Titel: Ueber das Treiben der Cemente; von Dr. W. Wolters.
Autor: W. Wolters
Fundstelle: Band 214, Jahrgang 1874, Nr. C., S. 393
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C. Ueber das Treiben der Cemente; von Dr. W. Wolters. Wolters, über das Treiben der Cemente. Um eine klare Vorstellung von dem Vorgangs der Cementation, der Erhärtung und Zusammenwachsung pulverförmiger Massen unter dem Einfluß von Luft und Wasser, zu erhalten, ist es nothwendig, sich die Bedingungen zu vergegenwärtigen, durch welche das Aneinanderhaften fester Körper erreicht wird. Das allen Erhärtungsprocessen Gemeinsame ist die Vergrößerung der Berührungsflächen der Theilchen. Berührung und festes Zusammenhalten stehen stets im Verhältniß zu einander. Sämmtliche chemischen und physikalischen Vorgänge, durch welche eine Cementation erreicht wird, laufen auf eine Vergrößerung der Berührungsflächen hinaus. Daß bei rauhen Flächen und bei pulverförmigen Massen durch einfaches Zusammenbringen derselben kein Aneinanderhaften stattfindet, oder richtiger kein solches zu bemerken ist, kommt nur daher, daß die Berührungsflächen zu gering sind, um durch ihre Wirkung die Störungen des Gleichgewichtes zu überwinden. Aber schon ein Zusammenpressen der trockenen Pulver kann wegen der dadurch hervorgebrachten Vergrößerung der Berührungsflächen genügen, um die Masse selbst bei mäßigen Erschütterungen zusammenzuhalten. Bei den Cementen sind die Vorgänge, durch welche eine Vergrößerung der Berührungsfläche erreicht wird, dreierlei Art: 1) Druck von außen; 2) Vergrößerung des Volumens einzelner Bestandtheile und 3) Dislocation einzelner Theilchen, hervorgebracht durch die Löslichkeit derselben unter Mitwirkung der Anziehung und Krystallisation. Der Druck von außen wird bei Cementen vielfach zur Anwendung gebracht, besonders bei Fabrikation von Stucksachen, Platten und dgl.; auch bei gewöhnlicher Verwendung im Mauerwerk hilft ein guter Arbeiter mit der Kelle nach, um die Wirkung des Cementes zu erhöhen. Der Effect, welcher hierbei durch directe Vergrößerung der Berührungsfläche erreicht wird, ist wahrscheinlich nicht unerheblich; die zugleich erreichte Verkleinerung der Zwischenräume erhöht aber die beiden anderen Wirkungen. Die zweite Art der Vergrößerung der Berührungsfläche durch Zunahme des Volumens einzelner Theile ist bei den Cementen eine bedeutende. Es ist erklärlich, daß hierbei eine Pressung stattfindet – besonders an den Stellen, wo die Zwischenräume klein sind, wodurch eine immer innigere Berührung hervorgebracht werden muß. Diese Volumvermehrung wird bei den Cementen durch die Aufnahme von Wasser und Kohlensäure bewirkt. Daß der dritte Vorgang, die Dislocation einzelner Bestandtheile, eine Masse verkittet, ist nicht so ganz selbstverständlich. Die hierdurch bewirkte Zunahme der Festigkeit erklärt sich jedoch durch die Annahme, daß die löslichen Theile nach günstigeren Stellen transportirt werden, wo die Theile bereits am dichtesten lagen, so daß also die erheblichste Vergrößerung der Berührungsfläche erreicht wird. Von den drei angeführten Vorgängen ist für die Cementen die durch Bindung von Wasser und Kohlensäure bedingte Volumzunahme am wirksamsten. Dieser Vorgang ist auch noch besonders wichtig, weil er durch die Art der Behandlung des Cementes am besten geleitet und zum höchsten Effect getrieben werden kann. In einem sehr lockeren Pulver kann eine Volumvergrößerung keine bedeutende Wirkung hervorbringen, weil die Zwischenräume zu groß sind. Wo demnach eine große Härte erreicht werden muß, wie bei der Fabrikation von Platten, wird eine Dichtung des Materiales durch Schlag oder Pressung erhebliche Dienste leisten. Bei dichten und schweren Cementen, welche auch ohne besonderen Druck nicht allzuviel Raum zwischen den Pulvern lassen, braucht und darf der Druck nicht so weit getrieben werden als bei weniger dichtem Material. Im engsten Zusammenhange mit der Volumvergrößerung der Bestandtheile und der Erreichung der höchsten Festigkeit der Cemente durch Verringerung der Zwischenräume steht die schlimme Eigenschaft mancher hydraulischer Mörtel, nach einiger Zeit der Erhärtung wieder ihre Festigkeit zu verlieren und schließlich zu zerfallen. Es ist dieses eigentlich nicht eine Eigenschaft weniger Cemente, sondern es lassen sich fast sämmtliche, auch ausgezeichnete Portland-Cemente zum Treiben bringen, wenn man die Behandlung danach einrichtet. Ist nicht genug Raum für die durch Aufnahme von Wasser und Kohlensäure bedingte Volumvergrößerung vorhanden, so tritt unausbleiblich eine Zerstörung des ganzen Cementstückes ein, da stets ein gewisses Verhältniß zwischen der sich vergrößernden Masse und dem ausfüllbaren Raume vorhanden sein muß, wenn die beste Erhärtung erreicht werden soll. Unter der zur Wirkung kommenden Masse ist, wenigstens bei allen gesinterten Cementen, niemals der Gesammtbetrag derselben zu verstehen, welche Wasser aufnehmen kann, da durch den dichten Zustand der Masse stets ein Theil der hydraulischen Stoffe von der Wirkung ausgeschlossen wird. Dieser nichtthätige Antheil wird um so größer sein, je dichter und grobkörniger das Pulver ist. Es ist auch nicht der Gesammtraum zwischen den Körnern als verwendbarer Raum zu betrachten, da es nur bei ganz fein und gleichmäßig gepulverten Portland-Cementen durch Schlagen oder Pressen des angefeuchteten Pulvers zu erreichen ist, daß der ganze zwischen den Körnchen liegende Raum nahezu verbraucht und durch die neugebildete Masse angefüllt wird. Bei den meisten Cementen, bei denen entweder das Pulver zu grob ist, oder keine Verdichtung angewendet wird, werden sich selbst dann noch Lücken und Poren in den Stücken finden, wenn schon wegen Ueberfüllung der kleinen Zwischenräume ein Treiben eingetreten ist. Bei Herstellung von Cement aus gleichen Molecülen Kalk und Gyps, wie solcher von F. Schott im chemisch-technischen Laboratorium zu Braunschweig dargestellt wurde (vergl. dies Journal 1871, Bd. CCII S. 54, 434 und 564), hatte ich ein Material erhalten, welches die Erscheinung des Treibens in hohem Maße zeigte. Von diesem Cement stellte ich feines, mittelfeines und grobes Pulver dar – welche Sorten vollständig durch Siebe getrennt wurden. Dann wurden gleiche Gewichtsmengen dieser drei Pulver mit Wasser so angemacht, daß die erhaltenen Massen einen gleichgroßen Raum einnahmen. Das feinste Pulver erhärtete am schnellsten und erreichte seine höchste und bedeutende Härte schon nach 2 Tagen; dann entstanden ganz feine, nur mit der Loupe sichtbare Risse, die immer zahlreicher und größer wurden, und nach etwa 8 Tagen waren diese Stücke vollständig zu Staub und kleinen Körnchen zerfallen. Unter Wasser zerfielen diese Proben zu Schlamm, nachdem ebenfalls eine bedeutende Härte vorhergegangen. Die Proben aus mittlerem Pulver brauchten längere Zeit zum Anziehen, erreichten ihre höchste Härte nach etwa 9 Tagen, zeigten nach 14 Tagen ebenfalls feine Risse und zerfielen vollständig nach 4 bis 5 Wochen. Die Stücke aus dem groben Pulver brauchten 2 bis 3 Tage zum Anziehen, erhärteten nach 8 Tagen einigermaßen und erreichten nach ungefähr 8 Wochen ihre höchste Härte; nach einem halben Jahre zeigten auch diese Proben einzelne feine Risse, welche sich aber bis jetzt (nach 10 Monaten) noch nicht erheblich vermehrt haben; jedoch sind diese Proben nicht mehr so fest als früher. Die Versuche mit demselben Cement wurden dann auch in der Weise angestellt, daß gleiche Gewichtsmengen verschieden großen Raum einnahmen. Die Proben der feinen und mittelfeinen Pulver wurden mit soviel Wasser angemacht, daß die Volumen der Gemische sich wie 4, 5 und 6 verhielten. Von dem groben Pulver ließ sich die gleiche Menge nur in den Verhältnissen 4 und 5 mischen. Die Ergebnisse waren folgende. Das feine Pulver, zu 4 Volumen angemacht, hatte bereits nach 10 Stunden feine Risse und war nach einigen Tagen zerfallen. Das auf den Raum 5 gebrachte Pulver zerfiel nach einer Woche; doch das auf 6 hat sich erhalten und zeigt nach 10 Monaten erst vereinzelte feine Risse. Von den Proben des mittleren Pulvers waren die dichtesten nach 14 Tagen zerfallen, die mittleren haben nach 10 Monaten viele Risse, sind aber nicht ohne alle Festigkeit; die auf den Raum 6 gebrachten sind vollständig hart und zeigen keine Spur von Spalten. Von den Proben mit grobem Pulver zeigen die zu 4 die dichtesten Nisse, sind aber noch hart, die zu 5 angemachten Proben jedoch sind noch ganz unversehrt. Die Proben von dem feinen Pulver, welche am lockersten angemacht waren, haben nie eine bedeutende Härte erlangt. Die von dem groben Pulver auf den Raum 5 gebrachten Proben sind am härtesten geworden, aber erst nach einem halben Jahre. Die Verringerung des freien Raumes bedingt demnach bei allen Pulvern ein Treiben, welches aber durch Vergrößerung des Raumes verhindert wird. Bei dem groben Pulver wurde ein Theil des Materiales der Berührung mit dem Wasser entzogen; es war deshalb weniger freier Raum nöthig, das Treiben zu vermeiden, als bei dem feinen Pulver. Es sei noch bemerkt, daß der Durchmesser der groben Pulverkörnchen, so weit sich das mit der Loupe feststellen ließ, etwa 10mal größer war als der Durchmesser der kleinsten Körnchen. Hiernach habe ich gleiche Versuche mit Portland-Cement angestellt, wobei ich dieselben Erscheinungen beobachtete, jedoch nicht so scharf als bei dem Kalk-Gyps-Cement, da von dem Portland kein Material zu erhalten war, welches das Treiben in so hohem Maße zeigte als der zu obigen Versuchen absichtlich fehlerhaft dargestellte Schott'sche Cement. Das grobe Pulver von gut gesintertem Portland-Cement konnte, auch bei möglichster Verringerung des Raumes, nicht zum Treiben gebracht werden, wohl aber alle untersuchte Proben von käuflichem Portland-Cement, bei denen das feinere Pulver überwog. Die Dichte des gutgesinterten Portland-Cementes ist groß genug, um das Innere der groben Körnchen nicht zur Wirksamkeit kommen zu lassen. Hier möchte ich die Beobachtung mittheilen, daß bei den allermeisten Portland-Cementen auf der Wiener Ausstellung 1873 – an solchen Gegenständen, welche auf dem Ausstellungsplatze selbst hergestellt waren und nicht als ausprobirt hingeschickt werden konnten, – gegen Schluß der Ausstellung Treiben zu bemerken war. Es ist vielfach beobachtet, daß ein zu großer Gehalt an Kalk den Cement zum Treiben geneigt macht; auch ein Gypsgehalt hat diese Wirkung. Daß man diese Wirkung des Kalkes auf dessen Eigenschaft, Wasser chemisch zu binden, zurückgeführt hat, ist auffällig, da die Aufnahme von Wasser und die dadurch bewirkte Volumvergrößerung ja die wesentlichste Eigenschaft der Cemente ist, ohne welcher diese überhaupt keine hydraulischen Mörtel geben könnten. Es ist auch schwer einzusehen, wie die Krystallisation des Kalkhydrates, welche ebenfalls als Ursache des Treibens bezeichnet wird, diese Wirkung haben kann, denn Krystalle fügen sich meist gut in die vorhandenen Lücken und Poren hinein. Ebenso wenig ist zu begreifen, wie durch diese Krystallisation nach gewissen Richtungen hin eine gewaltsame Ausdehnung stattfinden soll. Die Wirkung des Kalkhydrates läßt sich weit einfacher erklären. Während des Erhärtungsprocesses bilden sich im Cement neben den Körnchen Krystalle von Kalkhydrat. Dieser Kalk ist durch das Wasser aus den Körnchen aufgelöst; das Innere derselben wird dem Wasser dadurch immer mehr zugängig; es betheiligt sich mehr Cementmasse an der Wasseraufnahme, so daß der vorhandene Raum nicht für die Ausdehnung ausreicht und eine Sprengung eintreten muß. Ungleichheit des Kornes und zu grobes Korn sollen ebenfalls Treiben hervorbringen. Daß grobes Korn diese Wirkung nicht hat, geht schon aus den oben angeführten Versuchen hervor; ebensowenig kann Ungleichheit des Kornes gefährlich sein. Mit Mischungen von feinem und groben Kalk-Gyps-Cement habe ich Versuche in dieser Richtung angestellt und dabei keine Verschlimmerung des Uebels bemerkt. Außer diesem besprochenen Treiben gibt es noch ein ähnliches Uebel, welches aber in seinen Ursachen wesentlich von ersterem verschieden ist. Das Volum aller feuchten, breiigen Massen wird bei Abgabe von Feuchtigkeit kleiner. Findet der Verlust des Wassers schnell statt und sind die Stücke groß, so müssen sich die äußeren Theile schon stark zusammenziehen, während die inneren ihr früheres Volum noch behalten und dadurch Spalten und Risse entstehen. Außer diesem Zusammenziehen durch Austrocknen findet auch noch eine geringe Ausdehnung ganzer Cementstücke statt, so lange die Erhärtung noch nicht zu weit vorgeschritten. Dieses Ausdehnen geschieht meist etwas später als jenes Zusammenziehen. Geht das Austrocknen langsam vor sich, so daß diese beiden Vorgänge gleichzeitig verlaufen, so können sie sich unter günstigen Umständen gegenseitig aufheben. Bei allen Cementstücken, welche durch diese zweite Art des Treibens Risse bekommen, bemerkt man eine gemeinsame Richtung derselben, welche von den zuerst trocken gewordenen Stellen nach denen auslaufen, welche ihre Feuchtigkeit länger gehalten haben. Bei dem Treiben, welches durch unrichtiges Verhältniß zwischen Raum und wirksamer Masse entsteht, ist eine solche bestimmte Richtung der Spalten nicht zu bemerken; dieselben bilden hier eine mehr netzartige Zeichnung. Die Frage, welcher Art die physikalische Beschaffenheit guter Cemente sein muß, läßt sich vielleicht durch folgende Betrachtung beantworten. Es ist leicht verständlich, daß geschmolzene Massen eine solche Unzugänglichkeit für andere Körper zeigen, daß nur die auf der Oberfläche der Körner liegenden Bestandtheile zu irgend einer Wirkung kommen können. Bei so beschaffenen hydraulischen Massen ist deswegen das Verhältniß der zur Aufnahme von Wasser kommenden Bestandtheile zu dem zwischen den Theilchen befindlichen Raume der Art, daß unter gewöhnlichen Umständen keine Erhärtung stattfindet. Hierzu gehört selbstverständlich, daß die geschmolzene Masse oder einzelne Theile derselben keine erhebliche Löslichkeit für Wasser besitzen, weil sie sonst allmälig porös werden und so immer mehr Theilchen zur Aufnahme von Wasser gelangen. Sind dagegen die hydraulischen Substanzen so beschaffen, daß sämmtliche Bestandtheile, welche Wasser chemisch binden können, auch mit Wasser in Berührung kommen, so ist begreiflich, daß solche Massen einen sehr guten Cement geben, wenn der verwendbare Raum der Volumvergrößerung gleicht. Diese Gleichheit wird sich aber bei porösen Massen, wie z.B. Roman-Cement, nie genau erreichen lassen; man muß daher auf die denkbar größte Härte solcher Massen verzichten und den verwendbaren Raum erheblich größer lassen als die Volumzunahme der Körper, wenn man nicht Gefahr laufen will, daß die Ausdehnung das ganze Gebäude zerstört. Anders als bei den ganz dichten und ganz lockeren Massen ist aber der Vorgang bei guten Portland-Cementen. Hier kommt ein Umstand hinzu, welcher bei geschickter Benützung eine mehr oder weniger große Annäherung an den idealen Zustand der Gleichheit des nützbaren Raumes und der Volumzunahme gestattet, nämlich die Eigenschaft solcher Massen, mit der Ausfüllung des Raumes zugleich dem Wasser den ferneren Zugang zu verschließen. Dieses Abschließen gegen Wasser wird nur für die im Innern der kleinen Pulverkörner befindlichen Bestandtheile erreicht werden können, denn die Ausfüllung des zwischen den Körnern liegenden Raumes ist nicht vollkommen genug, um das Innere ganzer Stücken gegen das Eindringen von Wasser gänzlich zu schützen. Vollkommen wird sich das Innere der Körnchen guter Cemente gegen Wasser verschließen, wenn gegen Ende der Ausfüllung des nutzbaren Raumes die in der Nähe der Oberfläche liegenden Theile einen gewissen Druck auf einander ausüben und dadurch eine sehr dichte Lagerung hervorbringen. Werden gute Portland-Cemente sehr dicht angemacht, so wird in Folge des Druckes weniger Masse zur Aufnahme von Wasser gelangen, als bei großer Lockerheit. Die in der Nähe der Körneroberfläche liegenden Theile werden aber stets die Verbindung mit Wasser eingehen, und ist für diese kein Raum vorhanden, so wird das Ganze durch Treiben auseinander geworfen. Leverkusen bei Köln, August 1874.