Titel: Ueber die Anwendung der Centrifuge bei der Stärkefabrication.
Fundstelle: Band 167, Jahrgang 1863, Nr. CV., S. 425
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CV. Ueber die Anwendung der Centrifuge bei der Stärkefabrication. Aus der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1863 S. 55. Ueber die Anwendung der Centrifuge bei der Stärkefabrication. Die Stärke wird bekanntlich aus Kartoffeln oder Weizen gewonnen, indem man die Substanzen durch Zerreiben, resp. Schroten, zerkleinert und darauf mit viel Wasser zu einem Brei verdünnt. Diesen Brei wäscht man auf geeigneten Siebmaschinen, um die Stärke von den Fasern Hülsen etc. zu trennen, und gewinnt erstere als milchige Flüssigkeit, die sogenannte Stärkemilch. Aus dieser die feste Stärke zu scheiden, ist eine der mühsamsten und theuersten Arbeiten. Das bisher allgemein übliche Verfahren, die Stärke sich absetzen zu lassen, das Wasser abzugießen und die nun compact gewordene, noch ganz wässerige Stärke in einzelnen Stücken erst mit Tüchern und porösen Steinen, später an der Luft allmählich zu trocknen, ist so umständlich, daß man schon längst auf Mittel bedacht gewesen ist, diesen Zweck auf einfachere Weise zu erreichen. Man hat Luftpumpen angewendet, welche einen mit Drahtsieb und Leinwand bedeckten Raum luftleer machen und das Wasser der darauf gebrachten Stärke hindurch saugen. Hierdurch wird jedoch nur ein sehr kleiner Theil des Wassers entfernt, da der effective Druck höchstens 1 Atmosphäre beträgt, die Stärke aber, als ein höchst hygroskopischer Körper, das Wasser sehr fest hält. Ferner hat man zu hydraulischen Pressen seine Zuflucht genommen. Sie treiben durch den bedeutenden Druck den größten Theil des Wassers heraus, sind aber theuer in der Anschaffung, erfordern noch viel Bedienung und können nicht die Stärkemilch direct verarbeiten, sondern die Stärke muß sich erst abgesetzt haben und in Stücken heraus gestochen seyn. Außerdem wirkt der mechanische Druck bei Stärke nicht im entferntesten so vortheilhaft, wie bei faserigen und weichen Stoffen, als Gespinnste, Papier, Rübenbrei etc. Dieß liegt in der Eigenschaft der Stärke, den auf sie ausgeübten Druck nur sehr wenig durch ihre Masse fortzupflanzen und fast gar nicht zusammendrückbar zu seyn. Sie verhält sich nahezu wie ein starrer Körper, in dessen Zwischenräumen sich Wasser befindet. Es ist ersichtlich, daß der größte Theil des angewendeten Druckes von der Stärke als starrer Körper aufgenommen wird, also nutzlos bleibt. Nur ein geringer Theil, welcher der Zusammendrückbarkeit der Stärke entspricht, wird zum Verdrängen des Wassers nutzbar gemacht. Als ein drittes Mittel endlich, das Trocknen der Stärke zu beschleunigen, wird die Centrifuge angewendet. Die Arbeit mit dieser Maschine ist nicht allein frei von den Uebelständen, welche den anderen Trockenmethoden mehr oder weniger anhaften, sondern führt noch manche Vortheile im Gefolge, welche bei ihrer ersten Einführung gar nicht gekannt oder beabsichtigt wurden. Zunächst ist es ein sehr günstiger Umstand, daß man die Stärkemilch direct und zwar beliebig dünn in die Centrifuge bringen kann. Dann erfolgt das Trocknen einer Ladung in 10 Minuten bis zu dem Grade, welcher bei dem ursprünglichen Verfahren, an der Luft zu trocknen, erst in mehreren Tagen zu erreichen ist. Und endlich verlangt diese Maschine nur 1 bis 1 1/2 Pferdestärke zu ihrem Betriebe und 2 Mann zur Bedienung. Diese vortheilhafte Leistung ergibt sich bei näherer Betrachtung aus der Natur der Stärkemasse und der angewendeten Kraft, der Centrifugalkraft. Da die Stärkemilch als ein Gemenge von Stärkekügelchen und Wassermolecülen anzusehen ist, so wird durch Rotation der Masse den ersteren sowohl wie den letzteren ein ihren specifischen Gewichten entsprechendes Bestreben mitgetheilt, in der Tangente fortzufliegen. Die Stärkekügelchen, als Körner von meßbarer Ausdehnung, sind durch feine Gewebe, Filz etc. leicht zurückzuhalten. Ihre Centrifugalkraft äußert sich nur als Druck auf die umgebende Wand. Die unmeßbar kleinen Wassermolecüle hingegen, nachdem ihre Centrifugalkraft die Adhäsion der Stärke überwunden, suchen sich den Ausweg zwischen den Stärkekügelchen und der porösen Hülle hindurch, und verlassen mit großer Geschwindigkeit ihre bisherige Umgebung. Die Widerstände beim Centrifugiren bestehen nun 1) in der Trägheit der Masse, welche in Rotation zu versetzen ist, d. i. Stärkemilch und Trommel nebst Welle etc., 2) in der Reibung der Welle in den Lagern, 3) in dem Luftwiderstande der rotirenden Trommel. Letzterer ist der Hauptwiderstand, da die Trommel eine große und durch die vielen Durchbohrungen rauhe Oberfläche darbietet, welche sich mit circa 160 Fuß Geschwindigkeit per Secunde bewegt. In der Praxis haben sich die Centrifugen bei Verarbeitung von Kartoffelstärke ohne weiteres bewährt und sind seit mehreren Jahren in größeren Fabriken in Anwendung gebracht. Schwierigkeiten eigenthümlicher Art zeigten sich dagegen beim Trocknen der Weizenstärke. Macht man die Auskleidung der Trommel, d.h. die Zeuglagen, von sehr feinem Gewebe, so geht weder Stärke noch Wasser hindurch. Macht man sie aber etwas gröber, so geht beides, Wasser und Stärke, durch. Dieß hat seinen Grund in dem Gehalt an Kleberstoff, der sich stets in der Weizenstärke findet. Dieser versetzt die Poren des Zeuges, wenn sie fein genug sind, um die Stärke nicht durchzulassen, und vertritt so dem Wasser den Ausweg. Man hat sich besonders in Frankreich nun vielfach bemüht, der Centrifuge eine Einrichtung zu geben, wodurch sie, dieß Hinderniß überwindend, zum Trocknen der Weizenstärke geeignet werde. Diese Bemühungen scheinen dort noch keinen Erfolg gehabt zu haben, denn der Verf. hörte noch vor Kurzem von einem Stärkefabrikanten, der in Paris den Versuchen mit Liebermann'schen Stärke-Centrifugen beigewohnt hatte, „daß man wohl Weizenstärke verarbeiten könne, sie müsse aber chemisch rein, d.h. kleberfrei seyn. Da man jedoch kein Mittel besitze, den Kleber vollständig zu entfernen, so sey durch jene Bedingung einstweilen die Brauchbarkeit der Centrifuge dahingestellt.“ Um so überraschender war dem Verf. die Nachricht, daß eine bedeutende Stärkefabrik in Mannheim sich seit mehreren Jahren zweier Centrifugen zum Trocknen der Weizenstärke mit dem besten Erfolge bedient. Das Verfahren wird jedoch dort so geheim gehalten, daß Niemand, selbst nicht die Erbauer jener Maschinen, die HHrn. A. Fesca und Comp. in Berlin, Zutritt erhält. Die letzteren, denen der Verf. die unten folgenden Daten über Leistung und Bedienung ihrer Centrifugen verdankt, haben durch eine sehr sinnreiche Modification ihrer gewöhnlichen, rühmlichst bekannten Centrifugen das Hinderniß bei der Weizenstärke überwunden. Sie bedauern die Details ihrer resp. Einrichtungen nicht mittheilen zu können, da ihnen ein Patent auf diese gewiß neue und eigenthümlich wirkende Maschine nicht gewährt worden. Der Kleber ist dadurch nicht allein unschädlich gemacht, sondern er wird sogar ausgeschieden, die Stärke also von diesem lästigen Begleiter befreit. Dadurch ist der Stärkefabrication ein großer Dienst geleistet; mögen diese Zeilen dazu dienen, die Stärkefabrikanten auf diese Maschine aufmerksam zu machen, welche ihr Interesse in hohem Grade verdient. Folgendes sind die Resultate von Versuchen, welche die HHrn. A. Fesca und Comp. in Berlin in ihrer Maschinenfabrik mit großer Präcision und in Gegenwart von Stärkefabrikanten angestellt haben: Eine Ladung der Centrifuge besteht in 140 bis 150 Pfund Stärkemilch, welche zur Hälfte ihres Gewichts feste Stärketheile enthält. Dieses Quantum wird bei einer Geschwindigkeit von 1500 Umdrehungen der Trommel per Minute in 10 Minuten so weit entwässert, daß die erhaltenen feuchten Stärkekuchen eine der Kreide ähnliche Consistenz haben und bei Weizenstärke circa 75 Proc., bei Kartoffelstärke 82 bis 83 Proc. lufttrockener Stärke enthalten, wie solche im Handel vorkommt. Das Herausnehmen der Trommel mit der getrockneten Stärke und das Hineinsetzen einer anderen, inzwischen zubereiteten leeren Trommel dauert 4 Minuten. Das Anlassen und Füllen der letzteren nimmt 1 bis 2 Minuten in Anspruch. Während nun die zweite Trommel im Gange ist, wird die erste entleert (die gewonnenen Stärkekuchen haben ein Gewicht von 10 bis 15 Pfd.) und von neuem zu einer Ladung zubereitet. Diese Operation wird bequem während der 10 Minuten ausgeführt, welche die laufende Trommel braucht, so daß die ganze Zeit einer Ladung 10 + 4 + 2 = 16 Minuten beträgt. Rechnet man, um ganz sicher zu seyn, noch 4 Minuten auf Versäumnisse in der Bedienung, so können in einer Stunde 3, in 10 Arbeitsstunden 30 Ladungen gemacht werden. Jede Ladung liefert circa 90 Pfd. Stärke mit 23 Proc. Wasser; also gewinnt man in 10 St. 30. 90 = 2700 Pfd. Stärke mit 23 Proc. Wasser, welche 2079 Pfd. trockene Stärke repräsentiren. Die 23 Proc. Wasser werden von der Stärke so fest gehalten, daß eine bedeutend vermehrte Umdrehungsgeschwindigkeit und eine Verlängerung der Schleuderperiode gleich unwirksam bleiben. Sie können nur durch trockene Wärme ausgetrieben werden. Ein kurzer Aufenthalt in einer auf 40 bis 50º C. erwärmten Trockenkammer genügt für Weizenstärke vollständig, dieselbe auf den für den Handel erforderlichen Trockengrad zu bringen. Kartoffelstärke trocknet noch schneller. Die Vortheile beim Trocknen mit der Centrifuge sind nun folgende: 1) Man gewinnt aus der Stärkemilch sofort eine sehr dichte weiße Stärke, welche sich durch zartes Ansehen und vollständige Gleichmäßigkeit auszeichnet. Man erspart also die Absetztubben und die ausgedehnten Trockenräume, sowie viele Arbeitskräfte. 2) Es entsteht kein Abfall durch die sogenannte Schabestärke. Beim allmählichen Trocknen an der Luft oder in schwach erwärmten Räumen färbt sich nämlich die Oberfläche der einzelnen Stärkestücke gelblich. Dieß rührt von einer Schimmelbildung und von abgelagertem Rauch und Staub her. Man muß diese Schicht durch Abschaben sorgfältig entfernen, daher der Name Schabestärke. Die centrifugirte Stärke hat eine reine Oberfläche, da während der kurzen Schleuderzeit sich weder Schimmel bilden, noch Staub absetzen kann. 3) Der in der Stärke noch zurückgebliebene Kleber und andere schlammige Verunreinigungen, welche durch das Gähren und Auswaschen noch nicht entfernt sind, werden beim Centrifugiren abgesondert. Sie lagern sich auf der inneren Oberfläche in einer lederartigen, grünlich grauen Schicht ab, welche beim Liegen in den Trockenkammern leicht entfernt werden kann. Die Stärke wird also durch das Trocknen gleichzeitig so vollständig gereinigt, wie dieß bisher durch kein anderes Verfahren möglich war. Zum Betriebe dieser Centrifugen sind, wie oben erwähnt, 1 bis 1 1/2 Pferdestärke und 2 Mann Bedienung erforderlich. Sie nimmt einen Raum von circa 10 Fuß Länge bei 6 Fuß Breite ein und muh in einer mindestens 8 Fuß hohen Etage aufgestellt werden. Die Construction ist der Art, daß die Maschine auf jede beliebige Balkenlage ohne Fundamentirung aufgestellt werden kann und keine Erschütterung im Gebäude hervorruft. Ihr Preis ist mit zwei Trommeln 700 Thlr., mit einer Trommel 475 Thlr. Im letzteren Falle, mit einer Trommel, ist die Leistungsfähigkeit die Hälfte der oben angegebenen, d.h. nur 10 Cntr. trockene Stärke in 10 Stunden, weil hierbei die Bedienung während der einen Hälfte, die Maschine während der anderen Hälfte der Zeit still stehen muß.