Titel: Ueber die Metallurgie des Platins und der Metalle welche es begleiten; von H. Sainte-Claire Deville und H. Debray.
Fundstelle: Band 165, Jahrgang 1862, Nr. LIV., S. 199
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LIV. Ueber die Metallurgie des Platins und der Metalle welche es begleiten; von H. Sainte-Claire Deville und H. Debray. Auszug der Abhandlung in den Annales de Chimie et de Physique, t. LXI p. 5–146; aus dem polytechnischen Centralblatt, 1861 S. 1263. Deville und Debray, über die Metallurgie des Platins. Die Verf. haben, nachdem ihnen durch die russische Regierung eine größere Quantität von Platinerz, Platinmünzen und rohem Iridium zugestellt worden war, ihre Untersuchungen über die Platinmetalle (über welche im polytechn. Journal Bd. CLIV S. 130, 199, 287 und 383 berichtet wurde) wieder aufgenommen und sowohl die Dokimastik der verarbeiteten Materialien und der platinhaltigen Schlacken, Abbrände etc., als auch die metallurgischen Processe zur Gewinnung reinen Platins und technisch verwendbarer Platinlegirungen in Bezug auf Erlangung eines untadelhaften Products und auf Ersparung an Zeit und Geld sehr vervollkommnet. Sie beschreiben in ihrer Abhandlung eine Methode zur leichten und schnellen Bearbeitung einer unbegrenzten Menge Erz auf trockenem Wege, entweder durch Aufschließung mit Bleiglanz, Kupellation des erhaltenen platinhaltigen Bleies und darauf folgendes Feinen und Schmelzen im Knallgasgebläse, oder durch directes Schmelzen des Erzes im Gebläse; ferner ein Verfahren zur Reinigung auf trockenem Wege und zur Schmelzung des Iridiums; eine Methode, basirt auf die Vereinigung des trockenen und nassen Weges, um schneller und mit geringeren Kosten als nach der jetzt angewendeten Methode das Platin rein darzustellen; alsdann Methoden, um beliebige Quantitäten von reinem oder legirtem Platin schmelzen und gießen zu können. Behandlung des russischen Platinerzes nach einer neuen Methode. – Dieses Erz hat folgende Zusammensetzung: Platin 76,40 Iridium 4,30 Rhodium 0,30 Palladium 1,40 Gold 0,40 Kupfer 4,10 Eisen 11,70 Osmium-Iridium 0,50 Sand 1,40 ––––– 100,50 Nachdem dieses Mineral zerkleinert worden ist, schmilzt man es zunächst mit 1 Theil Bleiglanz und 1/2 Th. Blei bis zur vollständigen Zersetzung, führt hierauf Luft zu, bis aller Schwefel oxydirt und als schweflige Säure entfernt ist, und das Blei eben anfängt sich mit dem Sauerstoff zu verbinden. Setzt man jetzt etwas Braunstein und Glas zu, so erhält man eine leichtflüssige, Eisen, Kupfer, Mangan und Blei haltende Schlacke und eine von Eisen und Kupfer ziemlich freie Legirung des Bleies mit den nutzbaren Metallen des Erzes. Die letztere wird von der ersteren getrennt, in haselnußgroße Stücke zerschlagen und der Kupellation unterworfen. Bei dieser Operation entweicht das Blei bis auf 5 bis 7 Proc., das Platin bleibt im porösen Zustand zurück, und oft scheidet sich auf der Oberfläche desselben ein schwarzes krystallinisches Pulver ab, welches die ganze Menge oder den größten Theil des Rhodiums und Iridiums in Form von RhO und IrO², PbO enthält.Da dieses Pulver leicht durch Bürsten und Waschen abgetrennt werden kann, so schlagen Deville und Debray vor, auf diese Weise das reine Platin mittelst des trockenen Wegs darzustellen. Das so erhaltene Metall wird nun im Kalkofen mit Hülfe des Sauerstoffgebläses auf die schon früher beschriebene Weise gefeint und geschmolzen. Bei kleinen Mengen von Mineral (50 bis 100 Grm.) schmolzen die Verf. das Erz mit Bleiglanz in kleinen Tiegeln bei Goldschmelzhitze, oxydirten dann, indem sie mit einem Blasebalg Luft einbliesen, zerschlugen nach dem Erkalten den Tiegel und kupellirten in Knochenaschekapellen (von 5 Centim. Durchmesser), welche in einem gewöhnlichen Muffelofen erhitzt wurden. Bei größeren Quantitäten (bis zu 10 Kilogr.) benutzten sie zu dem Schmelzen und Rösten ebenfalls einen Tiegel, schöpften aber, um den Tiegel zu schonen, die Schlacken in dem Maaße als dieselben sich bildeten, mit einem Löffel aus; nach dem Verschwinden der schwefligen Säure unterbrachen sie die Operation rasch, damit das Bleioxyd nicht auf die Tiegelwände wirkte, und gossen das Metall aus. Die Kupellation geschah in einer Kapelle, welche einem Treibherde nachgebildet und folgendermaßen eingerichtet war. Ein schüsselförmiges Gefäß von Eisenblech war mit Knochenasche angefüllt und in die letztere eine Vertiefung ausgehöhlt, so daß der Apparat nun eine große Knochenerdekapelle von 12 bis 15 Centim. Weite darstellte. Die ganze Kapelle wurde mit. einem kleinen Gewölbe bedeckt; in diesen geschlossenen Raum trat auf der einen Seite durch ein Gebläse, welches drei Ausströmungsöffnungen besaß und unter einem Winkel von 45° gegen die Herdsohle geneigt war, ein Gemisch von Luft und Leuchtgas und zugleich durch zwei Röhren die zur Oxydation nöthige Luft ein, während auf der entgegengesetzten Seite eine Oeffnung für den Austritt der Feuerungsgase und den Abfluß der Bleiglätte vorhanden war. Das Platinhaltige Blei wurde nach und nach, in dem Maaße als das Bleioxyd abfloß, eingetragen, das rückständige Metall, wenn es anfing schwer schmelzbar zu werden, in Formen gegossen und die Kapelle mit frischem Material beschickt. Statt dieser Kapelle bedienten sich die Verf. mit gutem Erfolg auch eines Apparats, der aus einem mit Kohksstückchen gefüllten Tiegel bestand, dessen Boden durchlöchert und dessen obere Oeffnung von einer Knochenaschekapelle bedeckt wurde; diese letztere ragte ein wenig in eine horizontal liegende Muffel hinein. Der ganze Apparat, Tiegel, Kapelle und Muffel, wurde erhitzt, das platinhaltige Blei in die Kapelle eingetragen und mittelst eines Blasebalgs auf das geschmolzene Metall Luft geblasen. Das Bleioxyd sickerte durch die Kapelle, wurde im Tiegel von der Kohle reducirt und floß als Blei durch die Bodenöffnung. Das rückständige platinreiche Blei schöpfte man aus. Da das auf diesen beiden Wegen erhaltene Platinblei noch zu reich an Blei war (es enthielt davon 22 bis 28 Proc.), um schon mit Vortheil im Kalkofen geschmolzen zu werden, so röstete man es noch vorher in Muffeln auf Knochenerde- oder Kalkkapellen, oder in einem Tiegel, dessen Boden und Deckel durchbohrt waren; bei dem stattfindenden Luftwechsel oxydirte sich das Blei, und das Bleioxyd verdampfte und floß zum Theil durch die nur lose mit einem Stück gebrannten Knochens verstopfte Bodenöffnung aus. Das hierauf folgende Schmelzen des Platins im Kalkofen geschah auf die schon früher beschriebene Art und Weise. Die Verf. geben hierauf noch einen Apparat und eine Methode an, um aus den verschiedenen Abfällen (den Abbränden, Abstrichen, Kehricht, Kapellenböden, Oefen u.s.f.) das Platin und die anderen kostbaren Metalle zu gewinnen. Bei der Ausführung der beschriebenen Methoden im größten Maaßstabe läßt sich zwar die Aufschließung auch noch in Tiegeln vornehmen, aber es wird dann doch vortheilhafter seyn, einen Flammofen, dessen Sohle mit Knochenasche ausgestampft ist, anzuwenden. Hat die Sohle 40 Centimeter im Quadrat und eine mittlere Tiefe von 4 Centimetern, so genügt dieselbe zur Ausschließung von 30 Kilogr. Erz, und da eine jede solche Operation 4 bis 5 Stunden Zeit erfordert, so kann man mit einem solchen Ofen 60 Kilogr. Erz täglich verarbeiten. Das ausgeschöpfte Platinblei wird in einem zweiten Flammofen, in dem eine große, in einen Eisenrahmen eingespannte Kapelle aus Knochenasche eingesetzt ist, kupellirt, bis es anfängt, schwer schmelzbar zu werden. Die nun folgende Röstung geschieht wiederum am besten in einem kleinen, mit Holz gefeuerten Flammofen, dessen Sohle aus Knochenasche oder Kalk besteht. Die Schmelzung und das Feinen geschieht wie früher; es ist vortheilhaft, das letztere nicht auf einmal zu bewirken, weil die Oefen zu sehr angegriffen werden, sondern dasselbe auf wenigstens zwei Schmelzungen zu vertheilen. 1 Kilogr. des erhaltenen bleihaltigen Platins braucht dabei 133 Liter Sauerstoff, bei Anwendung eines schon geheizten Ofens jedoch nur 100 Liter. Die Verluste an Platin sind nach den Erfahrungen der Verf. verschwindend klein; sie berechnen nur 166 Gramme Verlust auf 80 Kilogr. verarbeitetes Erz. Verarbeitung des Platinerzes durch directe Schmelzung. – Man schmelzt in einem Kalkofen das Erz mit 2 bis 5 Proc. Kalk, indem man zeitweilig die Flamme etwas reducirend wirken läßt, damit das Osmium sich leichter verflüchtigt. Die austretenden Flammen läßt man in ein horizontales, mit einer gut ziehenden Esse verbundenes Rohr eintreten, damit man nicht von den Osmiumdämpfen belästigt wird und zugleich die fortgerissenen werthvollen Metalle, wie Platin, Palladium, Gold und Silber, wieder gewinnen kann. Man gießt in seichte Formen, um leicht zu zerkleinernde Platten zu erhalten, oder granulirt die Metallmasse und schmelzt sie in einem anderen Ofen ein zweites- und auch ein drittesmal um, bis die Flammen keinen Osmiumgeruch und keine (von Kupfer herrührende) Färbung mehr zeigen und die Ofenwände nicht mehr angegriffen werden. Die Oefen, in denen die letzten Schmelzungen geschehen, halten sehr lange aus, während die zuerst benutzten ungemein rasch zerstört werden (die Aufbewahrung der eben nicht in Gebrauch befindlichen Oefen geschieht zwischen Kalkstückchen). Zu der ersten Schmelzung brauchten die Verf. durchschnittlich 200 Liter Sauerstoff pro Kilogr. Erz; hierbei ist die Anwendung eines kalten Ofens vorausgesetzt; bei einem schon angeheizten würde eine ansehnliche Verminderung eintreten. Für die zweite Schmelzung rechnen sie einen Bedarf von 180 bis höchstens 200 Litern und für die dritte einen von 100 Litern pro Kilogr. (die Verf. fanden, daß der größeren Geschwindigkeiten der austretenden Gase der geringere Verbrauch an denselben entsprach). Der Gesammtbedarf an Sauerstoff beträgt daher pro Kilogr. Erz von 80 Proc. Platingehalt 400 bis 500 Liter. Die Verf. empfehlen diese directe Methode sehr warm wegen der großen Einfachheit und der leichten und schnellen Ausführung derselben. Verarbeitung des Erzes auf gemischtem Wege. – Die Verf. beschreiben zunächst die bisher in der russischen Münze angewandte Methode zur Darstellung des Platins und dann eine neue, von ihnen geprüfte Combination des nassen und trockenen Weges, welche eine bedeutende Kostenverminderung erzielt, und darauf beruht, das Erz in Königswasser zu lösen, die Chloride durch Hitze zu zersetzen und das reducirte Platin von den nicht reducirten Metalloxyden durch einfaches Waschen und Schlämmen zu trennen. Das so erhaltene Platin, dem man durch Salpetersäure noch etwas Palladium entziehen kann, ist bis auf eine Spur Iridium rein und nach dem Schmelzen äußerst weich und dehnbar. Zur Auflösung des Erzes in Königswasser schlagen die Verf. die Benutzung von Platiniridiumapparaten vor, weil diese von der Säure nicht angegriffen werden und ferner gestatten, die Lösung unter einem Druck von 1 bis 2 Meter Wasser vorzunehmen, wodurch Säure und Zeit gespart werden.Gefäße der Art, aus der Fabrik von Desmoutis, Chapuis und Quennessen enthalten 25 bis 30 Proc. Iridium und widerstehen vollkommen dem Königswasser, wenn sie nach den ersten Einwirkungen desselben wiederholt ausgehämmert wurden. Sie bedecken sich dadurch mit einer völlig unangreifbaren Legirung oder vielleicht mit einem Ueberzug von reinem Iridium. Die abgeschlämmten Oxyde werden mit concentrirter Schwefelsäure erhitzt, dadurch Eisen, Kupfer und etwas Palladium gelöst und durch Waschen entfernt, das rückständige Gemenge von Iridium- und Rhodiumoxyd im Kohletiegel reducirt und zu Platinlegirungen verwendet. Bearbeitung des „rohen Iridiums“ der russischen Münzen. – Dieses Product ist ein Gemenge der Oxyde des Iridiums, Rhodiums, Palladiums, Eisens, Kupfers mit metallischem Platin. Die Zusammensetzung des von Deville und Debray zu ihren Versuchen benutzten war folgende: Flüchtige Stoffe (Sauerstoff, Wasser, Ammonsalze) 28,0 Lösliche Stoffe (Gyps, Kochsalz) 12,0 Platin 3,8 Rhodium 1,8 Palladium 0,4 Kupfer 0,6 Eisen 0,7 Ruthenium   Spur Osmium „    Iridium und Verlust 52,7 ––––– 100    Die Verf. sind der Meinung, daß dieses Product am besten zur Darstellung von Platinlegirungen verwendet werden könnte; sie geben zunächst eine Methode zur Probirung desselben an und hierauf einen Weg zur Darstellung von Iridium und Platin. Kennt man das Verhältniß von Platin und Iridium in dem zu verarbeitenden Material und will man dasselbe zu Platinlegirungen benutzen, so wird es im Kohletiegel geglüht, mit Wasser gewaschen, durch Erhitzen mit Schwefelsäure und nachheriges Waschen vom Kupfer und Eisen befreit und schließlich im Kalkofen geschmolzen, Will man jedoch das Iridium und Platin trennen, so wird aus dem erhaltenen Gemenge durch Königswasser alles Platin nebst etwas Iridium ausgezogen, die Lösung mit Salmiak versetzt, das erhaltene Gemisch von Platin- und Iridiumsalmiak geglüht und daraus durch schwaches Königswasser entfernt. Das rückständige Iridium wird mit der größeren Portion vereinigt und im Kalkofen geschmolzen. Ein anderer Weg besteht darin, das „rohe Iridium“ mit 1 Th. Blei und 3 Th. Bleiglätte im Tiegel zu schmelzen und die erhaltene metallische Masse zu kupelliren, wodurch man ein Gemenge von IrO², PbO, RhO und metallischem Platin erhält; das Platin löst man in Königswasser. Schließlich erwähnen die Verf. noch, daß es ihnen gelungen ist, das Iridium in größeren Quantitäten (einmal 1805 Grm.) mit Hülfe des Knallgasgebläses und des Kalkofens ohne jede Gefahr zu schmelzen; der Bedarf an Sauerstoff ist dabei pro Kilogr. 200 bis 300 Liter. Bei dieser Operation zeigte sich der allerdings nicht ganz kieselsäurefreie Kalk des Ofens oberflächlich geschmolzen. Verarbeitung von altem, gebrauchtem Platin. – Die Verf. stellten aus den russischen Münzen, welche nur 97 Proc. reines Platin neben Eisen, Kupfer, Iridium, Palladium und Rhodium enthielten, durch einfaches Schmelzen im Kalkofen ein iridium- und rhodiumhaltiges Platin dar, und empfehlen diese Methode für alles alte, durch den Gebrauch verunreinigte Platin, da sie bedeutend billiger als die bisherige ist. Sie beschreiben an dieser Stelle einen Kalkofen von größeren Dimensionen, und mit zwei Löthrohren zur Zuführung der Mischung aus Leuchtgas und Sauerstoff versehen, in dem sie 20 bis 25 Kilogr. Platin auf einmal schmelzen und bequem gießen konnten. Es gelang ihnen sogar ein Zahnrad aus Platin von 560 Grm. Gewicht in gewöhnlichem Formsand zu gießen. Sie verbrauchten pro Kilogr. Platin 662 Liter Sauerstoff (bei einer Geschwindigkeit von 1300 Liter pro Stunde) und konnten 14 bis 16 Kilogr. Platin in 1 Stunde, bei Anwendung eines angeheizten Ofens schon in 20 Minuten, in Fluß bringen. Die Vorsichtsmaßregeln beim Schmelzen und Gießen solcher enormer Mengen von Platin sind in der Originalabhandlung genau beschrieben. Berechnung der Kosten. – Was die Kosten bei Anwendung der hier beschriebenen Methoden betrifft, so berechnen die Verf. für die erste Methode (Ausschließung durch Bleiglanz und Kupellation) die Fabricationskosten pro Kilogr. Erz zu 1,01 Fr.; für den Proceß der directen Schmelzung zu 1,23 Fr. Dieser zweite Proceß ist nur scheinbar kostspieliger als der erstere; denn die Verf. geben an, daß sie die Kosten für die Oefen zu hoch angeschlagen haben, weil sie dabei von der Annahme ausgiengen, daß jeder Ofen nur einmal gebraucht werden würde. Beide Methoden sind nach der Ansicht der Verf. gleich vortheilhaft; für die letztere sprechen die geringen Einrichtungskosten, weil nur wenig Apparate nöthig sind. Durch den gemischten Proceß, welcher das Ammonsalz unnöthig macht, die Verluste bei der Auflösung vermeidet und die Methode der Compression des Platinschwammes durch die vortheilhaftere Schmelzung ersetzt, wird gleichfalls eine ansehnliche Kostenverminderung eintreten müßen. Das Feinen, Schmelzen und Gießen des alten Platins erfordert nach der beschriebenen Methode per Kilogr. nur 0,24 Fr., erzielt also, da nach der bisherigen Methode jedes Kilogr. 250 Fr. kostete, eine beträchtliche Ersparniß.