denen sie sonst bei Wintertouren ausgesetzt sind. Die gänzliche Kostenlosigkeit der Wärmeerzeugung, die besondere Leichtigkeit der Herstellung oder Ausschaltung der Verbindungen der Wärmrohre beim Zu- und Abgange von Wagen, und endlich die Möglichkeit, allen Reisenden die ebenso große, wie durch die Humanität gebotene Wohlthat der Erwärmung der Wagen zukommen zu lassen, sind die nicht gering anzuschlagenden Hauptvortheile dieser Heizungsmethode, und dürfte es sich um so mehr wohl empfehlen, die Kosten zur Anstellung eines deßfallsigen Versuches aufzuwenden, als die Einführung dieser Dampfheizung auf englischen Bahnen ihre praktische Wirksamkeit beweist.