Titel: Die Elektricität im Dienste der Eisenbahnen.
Autor: W. P.
Fundstelle: Band 305, Jahrgang 1897, S. 15
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Die Elektricität im Dienste der Eisenbahnen.Nach einer uns freundlichst zugesandten Nummer der Zeitschrift Die Schmalspurbahn; Herausgeber Heinr. Schulz in Berlin W. 62. Die Elektricität im Dienste der Eisenbahnen. Es ist mit ziemlicher Sicherheit vorauszusehen, dass der elektrische Betrieb zunächst bei den Kleinbahnen zur Einführung gelangt, denen dann die Vollbahnen folgen werden. Die mit der Verwendung der Elektricität im Strassenbahnbetriebe in mehreren grossen Städten bereits erzielten günstigen Ergebnisse müssen nothwendiger Weise zur Nachahmung anspornen, um so mehr aber, als die Verwendung der Elektricität im Kleinbahn- wie im Vollbahnbetriebe eine vielseitigere ist als im Strassenbahnbetriebe, bei dem sie nur als Betriebskraft und zu Beleuchtungszwecken verwendet wird, während sie im Kleinbahn- und im Vollbahnbetriebe ausser zu den genannten Zwecken auch in grossem Umfange zur Stellung der verschiedenen Signale und Weichen und zu Heizungszwecken Verwendung finden wird. Ausser diesen Vortheilen, durch welche die Betriebssicherheit und die Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen bedeutend erhöht, und demgemäss eine Erhöhung des Ertrages verbürgt wird, bringt die Verwendung der Elektricität zu den genannten Zwecken aber noch andere Vortheile, die ebenfalls die Wirthschaftlichkeit erhöhen, weil sie Ersparnisse bringen. Diese Ersparnisse bestehen in dem Wegfalle der Wasserstationen mit ihren Pumpanlagen, der Feuer- und Reinigungsgruben, der feuersicheren Bedachungen der Häuser u.s.w. längs der Bahnlinie, der Sicherungsvorkehrungen gegen Waldbrände und in Ersparnissen an Gehalt und Arbeitslöhnen durch Einrichtung der selbsthätigen Signal- und Weichenstellung u.s.w. Die angeführten Vortheile sind gewiss schwerwiegend genug, die Einführung des elektrischen Betriebes als begehrenswerth erscheinen zu lassen, und es bedürfte der Ausführung weiterer Vortheile eigentlich nicht; trotzdem soll noch auf einen Vortheil hingewiesen werden, den der elektrische Betrieb bringt: Das ist der Wegfall des lästigen Rauches, Russes und Dampfes, sowie des Geräusches, welches das Ausstossen des Dampfes bei der Locomotive verursacht. Die Vortheile, welche der elektrische Betrieb aufweist, drängen die Bedenken bezüglich der Maassnahmen, die für die Zeit des Ueberganges vom Dampfbetriebe zum elektrischen Betriebe zu treffen sind, in den Hintergrund, um so mehr aber, als auch die deutsche Heeresverwaltung in der Einführung des elektrischen Betriebes bei den Haupt- und Nebenbahnen einen bedeutenden Fortschritt erblickt und diese nach Kräften zu fördern gewillt ist, wie aus dem später Folgenden ersichtlich ist. Die Elektricität ist es auch, welche die in Fachkreisen schon seit längerer Zeit bestehenden Bestrebungen, die Signalisirung der Züge in grossem Umfange selbsthätig zu gestalten, zum Ziele führt. Diese Bestrebungen zielen dahin, Einrichtungen zu schaffen, mittels deren die fahrenden Züge sich selbst auf genau bestimmte Entfernungen nach den betreffenden Signalstellen (Stationen, Wärterposten u.s.w.) anmelden, ohne dass Menschenhände dabei etwas zu thun haben. Das Bedürfniss nach selbstwirkender Signalisirung der Züge ist gewachsen mit der Verdichtung des Eisenbahnnetzes, die eine erhebliche Vermehrung der Kreuzungsstellen gebracht hat, sowie mit dem gesteigerten Verkehr von Personen und Gütern, durch welchen eine Vermehrung der Züge und für diese Züge die Anwendung grösserer Fahrgeschwindigkeiten nothwendig wurde. Diese Steigerungen haben die Betriebsverhältnisse durchgehend verwickelter gestaltet und vielfache Veränderungen und Vorsichtsmaassregeln nothwendig gemacht (Centralweichenstellung, Signalstellung u.s.w.). Auf einzelnen besonders verkehrsreichen Linien, wie z.B. auf der Berliner Stadtbahn, reichen aber diese Verbesserungen nicht aus, eine weitere Steigerung der Leistungsfähigkeit zu ermöglichen, so dass man nach den Aussprüchen der berufenen Fachmänner an der Grenze der Leistungsfähigkeit angelangt ist. Weil die Entfernungen, auf welche die Anmeldung der Züge zu erfolgen hat, in der Regel zu gross sind, um sie durch rein mechanische Vorrichtungen bewerkstelligen zu können, so ist es auch hier wieder die Elektricität, mit deren Zuhilfenahme unter Anwendung geeigneter Einrichtungen diese Grenze erweitert werden kann. Bei dem Wesen des Eisenbahnbetriebes ist naturgemäss den Signalisirungsvorrichtungen eine hervorragende Rolle zugewiesen und alle Bestrebungen, welche auf Verbesserungen auf diesem Gebiete abzielten, haben von jeher bei den Eisenbahnverwaltungen in allen Ländern sich einer besonderen Beachtung zu erfreuen gehabt. Es sind deshalb auch Apparate verschiedener Bauart, mit denen man wichtige Verbesserungen zu erreichen hoffte, in Betrieb gesetzt worden, die aber schliesslich nur zu minder wichtigen Zwecken Verwendung gefunden haben, zum grossen Theil aber nach ungünstig ausgefallenen Versuchen wieder aus dem Betrieb entfernt wurden. Die wichtigsten Signale (Fahr- und Haltsignale) werden noch heute von Menschenhänden gestellt und die Elektricität wird nur dazu benutzt, auf gewisse Entfernungen die Wärter zu benachrichtigen. Eine selbsthätige Stellung der Fahr- und Haltsignale, durch die fahrenden Züge bewirkt, ist noch nirgends im Betriebe, wenn auch auf einzelnen Linien bescheidene Anfänge gemacht sind. Und doch ist die Einführung solcher Signalgebung in grossem Umfange zur Sicherung gegen Zusammenstösse dringend nothwendig. Die Anlagekosten können nicht ins Gewicht fallen, weil diese durch die erhöhte Betriebssicherheit, die Verminderung der Zusammenstösse und die Erhöhung der Leistungsfähigkeit reichlich aufgewogen werden. Bezüglich der allgemeinen Einführung des elektrischen Betriebes hat der Major Gerding (im Eisenb.-Regiment I) in der am 8. December 1896 unter dem Vorsitze des Oberbaurathes Streckert in Berlin abgehaltenen Versammlung des Vereins für Eisenbahnkunde einen Vortrag: „Militärische Ansichten über die Einführung des elektrischen Betriebes auf den Haupteisenbahnen“ gehalten, in welchem die grossen Vortheile dieses Betriebes hervorgehoben wurden und an dessen Besprechung die Herren Stambke, Kinel, Bork, Paulus, v. Golz, Schwabe, Streckert, Göring und Blum sich betheiligten. Major Gerding sagte in seinem Vortrage (vgl. Glaser's Annalen Nr. 473 vom 1. März 1897) nach Erwähnung der in früheren Versammlungen von verschiedenen Rednern kundgegebenen Ansichten Folgendes: „Die in dieser Beziehung ausgesprochenen Zweifel und Bedenken sind es, welche mich veranlasst haben, heute Abend auf kurze Zeit Ihre Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen, denn es scheint mir nur im Interesse der Fortentwickelung dieser so wichtigen Frage zu liegen, wenn auch militärischerseits frühzeitig zu derselben Stellung genommen wird. Ich schicke jedoch voraus, dass die nachfolgenden Ansichten rein persönliche sind. Zunächst muss ich allerdings bekennen, dass ich ein warmer Anhänger des elektrischen Betriebes, und der Ueberzeugung bin, dass derselbe über kurz oder lang kommen wird und kommen muss, trotz der nicht zu verkennenden ausserordentlichen Schwierigkeiten des Uebergangsstadiums, denn die Vortheile, welche uns dieser Betrieb bringen wird, sind so weitgehend und bedeutend, dass sie sich mit der Zeit Bahn brechen müssen! Diese Vortheile sind kurz zusammengefasst folgende: Die weit einfachere und sichere Bedienung der Locomotive; der Fortfall des gefahrbringenden Dampfkessels und der übrigen todten Last an Wasser und Kohlen. Ruhiger und gleichmässigerer Gang der Locomotive und Motoren und damit verbundene geringere Inanspruchnahme des Gestänges. Erleichterung des Anfahrens, leichtere Regelung der Fahrgeschwindigkeit auch auf starken Gefällen; leichteres und schneller wirkendes Bremsen; im Ganzen also ein weit sicherer Betrieb als jetzt. Die Möglichkeit grösserer Fahrgeschwindigkeiten für Güter- und also auch für Militärzüge; in Folge dessen rascherer Wagenumlauf und Ersparniss an rollendem Material. Fortfall der regelmässigen Aufenthalte zum Kohlen- und Wassernehmen und der unfreiwilligen Aufenthalte in Folge Dampfmangels. Fortfall des lästigen Dampfes, Rauches und Kohlenstaubes. Ausser diesen unmittelbaren Vortheilen des elektrischen Betriebes sind nun aber auch die weitgehenden mittelbaren Folgen nicht zu unterschätzen. Ist einmal die elektrische Kraftquelle im Zuge der ganzen Bahnlinie vorhanden, so wird man dieselbe auch anderweit zur Erhöhung der Sicherheit und zur Vervollkommnung des Bahnbetriebes ausnützen und die elektrische wird überall die jetzige mechanische Uebertragung ersetzen müssen. Auf dem Zuge selbst wird an Stelle der pneumatischen die elektrische Auslösung der Bremse treten und die Einführung der durchgehenden elektrischen Bremse für Güterund damit auch für Militärzüge wird bald nachfolgen und im Verein mit der elektrischen Locomotive die höhereFahrgeschwindigkeit dieser Züge ermöglichen. Ebenso werden Beleuchtung und Heizung (? D. R.) auf elektrischem Wege erfolgen und auch die Frage einer ausreichenden Verständigung zwischen Locomotiv- und Zugpersonal bez. zwischen Locomotive und den einzelnen Wagen, welche namentlich auch für unsere langen Militärzüge von Bedeutung ist, wird leicht zu lösen sein. Weichen-, Signal- und Schrankenstellungen werden nur noch mittels elektrischer Uebertragung erfolgen und der ganze Signal- und Sicherheitsdienst wird eine weitgehende Vervollkommnung durch elektrisch betriebene Block-, Halt- und Sicherheitssignale erfahren. Einer derartigen weitgehenden Vervollkommnung des Bahnbetriebes gegenüber können militärische Rücksichten an und für sich nicht aufkommen. Es liegt aber auch gar kein Grund vor, von militärischer Seite der Einführung einer derartigen Vervollkommnung entgegen zu sein, wie dies anscheinend in technischen Kreisen vielfach erwartet und befürchtet wird. Im Gegentheil werden wir dieselbe wie jede Vervollkommnung auf dem Gebiete der Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Bahnbetriebes im Interesse der Landesvertheidigung nur mit Freuden begrüssen können und die Heeresverwaltung wird lediglich dahin Sorge zu tragen haben, dass sowohl während der Uebergangszeit, wie auch bei der Einführung selbst die Interessen der Landesvertheidigung im weitesten Sinne gewahrt bleiben, und wird demgemäss auch ihre Bedingungen in Bezug auf die Art und die Organisation des Betriebes und auf die Gesammtausdehnung der Einführung zu stellen haben.“ Nachdem der Vortragende sich noch über die Betriebsart, welcher der Vorzug zu geben sein werde, ob dauernde Stromzuführung oder Betrieb mit Accumulatoren, geäussert und hervorgehoben hatte, dass naturgemäss auch für die Militärverwaltung nur diejenige Betriebsart in Betracht kommen könne, welche von der Technik als die vollkommenste, wirthschaftlichste und zweckmässigste anerkannt werden würde, erörterte derselbe die verschiedenen Betriebsarten in Bezug eines Kriegsfalles und schloss seinen Vortrag mit den Worten: „Ich wollte mit dem Gesagten nur in kurzer Form darthun, dass die militärischen Bedenken, welche gegen die Einführung des elektrischen Betriebes geltend zu machen sind, keineswegs von entscheidender Bedeutung sind, sondern dass sie verstummen müssen gegenüber dem wahrscheinlichen grossen Fortschritt, welcher mit der Einführung der Elektricität als treibende Kraft auf den Eisenbahnen verbunden sein wird.“ Es ist hocherfreulich, dass seitens hervorragender Fachmänner der umfangreichen Verwendung der Elektricität im Eisenbahnbetriebe das Wort geredet wird, und diese Stellungnahme wird ohne Zweifel dazu beitragen, die Elektricität im Eisenbahnbetriebe zu umfangreicherer Verwendung zu bringen, als es bisher der Fall ist. W. P.