Titel: Die Theorie des Krempelns.
Autor: Alfred Haussner
Fundstelle: Band 305, Jahrgang 1897, S. 58
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Die Theorie des Krempelns. Von Professor Alfred Haussner in Brünn. Mit Abbildungen. Die Theorie des Krempelns. Schon seit einiger Zeit damit beschäftigt, das Wesen der Krempelarbeit im Zusammenhang mit den Abmessungen aller dabei in Frage kommenden Bestandtheile der Maschine darzulegen, veranlasste mich eine in letzter Zeit in deutscher Uebersetzung erschienene, ausserordentlich anregende SchriftStudie über das Krempeln der Baumwolle u.s.w. von B. A. Dobson, deutsch von Ingenieur Ernst Müller, Professor a. d. techn. Hochschule in Hannover. Leipzig. Theodor Martin's Textil-Verlag. zu lebhafterer Thätigkeit in der bezeichneten Richtung. In keiner der bisher von den verschiedensten Verfassern gegebenen Betrachtungen über das Kardiren möchte mit einer solchen Gründlichkeit danach gestrebt worden sein, Licht in diesen verwickelten Arbeitsvorgang zu bringen, wie in der Dobson'schen Schrift. Doch scheint es mir, bei ungetheilter Anerkennung des von dem eben genannten Verfasser gebrachten, reichen und schätzbaren Materiales, dass die „Theorie des Krempelns“, trotzdem ein Abschnitt der Dobson'schen Studie diesen Titel trägt, denn doch noch nicht erledigt sei. Der Verfasser weist übrigens selbst darauf hin, dass es ihn nur freuen wird, wenn seine Arbeit zum Weiterbauen Veranlassung geben würde. Es sei nun versucht, im Folgenden, auch unter theilweiser Benutzung der Dobson'schen Ergebnisse, thatsächlich eine Theorie des Krempelns zu entwickeln. 1) Entgegengesetzt gestellte Häkchen. Knüpfen wir an allgemein Bekanntes an! Stehen die Kratzhäkchen nach welcher Richtung immer in zwei zusammenarbeitenden Belegen, so ist klar, dass bei der zwischen denselben befindlichen Wolle dann keine Veränderung eintritt, wenn beide Belege ruhen. Wäre dagegen nur ein Beleg vorhanden, oder würde die Wolle nur von einem Beleg erfasst, so würde die Wolle in ihrer inneren Beschaffenheit auch nicht verändert; und so gelangen wir unmittelbar zur Erkenntniss, dass ein zu bearbeitendes Wolltheilchen von Zähnen beider Kratzbelege erfasst werden muss, wenn überhaupt eine Veränderung in der Wollbeschaffenheit eintreten soll. Lassen wir nun den einen Beleg, etwa a in Fig. 1, von zwei zusammenarbeitenden Beschlägen a und b ruhen, halten wir ihn fest, während b in der Richtung des Pfeiles 1 bewegt werde, so kommen wir bei diesen entgegengesetzt stehenden Häkchen zu jener Arbeit, welche als das Kratzen bezeichnet wird. Worin besteht nun eigentlich das Wesen dieses Kratzvorganges? Eine Wollflocke werde von zwei Kratzhäkchen A und B (Fig. 2) gefasst! Weil A im Beleg a festgehalten zu denken ist, während B in b sich nach der Richtung des Pfeiles 1 bewegt, so werden die im Wollflocken wirr durch einander liegenden und verschlungenen Fasern gezogen, indem deren eines Ende bei A zu bleiben strebt, während das andere Ende mit dem anderen Flockentheil von D weitergeführt wird. Dadurch wird also ein Theil der Fasern zwischen A und B ausgespannt und wenn die Verwirrung der Fasern nicht zu bedeutend war, aus dem Wollflocken herausgezogen, somit die erstrebte Auflösung der Wolle in Einzelfasern aus ihrem ursprünglichen büschelweisen Zusammenhang erzielt. Vergessen wir aber nicht die Bedingungen, unter welchen eine derartige Arbeitsweise nur stattfinden kann. Es muss eben ein Theil der Wolle bei A, ein Theil bei B festgehalten werden, was nur dann sicher zu erwarten ist, wenn die Wolle nicht das Bestreben hat, bei A bezieh. bei B von den Fig. 3. Häkchen abzurutschen, sondern vielmehr in den bezüglichen Beleg längs der Häkchen hineinzugleiten. Um dieses Hinabgleiten einigermaassen zu verfolgen, die Bedingungen für dasselbe zu ermitteln, betrachten wir, wie denn die Wollflocken bei A und B mit einander verbunden sind, wie also der Zug auf die Fasern, welche nach A B ausgespannt sind, wirkt. Es kann, wenn die Bewegung des Kratzhäkchens B nach der Richtung des Pfeiles 1 stattfindet in Fig. 3, welche ungefähr einen Schnitt nach A B in Fig. 2 darstellen soll, etwas Wolle bei W1 bezieh. W2 sich anlegen, während aus diesen Wollflocken eine oder mehrere Fasern herausragen und auf jeder Seite entweder nach A1B1 oder A2B2 ausgespannt sind. Bei fortgesetzter Bewegung nach Pfeil 1 werden dann die Faserenden aus W1 und W2 herausgezogen oder – abgerissen. Andererseits kann auch, wie in Fig. 4 skizzirt, etwas Wolle sich um A bezieh. B schlingen und nur auf einer Seite der Häkchen der Zug nach A B auf Fasern einwirken, welche auch entweder aus den um die Häkchen geschlungenen Wolltheilen herausgezogen oder – abgerissen werden können. Sehen wir uns nun die Darstellung in dem axonometrischen Bilde (Fig. 5) an, in welchem, allerdings absichtlich, der kratzende Theil des Häkchens übertrieben gross dargestellt ist, wie sich die Einzelfasern an die Umfläche des Häkchens legen müssen, wobei wir nicht vergessen wollen, dass beim eigentlichen Kratzen, wie es in der Praxis vorkommt, die Wolle bereits weit zertheilt auf die Kratzbelege kommt, dass wir es also thatsächlich bei jedem Häkchen nur mit wenigen Fasern zu thun haben, welche sich um ein Häkchen schlingen. Textabbildung Bd. 305, S. 59 Fig. 1. Textabbildung Bd. 305, S. 59 Fig. 2. Textabbildung Bd. 305, S. 59 Fig. 3. Textabbildung Bd. 305, S. 59 Fig. 4. In der Fig. 5 sind dabei die Winkel wie in Fig. 2 bezeichnet worden. Ist die Wollflocke bei C am oberen Rande des Häkchens von diesem gefasst worden, so werden sich, wenn wir uns auch auf Fig. 3 beziehen, auf der einen Seite nach C B1, auf der anderen Seite nach C B2, entsprechend der Anspannung und dem Winkel α, unter welchem jede Faser vom Häkchen abgeht, die Fasern in Schraubenlinien an die Umfläche des Häkchens legen, d.h. alle geraden Erzeugenden der Umfläche werden unter demselben Winkel α geschnitten. Dadurch ergeben sich bei der Wollflocke C, an der Erzeugenden C F zwei Spannungen nach C D1 und C D2, welche beide unter dem Winkel α gegen C F geneigt und gleich gross sind, weil im anderen Falle so lange eine seitliche Verschiebung (nach dem Umfange) eintreten würde, bis thatsächlich die Gleichheit der Spannungen C D1 und C D2 vorhanden ist. Diese in der Berührungsebene nach F C liegenden Spannungen haben aber dann eine nach C F gerichtete Resultirende C J (Fig. 6), welche die bezüglichen Verhältnisse in der Berührungsebene nach C F in Fig. 5 darstellt. C J ist aber einwärts, gegen den Grund des Krempelbelages gerichtet und zeigt das Bestreben, die Wolle bei C gegen das Häkchenknie zu schieben. Wir erkennen aber dabei noch etwas anderes, was für die Bequemlichkeit in der Betrachtung von Werth ist. In Dreieck C H1 J (Fig. 6), ist \overline{CJ}=2\,\overline{CH_1}\,.\,cos\,\alpha, weil C J die Diagonale des Rhombus C H1 J H2 ist. Nehmen wir nun vorläufig auf die Umfangsreibung keine Rücksicht, so wirken dieselben Spannungen, welche zur Gewinnung von C J in Fig. 6 geführt haben, in Fig. 5 auch nach B1 A1 und B2 A2. Diese sind aber parallel und fallen in A B (Fig. 2) zusammen. Zerlegen wir nun diese in A B liegende Spannungssumme \overline{BL_2}=2\,\overline{CH_1} in die Componente B J2 parallel zur Häkchenrichtung und in B K2 senkrecht dazu (aufgehoben durch die Biegungsfestigkeit), so zeigt sich BJ_2=\overline{BL_2}\,.\,cos\,\alpha=2\,\overline{CH_1}\,.\,cos\,\alpha, d.h. gleich gross mit der früher ermittelten Grösse \overline{CJ} in Fig. 6. Danach kann man also, bei Vernachlässigung der Reibungsverhältnisse, die einfachere Darstellung in Fig. 2 wählen, um das Auftreten einer Kraft darzuthun, welche die Wolle gegen das Häkchenknie zu schieben strebt. Textabbildung Bd. 305, S. 59 Fig. 5. Textabbildung Bd. 305, S. 59 Fig. 6. Textabbildung Bd. 305, S. 59 Fig. 7. Textabbildung Bd. 305, S. 59 Fig. 8. Textabbildung Bd. 305, S. 59 Fig. 9. Textabbildung Bd. 305, S. 59 Fig. 10. Nicht unerwähnt mag aber bleiben, dass von Element zu Element der Curven B1 C und B2 V, von der Auflaufstelle B1 oder B2 angefangen, für jede Spannung in der Richtung der Faser in der bezüglichen Tangentialebene des Häkchens jene Kräftezerlegung ausgeführt werden kann, wie es etwa für B L2 in Fig. 2 geschehen ist: Eine Componente längs der Cylindererzeugenden hat das Bestreben, die Wolle abwärts gegen das Häkchenknie zu bringen; eine zweite Componente steht senkrecht zu der Richtung des oberen Häkchentheiles und hat die Tendenz, die Wolle einfach von demselben abzuziehen. In C nun, wo die beiden gleich grossen Spannungen nach C D1 und C D2 gleich geneigt gegen die gerade Cylindererzeugende C F in Fig. 5 und Richtung C J in Fig. 6 zusammentreffen, ergeben sich durch Zerlegung der Kräfte C H1 und C H2 in Fig. 6 zwei gleich grosse und gleich gerichtete Componenten \overline{CL}, welche zusammen eben die bereits erwähnte Kraft C J, gegen das Häkchenknie gerichtet, geben. Die beiden anderen Componenten \overline{CK_1} und \overline{CK_2} von \overline{CH_1} und \overline{CH_2} bezüglich sind einander entgegengesetzt gerichtet und haben das Bestreben, die bei C verwirrt zusammenhängenden Fasern senkrecht gegen die Häkchenrichtung aus einander zu zerren, während in Folge von \overline{CJ} das Fasergewirr gegen das Knie abwärts rutscht. In demjenigen Falle, welcher durch Fig. 4 dargestellt worden ist, haben wir die Faser A B an der Häkchenumfläche bis gegen C (Fig. 5) laufend zu denken, wo sie erfasst worden ist und wo wir uns, sofern überhaupt von einem Ausziehen der Fasern aus der büschelweisen Anordnung die Rede sein soll, etwa durch Umschlingung von mit Faser A B verwirrten Fasern, welche sich um das Häkchen gelegt haben, die Faser A B gehalten zu denken haben. Dieser Vorstellung entsprechend, haben wir uns in Fig. 6 dann nur eine der Faserspannungen, z.B. \overline{CH_1}, zu denken, deren eine Componente \overline{CL} schiebend gegen das Häkchenknie wirkt, wie vor, während \overline{CK_1}, dem die Festhaltespannung entgegenwirkt, das Bestreben zeigt, die Faser A B aus dem um das Häkchen geschlungenen Fasergewirre herauszuziehen, so dass wir, was das Wesen der Sache anbelangt, auf ganz Aehnliches sowohl für die durch Fig. 3 wie durch Fig. 4 dargestellten Vorgänge kommen. Ist es doch denkbar, dass auf einer Seite des Häkchens, also wie in Fig. 4 skizzirt, eine so grosse Spannung auftritt, dass sie gleich gross wird der Summe der Spannungen, welche in Fig. 3 beiderseits der Häkchen angedeutet worden sind. Dann aber, wir brauchen in Fig. 6 C H1 nur zweimal so gross, als wie gezeichnet, anzunehmen, wird \overline{CL}, die einwärts schiebende Componente, gleich \overline{CJ}, dem für die gleich grossen Spannungen \overline{CH_1} und \overline{CH_2} erhaltenen Werthe. Bedenken wir nun, dass der Zug durch die ganze Länge der Fasern A B (Fig. 2) wirkt, so ergibt sich, dass auch bei A ganz die entsprechende Kräftezerlegung auszuführen ist; \overline{AL_1}=\overline{BL_2} zerlegt sich in \overline{AJ_1}=\overline{AL_1}\,.\,cos\,\alpha=\overline{AL_2}\,.\,cos\,\alpha=\overline{BJ_2} und in \overline{AK_1}=\overline{BK_2}, wobei \overline{AK_1} durch die Biegungsfestigkeit von Häkchen A aufgehoben werden muss. Wir sehen mithin, dass, solange der maassgebende Winkel a für beide Häkchen derselbe bleibt, die Wolle genau das gleiche Bestreben zeigt, in die beiden Krempelbeschläge einzurutschen, die Wolle wird sich, theoretisch, unter diesen Bedingungen in beide Krempelbeläge gleichmässig vertheilen, solange die Wolle bei A ebenso leicht wie bei B aus dem büschelweisen Zusammenhang gelöst werden kann. Doch gehört hierzu ein wichtiger Factor. Es müssen die bezüglichen Componenten \overline{AJ_1} und \overline{BJ_2} gross genug sein, um die Reibung zu überwinden, welche sich dem Verschieben der Wolle nach A J1 bezieh. B J2 widersetzt. Wie gross ist diese Reibung oder auch wie gross ist der Winkel α, bezieh. – Fig. 2, der Winkel γ – zu wählen, den die Richtung der Krempelhäkchen mit der zum Beschlag a oder b Senkrechten einschliesst? Um diese Frage zu beantworten, wird es sich empfehlen, auf die Querschnittsform der Krempelhäkchen Rücksicht zu nehmen. Ist dieselbe kreisrund, wie in den Fig. 3 bis 5 angedeutet, so legt sich die Faser unter der Spannung, welche sie erfährt, an die Umfläche eines Kreiscylinders, wie in Fig. 5 gezeichnet, in einer Schraubenlinie, etwa C B1. Dass dies wirklich eintreten kann, ist wohl um so eher anzunehmen, weil doch noch, z.B. Verhältnisse bei der Baumwollspinnerei herausgegriffen, der Durchmesser des Krempelhäkchens häufig etwa zehnmal so gross wie jener, der rund gedachten, Baumwollfaser ist. Dadurch ergeben sich ganz ähnliche Verhältnisse wie bei der gewöhnlichen Seilreibung, wo das um einen Cylinder o. dgl. gelegte Seil in einem senkrecht gegen die Cylinderachse liegenden Schnitt aufruhend gedacht wird, während die Faser hier schief gegen die geraden Cylindererzeugenden, nach einer Schraubenlinie, wie vor erwähnt, das kreiscylindrische Häkchen berührt. Denken wir uns (Fig. 7) zwei im Punkte M zusammentreffende, unmittelbar benachbarte Curvenelemente nach den Richtungen M S und M S1, welche mit einander den Winkel d ϕ einschliessen, herausgegriffen. Die Spannungen in diesen Curvenstücken seien bezüglich S=\overline{MS} und S_1=\overline{MS_1}. Dann ist, wenn wir uns in der Richtung M S die Auflaufstelle der Faser, etwa B1 in Fig. 5, liegend denken, S > S1, und zwar ist S um den Betrag der durch S und S1 verursachten Reibung grösser als S1. Allerdings ist diese Reibung, wenn ihre Totalgrösse mit R bezeichnet wird, von Element zu Element nur unendlich klein, gleich d R, so dass: S = S1 + d R. Nun liegen S M und M S1 in der Schmiegungsebene der Curve im Punkt M, welche für unseren Fall, wo wir es mit einer Schraubenlinie zu thun haben, senkrecht steht gegen die Berührungsebene des Cylinders im Punkte M. In dieser Schmiegungsebene folgt \overline{MN} als Resultirende d D der beiden Spannungen S und S1, und zwar steht M N senkrecht gegen die Cylinderfläche, es ist M N der Normaldruck, welcher bei M die Reibung erzeugt. Ist f der Reibungscoëfficient, so folgt: d R = f . d D. Weil aber aus dem Kräfteparallelogramme S M S1 N, in welchem M S nur unendlich wenig von M S1 unterschieden ist: \overline{MN}=d\,D=S\,.\,d\,\varphi sich ergibt, so ist: dR = f . S . d ϕ Von oben ist aber: S – S 1 = d R (SS1) ist aber auch die Differenz unmittelbar benachbarter Spannungen, also durch d S zu bezeichnen, so dass wir bekommen: d S = d R = f . S . d ϕ oder auch: \frac{d\,S}{S}=f\,.\,d\,\varphi Durch Integration folgt: l S = f ϕ + C, wobei der Winkel ϕ von C aus gegen B1 zu zählen ist (Fig. 5), weil in der obigen Gleichung für d S dieses und d ϕ gleiches Zeichen haben, somit gleichzeitig ab- und zunehmen müssen. Zählen wir aber, wie es für den Gebrauch bequemer sein dürfte, den Winkel ϕ von B1 gegen C, also in umgekehrter Richtung gegen früher, so haben wir etwa zu setzen: ϕ = – ψ, somit wird: l S = – f ψ + C. Für ψ = 0, also für den Punkt B1 geht die allgemeine Grösse S über in den Werth S0 für die Maximalfaserspannung; demgemäss wird: l S0 = C, oder: l S = – f ψ + l S 0 oder: l\,\frac{S_0}{S}=+f\,\psi. Ist e die Basis der natürlichen Logarithmen, so erhält man auch: S_0=S\,.\,e^{f\,\psi} . . . . . 1) Der Totalbetrag für die Reibung ist dann: R=S_0-S=S\,(e^{f\,\psi}-1) oder: R=S_0\,\frac{e^{f\,.\psi}-1}{e^{f\,\psi}} . . . . . 2) Die Spannungen bei C (Fig. 5 und 6) nach den Richtungen C D1 und C D2 ergaben sich nach Gleichung 1: S=\frac{S_0}{e^{f\,\psi}}=S_0\,.\,e^{-f\,\psi} . . . . . 3) Was den Winkel ψ betrifft, welcher in den Gleichungen 1 bis 3 eine bedeutende Rolle spielt, so ist dies gemäss der Ableitung derjenige Winkel, welchen die beiden Spannungsrichtungen B1 A1 und C D1 mit einander einschliessen. Um diesen zu finden, denken wir uns A1 B1 E1 parallel zu sich selbst so lange verschoben, bis B1 auf C und B1 E1 in C F fällt. Dadurch erhält man ein Dreikant mit der Spitze in C und den Kanten C F, C D1 und einer durch C parallel zu B1 A1 gezogenen Geraden, wie es in Fig. 8 skizzirt worden ist. Benutzen wir nun die allgemeine Formel für das sphärische Dreieck: cos a = cos b cos c + sin b sin c cos α, wobei a, b, c die drei Seiten sind, α den von b und c eingeschlossenen Winkel bedeutet, so haben wir in unserem Fall für b und c diejenigen Winkel zu setzen, welche C D1 und die zu B1 A1 Parallele C A1' mit C F einschliessen. Weil wir es hier mit einer Schraubenlinie zu thun haben, deren Tangenten sämmtlich gleichgrosse Winkel α mit den Cylindererzeugenden einschliessen, so haben wir in Fig. 8: A1' C F = D1C F = α Weiters ist Winkel A1' C D1 = ψ, dem Winkel, welche die beiden Tangenten A1 B1 und C D1 der Schraubenlinie einschliessen. Weiters können wir, gemäss Fig. 3 und 5, den Winkel der beiden Tangentialebenen, derjenigen, wo die Wolle auf das Krempelhäkchen aufläuft, und derjenigen durch C, also den Winkel der beiden Ebenen A1' C F und D1 C F, gleich 90° setzen, weshalb aus der oben angegebenen Formel für das sphärische Dreieck für unsere Zwecke folgt: cos ψ = cos α . cos α + sin α . sin α. cos 90° also: cos ψ = cos2α . . . . . 4) Die Annahme des benutzten Flächenwinkels bei F gleich 90° geht um so eher an, weil ja ohnehin die Reibungsverhältnisse absolut genau zu bestimmen kaum jemals möglich sein dürfte. Ueberdies haben wir dann, wenn etwa die Wolle näher gegen B1 (Fig. 3) und weiter von B2 gefasst wird bezieh. die Tangentialebene von C in Fig. 5 mit jener von B1 einen kleineren Winkel als 90°, mit jener in B2 einen um ebenso viel grösseren Winkel als 90° einschliesst, den oben in (4) bestimmten Winkel ψ übergehend für die eine Seite in (ψ – λ), für die andere Seite in (ψ + λ). Die bezüglichen Reibungen werden dann nach (2): R_1=S\,[e^{f\,(\psi-\lambda)}-1]\mbox{ und }R_2=S\,[e^{f\,(\psi-\lambda)}-1] total also: (rR_1+R_2)=S\,[e^{f\,(\psi-\lambda)}+e^{f\,(\psi-\lambda)}-2] was für λ = 0, also R1 = R2 übergeht in: R_1+R_2=2\,R=S\,[2\,e^{f\,\psi}-2]=2\,S\,(e^{f\,\psi}-1) . 5) Ist nun λ nicht besonders gross, was wegen der Art und Weise, wie die Wolle doch von dem in der Angriffsrichtung am weitesten vorliegenden Theile des Häkchenumfanges gefasst wird, anzunehmen ist, so weicht für die praktisch vorkommenden Fälle der Werth für 2 R von dem Werthe für (R1 + R2) nicht nennenswerth ab, wie eine Reihenentwickelung der Potenzen von e unmittelbar ergeben würde, wovon aber hier wegen relativer Geringfügigkeit abgesehen werden möge. Uebrigens kann es sehr leicht sein, dass sich durch Verschlingen von Wollfasern ein Klümpchen Wolle bildet, welches gegenüber dem Querschnitt des Krempelhäkchens sich als ziemlich gross, massig zeigt, so dass wir ein Bild bekommen, wie es in Fig. 9 schematisch dargestellt ist. Es kann dies insbesondere im Anfange des Angriffes auf W2 eintreten, wo die für W2 beginnende Bewegung nach Pfeil 1 noch wenig Wollfaserlänge aus dem Knäulchen herausgezerrt hat. Dann ist es offenbar nicht angebracht, das Auflegen der Fasern nach Schraubenlinien, wie in Fig. 5 skizzirt, zu betrachten, und fallen damit hier alle Folgerungen weg, welche aus dieser Betrachtung sich ergeben haben, insbesondere jene bezüglich der Reibungsgrösse. Wir können in dem Falle der Fig. 9 ohne weiteres jene Kräftezerlegung durchführen, wie sie aus Fig. 2, etwa bei B, erhellt. Insbesondere bekommen wir bei dieser Betrachtung den Andruck des Faserknäuels in der Componente \overline{BK_2}=2\,S_0\,.\,sin\,\alpha, wenn wir mit S0 die Faserspannung auf jeder Seite, also nach B1 A1 und B2 A2 bezeichnen. Wird aber der Faserknäuel mit \overline{BK_2} angedrückt, so stellt sich hier die Reibung R*: R* = 2 f . S0 . sin α . . . . . 6) Das Verhältniss zwischen dieser Grösse und jenem R, welches aus Gleichung 5 folgt, ist: \frac{R}{R^*}=\frac{S\,(e^{f\,\psi}-1)}{S_0\,.\,f\,.\,sin\,\alpha} oder weil \frac{S}{S_0}=\frac{1}{e^{f\,\psi}} nach Gleichung 3: \frac{R}{R^*}=\frac{e^{f\,\psi}-1}{f\,.\,sin\,\alpha\,.\,e^{f\,\psi}} Für einen besonderen Fall sei f = 0,2: dann aus Gleichung 4: ψ = 87°, für α = 75°, so zeigt sich: R = R* . 1,34 d.h. die Reibung ergibt sich dann, wenn sich die Fasern so um das Häkchen legen, wie in Fig. 5 angedeutet, etwa um ⅓ grösser, als wenn man die wohl meist entsprechende Vorstellung nach Fig. 9 beachtet. Dass thatsächlich diese Vorstellung der Wirklichkeit näher kommt, eigentlich ihr meist ganz entspricht, zeigt ganz auffallend die folgende Rechnung, welche auf die Grösse des Winkels γ (Fig. 2) führt. Die Resultirende \overline{CJ} (Fig. 6), welche, die Reibung überwindend, die Fasern gegen das Häkchenknie schiebt, ist: \overline{CJ}=2\,\overline{CH_1}\,.\,cos\,\alpha=2\,S\,.\,cos\,\alpha An der Grenze, wenn gerade noch das erwähnte Schieben der Fasern eintritt, wird: \overline{CJ}=R oder: 2\,S\,.\,cos\,\alpha=2\,S\,(e^{f\,\psi}-1) oder auch: cos\,\alpha=e^{f\,\psi}-1 oder: 1+cos\,\alpha=e^{f\,\psi}=2\,cos^2\,\frac{\alpha}{2} Nehmen wir beiderseits die natürlichen Logarithmen, so folgt: 4\,l\,cos\,\frac{\alpha}{2}=f\,\psi Winkel ψ steht aber nach Gleichung 4 mit Winkel α in naher Beziehung, so dass thatsächlich aus der früheren Gleichung der Winkel α bestimmbar ist, etwa mittels Regula falsi. Für f = 0,2 zeigt sich hier α = 50°, also Winkel γ = 90° – α = 40°, ein Winkel, der in der Praxis weit unterschritten wird. Nehmen wir aber gemäss Fig. 9 für die Reibung den Werth R*, so wird für das beginnende Abwärtsgleiten: R^*=\overline{BJ_2} in Fig. 2. Nun ist aber \overline{BJ_2}=2\,S_0\,.\,cos\,\alpha, weil wir hier die Spannungen unmittelbar an der Anlaufstelle der Fasern zu nehmen haben. Mithin wird mit Bezug auf Gleichung 6: 2 f . S0 . sin α = 2 S0 . cos α oder, wie bei dieser Art der Betrachtung vorauszusehen war: ctg α = f . . . . . 7) Nehmen wir nun wieder f = 0,2, was, wie später noch hervorgehoben werden soll, bei Baumwolle vorkommt, so wird: Winkel α = 78°, also Winkel γ = 12°, was den in der Praxis vorkommenden Werthen, bei welchen die Wolle noch gut in die Belege, also einwärts gleitet, vollständig entspricht. Es sollte aber doch nicht vermieden werden, auf die immerhin mögliche Angriffsweise, wie sie in Fig. 5 angedeutet ist, und deren Folgen ausführlicher hinzuweisen, weil sonst Einwände gegen die folgende Darstellung bezieh. die Annahme, dass meist der Arbeitsvorgang wie in Fig. 9 angedeutet geschehe, leichter möglich gewesen wären. Man braucht sich auch nur zu erinnern, wie leicht Knötchen o. dgl. von etwa 0,2 mm Durchmesser in der Wolle vorkommen und dass es genug Krempelhäkchen gibt, welche auch nur etwa 0,2 mm Durchmesser haben, um die Zulässigkeit der Betrachtung nach Fig. 9 durch unmittelbaren Vergleich dieser bestimmten Zahlwerthe zuzugeben. Ganz ähnlich bezüglich der eben erörterten Reibungsverhältnisse liegt die Sache dann, wenn wir die Krempelzähne seitlich angeschliffen denken, wenn also der Querschnitt eines Häkchens jene aus der Kreisgestalt hervorgehende Form zeigt, wie sie, entsprechend vergrössert, aus Fig. 10 zu erkennen ist. Wir kommen bei der durch Fig. 2 charakterisirten Kräftezerlegung nach ganz den analogen Schlüssen, wie bei der Betrachtung von Fig. 9 auf die Gleichung ctg α = f. Aber etwas anderes mag schon hier nicht unerwähnt gelassen werden. Wenn wir für eine der Fasern in Fig. 10, etwa A1 B1, fragen, wie wir uns denn das Ausziehen derselben, das Loslösen aus dem Büschel zwischen B1 und B2 vorstellen können, so zeigt die nur schematisch durchgeführte Kräftezerlegung der Faserspannung \overline{B_1\,L_1} in \overline{B_1\,K_1}, senkrecht zur Häkchenumfläche, und \overline{B_1\,J_1} in die Berührungsebene B1 T fallend, wie klein verhältnissmässig jene Kraftgrösse hier folgt, welche die Faser parallel zur Cylinderumfläche aus dem Gewirre herauszieht, während die Faserspannung B1 L1 viel grösser ist, so dass also eventuell in der Richtung B1 J1 noch lange nicht die zum Herausziehen der Faser nothwendige Kraft erreicht ist, dann, wenn in B1 A1 schon die Faser bis zu ihrer natürlichen Festigkeitsgrenze beansprucht worden ist und daher reisst. In dieser Beziehung scheint mir ein seitlich, wie in Fig. 10, angeschliffenes Häkchen unter sonst gleichen Umständen entschieden im Nachtheile gegenüber dem ganz runden zu sein, bei welchem, gemäss Fig. 9 etwa, die ganze Faserspannung nach B1 A1 und B2 A2 zum Ausziehen der Fasern aus dem Gewirre angewendet wird. Thatsächlich tritt nach der Vorstellung, welche Fig. 10 erweckt, beinahe eher ein dem Zerschneiden ähnelnder Vorgang, als ein Auseinanderzerren des Faserknäulchens ein in Folge der scharfen Krümmung, welche sich die Fasern bei B1 und B2, in Fig. 10, gefallen lassen müssen. Wenn wir nun bisher für eine Art der gegenseitigen Bewegung der entgegengesetzt gestellten Kratzbelege in Fig. 1 das Wesen des Kratzens verfolgt haben, so gehen wir weiter und betrachten noch die anderen Möglichkeiten in der gegenseitigen Bewegung der beiden Belege a und b. Es sei wieder a in Ruhe, b bewege sich aber nach der Pfeilrichtung 2. Sich stützend auf die vorangegangenen Betrachtungen, insbesondere was das Anlegen der Wolle an die Häkchen betrifft, führen wir eine ähnliche Kraftzerlegung durch, wie bei Fig. 2. Nur haben wir jetzt (Fig. 11) Folgendes: Bewegt sich Beleg b nach Pfeil 2, während a ruht, und haben wir von beiden Häkchen Wolle A und B erfasst und sind Fasern zwischen A und B ausgespannt, so ergeben sich wohl ohne weiteres die Kräftezerlegungen durch die Parallelogramme A J1 L1 K1 und B J2 L2 K2, woraus sofort zu entnehmen ist, dass bei beiden Häkchenspitzen sich Componenten \overline{AJ_1} und \overline{AJ_2} bezüglich ergeben, welche das Bestreben anzeigen, dass die Wolle wieder von den Häkchen abrutscht, in der Vereinigung der Wollfasern zwischen den beiden Kratzbelegen liegen bleibt, wodurch die Untauglichkeit dieser Art der Arbeit für fast alle praktischen Bedürfnisse dargethan ist. (Die Arbeitsweise des „Volants“ wird später besprochen.) Lassen wir nun auch, während b sich bewegt, a eine Bewegung machen. Schreitet etwa b nach Pfeil 1 mit der Geschwindigkeit (+ vb) fort, während a nach Pfeil 3 die Geschwindigkeit (– va) besitzen möge; Die entgegengesetzt gerichteten Häkchen haben auch entgegengesetzt gerichtete Bewegungen. Offenbar wird dabei das Faser material, welches von zwei Häkchen (eines von a, eines von b) erfasst worden ist, so ausgespannt, wie in Fig. 2 skizzirt. Es ist für die Arbeit gerade so, als ob b etwa allein sich gegen den ruhend gedachten Belag mit der relativen Geschwindigkeit vr = (va + vb) bewegen würde, die Wolle wird energisch gekratzt, ein Fall, welcher z.B. bei den Baumwollkrempeln mit wandernden Deckeln, welche entgegen der Drehungsrichtung des Tambours wandern, thatsächlich vorkommt. Belassen wir b nach Pfeil 1 die Geschwindigkeit vb, dagegen bewege a sich nach Pfeile, also nach derselben Richtung wie b, aber mit der Geschwindigkeit (+ va): Entgegengestellte Häkchen, gleichgerichtete Geschwindigkeiten. Solange va < vb, eilt Beleg b mit der relativen Geschwindigkeit vr = (vbva) dem Beleg a vor, Wollfasern werden wieder ausgespannt, wie in Fig. 2 dargestellt; es wird gekratzt gerade so, als ob a ruhen, b nach Pfeil 1 sich mit der Geschwindigkeit vr = (vbva) allein bewegen würde, ein Fall, wie er bei jenen Deckelkrempeln vorkommt, bei welchen die Deckel in der Drehungsrichtung des Tambours wandern. Wird nun allmählich va immer grösser, so vermindert sich vr, die relative Geschwindigkeit, und mit ihr die Energie des Kratzens, bis diese endlich Null wird, dann, wenn vr = 0, d.h. va = vb wird, beide Belege sich nach derselben Richtung und mit derselben Geschwindigkeit bewegen, die beiden Belege gegen einander keine Bewegung ausführen, es für die zwischen ihnen enthaltene Wolle, was Zertheilung derselben anbelangt, gerade so ist, als ob beide Belege absolut ruhen würden. Die Wolle wird nur in der gemeinsamen Bewegungsrichtung der Belege fortgeführt, ohne weiter aufgelöst zu werden. Wächst nun die Geschwindigkeit va noch weiter, so dass also va > vb, so eilt jetzt der Beleg va nach der Pfeilrichtung 4 (und 1) dem Beleg b vor mit der relativen Geschwindigkeit vr = (va – vb). Es ist gerade so, als ob nur a sich bewegen, b ruhen würde, was die Einwirkung auf die Wollfasern betrifft. Die Wirkung ist aus Fig. 11 unmittelbar zu entnehmen, wenn wir b ruhend und die Anspannung der Fasern A B uns durch die Bewegung von a nach der dem Pfeil 2 entgegengesetzten Richtung bewirkt denken. Es rutschen wieder die Fasern von den Häkchen spitzen A und B ab und bleiben in der Wolle liegen, welche zwischen den beiden Kratzbelegen sich befindet, ein für die Praxis, wie schon hervorgehoben, meist unbrauchbarer Vorgang. Textabbildung Bd. 305, S. 63 Fig. 11. Bewegt sich Beleg b nach Pfeil 2 mit der Geschwindigkeit (– vb), dagegen Beleg a nach Pfeil 3 mit der Geschwindigkeit (– va), so finden wir ganz analoge Verhältnisse, wie eben ausführlich betrachtet, für die Bewegungen nach Pfeil 1 und 4; es wechseln bezüglich der Wirkung die Belege a und b die Plätze: wenn a dem Beleg b voreilt, wird gekratzt u.s.w. u.s.w. Betrachten wir dann noch die Bewegung der Belege: a nach Pfeil 4 mit der Geschwindigkeit (+ va), b nach Pfeil 2 mit der Geschwindigkeit (– vb), so tritt wieder die Wirkung nach Fig. 11 entsprechend der relativen Geschwindigkeit vr = (va + vb) ein, wie es weiter oben bereits für einen Fall erläutert worden ist. Damit sind aber auch sämmtliche Fälle, welche bei der Bewegung von mit entgegengesetzt gerichteten Kratzhäkchen besetzten Belegen eintreten können, betrachtet. Wir ziehen den Schluss, dass nur die relative Geschwindigkeit der beiden Belege für die Zertheilungsarbeit maassgebend ist und dass dieser entsprechend gekratzt, die Wolle aufgelöst wird, wenn diese relative Geschwindigkeit nach derselben Richtung geht, wie die Neigung der Kratzhäkchen in dem mit dieser Geschwindigkeit bewegt zu denkenden Kratzbeleg. Dieser Satz ist wohl ziemlich allgemein anerkannt, ohne dass meines Wissens bisher so scharf auf den Grund hierfür eingegangenVgl. z.B. H. Grothe, Streichgarnspinnerei u.s.w. S. 295. und beachtet worden ist, dass und warum bei dieser Kratzarbeit die Wolle thatsächlich gleichmässig, zu ungefähr gleichen Mengen bei unter gleichen Neigungswinkeln stehenden Kratzhäkchen in die beiden Belege überzugehen strebt, wie aus der Gleichheit der Componenten \overline{AJ_1} und \overline{BJ_2} in Fig. 2, worauf nochmals hingewiesen werden soll, hervorgeht. (Fortsetzung folgt.)