Titel: Ueber den Düngerwerth der nach dem Liernur'schen Systeme gewinnbaren Cloakenmassen; mitgetheilt von Prof. Dr. Wilh. Gintl in Prag.
Fundstelle: Band 214, Jahrgang 1874, Nr. CXXIV., S. 490
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CXXIV. Ueber den Düngerwerth der nach dem Liernur'schen Systeme gewinnbaren Cloakenmassen; mitgetheilt von Prof. Dr. Wilh. Gintl in Prag. Gintl, über den Düngerwerth der Liernur'schen Cloakenmassen. Ich habe in den Jahren 1870 und 1871, theilweise auch 1872 vielfach Gelegenheit gehabt, Proben der Cloakenmassen zu untersuchen, welche aus den auf das Liernur'sche Abfuhrsystem eingerichteten Casernen zu Prag stammten. Die der Analyse unterworfenen Proben bestanden aus der möglichst frischen Mischung von Dejecten, wie sie bei der Exhaustion der Cisternen erhalten wurden. Es wurden solche Proben zu den verschiedensten Jahreszeiten und andererseits sowohl nach Arbeitsals auch nach Ruhetagen entnommen, um den Einfluß kennen zu lernen, welchen die jeweilige Jahreszeit, sowie die an Ruhetagen nicht unwesentlich geänderten Verhältnisse im Casernenleben auf die Zusammensetzung der Cloakenstoffe auszuüben vermögen. Da es zu weit führen würde, die Resultate sämmtlicher diesfalls von mir ausgeführter Analysen aufzuführen, was bei der ziemlich nahen Uebereinstimmung in der Zusammensetzung von unter ähnlichen Verhältnissen entnommenen Proben auch überflüssig wäre, begnüge ich mich damit im Nachstehenden einige dieser Ergebnisse anzuführen und wähle hierbei nur diejenigen, welche entweder gewissermaßen Grenzwerthe nach der einen oder der anderen Richtung darstellen, oder aber die häufiger beobachteten Zusammensetzungs-Verhältnisse, also gewissermaßen Mittelwerthe darstellen. Es repräsentiren die nachstehend unter A und D aufgeführten Zahlen, welche sich beide auf die nach Sonntagen gesammelten Proben beziehen, die äußersten Grenzwerthe, welche ich beobachtet habe, die unter C und E aufgeführten diejenigen Mittelwerthe, welche mir hinsichtlich des Wassergehaltes, Aschengehaltes und Stickstoffgehaltes am häufigsten vorgekommen sind – und zwar ohne daß ich diesbezüglich einen besonders bemerkenswerthen Einfluß der Jahreszeiten hierauf wahrgenommen hätte. Es wurde gesammelt die Probe A nach einem Sonntag im Monat Januar 1870 B Wochentag April 1870 C Wochentag Juli 1870 D Sonntag Mai 1871 E Wochentag Mai 1871 und gefunden in A B C D E            Wasser 89,75 91,694 92,984 93,060 95,240            Stickstoff   0,841   0,795   0,832   0,668   0,529            Asche   1,993   1,531   1,701   1,640   1,380            Kali   0,139   0,110   0,119   0,204   0,184            Natron   0,507   0,493   0,310   0,385   0,307            Phosphorsäure           0,337   0,284   0,298   0,229   0,161 Aus diesen Werthen zeigt sich, daß abgesehen von kleineren Abweichungen der Stickstoffgehalt ziemlich innerhalb der Grenzen 0,8 und 0,6, der Phosphorsäuregehalt zwischen 0,2 und 0,3, der Kaligehalt zwischen 0,1 und 0,2, der Natrongehalt zwischen 0,3 und 0,5 Proc. schwankt, und daß, wenn man die excessivsten Fälle ausschließt, der Mittelwerth betragen würde für Wasser 92,500 Proc. Stickstoff   0,771    „ Phosphorsäure   0,270    „ Kali   0,144    „ Natron   0,396    „ Gesammtasche         1,624    „ Es sind dies Zahlen, welche in der That auch den in der Mehrheit der Fälle beobachteten Zusammensetzungs-Verhältnissen der Cloakenmassen nahe kommen. Der Grund der in einzelnen Fällen beobachteten erheblicheren Abweichungen ist in dem concreten Falle, wo es sich wie hier um die Dejecte aus Casernen handelt, unschwer einzusehen, wenn man erwägt, daß hier die bestimmte Kost, welche größeren Abtheilungen gleichartig verabreicht wird, eine gleichartige Veränderung in der Zusammensetzung dieser Massen herbeiführen und also einzelne Bestandtheile erhöht – andere erniedrigt erscheinen lassen muß, daß ferner die zumal an Nachmittagen und namentlich an Sonntagen massenhaftere Abwesenheit der Mannschaft einen nicht unerheblichen Abgang an Harn, welcher dann auswärts entleert wird, herbeiführen und also einen geringeren Gehalt an Wasser in der Mischung der Dejecte bedingen muß (wie in A), oder aber in der wärmeren Jahreszeit, wo die excursirende Mannschaft größere Flüssigkeitsmengen consumirt, eine Zufuhr von dünnem Harne seitens der heimgekehrten Mannschaft zur Folge haben kann, und so der Wassergehalt der Cloakenmassen erhöht erscheinen muß (wie in D). Bemerkenswerth ist, daß in der wärmeren Jahreszeit sich kein ausfälligerer Unterschied im Wassergehalte der Dejecte gegenüber der Winters- oder Frühjahrszeit zeigt, obwohl man meinen möchte, daß in der wärmeren Jahreszeit, wo der Flüssigkeitsconsum ein größerer ist als im Winter, auch größere Massen von Harn sich den Fäcalien beimengen müßten, und die Mischung demgemäß wasserreicher ausfallen sollte als in der kälteren Jahreszeit. Offenbar bildet hier die erhöhte Hautthätigkeit das Regulativ, und erscheint die Harnmenge darum auch nicht wesentlich geändert. Ohne Zweifel kann man sonach, umsomehr als ja die Zeiten besonderer Excesse doch nur seltenere sind, in den oben als Mittelwerthe aufgeführten Zahlen einen ziemlich verläßlichen MaßstabDie von Professor J. Lehmann in München ermittelte Zusammensetzung derselben Massen, welche von den Ergebnissen meiner Analysen theilweise erheblich abweicht, kann für eine solche Beurtheilung deshalb nicht maßgebend sein, als sie sich nur auf die Analyse einer einzelnen, offenbar gerade nicht normalen Probe gründet. für die Werthbemessung dieser Cloakenmassen finden. Derselbe würde sich, wenn man allein den Stickstoffgehalt und den Phosphorsäuregehalt in Rechnung setzt, unter Zugrundelegung der üblichen Preise von 60 bis 70 kr. ö. W. pro Procent Stickstoff und 22 bis 28 kr. pro Procent Phosphorsäure, zu 50 kr. für den Stickstoff und 6 3/4 kr. für die Phosphorsäure, also in Summe zu 56 3/4 kr. ö. W. pro Centner berechnen, wobei der allerdings geringe Kaligehalt ungerechnet bleiben würde. Offenbar bildet in Hinsicht auf die Verwerthung dieser Cloakenmassen zu Dungzwecken der erhebliche Wassergehalt derselben einen nicht geringen Uebelstand, welcher sich namentlich der Verfrachtung derselben hindernd in den Weg stellt, und es ist wohl darum schon mehrseitig daran gedacht worden, den Wassergehalt dieser Cloakenmassen zu verringern. Hierfür kann es rationell nur das eine Mittel geben – das der Wasserverdunstung; denn alle anderen in Vorschlag gebrachten Auskunftsmittel können nicht zum Ziele führen, wenn man den Wassergehalt wirklich herabsetzen und die Verfrachtung desselben ersparen will, und sich nicht etwa blos begnügt, der Masse durch Beimischung werthloser Stoffe – wie Erde, Kehricht etc. – eine dickere Consistenz zu geben, dabei aber ihren Düngerwerth nur noch mehr herabdrückt. Man hat ursprünglich geglaubt, der erhebliche Wassergehalt der aus den Casernen stammenden Massen rühre davon her, daß neben den menschlichen Dejecten immer noch Wässer anderer Art – zumal werthlose Spülwässer – in die Sammelbassins gelangen, trotz des Bestandes besonderer Wasserableitungen für solche. Indessen ist das keineswegs der Fall, und es erscheint vielmehr der hohe Wassergehalt völlig erklärlich, wenn man in die Zusammensetzung und die relativen Mengenverhältnisse der menschlichen Ausscheidungen, um deren Sammlung es sich hier handelt, Einsicht nimmt. Normaler Harn eines Erwachsenen enthält nach Jul. Vogel 96,00 Proc. Wasser und 4,00 Proc. feste Stoffe. Normale Fäcalmassen eines Erwachsenen nach Berzelius 75 Proc. Wasser und 25 Proc. fester Stoffe. (Ich habe bei mehreren Untersuchungen von frischen Fäcalmassen den Gehalt an festen Stoffen bei 100° trocken im Mittel zu 25,9 bis 26 Proc. gefunden.) Die Harnmenge, welche ein Erwachsener in 24 Stunden ausscheidet, schwankt wischen 1000 und 2000 Grm.; die Menge an Fäcalien zwischen 120 und 180 Grm. Berechnet man hieraus den Wassergehalt von Mischungen dieser beiden, so müßte bei der Annahme, daß von dem per Kopf gelieferten mittleren Harnquantum, welches man wohl zu 1500 Grm. pro Tag ansetzen kann, nur 2/3 d. s. 1000 Grm., in das Sammelbassin gelangen, während 1/3 auswärts entleert wird, und unter der den thatsächlichen Verhältnissen am nächsten kommenden Voraussetzung, daß die Fäcalien, deren mittlere Menge pro Kopf und Tag zu 150 Grm. angenommen werden kann, zum überwiegend größten Theile dem Sammelbassin zugeführt werden, der Wassergehalt der resultirenden Mischung von n × 1000 Grm. Harn + n × 150 Grm. Fäcalien schon 93,21 Proc. betragen. Für n × 1500 Grm. Harn + n × 150 Grm. Fäcalien müßte derselbe 94,09 Proc. und für n × 2000 Grm. Harn + n × 150 Grm. Fäcalien müßte derselbe 94,53 Procente betragen, also an sich schon höher ausfallen, als er thatsächlich sich ergibt.Es ist hier nicht zu vergessen, daß es sich in Casernen um Fäcalien handelt, welche nicht allein in Folge der angestrengteren Körperübung der Mannschaft meist wasserärmer sein werden als normal, und daß es ferner vornehmlich Brodkoth ist, dessen Wassergehalt gleichfalls meist weniger als 75 Proc. beträgt. Aus solchen Betrachtungen ergibt sich aber auch, daß die Ansichten, welche dahin gehen, daß bei einer allgemeineren Einführung des Liernur'schen Sammelsystemes sich der Stickstoff und Phosphorsäuregehalt der zu gewinnenden Massen erhöhen und der Düngerwerth derselben sich wesentlich günstiger gestalten würde, als das bei der Mischung der Dejecte aus Casernen der Fall ist, wo der erhebliche Brodconsum einen stickstoffärmeren Koth bedingt, keineswegs stichhaltig sind, und es kann leicht nachgewiesen werden, daß auch bei allgemeiner Einführung dieses Systemes kein wesentlich höherer Düngerwerth sich für die gesammelten Massen ergeben würde. Nach den Analysen von Bischof und Voith enthält der Koth eines ausschließlich mit Fleisch gefütterten Hundes, auf frischen Zustand berechnet, 1,62 Proc. Stickstoff und 7,50 Proc. Salze, der Koth eines mit Brod gefütterten Thieres dagegen nur 0,73 Proc. Stickstoff und 1,75 Proc. Salze. Ohne einen wesentlichen Fehler zu begehen, könnte man ähnliche Verhältnisse auch für den Menschen zulässig finden, und würde sich dann für Fäcalmassen, welche aus gleichen Theilen Brod- und Fleischkoth beständen, ein mittlerer Stickstoffgehalt von 1,20 Proc. ergeben. Nach den Ergebnissen einer Reihe von Untersuchungen, die ich selbst vor einigen Jahren über die Größe des Stickstoff-, Phosphorsäure- und GesammtaschengehaltesMeine damaligen Untersuchungen hatten lediglich den Zweck, Anhaltungspunkte zu gewinnen für die Beantwortung der Frage, ob in den Cloakenmassen, welche nach dem Liernur'schen Systeme gewonnen waren, keine fremdartigen Gemengtheile enthalten seien. von menschlichen Fäcalien angestellt und wobei ich Fäces verschiedener gesunder Individuen, welche die bei uns übliche gemischte Kost genossen, der Analyse unterworfen habe, fand ich, daß der mittlere Stickstoffgehalt der Fäces bei gemischter Kost sich zu 1,03 Proc., der Phosphorsäuregehalt zu 0,28 Proc., der Gesammtaschengehalt zu 3,67 Proc. berechne, was nahezu einer Mischung von 1 Fleischkoth zu 2 Brodkoth gleichkommen würde, wenn man die von Bischof und Voith für die Hundefäces ermittelten Werthe auf die Fäcalmassen der Menschen übertragen wollte. Mit Zugrundelegung solcher Werthe würde sich nun ergeben, daß für eine Mischung von n × 1000 Grm. Harn + n × 150 Grm. Fäces (bei reiner Fleischkost) der Stickstoffgehalt 1,22 Proc.; der Aschengehalt 2,31 Proc.; für eine Mischung von n × 1000 Grm. Harn + n × 150 Grm. Fäces (bei reiner Brodkost) der Stickstoffgehalt 1,07 Proc., der Aschengehalt 1,56 Proc.; für eine Mischung von n × 1000 Grm. Harn + n × 150 Grm. Fäces (bei gemischter Kost), nach meinen Untersuchungen, der Stickstoffgehalt 1,11 Proc., der Aschengehalt 1,82 Proc., der Phosphorsäuregehalt 0,25 Proc. betragen müßte, während bei einer Mischung von n × 1500 Grm. Harn + n × 150 Grm. Fäces (für gemischte Kost) der Stickstoffgehalt 1,11 Proc., der Aschengehalt 1,73 Proc., der Phosphorsäuregehalt 0,25 Proc. und bei einer Mischung von n × 2000 Grm. Harn + n × 150 Grm., Fäces (für gemischte Kost) der Stickstoffgehalt 1,12 Proc., der Aschengehalt 1,68 Proc., der Phosphorsäuregehalt 0,25 Proc. betragen müßte. Man ersieht hieraus sehr deutlich, daß von dem Einflusse besserer, namentlich stickstoffreicherer Kost auf die Zusammensetzung der Dejectenmischungen nicht viel zu erwarten steht, und daß es insbesondere eine falsche Meinung ist, wenn man glaubt, daß durch Fernhaltung des Harns von der Vermischung mit den Fäcalien, welche übrigens das Liernur'sche System unmöglich machen würde, eine wesentliche Erhöhung des Düngerwerthes der Dejecte erzielbar wäre, da gerade der Harn mit seinem mittleren Stickstoffgehalte von 1,128 Proc. und einem Phosphorsäuregehalte von 0,25 Proc. einen bestimmenden Einfluß auf den Werth der Mischung nimmt. (Nach den Mittheilungen des Architecten- und Ingenieur-Vereins in Böhmen, 1874 Heft 3.)