Titel: Theorie der Kernbildung beim Rösten kupferhaltiger Kiese; von Arnulf Schertel.
Autor: Arnulf Schertel
Fundstelle: Band 206, Jahrgang 1872, Nr. LXXXI., S. 285
Download: XML
LXXXI. Theorie der Kernbildung beim Rösten kupferhaltiger Kiese; von Arnulf Schertel. Schertel, über die Kernbildung beim Rösten kupferhaltiger Kiese. Der physikalische Vorgang beim Kernrösten der kupferhaltigen Kiese, die Wanderung des Halb-Schwefelkupfers nach dem Inneren des Erzstückes, ist bislang noch nicht auf den zureichenden physikalischen Grund zurückgeführt worden. Rivot (Handbuch der theoretisch-praktischen Hüttenkunde, deutsche Bearbeitung von Dr. C. Hartmann, Bd. I S. 245) setzt sehr klar und bestimmt die Bedingungen auseinander, unter welchen eine Anreicherung des Kupfers im Kerne überhaupt möglich ist. Nachdem er darauf hingewiesen, daß die Anreicherung nur stattfinden könne, wenn die von der Oxydation nicht ergriffenen Schwefelmetalle eine teigige Schmelzung erfahren, setzt er auseinander, daß die Bildung der Kerne solche Erze verlange, in welchen das Schwefeleisen weit über das Schwefelkupfer vorwiegt, denn bei jedem Stücke muß die Verbrennung des Schwefels und des Eisens im äußeren Theile so viel Wärme entwickeln, daß das Innere zur Schmelzung gebracht wird. An einer anderen Stelle bemerkt er dann: „In jedem Stücke kommt der mittlere Theil nach Verlauf einer gewissen Zeit in eine teigige Schmelzung und bleibt durch die oxydirte Schale darin; die oxydirende Einwirkung der Luft dauert noch langsam fort und überträgt sich hauptsächlich auf die Körper welche die meiste Verwandtschaft zum Sauerstoffe haben, d.h. auf das Eisen und auf den Schwefel; die Kerne müssen daher das Kupfer in sich concentriren und zwar um so mehr, je länger die Oxydation von dem Augenblicke, in welchem die teigige Schmelzung begann, fortdauern kann.“ Das hier so bestimmt ausgesprochene müssen erscheint allerdings durch die Thatsache der Concentration gerechtfertigt; die Natur des Impulses aber, welcher unerbittlich die Kupfertheilchen von allen Punkten der Peripherie nach innen treibt, ist durchaus nicht aufgeklärt, zumal da auch die Annahme einer teigigen Schmelzung wohl durch nichts Anderes gerechtfertigt ist, als durch den Umstand daß Rivot sich nicht erklären kann weßhalb dünnfließende Schwefelmetalle nicht durch die poröse Oxydschicht nach unten abfließen. Werther's Darstellung der Kernbildung (Erdmann's Journal, Bd. LVIII S. 323) kann, abgesehen von seiner triftigen Auseinandersetzung des chemischen Vorganges, um so weniger als genügend angesehen werden, als er gerade die eigenthümliche, der Beleuchtung zumeist bedürfende Erscheinung, die Concentration des Kupfers in einem Kerne, der Schwere theilweise entgegen, zu umgehen sucht. Er beschreibt die ganze Erscheinung als ein Durchsickern der geschmolzenen Sulfurete durch die poröse Oxydschicht und ein Abfließen nach unten in der Richtung der Schwere. Ja er nimmt sogar an, daß die in einem Röstknoten sich findenden Kerne vielfach aus dem nächstdarüberliegenden stammen, aus welchem sie abgeflossen sind. Seine Anschauung würde eine gleichmäßige Verbreitung der Schwefelmetalle im unteren Theile jedes Röstknotens, niemals aber die Bildung von Kernen, welche allseitig mit einer fast kupferfreien Hülle von Eisenoxyd umgeben sind, zur Voraussetzung haben. Lürzer's Percy's Metallurgie, deutsche Bearbeitung von Dr. Fr. Knapp, Bd. S. 376. ausführliche Darstellung der Veränderungen welche die einzelnen Erzstücke beim Rösten erleiden, beweist denn auch deutlich, daß Werther Erscheinungen, welche er an einzelnen Röstknoten beobachtete, irrthümlich verallgemeinerte und zur Erklärung des Processes benutzte. Zugleich geht aus seiner Beschreibung hervor, daß der Rückgang des Kupfers in das Innere gleichen Schritt hält mit der Oxydation des Schwefeleisens und dem Vordringen der höheren Temperatur nach der Mitte zu. Bereits nach der ersten Woche der Röstung zeigt ein angeschlagenes Stück auf dem Bruche zwischen einer äußeren rothbraunen Hülle und dem unveränderten Erze im Inneren eine dünne Schicht, welche im Glanze, Ansehen und Kupfergehalte von dem unveränderten Erze abweicht und dem Kupferkiese ähnelt. In späteren Perioden zeigen sich zwischen der zunehmenden braunen Hülle und dem unveränderten Erze mehrere Schichten, welche von innen nach außen theils der vorerwähnten kupferkiesartigen, theils dem Buntkupfererze, theils dem Kupferindig gleichen, bis gegen Ende der Röstung das unveränderte Erz im Inneren gänzlich verschwindet und zuletzt einem Kerne vom Ansehen des Kupferglaserzes oder eines reichen Kupfersteines Platz macht. – Eine auf der Wiener Münze ausgeführte Analyse wies im Kerne keine Schwefelsäure nach, in dem zunächst den Kern umgebenden Theile der Schale aber 2,5 Proc. derselben, sowie 1,58 Proc. Kupferoxyd und 3,31 Proc. metallisches Kupfer. Wo aber das Kupfer keine Gelegenheit trifft, sich in das Sulfuret zurückzuverwandeln, da verliert es auch, wie schon Rivot andeutet, die Fähigkeit den Weg zum Kerne zu finden. Im Gegensatze hierzu ist nun höchst bemerkenswerth, daß das Silber, wenn es etwa vorhanden, den entgegengesetzten Weg einschlägt, d.h. sich in der Schale ansammelt. Ja David Forbes hat, wie Percy mittheilt, Erzstücke gefunden, welche mit einem schönen dünnen Ueberzuge von Silber, gleich wie galvanisirt, umgeben waren. Das Silber kann in diesen Erzen nur in geringer Menge und äußerst fein vertheilt zugegen seyn. Die von Forbes beschriebene Ausblühung des Silbers zeigt sich ziemlich unverhüllt als bedingt durch Adhäsion in Capillargängen. Man darf wohl annehmen, daß das im Erze vertheilte Schwefelsilber ebenso wie die Schwefelverbindungen des Eisens und des Kupfers eine Oxydation (zu schwefelsaurem Silberoxyd) erfährt. Wenn nun schwefelsaures Silber oder durch dessen Zersetzung entstandenes metallisches Silber bei der Schmelzhitze Adhäsion zum Eisenoxyde besitzt, welches die Porenwandungen der Schale bildet, so wird es an denselben entlang sich ausbreiten und nach der Peripherie zu wandern, wie eine Salzlösung in einem Ziegelsteine. Um diese Ansicht zu stützen, wurde folgender Versuch angestellt. Reines, feingesiebtes Eisenoxyd wurde in einem großen Porzellantiegel einer hohen Temperatur ausgesetzt, so daß das Eisenoxyd Zusammenhalt bekam und somit eine fein poröse Masse bildete. In die Mitte derselben wurde nun ein Canal gebohrt, derselbe bis nahezu oben mit schwefelsaurem Silberoxyd gefüllt und nun der Tiegel wieder erhitzt. Nach etwa einer halben Stunde war das schwefelsaure Silber fast ganz verschwunden und metallisches Silber war etwa einen Viertelzoll tief in das Eisenoxyd eingedrungen. Nachdem der Tiegel wiederholt einer strengen Hitze ausgesetzt worden war, erschien das Silber allenthalben im Eisenoxyd vertheilt, wie von einem Schwamme aufgesogen, und als der Klumpen aus dem Tiegel genommen wurde, sah man das Silber an allen Stellen der Außenfläche in Tröpfchen ausgetreten. Diese Wanderung nach außen, theilweise der Richtung der Schwere entgegen, erklärt sich um so besser, wenn die Annahme gestattet ist, daß bis zu einem bestimmten Grade die Adhäsion an das Eisenoxyd mit der Temperatur, das heißt mit der Dünnflüssigkeit des Silbers, zunimmt. In jedem Röstknoten nimmt die Temperatur nach außen hin zu, und wenn die Menge des Silbers hinreichend ist, so werden die ausgetretenen Tröpfchen an der äußeren Fläche auseinanderfließen und so die von Forbes beobachtete Versilberung bilden. Ist nun für die Wanderung des Silbers nach außen dis Adhäsion an den Porenwandungen des Röstknotens erklärend, so liegt es nahe, für die Concentration des Kupfersulfuretes zu einem Kerne gleichfalls Adhäsionsverhältnisse zur Erklärung beizuziehen. Nur daß hier das Verhältniß ein umgekehrtes ist, indem man annehmen muß, daß die Adhäsion der Schwefelmetalle untereinander diejenige zum Eisenoxyd überwiegt. Gleich beim Beginne der Röstung wird durch Verflüchtigung von Schwefel und durch Oxydation von Schwefeleisen eine poröse Hülle geschaffen, in welcher sich die geschmolzenen Schwefelmetalle wie in Capillarröhren befinden. Diese Schwefelmetalle besitzen weniger Adhäsion zu dem neben ihnen liegenden Eisenoxyde als zu den in ihrem Rücken befindlichen noch ungeschmolzenen Sulfureten; sie werden also an diesen haftend von jenem sich loslösen. Mit dem weiteren Austreiben von Schwefel und fortschreitender Oxydation werden die Capillargänge weiter nach innen vorgetrieben, aus welchen sich die geschmolzenen Schwefelmetalle aus dem vorgenannten Grunde wieder auf die rückwärtsliegenden zurückziehen. Der große Ueberschuß an Eisensulfureten gibt dem von der Oxydation ergriffenen Kupfer stets Gelegenheit sich in Sulfuret zu verwandeln und zugleich von den neu entstandenen Eisenoxydtheilchen abzustoßen. Jedes Atom Eisenoxyd bildet eine Schranke, welche für die Schwefelmetalle den Weg nach außen sperrt. So finden die Schwefelmetalle, in steter Fühlung unter sich bleibend, den Weg in das Innere des Erzstückes, während das Eisen fortwährend seinen Schwefel gegen Sauerstoff umtauscht. Erst wenn das Schwefelkupfer unter den Sulfureten überwiegt, und oxydirte Theilchen daher nicht mehr so leicht Schwefeleisen zur Umsetzung antreffen, werden Kupfertheilchen zurückbleiben müssen, weßhalb dann die den Kern zunächst umgebende Schale Kupfer und Schwefelsäure enthält. Ein dem vorher beschriebenen ähnlicher Versuch wurde zur Stütze der zuletzt vorgetragenen Ansicht angestellt. Die in das Eisenoxyd gebohrte Röhre wurde diesesmal mit Halb-Schwefelkupfer ausgefüllt und die Masse im verschlossenen Tiegel erhitzt. Als der Tiegel herausgenommen war, zeigte es sich daß das Halb-Schwefelkupfer geschmolzen war und sich in zwei oder drei Kugeln zusammengezogen hatte, die im Inneren der Röhre mit nur einer kleinen Fläche an dem Eisenoxyde hafteten. In das poröse Oxyd war nichts eingedrungen. – Bei einem zweiten Versuche wurde in der Oberfläche des Eisenoxydes nur eine Schale ausgehöhlt und Halb-Schwefelkupfer in dieselbe gebracht. Die Temperatur wurde bis zu Weißglühhitze gesteigert und längere Zeit unterhalten. Nach dem Abkühlen wurde das Kupfer in der Schale ebenfalls zusammengezogen gefunden. Es löste sich leicht los; das unmittelbar darunter liegende Eisenoxyd gab erst beim Befeuchten mit Salzsäure die Flammenreaction auf Kupfer. Daß nach diesem Versuche die Annahme einer teigigen Schmelzung sich als überflüssig erweist, ist klar. Glasgow, im Juli 1872.