XXXIV.Neue Kessel-Feuerungs-Formel; von
Prof. Gustav Schmidt
in Prag.19)Vom Verf. aus den „Mittheilungen des Architekten- und
Ingenieurvereines für Böhmen (Jahrgang VII, Heft 2)“
eingesandt.Schmidt, neue Kessel-Feuerungs-Formel.In meinem Artikel „über den Bolzano'schen
Klarkohlenrost“ (mitgetheilt im polytechn. Journal Bd. CCV S. 5, erstes Juliheft 1872) habe ich
Gebrauch gemacht von den bekannten und in jenem Aufsatze auch nebenbei abgeleiteten
Formeln für die Kesselfeuerung:
[Textabbildung Bd. 206, S. 114]
in welchen bedeutet:S die stündlich verdampfte Wassermenge in Kilogrm.,F die Heizfläche in Quadratmetern,B das pro Stunde verbrannte
Brennmaterial in Kilogrammen,k den Wärmedurchgangs-Coefficienten, nämlich die
in Calorien ausgedrückte Wärmemenge, welche für je 1 Grad Celsius
Temperaturdifferenz zwischen Gasen und Kesselwasser stündlich durch 1 Quadratmet.
Heizfläche hindurchgeht.Nach Redtenbacher ist für stationäre Kessel mit Rücksicht
auf Ruß und Kesselstein k = 23; für ganz gereinigte
Kessel, so wie für Locomotivfeuerung nehme ich k um die
Hälfte größer an, k = 34,5.t₁ die Temperatur der Verbrennungsgase im
Heizraume in Graden Celsius,t₂ die Temperatur der den Kessel verlassenden
Gase,w die Temperatur des Kesselwassers,H die Heizkraft des Brennmateriales:für mittlere Steinkohle H = 6300
Cal.,für Klarkohle H = 4200, ξH die wirklich am Rost entwickelte Wärmemenge,
ξ je nach Rostconstruction und Bedienung =
0,75 bis 0,95, durchschnittlich ξ = 0,9
angenommen.Factor 0,9 in der Formel (2) davon herrührend, daß nur etwa 0,9 der von den Gasen
abgegebenen Wärmemenge auf das Wasser übertragen wird, und 0,1 derselben durch
Ausstrahlung verloren geht.Diese Formeln sind für den praktischen Gebrauch in sofern unbequem, als es sehr
umständlich ist, aus denselben die verschiedenen zusammengehörigen Temperaturen und
die zugehörigen Werthe von S/B (Dampfmenge pro 1 Kilogrm. Brennstoff) und B/F (Brennmaterialverbrauch pro 1 Quadratmet.
Heizfläche) abzuleiten, wenn ein bestimmtes Verhältniß S/F (stündliche Dampfmenge pro 1 Quadratmet.
Heizfläche) gegeben ist.Man kann sich aber mit einer für den praktischen Gebrauch genügenden Genauigkeit
statt der logarithmischen Formel (1) der folgenden bedienen:
[Textabbildung Bd. 206, S. 115]
In wie weit dieselbe entspricht, mag die folgende Tabelle zeigen, in welcher sich
bezieht:Fall A auf einen gewöhnlichen stationären Dampfkessel mit
4 Atmosphären Ueberdruck, geheizt mit mittlerer Steinkohle.Fall B auf einen Locomotivkessel mit 9 Atm. Ueberdruck,
geheizt mit mittlerer Steinkohle.Fall C auf einen stationären Dampfkessel mit ganz
gereinigten Flächen während einer Verdampfprobe mit geöffnetem Mannloch, geheizt mit
Klarkohle.Die mit fetten Lettern bezeichneten Werthe von B/F sind
Minimalwerthe bei gleichem Werthe von t₂.
Für Werthe von t₂ unter 200° C. ist sowohl
die neue wie auch die logarithmische Formel unzulässig. Denn es würde z.B. im Falle
A für t₁ = 1200,
t₂ = 160°, a = 0,078, folgenS/F = 2/3 (4,734 + 1,3756 . 10,478) = 12,76, während die
logarithm. Formel für k = 23 das Resultat
[Textabbildung Bd. 206, S. 118]
Allein wenn im Kessel 152° C. Temperatur ist, so kann man nur durch Anwendung
von Gegenstrom und Vorwärmern die Gase auf 160° herabbringen, wobei die
Formel (2) nicht mehr gilt. Denkt man sich diese beiden Einrichtungen weg, so kommt
man eben nicht unter t₂ = 200°.Mittelst der neuen Formel lassen sich die zusammengehörigen Werthe von t₁ und t₂,
welche mit einer gegebenen Heizfläche eine gegebene Dampfmenge liefern, d.h. die verschiedenen Umstände, unter welchen man eine gegebene
Maschine mit einem gegebenen Kessel bedienen kann, bei weitem leichter
bestimmen als mittelst der logarithmischen Formel.Es sey z.B. bei einem ziemlich forcirten, mit Klarkohle bedienten stationären
Dampfkessel das Verhältniß S/F = 20, d.h. es werden pro Quadratmeter Heizfläche stündlich 20 Kil. Wasser
verdampft, und es habe k seinen Normalwerth k = 23, Wassertemperatur w =
152°,2, Heizkraft H = 4200, ξ = 0,9. Dann folgt aus (3):
[Textabbildung Bd. 206, S. 118]
oder
[Textabbildung Bd. 206, S. 118]
und aus (2)
[Textabbildung Bd. 206, S. 119]
endlich
[Textabbildung Bd. 206, S. 119]
Setzt man nun
t₂=300350400450500, so folgta=1,4781,9782,4782,9783,478(t₁ – w)/100=12,72511,1459,7368,4717,330t₁=142512671126999885S/B=4,474,103,653,122,47B/F=4,474,875,606,428,11,
während die logarithmische Formel (2) zu den Resultaten
führt
Für den praktischen Gebrauch ist die Uebereinstimmung eine ganz genügende, und man
erkennt, daß eine gegebene Maschine durch einen gegebenen Kessel in sehr
verschiedener Weise bedient werden kann, entweder mit hoher Anfangs- und
mäßiger Endtemperatur, oder mit geringerer Anfangs- und höherer
Endtemperatur, Ersteres bei zweckmäßigem Rost und thunlichst kleiner Luftmenge,
Letzteres bei schlechterem oder ungeschickt gehandhabtem Rost und größerer
Luftmenge, wornach auch das Verhältniß S/B sehr
verschieden, und in letzterem Falle natürlich ungünstiger wird.Für mittlere Steinkohle mit H = 6300 würde in obigen
FällenS/B = 6,70, 6,15,
5,48 4,68 3,70 seyn.Höhere Werthe von S/B können nur erzielt werden, wenn die
Kesselfläche
F im Verhältniß zur Dampfmenge S größer oder S/F kleiner ist, also der Kessel
nicht forcirt wird, wodurch die Endtemperatur t₂ auf 200, und mittelst Anwendung von Gegenstrom
und Vorwärmer noch weiter auch auf 160° C. herabgebracht werden kann.Es mag hier auch ersichtlich gemacht werden, daß man mit einer recht schlechten
Heizung ohne alle Rauchverzehrung, also mit qualmenden Schornsteinen, doch auch ein
sehr günstiges ökonomisches Resultat erzielen kann, wie dieß im Elsaß und auch bei
uns der Fall ist.Es sey im Falle A die Anfangstemperatur t₁ nur = 800°, die Endtemperatur t₂ = 180°, und mittelst Röhrenvorwärmer
eine Essentemperatur von 160° C. erzielt. Hierdurch kommt das Speisewasser
nicht nur mit 53° C., sondern wohl schon mit 103° in den Kessel, und
es ändert sich hierdurch die Zahl 600 der Formel (1) in 550.Mit t₁ = 800, t₂ = 180, w = 150, k = 23 gibt die so corrigirte Formel (1)
[Textabbildung Bd. 206, S. 120]
= 620/73,47 = 8,44. Hat der Kessel eine große Woolf'sche Maschine von N
Pferdestärke zu bedienen, welche bei reichlicher Condensation nur 11 Kil.
(gewöhnlich 13 Kil.) Dampf pro Pferd und Stunde
benöthigt, so ist S/N = 11, und wenn der Kessel, wie im
Elsaß üblich, 1,3 Quadratmeter Heizfläche pro
Pferdekraft hat, also F/N = 1,3 ist so folgt aus diesen
beiden DatenS/F = 11/1,3 = 8,46wie oben.Wird hierbei fette Steinkohle mit H = 6600 Cal. Heizkraft
verwendet, so ist
[Textabbildung Bd. 206, S. 120]
S/B = 7,53 wie es factisch erzielt wird.Hierbei ist also B/F = 8,44/7,53 =1,12 und B/N = 1,3 × 1,12 = = 1,46 Kil. Kohle pro Pferdekraft und Stunde, ein glänzendes wirklich
erzieltes Resultat mit einer Feuerungsanlage, die kaum schlechter seyn kann, weil
t₁ = 800° ist.Bei einem guten Rost mit geschickter Bedienung würde man viel höhere
Anfangstemperatur erzielen, und könnte wenigstens ein Dritttheil bis nahe die Hälfte
der früher bethätigten Kessel außer Gang setzen, weil die übrig bleibenden Kessel
bei der hohen Anfangstemperatur und derselben Endtemperatur t₂ = 180° schon die für die vorzügliche Maschine
erforderliche Dampfmenge erzeugen würden.Und solche Kesselanlagen haben sich einen Ruf verschafft und den Qualm zu Ehren
gebracht!Minimum der Brennstoffmenge.Die logarithmische Formel für B/F:
[Textabbildung Bd. 206, S. 121]
zeigt, daß für die Annahme t₂ = Constans der Werth von B/F = y für einen gewissen
Werth von t₁ = x ein
Minimum wird, und zwar tritt dieses Minimum ein, wenn
[Textabbildung Bd. 206, S. 121]
ist, womit sich ergibt
[Textabbildung Bd. 206, S. 121]
und für k = 23, ξ = 0,9, H 6300
[Textabbildung Bd. 206, S. 121]
Dieselbe Eigenthümlichkeit läßt jedoch auch die aus der Näherungsformel (3) durch
Division mit (2) folgender Gleichung:
[Textabbildung Bd. 206, S. 121]
erkennen. Betrachten wir hier t₂ als constant, und setzen t₁ = x, so ist
[Textabbildung Bd. 206, S. 122]
oder wenn
[Textabbildung Bd. 206, S. 122]
gesetzt wird:
[Textabbildung Bd. 206, S. 122]
Dieß wird ein Minimum, wenn:
[Textabbildung Bd. 206, S. 122]
Da aber nach (4) t₂ – w = 100a ist, so folgt
[Textabbildung Bd. 206, S. 122]
Setzt man
[Textabbildung Bd. 206, S. 122]
so ist
[Textabbildung Bd. 206, S. 122]
und
[Textabbildung Bd. 206, S. 122]
[Textabbildung Bd. 206, S. 123]
Man hat also die Größen
[Textabbildung Bd. 206, S. 123]
und
[Textabbildung Bd. 206, S. 123]
zu berechnen, womit dann t₁
= t₂ (1 + c)und
[Textabbildung Bd. 206, S. 123]
folgt.Z.B. für k = 23, ξ = 0,9, H = 6300
folgtC = 0,0784 (1,36 + 0,2a)und für t₂ = 500, w = 152,2, folgt dann
[Textabbildung Bd. 206, S. 123]
während die genannten Werthe nach der logarithmischen Formel
sich mit t₁ = 1242, und (B/F) min. = 4,46 ergeben.Endtemperaturen bei Forcirung des
Kessels.Bei frisch geputzten Kesseln, welche mit Gegenstrom eingemauert, mit kaltem Wasser
gespeist und bei offenem Mannloch geheizt werden, beträgt die pro Quadratmeter und Stunde verdampfte Speisewassermenge erfahrungsmäßig
17 bis 34 Kilogrm. (3 bis 6 Wien. Pfd. pro Wien.
Quadratfuß), je nachdem nämlich der Kessel weniger oder mehr forcirt wird. Bei
solchen Kesseln ist aber der letzte Sechstheil der Heizfläche als bloßer Vorwärmer
anzusehen, und im Sinne unserer Formeln nicht
mitzurechnen. Auf die mit gehörig vorgewärmtem Wasser bediente Kesselfläche entfällt
daher beiläufig 20–40 Kilogrm. Speisewasser pro
Quadratmeter und Stunde.Man kann nun fragen: Wie groß ist die Endtemperatur t₂ der Gase an der wirksamen Kesselfläche für verschiedene
Anfangstemperatur und für verschiedene Grade der Forcirung.Wir setzen für unseren Fallk = 34,5, w = 100S/F = 4,5 + 3a (1,36 + 0,2a) + (t₁/100 – 1)oder t₂ = 100 (a + 1)a = (t₂/100) – 1.Die nachstehende Tafel gibt die Werthe von t₂ für
verschiedene Werthe von t₁ und S/F.Tafel für die Werthe vont₂.
Aus dieser Tabelle ist sehr deutlich zu ersehen, daß die Forcirung des Kessels
mittelst eines Rostes, der 1400 bis 1500° C. Temperatur zuläßt (wie der Bolzano-Rost) durchaus keinen großen Wärmeverlust
durch die abziehenden Gase zur Folge hat, während schon eine mäßige Forcirung bei
einem Planrost mit t₁ = 900 bis auf S/F = 31 Kil. schon auf die Temperatur t₂ = 450 führt, daher nur die Hälfte der am Roste
entwickelten Wärmemenge nutzbar gemacht wird.Mittelst der logarithmischen Formel wäre eine derlei Rechnung sehr umständlich.