Titel: Ueber Milchglas-Fabrication; von Dr. O. Schür in Stettin.
Autor: O. Schür
Fundstelle: Band 167, Jahrgang 1863, Nr. VIII., S. 27
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VIII. Ueber Milchglas-Fabrication; von Dr. O. Schür in Stettin. Schür, über Milchglas-Fabrication. Das sogenannte Milchglas ist bekanntlich ein Silicat, welchem man durch einen Zusatz von etwa 20 bis 30 Procent phosphorsaurer Kalkerde die Durchsichtigkeit genommen und dafür eine opac-milchweise Farbe ertheilt hat. Um diesen Effect zu erzielen, verwendete man bisher ausschließlich die im Wesentlichen aus phosphorsaurer Kalkerde bestehenden, bei Luftzutritt gebrannten und dann gepulverten thierischen Knochen, und zwar am liebsten die Fußröhren der Schaafe. Die Schwierigkeit der Beschaffung guter Knochen, das sorgfältige Brennen, Pulvern und Aufbewahren derselben, besonders aber der Umstand, daß bei Anwendung dieses Materials leicht ein ungleichartiges, unansehnliches Milchglas, welches oft Knoten und Schlieren in bedeutender Menge enthält, zum Vorschein kommt, ließen es mir in hohem Grade wünschenswerth erscheinen, für den Zweck der Milchglas-Fabrication ein Surrogat der Knochenasche zu besitzen. Es ist mir nun gelungen, ein solches aufzufinden, welches nicht allein die gerügten Mängel nicht besitzt, sondern auch den Vorzug größerer Bequemlichkeit bei sogar geringerem Preise für sich hat. Im Handel kommt ein Guano vor, von folgender Zusammensetzung: phosphorsaurer Kalk 78,80 phosphorsaure Magnesia 6,13 phosphorsaures Eisen 0,13 schwefelsaurer Kalk 0,14 Wasser, Chlornatrium, schwefelsaures Kali, verbrennliche organische Stoffe etc. 14,95 ––––– 100,15 Diese Analyse ergibt auf den ersten Blick, daß man es hier mit einem an Phosphaten bei weitem reicheren Stoffe, als die Knochen es sind (die beiläufig nur etwa 50 bis 70 Procent phosphorsaure Kalkerde enthalten), zu thun hat, und ist dabei noch besonders hervorzuheben, daß der in den Excrementen der Seevögel befindliche phosphorsaure Kalk in dem Zustande feinster Zertheilung sich vorfindet. Die in diesem Guano enthaltenen Phosphorsäure-Verbindungen sind leicht für sich zu erhalten und zwar einfach durch Brennen desselben, wobei ich wie folgt, verfahre: 3 bis 5 Ctr. des vorgedachten Guanos werden, nachdem ein Hafen aus dem Temperofen herausgenommen, zum Brennen in diesen hineingeschüttet und nach 6 oder 8 Stunden vorsichtig mittelst einer Eisenstange von der Mitte aus aufgebrochen, damit die Masse gleichmäßig durchbrenne, wobei zu beachten ist, daß nicht durch zu rasches Aufbrechen das staubige Pulver auffliegt und dadurch Verlust herbeigeführt wird. War der Ofen sehr heiß, so brennt sich der Guano vollkommen weiß, doch ist es nicht nöthig, daß er immer so gebrannt werde; es genügt schon, daß die organischen Stoffe verkohlt sind; es kann somit die Farbe grauschwarz seyn. Abgekühlt und gesiebt, wobei die im Siebe zurückbleibenden Knötchen zu zerkleinern sind, ist diese Guano-Asche zur Fabrication sofort verwendbar. Bei diesem Brennen, sowie durch Verstäuben etc. verliert der Guano etwa 20 bis 25 Procent an Gewicht, woraus sich der Kostenpreis im Vergleiche zu gebrannten Knochen leicht berechnen läßt. Es beträgt nämlich der Preis des Guanos hier in Stettin pro 100 Pfund netto Thlr. 3.   7 1/2 Sgr., hierzu durch Brennen 15 Proc. Verlust circa 14 1/2   „ ––––––––––––––––––––––––––––––––– gibt Thlr. 3. 22 Sgr. für das gebrannte Material (excl. Feuerungskosten), d. i. ein Preis, wogegen sich hierselbst für gebranntes Knochenmehl, welches aber keinen so hohen Gehalt an phosphorsauren Verbindungen besitzt, 4 Thlr. herausstellen. Ich arbeite in meiner Fabrik in Stettin mittelst eines französischen Ofens mit sieben verdeckten Häfen à 6 Centner Inhalt; die Feuerung geschieht durch Steinkohlen, wovon beiläufig in 24 Stunden eine halbe Last verbrannt werden. Die in Anwendung kommende Glasmischung ist die untenstehende, wobei ich bemerke, daß der sehr reine Quarzsand nahe bei Stettin gefunden wird, und daß die Potasche durchschnittlich 90 Proc. kohlensaures Kali enthält. Der gewöhnlich verwendete Glassatz besteht aus: 180  Pfund Quarzsand,   70    „ Potasche,   10    „ calcinirte Soda,     8    „ Kochsalz,     6    „ Kalisalpeter,   20    „ Minium (Bleioxyd, kupferfrei),   60    „ phosphorsaurer Kalk (aus Guano),     1/2 „ Braunstein,     3    „ Borax. Nach stattgehabter inniger Mischung dieser Materialien wird der Satz in 3 Portionen in den Hafen eingetragen und ist nach 10 bis 12 Stunden der Schmelzproceß gewöhnlich soweit vorgeschritten, daß die Glasgalle abgeschöpft und die Masse in bekannter Weise mit einer großen Kartoffel oder Rübe geblasen werden kann. Wie schon vorher gesagt, wird in geschlossenen Häfen gearbeitet und ist dabei nicht unerwähnt zu lassen, daß man während der Schmelzzeit den sog. Kuchen (Vorsetzer) oben offen lassen muß, damit sich das Kochsalz, welches überhaupt nur als Flußmittel fungirt, verflüchtigen kann. Das so gewonnene Glas ist weich, und von vorzüglicher Milchfarbe, verarbeitet sich gut, wird nicht knotig oder rauh und läßt, selbst an ganz dünnen Stellen kein directes, sondern nur zerstreutes Licht durchscheinen. Die als Abgänge gewonnenen Scherben sind bei Ansetzung einer frischen Mischung wieder als Zuschlag verwendbar. Es versteht sich von selbst, daß die in Vorstehendem gegebenen Vorschriften für andere Fabriken nicht streng maaßgebend seyn können, insofern überall andere Verhältnisse und Materialien in Betracht kommen, es soll diese Notiz vielmehr auch nur dazu dienen den Glasfabrikanten ein anderes bequemeres Material, statt der mühsam zu präparirenden Knochenasche, an die Hand zu geben; auch sey schließlich noch erwähnt, daß ich gerne erbötig bin jede gewünschte fernere Auskunft auf an mich gerichtete briefliche Anfragen zu ertheilen.Der Verfasser hat der Redaction Proben von phosphorsaurem Kalk aus Guano und daraus gefertigte Milchglasbrocken übersendet, welche beide nichts zu wünschen übrig lassen.A. d. Red.