Titel: Ueber Anilintinten; von G. H. Viedt in Braunschweig.
Autor: G. H. Viedt
Fundstelle: Band 214, Jahrgang 1874, Nr. XL., S. 167
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XL. Ueber Anilintinten; von G. H. Viedt in Braunschweig. Viedt, über Anilintinten. Die verschiedenen Anilintinten haben sich durch ihre Farbenschönheit, ihre billige und leichte Herstellung und ihre Haltbarkeit schon derart eingebürgert, daß es um so mehr auffällt, über sie fast keine Notizen in der technischen Literatur zu finden; mögen nachfolgende Zeilen diesem Mangel abhelfen. Zur Herstellung der farbigen Anilintinten – also der rothen, blauen, violetten, grünen und gelben Tinte – nimmt man die betreffenden wasserlöslichen Anilinsalze, welche man einfach in Wasser auflöst. Eine Vorschrift, die, zunächst für die rothe Tinte bestimmt, vorschreibt, das spirituslösliche Fuchsin in der 10fachen Menge Spiritus von 90° zu lösen und dann mit einer genügenden Menge Wasser zu verdünnen (dies Journal, 1866 Bd. CLXXXI S. 335) ist verwerflich, da sich aus ihr das Fuchsin binnen kurzer Zeit völlig ausscheidet, so daß die Tinte farblos und die Schrift körnig wird. Dasselbe findet statt, wenn man die anderen Anilintinten nach obiger Vorschrift aus spirituslöslichem Farbstoff bereitet. Die rothe Tinte bereitet man, indem man 1 Th. wasserlösliches Diamantfuchsin in 150–200 Th. siedendem Wasser auflöst. Nach dem Erkalten ist die Tinte sofort zu gebrauchen. Zusatz von arabischem Gummi ist nur für sehr langsam und fest schreibende Personen nöthig, für welche man 3 Th. weißestes arabisches Gummi oder weißes Dextrin in 6 Th. Wasser gelöst zusetzt. Die Tinte fließt leicht, ohne zu „kleksen“, schimmelt natürlich nie, hat eine feurige Farbe, welche allerdings nicht die Farbschönheit des Carmins erreicht, dafür aber haltbarer, weit billiger und leichter herzustellen ist. Ihr Farbton spielt etwas ins Violette; indeß kommt jetzt ein Diamantfuchsin von Knosp in den Handel, das sich durch eine schön corallenrothe Färbung auszeichnet. Die Farbe der Fernambuktinte ist weniger schön. 1 Liter dieser Anilintinte kostet 22 bis 24 Pfennige, im Handel dagegen bis 6 Mark. Auf die Qualität des Fuchsins kommt sehr viel an; von manchen Fabriken kommen Fuchsine wie auch andere Anilinfarben in den Handel, welche nicht völlig wasserlöslich sind, sei es in Folge schlechter Fabrikation oder durch Verfälschungen. Auch wird dem Fuchsin häufig Krystallzucker zugesetzt, der mit Fuchsinlösung gefärbt ist. Ueber den Werth des Fuchsins vergewissert man sich am besten durch eine colorimetrische Probe. Man bereitet sich dazu eine Normallösung, indem man je 1 Centigramm unverfälschten guten Fuchsins in 10 Liter Wasser löst und hiermit eine Glasröhre von etwa 20 Centim. Länge und 1 Centim. Durchmesser füllt. Zur Prüfung eines anderen Fuchsins löst man dann ebenfalls 1 Centigrm. in nur 5 Liter Wasser, füllt davon 50 Kub. Centim. in eine Bürette von 1 Centim. Durchmesser, worauf man noch so viel Wasser zufügt, bis der Farbton der Normalflüssigkeit erreicht ist. Der relative Werth des untersuchten Fuchsins läßt sich hieraus leicht berechnen. Man habe z.B. noch 25 K. C. Wasser der zu untersuchenden Lösung in der Bürette hinzugefügt, so ist der Werth des betreffenden Fuchsins nur 75 Proc. In ähnlicher Weise kann man auch die übrigen Anilinfarben auf ihren Werth prüfen. Die blaue Tinte erreicht gleichfalls nicht völlig den Farbton einer gut bereiteten Berlinerblautinte, da sie stets ein wenig ins Graue sticht. Wer aber weiß, welche Mühe die Herstellung einer Berlinerblautinte kostet, und wie empfindlich diese ist, wird die Anilintinte vorziehen; die Indigo- und Indigocarmintinten stehen der Anilintinte nach. Man löst zur Herstellung 1 Th. wasserlösliches Bleu de nuit (Bleu de Paris) in 200–250 Th. siedendem Wasser auf. Die mit der Tinte gemachten Schriftstücke dürfen nach dem Trocknen nicht kupferig glänzen, anderenfalls man der Tinte noch Wasser zusetzen muß. Im Uebrigen verhält sich diese Tinte wie die Fuchsintinte. Die violette Anilintinte ist die verbreiteste von allen Anilintinten. Beyer in Chemnitz verkauft sie als „Tinte für die elegante Welt (Encre pour la noblesse. – Ink por the superiority)“; von anderer Seite wird sie als „Extrafeine violette Salontinte“ vertrieben. Nicutowsky in Berlin nennt sein Fabrikat „Furieuse et brillante Encre de Salon parisienne“ – ein Zeichen, zu welchen Lächerlichkeiten die Gallomanie führen kann. Der Handelspreis eines Liters variirt von 2,6 bis 6 Mark; sie ist aber zu 22 bis 24 Pfennig herzustellen. Zur Bereitung löst man 1 Th. wasserlösliches Blauviolett-Anilin in etwa 300 Th. Wasser auf. Sie ist von ausgezeichnet feuriger Farbe, läßt den Farbstoff nie fallen, schreibt flüssig und leicht und trocknet rasch. Sehr empfindlich indeß ist sie gegen die gebräuchliche Copirtinte aus Blauholzextract, Alaun, Kupfervitriol, Schwefelsäure und Glycerin. Taucht man eine Feder, welche schon für Copirtinte diente, in die violette Anilintinte, so wird die Schrift sofort sehr blaß und körnig. Die sogenannten Tintencartons stellt man dadurch her, daß man ungeleimtes Papier mit einer ganz concentrirten Auflösung des wasserlöslichen Blauviolett tränkt, die Papierstreifen nach dem Trocknen eine Satinirmaschine passiren läßt und sie dann in entsprechende Stücke zerschneidet. Obgleich die Cartons von Prof. Böttger empfohlen werden, kann Verf. in ihnen nur eine höchst unrationelle Erfindung erblicken. Zum Gebrauch soll man die Cartons in Stückchen zerreißen und mit Wasser übergießen. Dabei hält aber die Papierfaser einen bedeutenden Theil (etwa 30 Proc.) des Farbstoffes zurück, welcher also für die Tinte verloren ist. Außerdem setzen sich die aufgeweichten Papierfäserchen stets in die Feder, so daß eine Schrift bei Anwendung der Cartons nur möglich ist, wenn man die Tinte filtrirt, welche Operation den Cartons aber den einzigen Werth, nämlich den einer sehr schnellen Tintenerzeugung auf Reisen etc. rauben würde. Verf. sieht nicht ein, weßhalb nicht einfach das pulverförmige Blauviolett als Tintenpulver angewendet wird; es löst sich weit schneller, ist noch transportfähiger als Cartons und besitzt deren Mängel nicht. Um den Einwurf zu beseitigen, daß das Pulver leicht abschmutzt, könnte man es in kleine Gelatinekapseln einfüllen, welche man dann durch einen Tropfen concentrirter Gelatinelösung oder besser mit heißer Lösung von arabischem Gummi dicht verschließt. Es ließe sich leicht einrichten, daß eine Kapsel für eine bestimmte Quantität Tinte ausreicht. Die grüne Anilintinte ist die farbprächtigste, aber auch theuerste von allen. Zu ihrer Herstellung löst man 1 Th. Jodgrün (ist nur wasserlöslich) in 100 bis 110 Th. kochendem Wasser auf. Sie schreibt leuchtend blaugrün; soll der Farbton gelbgrüner werden, so setze man etwas Pikrinsäure zu. Sie übertrifft die Grünspan- und sonstige grünen Tinten bedeutend an Schönheit. Die gelbe Anilintinte ist nicht zu empfehlen; eine Auflösung von 1 Th. Pikrinsäure in 120–140 Th. Wasser ist besser und billiger; übrigens wird gelbe Tinte fast nie gebraucht. Zu Copirtinten lassen sich die erwähnten Anilintinten nicht gut verwenden. Obgleich sie wasserlöslich sind und in Folge dessen bei jeder Befeuchtung abklatschen, sind die Schriftzüge doch nicht dick genug aufgetragen, um stark gefärbte Copien zu geben. Concentrirtere Lösungen der Anilinsalze, welche diesem Uebelstande abhelfen würden, verwischen trocken leicht und liefern außerdem metallisch glänzende Schrift. E. Jacobsen's Vorschrift zur waschechten anilinschwarzen Tinte (dies Journal, 1867 Bd. CLXXXIII S. 78) ist in jeder Beziehung vorzüglich. Ob eine rothe, violette oder blaue Tinte Anilintinte ist, oder Carmin-, Berlinerblau-, Blauholz- resp. Indigotinte etc. kann man einfach durch Eindampfen der betreffenden Tinte ermitteln. Der bei Anilintinten zurückbleibende Rückstand ist grüngolden oder kupferig glänzend, der Rückstand der anderen Tinten aber nicht. Die Herstellung der Anilintinten ist so leicht und so billig, daß jeder Consument sich seine Tinte selbst herstellen sollte. Braunschweig im Juli 1874.