Titel: Die VIII. Internationale Automobilausstellung in Paris 1905/6.
Autor: K. Rummel
Fundstelle: Band 321, Jahrgang 1906, S. 81
Download: XML
Die VIII. Internationale Automobilausstellung in Paris 1905/6. Von Dipl.-Ing. K. Rummel, Aachen. Die VIII. Internationale Automobilausstellung in Paris 1905/6. In gewissem Sinne darf unser heutiger automobiler Personenwagen bereits als Nutzfahrzeug angesprochen werden, Nutzfahrzeug insofern, als schon des öfteren die sportlichen Interessen hinter seinem eigentlichen Zweck als Transportmittel zurückzutreten beginnen. So zeigt z.B. das Bild des Kraftwagenverkehrs in den Strassen von Paris eine deutliche Verschiebung zugunsten der voiture de ville, des eleganten geschlossenen Wagens, der bei dem reichen Manne an die Stelle des Pferdegespanns getreten ist. Man sieht tatsächlich weniger edle Luxuspferde als früher, dafür aber überraschend viele automobile Coupes und Landaus, selbstverständlich mit seitlichem Einstieg; der Einstieg von hinten gehört der Vergangenheit an; selbst der Chauffeur verwandelt sich in den herrschaftlichen Diener in seiner gewohnten Uniform. Man darf nun natürlich nicht den Schluss ziehen, dass auch die Frage der Rentabilität in neuem und ausschlaggebendem Sinne entschieden sei. Zwar weisen die Kataloge weitaus der meisten Firmen einen weiteren Preis-nachlass von einigen Prozent gegenüber dem Vorjahre auf, der sich besonders auf die leichteren Wagen zu erstrecken scheint, indessen zeigt eine wohl keines weiteren Kommentars bedürftige Statistik aus dem letzte Jahre, dass von den etwa 21500 in Frankreich angemeldeten Kraftwagen weniger als 15 v. H. die bei Benutzung des Fahrzeuges in Ausübung eines Berufes zulässige Steuerermässigung genossen. Unter den letzteren stellten die Aerzte das weitaus grösste Kontingent. Auch Omnibusse und Lastwagen sind häufiger als früher im Strassen verkehr zu sehen. Für die Dauer der Ausstellung ist eine von mehreren Firmen unterhaltene Omnibuslinie (Börse–Grand Palais) eingerichtet worden, deren Wagen täglich etwa 100 km zurückzulegen haben, und deren Betrieb anstandslos unterhalten wird. Das grosse, noch weit verbreitete Misstrauen gegen den Omnibusverkehr hat seinen Grund darin, dass viele im Laufe der letzten Jahre eingerichtete Automobillinien kläglich Fiasko gemacht haben. Das lag aber daran, dass einmal viele dieser Linien nicht genügend finanziert waren und über ungenügendes rollendes Material verfügten, so dass im Falle einer vorübergehenden Störung gleich der ganze Betrieb eingestellt werden musste. Es gibt solche Linien, deren gesamter Wagenpark aus einem einzigen Fahrzeug ohne jede Reserve bestand. Anderseits sind auch wohl erst einige Gehversuche gemacht worden und bevor die nötigen Erfahrungen erworben waren, hatten Publikum und Geldgeber die Lust und das Vertrauen verloren. So scheint mir trotz aller Prophezeiungen der Automobilomnibusverkehr eine sehr gute und auch eine sehr baldige Zukunft zu haben. Zu Bedenken dürfte allerdings noch ein Punkt Veranlassung geben, nämlich die zu erwartende höhere Abnutzung der Strassen. Nach aus Frankreich kommenden Berichten über diesbezügliche statistische Aufzeichnungen, scheint diese Frage von recht erheblicher Bedeutung zu sein. Das eben entrollte Bild vom Stande des Strassenverkehrs spiegelt sich natürlich im engeren Zirkel der Ausstellung wieder. In den mit als Ausstellungsräumen herangezogenen Serres de la ville sind zahlreiche Lastwagen und Omnibusse, auf deren Fahrtzielschildern zuweilen Linienbezeichnungen mit den verwegensten aussereuropäischen Namen prangen, untergebracht. Im Hauptgebäude, dem Grand Palais, in welchem in der Kuppelhalle die Personenwagen und in den Nebensälen, auf den Galerien usw. die Zubehörteile untergebracht sind, fällt auf den ersten Blick auf, dass der geschlossene Wagen dominiert, und zwar handelt es sich vorwiegend um Karosserien mit zwei festen Innensitzen, zu denen in der Mehrzahl der Fälle noch zwei mehr oder weniger bequeme Notsitze kommen. Einige Konstruktionen haben auch die Steuersäule und den ganzen Bedienungsmechanismus mit in dieses geschlossene Coupe hereingezogen, so dass also dessen Vorderwand mit dem Spritzbrett abschliesst. Die Ausstellung wird mehr denn je von dem Benzinautomobil beherrscht, der elektrische Wagen in seinen verschiedenen Systemen ist nur ganz vereinzelt zu finden. An Dampfautomobilen zeigt sich zum ersten Male mit Kraftfahrzeugen die altbekannte Firma Weyher & Richemond auf dem Plan, ihr Wagen bildet einen der vom Publikum bewunderten Clous der Ausstellung. Vom allgemein-technischen Standpunkte aus ist das Motorgehäuse als kompliziertes Gusstück recht interessant. Auch Serpollet zeigt neues. Der Motor ist jetzt doppeltwirkend; seine Stopfbüchskonstruktion ist dem allgemeinen Maschinenbau mit den dort üblichen Bauarten für hochgespannten und überhitzten Dampf entlehnt, obwohl die Drucke ganz erheblich höher sind als bei stationären Maschinen. Der neue Motor liegt unter dem Fussbrett des Führersitzes. Ein Gegenstromvorwärmer ist zur Ausrüstung des Wagens hinzugetreten. Im Hauptausstellungsgebäude sind über 150 fertig montierte Rahmen ausgestellt. Die Pferdestärken der Wagen sind wieder gestiegen, und zwar hat sich hauptsächlich die Zahl der 30–40pferdigen Chassis vermehrt; als Ursache hierfür ist wohl das Streben nach sehr bequemen, aber auch sehr schweren Wagenkästen mit bestimmend gewesen. Bei Betrachtung der Stärke der Wagen verdient aber noch ein Punkt besonders hervorgehoben zu werden; es finden sich neue und zahlreiche Anläufe zum Ziel des „billigen Wagens“ hin, nach dem schon seit längerer Zeit besonders das Streben der deutschen Konstrukteure geht. Das Thema des „Volksautomobils“ ist in letzter Zeit so oft in Fachzeitschriften zur Sprache gebracht worden, dass eine eingehende Erörterung hierüber überflüssig zu sein scheint. Kurz gefasst, scheint mir die Frage nach der Möglichkeit eines solchen billigen Gebrauchsfahrzeuges so zu liegen, dass ein Automobil in seiner unumgänglichen Vielteiligkeit in einzelne in sich wieder komplizierte Organe: Rahmen, Motor, Geschwindigkeitswechsel, Laufwerk, Lenkung, Wagenkasten – nur schwer zu vereinfachen ist, wenn nicht auch die Ansprüche an das Fahrzeug selbst heruntergeschraubt werden. Aber hierin gerade liegt das Unzulängliche. Der Arzt oder Beamte oder Industrielle, der sich im Interesse seines Berufes den billigen Wagen zulegen will, möchte ungern auf den Automobil sport, wenn auch in der bescheidensten Form des Sonntagsnachmittagsausflugs mit Kind und Kegel verzichten. Das aber ist nur schwer zu erreichen. Der einfache Zweisitzer genügt nicht mehr usw. usw. Bedenkt man ferner, dass ein solcher Wagen auch noch ganz besonders einfach in der Bedienung, Wartung und Reparatur sein soll, dann lässt sich ermessen, dass nur bewusste konstruktive Abweichung von dem Tourenwagen befriedigende Ergebnisse liefern konnte, nicht aber, wie es früher wohl versucht ist, einfache Weglassung oder Verstümmelung der Lebensorgane oder schematische Verkleinerung des normalen Tourenwagens. Zudem kann, wie auch das Beispiel derartiger amerikanischer Wagen zeigt, nur ein durch Riesenkapital fundierter Grossbetrieb in die Herstellung solcher Fahrzeuge Fluss bringen. In allen diesen Beziehungen verdient der Wagen von Sizaire & Naudin hervorgehoben zu werden, welcher in diesem Jahre zum erstenmal auf der Ausstellung gezeigt wird und mit einem Katalogpreis von 2950 Fr. inklusive Luftreifen und zweisitziger Karosserie ausgezeichnet ist. Das Holzgestell des Wagens ist nur in drei Punkten auf Federn gelagert und zwar ist es mit der Hinterachse nur durch lange „Viertelelliptikfedern“ verbunden, deren einer Endpunkt am Rahmen liegt, während der andere an der Hinterachse befestigt ist. Diese Federn haben mithin auch den gesamten Wagenschub aufzunehmen. Der vordere Teil des Rahmens ruht auf einer vor dem Kühler liegenden Querfeder; die Verbindung ist so ausgeführt, dass die Vorderachse in Fortfall kommt. Die drei Uebersetzungen des Geschwindigkeitswechsels stellen eine mit dem Differential vereinigte Spezialkonstruktion dar, welche bei einem so kleinen Wagen keine übermässige Belastung der Hinterachse bilden kann. Der 7 pferdige Motor hat Wasserkühlung (ohne Pumpe und Ventilator). Dies verdient hervorgehoben zu werden, da amerikanische Wagen mit noch stärkeren luftgekühlten Motoren laufen. Alles in allem ist der Wagen recht einheitlich durchgearbeitet. Ueberhaupt ist an ehrlicher konstruktiver Arbeit viel geleistet worden. Während man im Jahre 1904 noch so manchen grob zusammengestückelten Wagen sehen konnte, Details, die der Konstrukteur nur mit Kopfschütteln betrachtete, ist der Durchschnitt der Wagen besser geworden; dies mag einmal daran liegen, dass viele Firmen ihren Wagen nun so oft durchgearbeitet und nach ihren oft teuer erkauften Erfahrungen verbessert haben, dass durch die natürliche Entwicklung eine Auslese des Bewährten entstehen musste; anderseits daran, dass tüchtige uni berufene Konstrukteure sich immer mehr in der Kraftwagenindustrie zu betätigen beginnen. Man darf nicht vergessen, dass der Automobilbau noch vor wenigen Jahren recht weit abseits vom allgemeinen Maschinenbau stand und dass sich auch jetzt noch in manchen Details eine verhältnismässige Unwissenschaftlichkeit kundgibt. Ohne der ins Blaue hinein experimentierenden Theorie das Wort reden zu wollen, muss man doch zugestehen, dass das Fehlen von wissenschaftlich-technischen, durch Laboratoriumsversuche geklärten Grundlagen sich bei einer ganzen Reihe von Details recht störend geltend macht. Alle Einzelheiten, welche spezielle Eigentümlichkeiten des Motorwagens sind, zeigen dies. Sie sind meist praktisch herausprobiert worden und werden immer noch nur nach Erfahrung dimensioniert. Dies geht namentlich alle Fragen der Regelung inkl. Zündung und Vergasung an; da wimmelt es, namentlich auf dem letzteren Gebiet, von allen möglichen Versuchen konstruktiver Lösungen, ohne dass man den ruhenden Pol in der Erscheinungen Flucht zu finden vermöchte. Aber wenngleich auch noch die Theorie des Kraftwagens ein weites Feld zu wissenschaftlichen Untersuchungen bietet, so steht doch die praktische Gestaltung seiner Teile auf einer hohen Stufe. Es sind – und das noch weit mehr als im letzten Jahre – eine ganze Reihe von Ausführungen vorhanden, denen man die Einheitlichkeit des Entwurfes, denen man, ich möchte fast sagen, in jedem Stück die Eigenart des Konstrukteurs ansieht, so z.B. unter den französischen Firmen die Wagen von Pilain und vor allem Cornilleau et Sainte Beuve, die eine ganze Reihe der eigenartigsten Einzelheiten aufweisen. Natürlich sind auch die anderen bewährten Firmen voll auf dem Platze. Brassier hat merkwürdigerweise seinen Wagen von Grund aus umgearbeitet. Abgesehen von Einzelheiten zeigen Rahmen, Motor, Geschwindigkeitswechsel eine ganz neue Gestalt, ohne dass man sich über das warum dieser Aenderung immer klar wäre. Auch das Ausland ist gut vertreten, besonders fällt Italien durch die stattliche Zahl von Firmen auf, welche den Salon – und zwar mit recht anerkennenswerten Fabrikaten – beschickt haben. Auch Belgien und England zeigen tüchtige Leistungen, namentlich verdienen die beiden, allerdings nicht vom Stammhause ausgestellten Napierwagen (Sechszylinder) in ihrer kräftigen, übersichtlichen Ausführung Beachtung. Die holländischen Spykerwagen erscheinen in ganz neuer Form mit einem hinten heckförmig zusammenlaufenden Rahmen. Der Vierräderantrieb ist aufgegeben. Auch sonst bieten die Wagen viel neues. Die deutschen Aussteller sind leider nicht sehr zahlreich. Daimler, Argus und Benz, der erstere in seinen Ausführungen immer noch ziemlich konservativ, sind vertreten; dazu kommen noch die unter fremder Flagge laufenden Regina-Dixi-Wagen der Fahrzeugfabrik Eisenach. Die N. A. G. nimmt an der obenerwähnten Omnibuslinie Börse-Grand Palais teil. Eine regere Beteiligung der deutschen Industrie würde nur förderlich wirken können, selbst wenn der direkte Erfolg in Form eines grossen Absatzes von Wagen auf der Ausstellung selbst zu wünschen übrig lassen und nicht einmal die grossen Unkosten wettmachen sollte. Man konnte z.B. überall den starken Eindruck konstatieren, welchen die zahlreichen italienischen Wagen machten. Der Zug zum allgemeinen Maschinenbau hin, der seit langem immer zielbewusstere Wege einschlägt, findet neue Bestätigung in dem Bestreben nach möglichster Ausschaltung aller nichtmetallischen Baustoffe. Nachdem schon vor Jahren der Holzrahmen oder holzarmierte Rahmen mehr und mehr dem gepressten Stahlrahmen wich, nachdem in letzter Zeit die rein metallischen Bremsen Schritt für Schritt an Terrain gewannen – auf dem jetzigen Salon haben sie auf der ganzen Linie den Sieg erreicht –, gerät jetzt auch die Lederkupplung stark ins Hintertreffen. Die rein metallische Bauart, sei es nun als Scheiben-, Lamellen- oder Spiralbandkupplung oder in dem Bau der Bremsen entlehnten Ausführungen hat viele Anhänger gefunden. Auch zwei magnetische Kupplungen sind vertreten; der erforderliche Strom wird von einer besonderen kleinen Dynamo erzeugt; ebenso findet sich eine unter hydraulischem Anpressungsdruck arbeitende Bauart. Die Rücksicht auf leichte Demontage spielt natürlich bei der Gestaltung der Kupplung, wie auch sonst, eine bedeutende Rolle. Einige Konstrukteure versuchen, zu diesem Zweck die Kupplungsfeder seitlich aus der Kupplung selbst herauszulegen und übertragen den Druck durch ein Gestänge. Das Streben nach der Verwendung von Metall geht bei dem Napierwagen bis zur Herstellung selbst des Spritzbrettes aus Aluminium. Sehr bemerkenswert ist ferner die sehr grosse Zahl federnder Räder. Ob auf diesem Gebiete wirklich schon etwas Brauchbares geschaffen ist, kann nur der Erfolg lehren. Die Schwierigkeit, zu einem annehmbaren Preise ein Rad zu bauen, dessen Speichenkonstruktion ein Federn der Nabe gegen die Felge bei Achsbelastungen von 600 bis 800 kg, ja selbst bis 4000 kg gestattet und dabei das Drehmoment sicher aufnimmt und ferner in der Radebene steif ist, so dass achsiale Stösse ohne Nachgiebigkeit und ohne Bruchgefahr aufgenommen werden können, ist jedenfalls gross, so vielversprechend auch die Lösung der Aufgabe sein mag, einen Ersatz für die lästigen und gefährlichen Luftreifen zu schaffen, die immer noch die Achillesferse des Motorwagens bilden. Einschulung und Einschachtelung sämtlicher Zahnräder erscheint selbstverständlich. Pilain und Cornilleau et Sainte Beuve haben selbst die Hebel der Abreisszündung eingekapselt. Bei der ersteren Firma hat der Motorkopf jedes einzelnen Zylinders eine besondere Kappe, welche sämtliche in normaler Art gestaltete Hebel verdeckt, bei Cornilleau ist der ganze Mechanismus ins Innere verlegt. Die Rücksicht auf elastische Formänderungen des Rahmens hatte im vorletzten Jahre dazu geführt, die verschiedenen Wellen nicht direkt, sondern durch Vermittlung von Doppelkardanen zu kuppeln. Auch Oldhams waren vielfach angewandt. Das ist alles wieder verschwunden. Wohl aber findet sich mehrfach die Aufhängung der einzelnen Teile (Motor, Geschwindigkeitswechsel) in nur drei Punkten. Dass bei dem leichten Wagen von Sizaire und Naudin dieses Prinzip sogar für die Verbindung von Rahmen und Rädern angewandt ist, habe ich bereits erwähnt. Die Rücksicht auf diese dynamischen Wirkungen gehört zu den schwebenden Fragen des Automobilbaues; zur Zeit macht sich das Bestreben in diesem Sinne zu wirken, besonders stark auch in der Richtung bemerkbar, dass man mehr als je versucht, die Schwingungen durch geeignete Federbufferungen zu bremsen. Entweder, man lässt die Federn bei kleinen Schwankungen ruhig spielen und bremst nur die starken Ausschläge, oder man führt – wie dies bei der neuen hydraulischen Federbufferung von Panhard und Levassor der Fall ist – eine Bremsung ein, deren Wirkung mit der Geschwindigkeit des Stosses wächst, oder schliesslich man bremst nur die – nach der Aufnahme des ersten Stosses – durch die Feder hervorgerufenen Pendelungen. Letzteres wird meist konstruktiv dadurch erreicht, dass man die Federn in der Richtung des ersten Stosses frei ausschwingen lässt und nur bei ihrem Zurückgehen in die Ruhelage Widerstände einschaltet. Bei der Besprechung der Federn ist schliesslich noch zu erwähnen, dass die Doppel-Elliptikfeder fast ganz verschwunden ist – wahrscheinlich wegen der seitlichen Stösse, denen das Fahrzeug ausgesetzt ist. Von den übrigen Fragen, welche für den modernen Automobilbau auf der Tagesordnung stehen, sei im Folgenden noch eine kurze Uebersicht zusammengestellt, soweit die Ausstellung ein Bild vom Stande der Dinge gibt. Der Motor des normalen grösseren Wagens ist mit ganz vereinzelten Ausnahmen der Vierzylinder. Die in der Theorie wegen ihres gleichförmigen Drehmomentes so sehr gerühmten Dreizylindermotoren haben keine grössere Aufnahme gefunden. Dagegen finden sich mehrere Sechszylinder. Die Zylinder sind, genau wie im Vorjahre, einzeln oder paarweise gegossen, ohne dass man ein Vorherrschen der einen oder andern Bauart erkennen könnte. Neu sind einige Gusskörper mit vier zusammenhängenden Zylindern, darunter der Motor eines leichten Wagens von Charron-Girardot & Voigt, deren Erzeugnisse in Frankreich sehr viel gekauft werden. Der letzterwähnte Wagen ist auch noch in anderer Beziehung bemerkenswert. So z.B. befindet sich der Führersitz links, entsprechend der ausdrücklichen Bezeichnung des Wagens als voiture de ville; der Fahrer soll auf diese Weise beim Ausweichen nach rechts den hierzu nötigen Raum besser abschätzen können. Bei dieser Bauart liegen dann die Handhebel in der Mitte des Wagens; dies ergibt bequemere Lagerung der Betätigungswellen; zudem braucht bei Anbringung der Hebel nicht auf das Einsteigen Rücksicht genommen zu werden; liegen die Hebel rechts an der Seite, so dürfen sie den Weg nicht versperren; eine gute Konstruktion macht dabei Schwierigkeiten. Bei den Motoren von Mors und von Brasier ist auf eine Ausführung aus den Kinderjahren des stationären Maschinenbaues zurückgegriffen; die Mitte Kurbelwelle ist etwa um den halben Kurbelradius aus der Zylinderachse herausgerückt, zum Zweck der Erzielung eines günstigeren Diagrammes der Normaldrucke auf die Zylinderwandungen, bei Mors verbunden mit erheblicher Verkürzung der Schubstangenlänge und damit der Bauhöhe des Motors. Brasier weist auch eine besondere Ausführung der nun, mit einigen Ausnahmen bei kleinen Wagen, ziemlich allgemein verwendeten Magnetzündung auf. Seine Abreisszündung – es finden sich auf der Ausstellung etwa in gleicher Zahl Abreiss- und Kerzenzündungen – wird durch eine Drehbewegung anstelle der üblichen Hin- und Herbewegung betätigt. Zu diesem Zwecke ist eine besondere Welle parallel zur Kurbelwelle oben über den Motor gelegt; sie wird von der Steuerwelle aus mittels stehender Zwischenwelle durch Kegelräder angetrieben. Ausser der Vereinfachung des Mechanismus, der bei der früheren Brasier-Zündung sehr kompliziert war und viele Hebel, Federn und Gelenke besass, ist mit dieser Ausführung zugleich die Möglichkeit gegeben, durch einfache Verlängerung der oben auf dem Motor liegenden Welle durch das Spritzbrett hindurch die lästige Frage nach dem Antrieb des Mechanismus im Zentralschmierapparat zu lösen. Brasier hat auch bei seinem neuen Motor die Ventile auf eine Seite des Motors gelegt; indessen ist kaum zu konstatieren, ob die Motoren dieser Anordnung, oder die mit symmetrischer Anbringung der Ein- und Auslassventile auf den beiden Motorseiten zahlreicher sind. Die Zahl der verschiedenartigen Vergaser ist, wie schon erwähnt, Legion. Alle Bauarten sind natürlich sogenannte selbsttätige Vergaser mit selbsttätiger Regelung des bei Automobilmotoren sehr ungleichförmigen Mischungsverhältnisses durch Zuführung von Zusatzluft, mittels des bekannten ungesteuerten, federbelasteten Ventils, welches sich bei zunehmendem Unterdruck im Vergaser mehr oder weniger öffnet. Dieses Ventil soll nun schon bei niedrigen Tourenzahlen zu arbeiten anfangen, da auf diesem Gebiet die Ungleichförmigkeit des Mischungsverhältnisses sich am stärksten äussert. Nun ist aber zu bedenken, dass die Ventilfeder dann auf sehr geringe Druckunterschiede ansprechen muss, bei 100 Umdrehungen eines normal mit 1000 Touren laufenden Motors, z.B. auf einen Druck von – nach roher Rechnung – im Mittel 3 mm Wassersäule. Die Federn der Ventile sind nun meist zu stark um bei solch geringen Unterdrucken nachzugeben. Einige Firmen, z.B. Clement-Bayard haben wohl richtige Federn; es ist indessen zu befürchten, dass bei nicht sehr vorsichtiger Rücksichtnahme auf die Massenwirkungen bei den Schwankungen des Fahrzeugs die ganze Wirkung des Unterdrucks auf das Ventil illusorisch wird. Hierauf ist nicht immer geachtet. Die Vergaser sind allgemein solider, konstruktiver geworden, so z.B. ist die rohe Drosselklappe zur Regulierung der Füllung meist durch Schieberkonstruktionen ersetzt worden. Der Kampf zwischen Kardan und Kette ist noch unentschieden. Das Laufwerk zeigt ausser den besprochenen Aenderungen wenig neues, es sei denn noch zu erwähnen, dass die Konstruktion von Aussenhinterradbremsen wegen des leichten Verschmutzens immer mehr aufgegeben wird. Besondere Vorkehrungen zum bequemen Nachstellen der Bremsen, die aus konstruktiven Gründen nur sehr geringe Abnutzung zulassen, finden sich bei mehreren Wagen. Weyher & Richemond zeigen eine Vorderradbremse, welche nach Angabe der Firma das Seitwärtsgleiten der Wagen verhindern soll. Pilain führt eine eigenartige Kombination von Differential- und Geschwindigkeitswechsel vor, über deren Brauchbarkeit erst der Betrieb entscheiden kann. Es wird zugunsten der Konstruktion geltend gemacht, dass sämtliche Geschwindigkeiten in „direktem Eingriff“ liegen. Der „direkte Eingriff“, d.h. die Verbindung von Motor- und Differentialantriebswelle bei höchster Geschwindigkeit durch direkte Kupplung, also ohne Zwischenüberserzetzung, wird von der Mehrzahl aller Firmen angewandt. Es verdient Interesse, dass Renault Frères vor einiger Zeit einen Patentprozess gewonnen haben, welcher ihnen prinzipiell das alleinige Ausführungsrecht dieser Konstruktion sichert. Die Betätigung des Geschwindigkeitswechsels wird in der Mehrzahl der Fälle in Gestalt des sogenannten Maybach sehen Winkelzuges ausgeführt, also mit drei Schiebern. Verschiedene Konstruktionen versuchen dabei den Winkelzug mit auch senkrecht zur Fahrtrichtung schwingendem Handhebel auszuführen. An den Zubehörteilen finden sich einige Neuerungen zur Erhöhung der Bequemlichkeit der Bedienung. Am interessantesten sind auf diesem Gebiete die zahlreichen Vorrichtungen, welche ein Ingangsetzen des Motors vom Führersitz aus ermöglichen sollen; als Mittel hierzu dient ein Gesperre, welches vom Führersitz aus betätigt wird und sich selbsttätig, z.B. mittels einer Vorrichtung nach Art eines Zentrifugalregulators (Pilain), auskuppelt, sobald der Motor zu laufen beginnt, oder Druckluft (Saurer), oder Herstellung der zum Zünden erforderlichen Kompression durch Pumpen (Mors); Renault endlich betätigt eine kleine Pressluftturbine durch aufgespeicherte Auspuffgase und lässt sie mittels eines Schneckengetriebes von sehr kleiner Teilung auf das Schwungrad wirken.