Titel: Ueber die Metallurgie des Platins; von H. Sainte-Claire Deville und H. Debray.
Fundstelle: Band 165, Jahrgang 1862, Nr. LV., S. 205
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LV. Ueber die Metallurgie des Platins; von H. Sainte-Claire Deville und H. Debray. Aus den Comptes rendus, Juni 1862, t. LIV p. 1139. Deville und Debray, über die Metallurgie des Platins. Wir theilen im Folgenden die Beobachtungen und Versuche mit, welche wir in der letzten Zeit gemacht haben, um das früher von uns veröffentlichte neue System der metallurgischen Behandlung des Platins zu vervollständigen. Einer von uns sah diese Verfahrungsarten mit großem Erfolg bei dem geschickten Fabrikanten Hrn. Matthey in London angewandt; er wohnte der Darstellung eines Platinzaines von 100 Kilogr. bei, wozu das Metall in einem Ofen aus gebranntem Kalk mittelst Leuchtgas und Sauerstoffgas geschmolzen worden war. Diese Masse wurde so flüssig, daß alle Theile der Form von dem Metall genau ausgefüllt wurden. Der Versuch dauerte vier Stunden, wovon beiläufig zwei zum Heizen des Ofens selbst verwendet wurden. Hr. Matthey benutzte für die große Operation die Gasometer, welche gewöhnlich zum Schmelzen des Platins für Zaine von 20 bis 25 Kilogr. dienen, deren er täglich bedarf. In jenem speciellen Falle wurde zur Bereitung des Sauerstoffgases nicht wie gewöhnlich Braunstein oder Schwefelsäure angewandt, sondern chlorsaures Kali, wovon 22 Kilogr., mit ihrem gleichen Gewicht Braunstein gemengt, in einer Operation und ohne besondere Vorsichtsmaßregel zersetzt wurden. Das Sauerstoffgas entwickelt sich sehr rasch, wenn aber die Ableitungsröhren weit genug sind, ist durchaus keine Explosion zu befürchten; es findet sogar keine merkliche Zunahme des Drucks in dem Apparate statt. Man wendet jetzt zum Gießen des Platins in Formen ein Verfahren an, welches von Hrn. Heraeus, Platinfabrikant in Hanau, erfunden und mit vielem Erfolg in London versucht wurde. Hr. Heraeus, unterstützt von dem Rathe seines ausgezeichneten Lehrers, des Hrn. Professor Wöhler, hat seit mehreren Jahren die von uns veröffentlichten Verfahrungsarten zur Behandlung des Platins angenommen und dieselben auch schon vervollkommnet und vereinfacht. Er gießt das Platin in Formen von geschmiedetem Eisen, welche wir aufgegeben hatten; er begegnet aber allen Uebelständen, welche die Schmelzbarkeit des Eisens veranlassen könnte, indem er auf den Boden des Eingusses ein Platinblech von 1 Millimeter Dicke bringt, womit also das geschmolzene Platin zuerst in Berührung kommt. In Folge dieser Vorsichtsmaßregel sind seine Zaine sehr gesund und ganz blasenfrei. Nach den in England gemachten Beobachtungen sind die zum Concentriren der Schwefelsäure bestimmten Blasen viel dauerhafter, wenn sie mit dem geschmolzenen Platin angefertigt wurden, welches Hr. Matthey jetzt ausschließlich zu diesem Zweck anwendet. Das nach Wollaston's Verfahren verdichtete Platin ist porös, so daß die heiße Säure oft durchsickern kann. Wir müßen die Platinfabrikanten auch auf den Umstand aufmerksam machen, daß die mit dem peruanischen Natronsalpeter bereitete Schwefelsäure oft ein wenig Chlor enthalten muß und daher in den Platinblasen das Gold der Löthungen sehr leicht angreift. Man sollte deßhalb auf den zu verbindenden Flächen in diesen Blasen als Loth das mittelst unseres Knallgas-Löthrohres geschmolzene Platin anwenden. Dieses Verfahren, welches schon längst in England benutzt wird, gibt sehr gute Resultate und gewährt eine beträchtliche Ersparniß, weil das Gold einen viel größeren Werth als das Platin hat. Man sieht bei Hrn. Matthey Röhren, welche nach diesem Verfahren gelöthet und ohne allen Fehler gezogen wurden. Zum Nachtheil der Platin-Industrie hat der außerordentlich hohe Preis der Platindestillirblasen die Schwefelsäurefabrikanten veranlaßt die Platingefäße durch solche aus bleihaltigem Glase zu ersetzen; in England werden schon sieben Zehntel der concentrirten Schwefelsäure in Glasapparaten bereitet, deren Ankaufs – und Unterhaltungskosten kaum die Hälfte des jährlichen Zinses von der Summe betragen, welche man zur Anschaffung einer großen Platindestillirblase opfern muß. Es kommt also darauf an – und dieser Fortschritt ist bereits in England realisirt worden – jetzt den Schwefelsäurefabrikanten eine Blase zu liefern, womit man in 24 Stunden wenigstens 2 bis 4 Tonnen Schwefelsäure concentriren kann und deren Preis höchstens das Fünftel oder Sechstel vom Preise der bisherigen Apparate beträgt. Nur unter dieser Bedingung wird nach unserer Ansicht dem Platin eine Absatzquelle gesichert bleiben, deren es bedarf, damit sein Preis im Interesse sowohl der chemischen Laboratorien und Fabriken, als der Platinfabrikanten selbst sinken kann. Dieser Fortschritt hängt aber auch von der russischen Regierung ab, welche zuerst großmüthige Versuche gemacht hat, um die Platin-Industrie zu verbessern und zu entwickeln. Nach der Auskunft welche uns der Ingenieur Jaunez gab, könnte die Ausförderung der Platinerze im Ural leicht so gesteigert werden, daß von denselben die dreifache Menge der bisherigen in den Handel käme, wenn der Verkauf dieser Erze von allen Hindernissen befreit würde. Man weiß noch nicht, bis auf welchen Satz unter diesen Umständen der Werth des nach unseren ökonomischen Verfahrungsarten ausgebrachten Metalles selbst herabsinken könnte. Auch kennt man noch nicht alle Anwendungen, welche sich dann von dem Platin machen ließen und von denen es gegenwärtig wegen seines außerordentlich hohen Preises ausgeschlossen ist. Es ist zu hoffen, daß die russische Regierung, welche in dieser Frage wahrhaft dem Fortschritt huldigte, die Gestalt der Platin-Industrie verändern wird. Wir haben die Aufmerksamkeit der Fabrikanten auf die Vortheile gelenkt, welche in gewissen Fällen die Anwendung der Legirungen von Platin und Iridium gewährt, insbesondere die natürliche Legirung, welche man durch directes Schmelzen der Erze in einer oxydirenden Atmosphäre erhält.Polytechn. Journal Bd. CLIV S. 294. Um das Einführen des Iridiums in das Platin zu erleichtern, ermittelten wir ein ökonomisches Verfahren zur Darstellung des reinen Iridiums aus den Rückständen, welche man bei der Platinfabrication nach Wollaston's Verfahren erhält; diese Rückstände haben sich in den betreffenden Anstalten in beträchtlicher Menge angesammelt. Wir nehmen: Osmium-Iridium oder RückständeWir erhielten diese Rückstände von Hrn. Matthey in London. 100 Theile. salpetersauren Baryt 100   „ Baryt (wasserfreie Baryterde) 200   „ Nachdem das Ganze pulverisirt und innig gemengt worden ist, bringt man es in einen thönernen Tiegel, welchen man zum Rothglühen erhitzt. Die durch dieses Calciniren erhaltene schwarze und gefrittete Masse wird neuerdings pulverisirt und in kleinen Portionen in kaltes Wasser gestreut, bis die ganze Masse gut befeuchtet ist. Man gießt zu derselben mit Vorsicht Salpetersäure und erhitzt im Sandbad entweder vor einem gutziehenden Kamin, um die Osmiumsäure in Dampfform auszutreiben und entweichen zu lassen, oder in einem Destillirapparat, wenn man diese Dämpfe sammeln will, welche man dann in Aetzammoniak verdichtet. Nachdem aller Osmiumgeruch verschwunden ist und so viel Salpetersäure zugesetzt wurde, daß die Masse ganz flüssig ist, gießt man in die Flüssigkeit eine sehr kleine Menge Salzsäure, bis alle ihre Theile deutlich gelblichroth sind. Man erhitzt nochmals; dann gießt man die Masse in einen mit Schießbaumwolle verstopften Trichter oder in eine Zuckerform. Die Flüssigkeit, welche langsam abfließt, enthält Platin-, Iridium- und Rhodiumchlorid, nebst Salzen gewöhnlicher Metalle. Der salpetersaure Baryt aber, welcher in den sauren Flüssigkeiten unauflöslich ist, bleibt auf dem Trichter, mit Metallchloriden imprägnirt, zurück. Man verdrängt letztere mit ein wenig reinem Wasser, wie beim Decken der Zuckerbrode mit reiner Zuckerlösung, wornach der salpetersaure Baryt rein zurückbleibt, ohne daß die durch die Oeffnung des Trichters ablaufende dichte und gefärbte Flüssigkeit merkliche Mengen von demselben mitreißt. Man erhält so salpetersauren Baryt       474 Theile. Dieser salpetersaure Baryt, welcher ein wenig nicht angegriffener Substanz enthält, kann zu einer neuen Operation benutzt werden. Aus der Flüssigkeit, welche die edlen Metalle enthält, scheidet man die Spuren von Baryt durch einige Tropfen Schwefelsäure ab und behandelt sie nach den in unserer Abhandlung beschriebenen Verfahrungsarten, auf welche wir verweisen.Polytechn. Journal Bd. CLIV S. 130, 199, 287 und 383. Wir erhielten so mit drei Proben von den Rückständen, welche durch metallisches Eisen aus den Flüssigkeiten gefällt sind, aus denen man bei der Behandlung des Erzes das Platin und Palladium abgeschieden hatte:Man sehe über diese gefällten Rückstände polytechn. Journal Bd. CLIV S. 201. I. II. III. Iridium mit Platin   33,1   38,7   52,9 Rhodium   20,0     5,9     8,1 Palladium     0,2     „     „ Osmium, gewöhnliche Metalle und Verlust   46,7   55,4   39,0 –––––––––––––––––––– 100,0 100,0 100,0 Bei diesen Operationen betrug die Menge nicht angegriffenen Materials für die erste Probe 0,15 Proc.; für die zweite 0,2 Proc.; für die dritte war sie unwägbar. Hr. Matthey hat diese Methode abgeändert, indem er den Baryt, welchen wir zur Verminderung der Schmelzbarkeit des Gemenges anwenden zu müssen glaubten und der in England sehr theuer ist, durch den sehr wohlfeilen salpetersauren Baryt selbst ersetzte.