Titel: Das Papier und seine Rohmaterialien; von Dr. Hermann Grothe.
Fundstelle: Band 196, Jahrgang 1870, Nr. CLVI., S. 554
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CLVI. Das Papier und seine Rohmaterialien; von Dr. Hermann Grothe. Aus dem polytechnischen Centralblatt, 1870 S. 641. Grothe, über das Papier und seine Rohmaterialien. Die am 26. Mai 1869 abgehaltene Sitzung der Industrie-Gesellschaft zu Mülhausen (Elsaß) entschied über eine Preisertheilung in dem Concurs des Comité's für die Papierindustrie, für welchen drei Bewerbungen eingegangen waren. Die gekrönte Arbeit (welche im Bulletin de la Société industrielle de Mulhouse, t. XL p. 49, Februar und März 1870, veröffentlicht wurde) rührt von Z. Orioli in Pontcharra (Isère) her und enthält ein trefflich und klar geschriebenes Exposè über die Cellulose und deren Verhalten, ferner über deren Verarbeitung und Behandlung im Fabricationsproceß, endlich über die bisher vorzüglich angewendeten Materialien zur Papierfabrication. Bei dem Studium dieser an sich trefflichen Arbeit ist uns ausnahmsweise nicht so sehr das aufgestoßen, was in den französischen Arbeiten so sehr häufig auftritt, nämlich daß bei Darstellung der geschichtlich-wissenschaftlichen Verhältnisse nur französische Fabricate eingehende Berücksichtigung finden, auswärtige Leistungen aber aus irgend welchem Grunde geringere Berücksichtigung erfahren. Es wird dadurch der Werth des Verdienstes für den Autor in seinem Lande erhöht, im Auslande aber erniedrigt. Dieß ist bei der verdienstvollen Arbeit Orioli's in einen gewissen richtigen Einklang gestellt und deßhalb haben wir es unternommen, dieß Exposè mit kritischen und ergänzenden Zusätzen zu bearbeiten und so zu versuchen, ein Bild gleichmäßigen Werthes dem Deutschen näher zu rücken. In diesem erleuchteten und fortschrittlichen Jahrhundert konnte die Papierfabrication nicht unberührt bleiben. Auch sie hat eine gänzliche Umwandlung der Methoden und Apparate erlebt und die heutige Papierfabrication ist grundverschieden von der Papierfabrication des verflossenen Jahrhunderts. Die Chemie und die Mechanik haben in gleichem Antheil dafür gearbeitet. Die Chemie hat uns rationelle Waschmethoden, die Bleiche, das Bläuen, die Färbungen etc. geliefert, Operationen welche die Eigenschaften des heutigen Papieres von dem Papier unserer Voreltern so wesentlich unterscheiden. Das Papier des vorigen Jahrhunderts, ungeachtet seiner Festigkeit, würde in unserer Zeit nur den Werth von Ausschuß haben. Und selbst der Werth der Festigkeit, welchen man geneigt ist, den älteren Papieren durchweg zuzuschreiben, ist in unserem Jahrhundert, wenn auch nicht überall, doch noch unverändert zu finden. Wir geben freilich den Papiersorten welche zu Tapeten und Buntpapier und zu gewöhnlichem Schreibpapier verwendet werden, nicht mehr die in der Bütte erreichte Festigkeit, aber z.B. dem Geldscheinpapier, dem Papier für Postmarken, zu Documenten etc. verleihen wir mindestens dieselbe Festigkeit und dabei stellt sich heraus, daß dieselbe nicht von der Anwendung der Bütte abhängig ist, sondern sich ebenso gut auf der Maschine erzielen läßt. Wir haben demnach in den Papiermaschinen Apparate in der Hand, mit welchen wir die Dimensionen und anderen Eigenschaften der Papiersorten viel genauer zu bestimmen und herzustellen im Stande sind, als es mit der Bütte irgend möglich ist, mit Ausnahme einzelner weniger Fabricate, für welche die Bütte und die Hand des Arbeiters von Wichtigkeit und unersetzt bleibt. Das Papier unserer Tage zeichnet sich auch gegen das frühere durch Weiße und Klarheit, durch die Glätte und Reinheit, durch die Gleichmäßigkeit und durch die Billigkeit aus. Aber auch der Punkt ist bei der heutigen Papierfabrication von hohem Werth, daß alle jene Lumpensorten, welche früher als unbrauchbar und unverwendbar zurückgelegt wurden, heute mit Verwendung finden. Ja noch mehr! Mit dem Wachsen des Bedarfes an Papier, mit dem Emporkommen so vieler großartiger Papierfabriken war man gezwungen, andere Materialien als die bisher gebrauchten, in den Kreis der Bearbeitung zu ziehen, und die Technik an der Hand der Wissenschaft hat eine Reihe neuer Quellen eröffnet, aus denen die Papierfabrication das nöthige Rohmaterial schöpft. In Folge dieser Assimilation neuer Stoffe zu demselben Zweck wird in Zukunft diese Fabrication die Lumpen als das kostbarste, nur zu besonders trefflichen Papiersorten verwendbare Material betrachten. Das Espartogras, das Stroh oder das Holz werden der gewöhnliche Grundstoff werden. Die Wissenschaft hat uns ja gelehrt, daß die Cellulose der ungebrauchten Pflanzen ganz dieselbe ist, wie die in den Hadern; ja einzelne Eigenschaften der ungebrauchten Cellulose setzen uns heute in den Stand, Papiersorten zu erzeugen, welche man mit Lumpenfasern herzustellen nicht im Stande ist. In Deutschland, in England und in Belgien ist man schneller und glücklicher in der Papierfabrication vorangeschritten als in Frankreich. Indessen schickt sich auch Frankreich mit Macht an, für diese Fabrication wieder von höherer Bedeutung zu werden. Beim ersten Ansehen scheint es, daß alle Pflanzen geeignet seyen, Material für die Papierfabrication zu liefern, von der Wurzel bis zum Blatte und selbst von seinem Mark bis an die Oberfläche der Rinde; allein der Gebrauch, der Versuch lehrt, daß man nicht gleiche Resultate mit allen Pflanzen erreichen kann und dieß liegt in der Form der Cellulose und in dem Reichthum der betreffenden Pflanzen an Cellulose. Die Cellulose der Pflanzen weist vom Standpunkte der Papierfabrication aus drei charakteristische Formen auf: 1) die Form des Schlauches, 2) die Form der Membran, 3) die Form der Faser. Die Formen 1 und 2 sind für die Papierfabrication von keiner Bedeutung, sie werden vielmehr durch die Waschprocesse der Papierfabrication sorgfältig entfernt, weil die zweite Form der Gleichartigkeit des Papieres schaden kann. Dagegen gibt die dritte Form das wahre Cellulosematerial für die Papierfabrication ab. Es ist jene Cellulose, welche mit der Weiterbildung der Pflanze Kraft, Körper und Festigkeit erlangt hat. Diese Cellulose erscheint jedoch nicht im reinen Zustande, sondern mit den aus den Pflanzensäften abgelagerten Stoffen imprägnirt und incrustirt. Wir wollen Orioli's ausführliche Darstellung der Incrustationen nicht verfolgen. Man kennt ja ihre große Verschiedenheit, ihren Einfluß bei der Papierbereitung und weiß, daß von solchen Incrustationen oft überhaupt die Verwendbarkeit der betreffenden Pflanzencellulose abhängt. Vorzüglich hinderlich ist der Farbstoffgehalt des Pflanzensaftes, welcher sich in der Cellulose ablagert, und dieser macht die Methoden der Präparation für die Papierfabrication complicirt. Man kann nun sehr gut unterscheiden zwischen Incrustationen zufälliger Natur, die also nicht immer und nicht in allen Cellulosefasern enthalten sind, und zwischen Ablagerungen welche stets, also bei jeder Cellulose auftreten. Man nimmt an, daß die letzteren aus Zersetzung der Cellulose selbst durch den Einfluß unbekannter Agentien entstanden seyen. Zu ihnen gehört vorzüglich das Pectin oder die Pectinkörper. Bei dem Aufbau der Cellulose wirkt das Parenchym der Blätter unter dem Einfluß der Sonnenstrahlen und in Gegenwart einer gewissen Menge Kohlensäure und Wasser zersetzend auf diese letzteren, entbindet eine Quantität ihres Sauerstoffes und combinirt den Rest, ihn verdichtend zu einer besonderen Verbindung, welche man Glucose genannt hat und welche eine Art Zucker (Traubenzucker) ist. Orioli gibt dafür die Fomel 6CO² + 6HO = 12O + C⁶H⁵O⁵, HO Es ist möglich, daß bei ihrer Verdichtung Kohlensäure und Wasser noch zwischenliegende Umwandlungsstadien durchlaufen; immerhin ist ihr letztes Product diese Sorte Zucker, von welchem aus durch successive Umwandlungen, deren Gang wir kurz betrachten wollen, die Bildung der Cellulose beginnt. Die gebildete Glucose hat unter Einwirkung der Sonnenstrahlen große Neigung, sich mit Glucose im Stadium nascendi unter Ausstoßung zweier Molecule Wasser zu verbinden, und so durch den Lebensproceß der Pflanze ein weiteres Product unter dem Namen Dextrin zu bilden. C⁶H⁵O³ Glucose C⁶H⁵O³       „ –––––––––––––– C¹²H¹ºO¹º Dextrin + 2HO Das Dextrin hat sodann wieder die Neigung, sich mit Glucose zu verbinden und bildet dadurch das Fècule oder Amidon. C¹²H¹ºO¹º Dextrin, C⁶H⁵O³, HO Glucose ––––––––––––––––– C¹⁸H¹⁵O¹⁵ Fécule + HO Dieses Stadium der Entwickelung der Celluloseanfänge gibt Gelegenheit zu erkennen, daß die Cellulosen der verschiedenen Papiermaterialien verschiedene Eigenschaften haben: 1) betröpfelt man Cellulose der Baumwolle mit Jodtinctur, so färbt sich dieselbe schön blau; 2) thut man ein Gleiches mit Cellulose aus Flachs, Maulbeerbaum u.a., so färbt das Jod nur unter Zusatz von Säure blau; 3) betupft man endlich Cellulose von Hanf etc., so erhält man trotz Gegenwart einer Säure erst nach längerer Zeit die Blaureaction. Orioli meint, daß dieser wesentliche Unterschied zwischen der Baumwollcellulose und der Hanf- und Flachscellulose daher komme, daß in ersterer sich beim Entstehen schon das Fécule mit einem neuen Molecule Glucose unter Ausstoßung des Wassers verbunden habe. Das Amidon oder Fécule scheint in der Cellulosebildung die Rolle des Amylum in dem Getreide zu spielen. Tritt zum Fécule ein Molecul Glucose hinzu, so entsteht unter Wasserabscheidung Cellulose. C¹⁸H¹⁵O¹⁵ Fécule, C⁶H⁵O⁵, HO Glucose ––––––––––––––––– C²⁴H²⁰O²⁰ Cellulose + HO Die Glucosebildung, welche allmählich Dextrin, Amidon und Cellulose entstehen läßt, hat ihre Kraft hiermit nicht erschöpft; vielmehr kann die Cellulose neue Molecule Glucose unter Wasserabscheidung aufnehmen und sich in eine verdichtete Cellulose verwandeln. C²⁴H²⁰O²⁰ Monocellulose, C⁶H⁵O⁵, HO Glucose –––––––––––––––––– C³⁰H²⁵O²⁵ Bicellulose + HO. Man begreift, daß diese mehr dichte Cellulose eine energischere Reaction ertragen kann und fordert, bevor sie das Amidon frei gibt, so daß man es mit Jod nachweisen kann; daher die Nothwendigkeit der Verstärkung der Jodreaction bei Flachs etc. durch Zufügung von Säuren. Die Möglichkeit der Bildung mehr zusammengesetzter Cellulose ist stets gegeben und den Hanf kann man daher ganz gut etwa als Tricellulose auffassen nach der Bildungsformel: C³⁰H²⁵O²⁵ Bicellulose, C⁶H⁵O⁵, HO Glucose –––––––––––––––––– C³⁶H³⁰O³⁰ Tricellulose + HO. Diese Tricellulose möchte der Cellulose des Hanfes entsprechen. Diese Herleitung der Cellulosebildung, welche von Berthelot zuerst aufgestellt wurde, enthält also folgende einzelne Producte der Bildungsstadien: C⁶H⁵O³, HO Glucose, C¹²H¹ºO¹º Dextrin, O¹⁸H¹³O¹³ Fécule, C²⁴H²⁰O²⁰ Monocellulose, C³⁰H²⁵O²⁵ Bicellulose, C³⁶H³⁰O³⁰ Tricellulose. Von da ab könnte man weiter auf noch mehrfache Cellulosen schließen, denen das Stroh, die Pisangfasern u.s.w. entsprechen möchten. Orioli will demgemäß eine Abstufung der Papiere aufstellen, also Papier von Baumwolle,     „       „ Flachs,     „       „ Hanf,     „       „ Stroh,     „       „ Pisang etc. In der That steht es fest, daß die procentische Zusammensetzung dieser verschiedenen Papiere absolut identisch ist und daß sie bald mehr durchscheinend, dicht, wasserziehend, tönend, elastisch etc. sind, je mehr man die Reihe herab steigt.Wir berühren diese Theorie hier nach Orioli eingehend und achten dieselbe wegen ihrer geistreichen Idee. Sie aber als fest und unumstößlich anzunehmen, fehlt vorläufig noch viel; denn eine einzige Reactionsreihe liefert keinen Entscheid. Orioli gesteht zu, daß auch er sich lange der gewöhnlichen Ansicht der Papierfabrikanten angeschlossen habe, nach welcher die charakteristischen Eigenschaften der Papiersorten in einer größeren oder geringeren Menge oder in einer Verschiedenheit der incrustirenden Stoffe beruhen würden; besonders abhängig seyen von der Gegenwart einer größeren oder geringeren Menge von fetter oder glutinöser Substanz. Er sagt aber sehr recht über diese Annahme: „warum sie jetzt noch festhalten, da bisher kein Chemiker diese zweifelhafte Substanz zu isoliren verstand!“ Eine Entdeckung jüngster Zeit ist noch mehr im Stande, die bizarre Rolle der glutinösen Substanz in ein Nichts zu verwandeln. Die Cellulose der Baumwolle sollte nach Annahme aller Papierfabrikanten fettfrei seyn. Trotzdem kann sie das Ansehen sehr verdichteter Cellulose annehmen, ihre Geschmeidigkeit, Porosität, Undurchsichtigkeit verlieren, dagegen kann sie ihre Durchsichtigkeit, Steifigkeit und Elasticität des Hanfes selbst erhalten, ohne eine andere Behandlung als mit schwefliger Säure. Es wird dabei die procentische Zusammensetzung nicht geändert, wahrscheinlich aber wird die Cellulose verdichtet, eine Bi- und Tricellulose. Andererseits aber zeigt der Papierfabricationsproceß täglich auch den umgekehrten Fall. Unter der Einwirkung fortgesetzter Waschoperationen verliert die Cellulose von Stadium zu Stadium mehr und mehr ihre Härte und Steifheit, und nähert sich dem Baumwollartigen durch das allmähliche Verschwinden der glutinösen Substanz. Orioli weist auf die hohe Bedeutung dieser Theorie für die Papierfabrication hin. Es werde, wenn sie sich ganz bewahrheite, möglich, trotz der Verschiedenheit der Cellulose doch ein vorgesetztes Resultat mit jeder zu erlangen, da man durch geeignete Reactionen die Erreichung des einen oder anderen Grades von Dichtigkeit der Cellulose zu bewirken im Stande seyn könne. Jedes Agens, welches auf Wasserentziehung hinwirke, z.B. wie schweflige Säure, wird zur Verdichtung der Cellulose passend seyn, jedes Agens welches das Gegentheil erzeugt, besonders die Fermentation, gestattet die Cellulose auf weniger verdichtete, einfachere Formen hinzuführen. Diesen Theorien sind empirisch bereits eine Anzahl von Operationen der Papierfabrication seit Langem gefolgt. Vorstehende Auseinandersetzung gibt, als Résume zusammengefaßt, folgendes Resultat: Die Cellulosenreihe welche für die Papierfabrication tauglich ist und gebraucht wird, setzt sich aus Varietäten von weniger oder mehr verdichteter Cellulose durch Zunahme von Glucose zusammen. Unter denselben hat die Baumwollcellulose die einfachste Formel (C²⁴H²⁰O²⁰). Vorläufig ist es noch unmöglich, genau den Rang zu bestimmen, welchen die Cellulosen des Strohes, Flachses etc. bezüglich ihrer Dichtigkeit einnehmen, auch kann man für die Praxis noch nicht angeben, welchen Grad der Wasch-, Preß-, Schlagoperation etc. man zur Erreichung eines bestimmten Grades der Dichtigkeit der Cellulose anwenden muß. Wir übergehen die allgemeinen Eigenschaften und die Reactionen der Cellulose, da sie in jedem Lehrbuche der organischen Chemie ausführlich zu finden sind. Nur das wollen wir anführen, daß die chemisch reine Cellulose vollkommen weiß ist, mehr oder weniger durchscheinend, elastisch und von 1,50 mittlerer Dichtigkeit. Sie ist unlöslich in Wasser, Alkohol, Aether, flüchtigen und nicht flüchtigen Oelen. In den vegetabilischen Fasern ist Cellulose zu 75 bis 78 Procent enthalten. Die reine Cellulose erleidet in trockener Luft keine Veränderung; wohl aber im Contact mit Feuchtigkeit, sey es bei mattem Licht oder im Dunkeln, bräunt sie sich mehr und mehr unter Bildung von Ulmin. Im Sonnenlicht erleidet die feuchte Cellulose Umänderungen, welche noch unergründet sind. Daß aber in der feuchten Cellulose ein chemischer Proceß stattfindet, ist unzweifelhaft. Merkwürdig ist dabei, daß gefärbte oder überhaupt mit organischer Materie imprägnirte Cellulose sich weniger verändert als die reine Cellulose. Die Einwirkung der Säuren ist nicht uninteressant. Die Schwefelsäure, am besten wässerig angewendet, gibt dem Papier ein pergamentartiges Aussehen, eine Umänderung welche in einer molecularen Aenderung desselben liegt. Verlängert man die Einwirkung dieser Säure auf die Cellulose, so löst sie sich und verwandelt sich in Amidon, Dextrin und Glucose, ohne daß man ein Mittel kennt, diese interessante Reaction aufzuhalten. Concentrirte Schwefelsäure ändert die Cellulose im Ulminstoffe mehr oder weniger kohlenstoffhaltig um. Bei Cellulosen in Form von Holz z.B., bildet sich durch den Angriff der Säure ein gummiartiger Lack, welcher der Säure den Eintritt in das Innere des Holzes versagt. Die Salpetersäure im concentrirten Zustande greift die Cellulose heftig an und bildet stickstoffhaltige Körper von sehr explosibler Natur. Papier wird durch sie gleichzeitig pergamentartig. Ein längerer Contact ergibt successiv Producte von einer einfachen Zusammensetzung bis zur Oxalsäure. Bei der Einwirkung der Salpetersäure auf Holz richtet sich dieselbe hauptsächlich auf die incrustirenden Substanzen und selbst nach stundenlangem Zusammenseyn wird das Holz nicht vernichtet, was wohl von der Wasseraufnahme der Säure aus dem Holze herrühren mag. Königswasser wirkt ebenso wie Salpetersäure. Concentrirte Salzsäure löst die Cellulose in geringer Quantität auf. Mit besonderer Aufmerksamkeit hat Orioli die Anwendung des Königswassers für Extraction der Cellulose untersucht. Bereits vor mehreren Jahren veröffentlichte die Firma Orioli, Neyret und Fredet ein Verfahren unter Anwendung des Königswassers. Seitdem ist dasselbe Gegenstand eingehender Prüfungen auf praktische Verwendbarkeit in Pontcharra geblieben. Orioli hatte bereits lange gefunden, daß das Holz in Form von Hobelspänen sich durch Salzsäure sowohl als durch Salpetersäure extrahiren lasse. Beide Säuren lösen die incrustirenden Materialien; die Resultate sind jedoch nicht ganz gleich. Die Salpetersäure wirkt intensiver auf Zersetzung und Entfärbung des Holzes, während die Salzsäure das Holz schwärzt und die nachfolgenden Operationen complicirt macht. Die Salpetersäure ist zu theuer, um allein zur Holzextraction Verwendung finden zu können. Orioli stellte daher Versuche an, beide Säuren im Gemisch zu verwenden und zwar in allen Stadien der Mischung. Nur die Gemische welche so viel Salpetersäure enthielten, daß dadurch die Neigung der Salzsäure, das Holz zu schwärzen, aufgehoben wurde, entsprachen der praktischen Verwendung. Ein solches Gemisch, bei welchem zugleich die Billigkeit des Preises mit redete, wurde am wirksamsten bei 80 Proc. Salzsäure und 20 Proc. Salpetersäure gefunden. Späne von Pappel- oder Tannenholz mit diesem Säuregemisch behandelt, wurden nach 34stündiger Einwirkung der Säuren weich und schwammig und zerfaserten sich unter dem Druck der Finger sehr leicht. Die Farbe war, nicht verändert, die Zerstörung der incrustirenden Materialien war vollständig erreicht. In Folge dieser Beobachtung kam Orioli zu dem Schluß, daß die also behandelten Holzfasern, nachher mit Sorgfalt gewaschen, zermahlen in einem Mörser, gewaschen, darauf mit einer 10 Proc. Soda enthaltenden Lauge ausgespült, gebleicht mit einem 10procentigen Chlorkalkbade, lange, weiche, haltbare, seidenartige und vollkommen bleichbare Fasern ergeben müssen, bei Gewinnung von 50 Proc. des angewendeten Holzes an Faser, unter Ausgabe von 30 Proc. Königswasser für 100 Theile Holzpate. Trotzdem also diese Methode sehr gute Resultate an sich gegeben hatte, so blieb doch der Erfolg bei Anwendung im Großen hinter diesen Erwartungen eigenthümlicher unerwartet eintretender Störungen halber zurück. In großen Gefäßen von Stein, etwa 1000 Liter haltend, wurde das Holz mit dem Königswasser gemischt. Ungeachtet der Garantien der Fabrikanten solcher Gefäße fanden sich schnell Ritzen für das Säuregemisch und es gelang auch bei späteren Versuchen niemals diese Gefäße vollkommen dicht zu erhalten. War dieser Fehler schon unangenehm, so traten noch die sich entwickelnden röthlichen Dämpfe hinzu und verursachten die heftigsten Augenschmerzen. Nach der Zersetzungsoperation wurden die Fasern zermahlen und dann gewaschen. Hierbei muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß ein längeres Hinausschieben des Waschprocesses möglicher Weise ein gänzliches Verbrennen oder Zerstören der Fasern durch die Säuren veranlassen kann. Der Waschapparat bot neue Schwierigkeiten. Das Königswasser greift energisch das Eisen der Wäscher an, es zersetzt aber auch das Sodabad, neutralisirt eine Partie der Soda, was einem offenbaren Verlust gleichkommt, und dann muß man jeden Augenblick befürchten, daß sich Eisenchlorür und salpetersaures Eisen bildet und in die Pate dringt, wodurch diese dann selbstredend gänzlich verdorben wird. So zeigte sich denn dieses Verfahren, welches bei einem Versuche im Kleinen große Erwartungen für die Praxis rege machte, als ganz unbrauchbar, theuer und gesundheitsschädlich. Von Coupier, Barre, Blondel und Delaye ist zu verschiedenen Zeiten die Zersetzung der Holzspäne mittelst Salpetersäure, mit Wasser verdünnt, bis zum Siedepunkt erhitzt, versucht worden. Bachet und Machard haben mit siedender Salzsäure und Schwefelsäure (stark verdünnter) gearbeitet, mit der Idee, die incrustirenden organischen Substanzen in Glucose überzuführen und so die Fasern zu reinigen und zu isoliren. Alle diese Methoden haben, trotz der hohen Versprechungen ihrer Erfinder, der Praxis kein erfolgreiches Mittel geboten. Dagegen haben die Versuchs mit kalten Säuren im concentrirten Zustande, oder besser noch im sehr verdünnten Zustande oder an Kalk gebunden, viele brauchbare Resultate geliefert, deren Erfolg von den Apparaten zum Waschen und Zerkleinern allerdings mit bedingt ist. Wir müssen freilich hier anführen, daß die angewendeten Kalksalze stets den Lüster und die Kräftigkeit der Fasern angreifen und verdunkeln. Aus diesem Grunde empfiehlt Molemann-Laubuhr die Anwendung von Polysulfür des Natriums oder Kaliums, oder auch eine Mischung von Chlorkalk mit Soda- oder Magnesiasulfaten. In Amerika und England rühmt man sich allerdings, die Extraction des Holzes nur durch Waschprocesse und Bleichen erzielen zu können, allein Orioli meint, daß vom Standpunkte der Preiswürdigkeit aus bisher ein Extractionsproceß ohne Anwendung von Säuren nicht möglich ist. Es ist nicht zweifelhaft, daß Vegetabilien von geringen Dimensionen wie das Spartgras, das Stroh etc. keiner Vorbearbeitung durch Säuren bedürfen, allein der Unterschied der Bearbeitung solcher vereinzelter Cellulosepartien von der des dichten Gefüges der Holzcellulose liegt auf der Hand. Schon Mohl unterscheidet in seiner Methode der Extraction der cellulosehaltigen Körper leicht entfernbare und hartnäckig anhaftende Beimengungen und meint, für Holz z.B. sey die Anwendung von Salpetersäure zur Durchdringung desselben unerläßlich; Schultze hat auch die Unzulänglichkeit dieses Mittels gezeigt und dafür eine Mischung von 20 Theilen Salpetersäure (1,16 spec. Gew.) mit 3 Theilen chlorsaurem Kali empfohlen. Wenn man das Holz in Späne verwandelt hat, muß man die Pectinkörper zunächst zu zersetzen suchen, um eine freie Bahn für die Wirkung des Waschprocesses zu haben. Die Erfahrung hat allerdings gezeigt, daß die Wirkung ohne diese vorgängige Behandlung nicht immer gleichartig ist. Das Verfahren von Bachet und Machard scheint am ökonomischsten und bequemsten für die vorgehende Zersetzung zu seyn. Trotzdem haben sie nicht die Resultate erzielt, welche sie in Verbindung mit einer geeigneten Wäsche, Zerfaserung, Einweichung und Bleichung nöthigenfalls erhalten konnten. Alle übrigen Methoden mit Hülfe der Fermentation, Röstung, Präparation mit Kalkpolysulfüren, mit Kalkbädern etc. entbehren ebenfalls der wirklich fruchtbaren Ergebnisse für die Praxis schon der zeitraubenden Operationen und Verzüge dieser Processe wegen. Orioli gibt nun, nachdem er das vorgängige Extrahiren des Materiales mit Säuren als nothwendig hingestellt hat, besondere Vorschriften für die Processe und Arbeiten, welche seines Erachtens nach eine Hauptsache für den ökonomischen Betrieb der Pategewinnung sind. Vorschläge, Verfahrungsarten, Apparate zur Vornahme des Waschprocesses sind in zahlreichem Maaße gegeben. Man unterscheidet vier Hauptmethoden: 1) Wäsche auf dem Rahmen, 2)     „         „  Waschtambours, 3)     „         in Waschtrommeln, 4)     „         auf geneigter Ebene. Die erste Methode erfordert große Apparate, um ökonomisch zu arbeiten, eine große Menge Material und viel Betriebskraft. Sie wirkt sehr energisch, aber erzeugt viel Abfall. Die zweite Methode ist passabel für Lumpen. Sie gibt weniger Abfall. Für die zersetztere Pate aber ist sie unpraktisch, weil dieselbe aufsteigt und obenauf schwimmt, das schmutzige Wasser untersinkt und sehr schwer zu erneuen ist. Die Wäsche im Tambour, mit perforirtem Blechmantel, eintauchend oder nicht, schnell rotirend, hat den Uebelstand des schnellen Verbrauches des Mantelbleches und gibt bessere oder weniger gute Resultate je nach der vermehrten oder verringerten Versetzung der Löcher im Mantelbleche. Eine Reinigung des Mantels ist sehr schwierig. Orioli hält die Wäsche auf geneigten Ebenen für die einfachste energischste. Sie beansprucht wenig Raum und liefert sehr wenig Abgang. Um dieses System zu compiliren, stellt man eine Säule auf, welche wenigstens 1000 Kilogr. Pate fassen kann und die in ihrem Inneren eine große Danaide oder ein Schaufelrad enthält, oder auch irgend einen anderen Apparat, welcher die Pate auf den höchsten Punkt eines um 45° geneigten Rahmens hebt, mit welchem sie unter einem Wasserfall fortschreitet, in einer Säule circulirend. Orioli hat diese Vorrichtung seit 1 1/2 Jahren eingeführt und spricht aus, daß, wenn er dieselbe früher gehabt hätte, er wahrscheinlich weniger Schwierigkeiten in der Verarbeitung des Holzes gefunden haben würde. Bei dem Kochen (lessivage) der Pate vindicirt Orioli der Gestalt der Apparate und der Manier der Operation sehr viel Bedeutung für den Erfolg. Er verwirft Apparate über directem Feuer gänzlich, selbst dann, wenn dieselben im Inneren einen mechanischen Rührapparat enthalten. Es ist sehr schwierig, ja fast unmöglich, das Anbrennen einiger Fragmente der Fasern zu verhindern. Solche angekohlte Stücke bleichen aber nicht mit, erscheinen bräunend in der Pate und machen ihren Gebrauch zu weißem Papier unmöglich. Wenn man zur Vermeidung dieses Uebelstandes auch die Wassermenge vergrößert, so ist man gezwungen, auch die Masse der Soda bedeutend zu erhöhen und die Kostspieligkeit verbietet dann solche Methode von selbst. Auch der Apparat mit drehendem Gefäß leidet an gleichen Uebelständen. Dagegen bietet der Apparat mit Dampfheizung, sey es mittelst Schlange, sey es mittelst Doppelboden, jeden Vorzug. Orioli gibt dem Apparat mit Doppelboden den Vorzug, weil derselbe von einfacherer Construction ist, sich und die in ihm enthaltene Masse schnell erhitzt. Die Schlange hat weniger wirksame Heizfläche und erhitzt deßhalb langsamer. Orioli behauptet, daß ein solcher Apparat mit Doppelboden fast ein Drittel der Soda, ein Viertel des Brennstoffes und ein Fünftel der Zeit gegenüber dem Schlangenapparate erspare. Die Methode des Gebrauches dieses Apparates concentrirt sich auf drei Hauptpunkte: 1) die richtige Dosis der Soda, 2) die Zeit der Operation, 3) die geeignete Spannung des Dampfes. Eine Vermehrung eines dieser drei Factoren gestattet die Verminderung der anderen. Vermehrt man die Quantität des Wassers, so ist man gezwungen, gleichmäßig den Sodazusatz, den Dampfdruck und die Zeit des Kochprocesses zu erhöhen, um ein gutes Resultat zu erhalten. Orioli kann hierfür allerdings keine Resultate und bestimmte Verhältnißzahlen wegen der variirenden Eigenschaften der zu behandelnden Stoffe angeben, allein die Praxis hat die Richtigkeit obiger Angabe evident erwiesen. Wesentlich für das Gelingen des Kochprocesses ist ein allmähliches Steigen der Temperatur und ebenso ein allmähliches Abnehmen derselben. Orioli hat ferner für die Anwendung und Anwendbarkeit des Ammoniakwassers eingehende Versuche gemacht. Bekannt ist, daß das Ammoniakwasser das Gas schon bei niedriger Temperatur entweichen läßt, daß ferner das Ammoniak ein gutes Lösungsmittel für organische Farbstoffe ist, daß dieses Alkali die harzigen und fetten Bestandtheile verseift. Seine Einwirkung auf die incrustirenden Bestandtheile der Cellulose ist ähnlich der der Soda und Potasche; man muß jedoch, um Verluste zu vermeiden, diese Operation in verschlossenen Gefäßen vornehmen. Orioli's Versuche haben ergeben, daß das Ammoniak in einem geschlossenen Gefäß die vegetabilischen Fasern jeder Natur entfärbt und desaggregirt, wenn es in einer Quantität von 50 Procent angewendet wird. Er hat den Apparat zum Kochen mittelst Röhren mit einem Recipienten in Verbindung gesetzt, in welchen nach Beendigung des Processes das entbundene Gas entweichen kann. Auch den Theil des Ammoniaks welcher mit den Harzen und Fetten Seife gebildet hat, entbindet man durch Zufügung von Soda oder Potasche und fängt das Gas auf, um es bei Fortführung des Kochprocesses auf eine neue Quantität Pate wieder in das Kochgefäß einzuführen. Man könnte so ein Quantum Ammoniak wiederholt zum Kochen der Materialien benutzen. Einige Zufälligkeiten, welche Orioli's Versuche begleiteten und die Methode weniger günstig erscheinen ließen, werden sich beseitigen lassen. Jedenfalls ist die anerkannte Wirkung des Ammoniaks, welche auch andere Alkalien theilen, nämlich die Proteinstoffe aufzuquellen und zu lösen, constatirt, dazu tritt aber noch die dem Ammoniak eigene Kraft, die incrustirenden Farbstoffe zu entfärben, die auch für die Bleicherei der Farbstoffe von hoher Bedeutung ist. Auf die Zerfaserung, das Zerreiben, Zermahlen (trituration) der Patenten Faserstoffe legt Orioli sehr hohes Gewicht. Jede schlecht zersetzte, d.h. schlecht behandelte Pate kann natürlich auch durch die Zerkleinerung kein homogenes Product für die Bleiche liefern. Es ist nicht genug Gewicht darauf zu legen, daß alle Operationen mit gleicher Sorgfalt vorgenommen werden sollen. Einer mangelhaften Säurebehandlung folgt ein ungleichartiges Kochen. Diesem folgt dann eine allerdings gleichmäßigere Zersetzung, aber dessen ungeachtet ungleichartige Bleichung. Ein schlechtes Kochen läßt Späne halb zersetzt. Dennoch können solche Späne durch das Zermahlen auf gleiche Dimension gebracht werden, aber der chemische Bestand ist dann immer ein anderer und keine noch so sorgfältige Bleichbehandlung kann dieß verbessern. Deßhalb sagt Orioli mit vollem Recht, man untersuche vor der Operation des Zerkleinerns genau die Pate und bringe keine unvollkommen zersetzte zur Verwendung. Eine Zermahloperation kann so wenig da verbessernd auftreten, als eine Operation des Bleichens. Es geht dann immer auf Verlust hinaus. Zur Erkennung dieses richtigen Zersetzungsstadiums gehört ein praktisch geübtes Äuge. Eine gut präparirte Pate ist elastisch, schwammig, schwer, gleichartig, sanft anzufühlen, wasserbegierig; eine schlecht zersetzte Pate dagegen roh, compact, bauschig, hart, trocken und brechend. Hat man es mit guter Pate zu thun, so muß man auf die richtige Zerkleinerung sehr genau Obacht geben. Man hat bisher Apparate construirt und in Gebrauch genommen, welche durch Stoß, Reibung, Zerreißen und durch Zerreißen in Verbindung mit Reibung wirken. Die Apparate der ersten Ordnung, die also durch Stoß wirken, sind ohne Zweifel sehr treffliche Instrumente; sie nehmen aber zu viel Raum weg und arbeiten zu langsam. Trotzdem ist die Anwendung der Hämmer das vortrefflichste Mittel um die Fasern zu zertheilen, sie zu öffnen und in ihre einfachsten Elemente zu zerlegen. Die Frictionsapparate, wie der verticale Mühlstein, welcher sich über dem horizontalen kreisförmig bewegt, können nicht so gut verwendet werden, weil sie meistens die Fasern nicht öffnen und zertheilen, sondern dieselben mehr oder weniger pulvern. Aehnlich wirken die Holzschleifmaschinen. Die Maschinen zum Zerreißen und Zerschneiden, welche für Lumpen so gute Resultate liefern, eignen sich zur Bearbeitung der vorgeschrittenen Producte sehr wenig. Es bleibt nun übrig der Apparat zum Zerreiben und Zerschneiden, die sogenannte Pulp-engine. Diese Maschine machte gleich bei ihrer Veröffentlichung (1357) bedeutendes Aufsehen. Jedoch ist nicht zu verschweigen, daß man die Erwartungen nicht ganz erfüllt fand. Trotzdem ist diese von Kingsland construirte, in England und Deutschland (Thode) schnell nachgebaute und eingeführte Maschine von großem Erfolg gewesen. Sie hilft vor Allem dem Uebelstand des Holländers ab, sowohl den feinen als den groben, den schwachen wie den starken Fasern einen gleichen Grad des Zermahlens zu ertheilen, wodurch die groben zu wenig, die feinen Fasern aber zu viel gemahlen werden. (Müller.) Die Güte des Papieres hängt aber von der Gleichartigkeit der Faser ab und deßhalb setzt man die Zermahlung des Stoffes gewöhnlich so lange fort, bis die gröbste Faser ebenfalls zerkleinert ist, wobei natürlich die feine Faser meistens schon zu Pulver geworden ist. Ferner ist die Umdrehungsgeschwindigkeit des Holländers eine beschränkte. Diesen Uebelständen des Holländers unterliegt die Centrifugal-Pulp-engine nicht. Orioli redet der Pulp-engine ebenfalls das Wort und betheuert, daß sie ihm in der Fabrik zu Pontcharra bedeutende Dienste geleistet habe. Er rühmt von der Maschine, daß sie die Fasern durch Friction gut trenne und durch Zerschneiden und Zerreißen verfeinere; doch sagt er, ein sehr gewichtiger Uebelstand sey der, daß die Pate nur einmal zwischen den mit Stahlrippen versehenen Scheiben durchpassire und wenn diese nicht ganz genau eingestellt wären, so gingen eine Menge unzertheilter Späne hindurch, die dann selbstredend beim Bleichproceß ungleich gebleicht würden. Orioli hat aus diesem Grunde darauf gesonnen, einen neuen Apparat zu construiren, welcher absolute Sicherheit der Operation bietet. Bei demselben hat er zunächst im Auge gehabt, das evident gute Resultat, welches die Kombination vom Zerschneiden und Zertheilen mit Frictionswirkung gibt, beizubehalten. Seine Absicht ging deßhalb darauf hin, die Pate, so oft als nöthig, zur Herstellung ihrer vollkommenen Gleichartigkeit mittelst der Rippenscheiben zu bearbeiten. Sobald dieß möglich ist, kann man die Stellung der Platten beliebig regeln, d.h. man kann allmählich die Platten einander näher rücken und braucht nicht gleich die größtmögliche Dichtstellung einzurücken. Ferner gibt Orioli eine sehr große Geschwindigkeit. Er benutzt die Centrifugalkraft, um zugleich die durchgegangene Pate in ein höher liegendes Reservoir zu drücken, von wo sie dann auf das Plattensystem wieder zurückfällt und so fort. Nun hat er durch einfache Construction ein Näherstellen der Platten in der Hand und bewirkt dasselbe, so oft die Pate durchgegangen und zurückgekehrt ist. Die Schnelligkeit der Plattenwelle gestattet zugleich die Anwendung eines Siebes, durch welches die Pate beim Emporsteigen in das Reservoir hindurch gedrückt wird. Dieses Absieben erfolgt somit auch mehrere Male, nämlich so oft, als die Pate durch die Maschine geht. Die Pate fällt auch dabei nicht sofort in die Kufe zurück, sondern zunächst auf ein Drahttuch ohne Ende und wird hier ausgewaschen, so daß also damit auch eine sonst für sich gesondert vorzunehmende Operation mit besorgt ist. Endlich führt Orioli noch als wesentlich günstiges Moment für diese Maschine an, daß sie die fertige Pate in eine höher liegende Etage durch die Wirkung der Centrifugalkraft treibe. Man muß gestehen, daß diese Construction Orioli's sehr viel Günstiges enthält und bietet. Bekanntlich gingen über den Centrifugal-Holländer die Meinungen sehr auseinander. Während die Einen ihn für die beste Maschine zu dem Zerkleinerungsproceß erklärten, haben Andere ihr viel Uebels nachgeredet und besonders die ursprünglich bei ihrem Erscheinen wohl ein wenig zu hoch gegriffene Kraftersparniß in Zweifel gezogen. (Man behauptete, daß ein gewöhnlicher guter Holländer für eine Lieferung von 100 Pfd. Ganzstoff in einer Stunde 32 Pferdestärken nothwendig mache, während die Pulp-engine nur etwa die halbe Kraft beanspruche.) Müller hält eine Anwendung dieses Centrifugal-Holländers nur für große Fabriken angebracht und räth, die Construction desselben erst auf kleinere Dimensionen zu reduciren, damit er auch für kleinere Fabriken anwendbar würde. Diese neue Construction des Centrifugal-Holländers ist dazu geeignet, dessen Anwendbarkeit zu vermehren. Was den Bleichproceß anlangt, so verweisen wir auf die bereits angeführten Bemerkungen bezüglich der Gleichartigkeit und Gleichförmigkeit der Paten. Orioli bespricht einzeln die Bleichprocesse, welche in der Praxis angewendet werden. Er gibt den Methoden mit Hülfe des Chlorgases und der unterchlorig sauren Salze den Vorzug vor allen anderen. Er erinnert an seinen Vorschlag von 1846, durch Salzsäurewirkung auf Chlorkalk eine schnelle Gasentwickelung zu erzielen, hält aber die Bleiche mit Chlorgas für gefährlich, schwer zu regeln, gesundheitsnachtheilig und unbeständig. Er macht darauf aufmerksam, daß ohne Ueberschuß des Gases die Pate nicht genügend gebleicht werde, daß bei Ueberschuß die Masse wohl durchgebleicht werde, die oberen Schichten aber durch das Gas heftiger angegriffen, als Abfall zu betrachten seyen. Orioli gibt den unterchlorigsauren Verbindungen den Vorzug. Schon 1859 hat er auf den Gebrauch der unterchlorigsauren Thonerde hingewiesen, welche eine rasche Wirkung unter gänzlicher Abwesenheit und Fernhaltung saurer Reactionen bewirke, welche letztere sonst nur durch sorgfältige Waschungen zu vertreiben seyen. Jedoch ist dieß Salz für ausgedehnten Gebrauch zu theuer und seine Anwendung beschränkt sich daher auf die Fabrication feiner Sorten Papier, für welche die Dauerhaftigkeit eine unerläßliche Bedingung ist. Die Bleicherei mit Chlorkalk ist daher am umfangreichsten eingeführt. Orioli hat, um so ökonomisch und regelmäßig als möglich den Gang dieser Bleichung zu gestalten, einen besonderen Apparat construirt, den Chlor-Extracteur. Derselbe, bereits in mehreren französischen Papierfabriken eingeführt, bietet den Vortheil, den Chlorkalk je nach dem Zweck mehr oder weniger zu zertheilen und Orioli versichert, daß derselbe eine Ersparniß von circa 15 Procent an Chlorkalk gewähre. Um die Bleicherei zu beschleunigen, haben einige Praktiker vorgeschlagen, die Lösung des Chlorkalkes zu erwärmen; Orioli hat aber gefunden, daß dieß aus zwei Gründen ganz unpraktisch sey. Einmal verwandelt die Wärme einen Theil des unterchlorigsauren Kalkes in chlorsauren Kalk und dann ist er für den Bleichproceß verloren; ferner ist constatirt, daß der Chlorkalk den Abgang vermehrt, wenn er erwärmt zur Anwendung kommt. Andere Fabriken haben den Gebrauch der Kohlensäure vorgeschlagen, um das Chlor wirksamer zu machen. Allein dieser Gebrauch wirkt zu wenig merklich für Erhöhung der Bleichkraft, als daß die höhere Ausgabe gerechtfertigt wäre, welche besonders durch Umänderung und Complication des Apparates vergrößert wird. Gründliche Studien haben Orioli gezeigt, daß eine Zugabe von Schwefelsäure zum Chlorkalkbade sehr gut und ökonomisch wirkt. Man darf dieselbe nur vorsichtig machen und nicht zu groß nehmen, weil im letzteren Falle die Pate vergraut. Auch muß auf das schwefelsaure Bleichbad eine energisch wirkende Waschung vorgenommen werden, worauf dann noch eine leichte Bleiche in einem Chlorbade mit 2 bis 3 Procent Chlorgehalt erfolgt. Man erhält mit Hülfe dieses Processes eine sehr schöne Pate, wenig Abfall und man spart Zeit, reservirt die Festigkeit der Faser, obwohl wir nicht glauben, daß die Festigkeit im höheren Grade erhalten bleibt. Wir bemerken, daß v. Kurrer bereits früher auf die gute Wirkung des mit Schwefelsäure versetzten Chlorkalkbades hingewiesen hat; sein Werk „die Kunst, alle Stoffe zu bleichen“ ist leider ganz vergessen. Orioli kommt nun auf die Besprechung der verschiedenen Pflanzen, welche für die Extraction der Cellulose am brauchbarsten sind. Schon oben würde die Kategorie der Pflanzen welche die Cellulose in festerer Faserform enthalten als diejenige bezeichnet, welche für die Papierfabrication von Wichtigkeit ist. Zu den dadurch gleichsam als unbrauchbar hingestellten Pflanzenstoffen gehören die öfter mit einem geringen Erfolg in den Kreis wenigstens des Versuches hinein gezogenen Stoffe: Wurzeln der Luzerne, Blätter der Bäume, Cellulose des Varech, der Zuckerrübe, der Weinbeere, der Kohlsaat, der Kartoffeln, der Körner verschiedener Meerpflanzen etc. Man sieht, daß solche Stoffe zum Theil Abfallproducte anderer Fabricationszweige sind und als solche auf diese Weise Verwendung finden sollten. Dennoch ist dieß nicht in irgend umfassender Weise gelungen. Einige Erneuerer haben dann die Rinden der Bäume für passend erachtet, so Chevallier, Collier, Gerard, Small, Roques, Lagrange-Boué u.a. Soweit die Bäume faserreiche Bastrinde haben, läßt man sich die Sache gefallen. Aber man ist zu Utopien der sonderbarsten Art gekommen, hat Cactusblätter vorgeschlagen und sogar frischen Spargel. In der Mitte des vorigen Jahrhunderts existirte eine besondere Neigung zur Untersuchung der für die Papierfabrication verwendbaren Stoffe. Der erste Untersucher der Art war 1751 Guettard. Er ward jedoch weit übertroffen von J. C. Schäffer. Ihnen reihte sich Delisle an, dessen Versuche sehr ausgedehnt und weitgehend waren. Das beste Werk aus jener Zeit ist jedoch das von Marquis de Vilette (Oeuvres du Marquis de Vilette sur du papier de Guimauve; les mêmes, imprimés sur du papier d'ecorce de Tilleul), welches eine Sammlung von Papieren aus den verschiedensten Pflanzenstoffen angehängt enthält und zwar aus Nessel, Hopfen, Flechten, Rose, Conserven, Weiden-, Haselstrauch-, Pfaffenhütchen-, Eichen-, Pappel- und Rüsternrinde, aus Kletten, Disteln, Eibisch (Althaea) und Moos. Aus jenen Werken von Schäffer, de Vilette, Delisle etc. könnte man sehr viel lernen, nämlich vor Allem vermeiden, daß fort und fort dort bereits abgethane Versuche als Neuigkeiten wieder auftauchen und die Runde durch viele Journale machen. Orioli macht aber noch auf eine andere Seite der Sache aufmerksam. Es darf nämlich das Rohmaterial nicht zu fern wachsen und gewonnen werden, weil sonst die Transportkosten die Möglichkeit einer vortheilhaften Verwendung in Frage stellen. Nur allein das Espartogras hat in England erfolgreiche Verwendung gefunden, obgleich es in Spanien wächst und gewonnen wird. Daß dieser Ausnahmefall existirt, liegt mit an dem für Kornbau weniger ergiebigen Boden des britanischen Reiches. Wo dieser gedeiht, liefert das Stroh eine vortreffliche Pate. Sobald aber die Transportkosten für ein von Außen herbeigeführtes Rohmaterial unter den Kosten der Rohmaterialbeschaffung durch inländische Producte bleiben, so ist die Importation desselben gewiß gerechtfertigt. Orioli geht auf die Verwendung des Holzes zur Papierfabrication ein, beschreibt die Ausdehnung dieser Fabrication und die Momente der Verarbeitung nach Völter's System. Er berührt, daß die Neuerungen von Cauchard u.a., welche vorzüglich auf Kraftersparniß gerichtet waren, keinen Erfolg gehabt, trotzdem die Völter'sche Maschine sehr groß und kostbar ist. Sie ergibt aber sehr treffliche Resultate. Orioli charakterisirt sehr richtig die Bedeutung der Fabrication der Holzpate, welche zunächst nur ein Surrogat seyn soll und die Hadern nicht ganz entbehren will. In Belgien hat man mit dem Stroh des Kornes große Resultate erzielt. Die Fasern des Strohes sind fein und wenig incrustirt. Die Strohpate ist, gut bearbeitet, sehr weiß; sie ist sehr fett, durchscheinend und unbenetzbar. Orioli schneidet für die Fabrication der Strohpate das Stroh sehr kurz. Dadurch faßt die Maschine davon mehr, ohne daß das alkalische Bad verstärkt werden müßte. Auf gleicher Stufe mit der Benutzung des gewöhnlichen Kornstrohes steht die Anwendung des Maisstrohes. Dieselbe ist fortlaufend seit einem Jahrhundert durch Reeves, Cobbet, Baroggi, Sprague, Evort, Shaw, Bouchel, Gontier u.a. und in neuester Zeit durch Hrn. v. Auer vorgeschlagen worden. Die Qualität des Maispapieres ist vorzüglich; aber der Preis dieses Rohstoffes ist zu hoch, hauptsächlich durch den enormen Abfall, welcher mit seinem Gebrauch veranlaßt wird. Man ist daher wieder davon zurückgetreten. Man muß dabei allerdings auf österreichische Landzustände Rücksicht nehmen. In Ungarn ist das Maisstroh im Ueberflusse fast umsonst zu haben. Ungarn producirt jährlich allein 23 Millionen Centner Maisstroh. Aber in Oesterreich bleibt man zu häufig auf halbem Wege stehen und so werden denn auch die vorzüglichen Versuche des Hrn. Diamant von keiner Folge werden, es sey denn, die Maisstroh-Papierfabrication würde einer Privatunternehmung anheim fallen. Nicht besseres Glück hatten die Vorschläge zur Verwendung der Zuckerrohr- und Sorghumfasern oder des Rohres. In China und Japan freilich spielt der Reishalm eine hervorragende Rolle in der Papierfabrication und gibt den chinesischen und japanesischen Papieren jene Leichtigkeit und Eigenartigkeit. In England hat das Spartgras (Esparto) als Rohmaterial für die Papierfabrication die Oberhand gewonnen. Interessant sind die Importlisten für die Rohmaterialien in England: Lumpen Esparto 1866 24000 Tonnen 69000 1867 18000     „ 54000 1868 17000     „ 95000 Die Espartopate wird sehr weiß und schön, und ist nicht durchscheinend. Sie kann selbst, was bei dem Stroh nicht der Fall ist, zu feinem weißen Papier Verwendung finden. Nur an einer Inconvenienz leidet die Spartgras-Papierfabrication. Die Pate bildet leicht Knoten. Jedoch ist dem bereits durch eine kleine Maschine entgegengewirkt. – Nicht zu unterschätzen sind die Versuche, welche man mit den Abfällen von Flachs und Hanf seit längerer Zeit angestellt hat. Die Versuche von la Garde, Meyer, Laforest, Friese, Boucet, Schmidt u.a. haben hinreichend bewiesen, wie die leider vielfach unbenutzt gelassenen Schäben und Abfälle beim Brechen, Hecheln und Schwingen zu sehr haltbarem Papier sehr gut zu verwenden sind, zumal der Röstproceß vorgängig bereits die Pectinkörper entfernt hat. Auch Orioli scheint diese Fabrication zu unterschätzen. Aus den Scirpusarten und Cyperaceen sind nicht minder gute Paten zu gewinnen als aus anderen Gramineen, welche sich der Halmform nähern. Wir machen dazu besonders aufmerksam auf die Verwendung der Pflanzen Papyrus hyriaca oder nilotica und Cyperus papyrus. Es ist der Gebrauch dieser Pflanzen zu Papier der allerälteste. Aus Papyrus stellte man in alten griechischen und römischen Zeiten die Schriftrollen her und Plinius und Cassiodorus melden uns ausführlich über dieses eigenthümliche Papier, von welchem der letztere sagt, es sey weiß wie Schnee und aus kleinen Stückchen zusammengesetzt, deren Zusammenfügung man aber nicht mehr bemerken könne. Unter allen diesen Stoffen hat Orioli in Pontcharra die Pate von Stroh für die für Frankreich am besten passende erkannt. Er selbst fabricirt unter Anwendung oben angeführter Verbesserungen der Methoden und Apparate Strohpate zum Preise von 66 Frcs. per 100 Kilogrm., also viel billiger als die entsprechende Menge Hadernpate. Frankreich kann jährlich 3 Millionen Kilogramme Stroh an die französischen Papierfabriken ganz gut liefern. Orioli empfiehlt daher diese Fabrication und schon wird dieselbe vielfach eingeführt. Eugen Breton und Comp. zu Thar bei Granville (Manche) haben daneben einen Versuch gemacht, Papierpate aus den Varechpflanzen herzustellen. Diese Pflanzen ergeben höchstens 2 1/2 Procent und sind nicht im Ueberfluß vorhanden. Deßhalb haben auch sie sich dem Stroh und Esparto zugewendet und fabriciren auf dieser Basis ausgezeichnetes Papier. In den Vogesen beginnt eine Fabrik ebenfalls auf Grundlage der Strohpate zu arbeiten. Dagegen suchen Bachet und Machard ihr Product in einer Holzpatefabrik ebenfalls in den Vogesen zu verwerthen, während auch das Völter'sche Verfahren dort angewendet werden wird. Der Import von Holzpate aus Deutschland nach Frankreich ist ziemlich bedeutend.