Titel: Synthetische Untersuchung der Gasströmung mit Berücksichtigung der Widerstände.
Autor: A. Langrod
Fundstelle: Band 321, Jahrgang 1906, S. 116
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Synthetische Untersuchung der Gasströmung mit Berücksichtigung der Widerstände. Von Ing. A. Langrod, Wien. Synthetische Untersuchung der Gasströmung mit Berücksichtigung der Widerstände. Wir können in die bei der adiabatischen und nicht widerstandsfreien Gasströmung auftretenden Vorgänge, ohne Kentnis von der Art und der Grösse der Strömungswiderstände zu besitzen, einen Einblick dadurch erlangen, dass wir die Grenzen feststellen, zwischen welchen die uns hier interessierenden Grössen liegen müssen. Hierbei wird uns die Tatsache leiten, dass bei der adiabatischen und nicht widerstandsfreien Gasströmung die Entropie zwar wachsen, nie aber abnehmen kann, woraus folgt, dass die, in einem beliebigen, die Gasströmung zur Darstellung bringenden Diagramme, den wirklichen Strömungsvorgang darstellende Strömungskurve, eine Isentrope nie in zwei oder mehreren Punkten schneiden kann. Die Berührungspunkte haben hierbei eine wichtige, unten näher festgestellte Bedeutung. Wir können uns zur Anwendung des Verfahrens eines beliebigen Diagrammes bedienen. Wir finden in der Literatur zwei, hier gut brauchbare Diagramme; das eine stammt von PrandtlPrandtl: Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1904, S. 348. Stodola: Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1903, S. 1789. Stodola: Die Dampfturbinen 1905, 3. Aufl., S. 61., das andere von Fanno.Stodola: Die Dampfturbinen 1905, 3. Aufl., S. 64. Ich benutze hier jenes von Prandtl mit folgender Aenderung, und zwar geben die Abszissen die Verhältnisse der Düsenquerschnitte F zu der in der Zeiteinheit durchströmenden Gasmenge G statt der Entfernungen vom Ausströmgefässe an. Zeichnen wir in ein Koordinatensystem, in welchem die Abszissen die Verhältnisse \frac{F}{G} und die Ordinaten die Drücke p darstellen, eine Reihe von Isentropen für verschiedene Drücke p0 im Ausströmgefässe und setzen wir voraus, dass die Erzeugungswärme des Gases im Gefässe für die ganze Isentropenreihe dieselbe, und die Geschwindigkeit w0 gleich Null ist (s. Fig. 1). Jede beliebige Linie in diesem Diagramm stellt einen Strömungsvorgang dar. Die Schnittpunkte dieser Strömungslinien mit den Isentropen geben die jeweilige Entropie an. Zeichnen wir in das Diagramm auch Linien konstanter Erzeugungswärme (λ), welche Linien bekanntlich in unserem Falle auch Linien konstanter Geschwindigkeiten (w) sind, so geben uns die Schnittpunkte dieser Linien mit der Strömungslinie die jeweilige Geschwindigkeit an. Wie leicht zu beweisen, bilden die Linien konstanter Geschwindigkeiten Sir permanente Gase in unserem Diagramm gleichseitige Hyperbeln von der Form \frac{F}{G}\cdot p=\mbox{konstant}. Von Wichtigkeit ist noch die Linie der kritischen Isentropenpunkte, oder anders gesagt, der geometrische Ort der Abszissen-Minima der Isentropen. Den Punkten dieser Linie entsprechen die Schallgeschwindigkeiten und da letztere bei permanenten Gasen für alle Isentropen gleich sind, so fällt für permanente Gase die Linie der kritischen Punkte mit einer Linie konstanter Geschwindigkeit zusammen. Bei Dämpfen weichen diese beiden Linien nicht stark voneinander ab. Sind der Zustand des Gases (bezw. Dampfes) im Ausströmgefässe (p0, v0, w0 = 0), der Druck (p2)Die hier zur Anwendung gebrachte Methode ist vornehmlich zur Untersuchung jener praktisch sehr wichtigen Fälle geeignet, bei welchen der Druck p2 sich wenig vom Drucke p0 unterscheidet. in einem Düsenquerschnitte F2, sowie die sekundliche Gasmenge G gegeben, so muss sich die, die adiabatische, nicht widerstandsfreie Gasströmung vom Ausströmgefässe bis zum Querschnitte F2 darstellende Strömungslinie zwischen den durch den Punkt (p0, ∞) und den Punkt \left(p_2,\,\frac{F_2}{G}\right) durchgezogene Isentropen (wir wollen sie obere bezw. untere Isentrope nennen) befinden; denn, würde die Strömungslinie die obere Isentrope nach aussen überschreiten, so würde die Entropie abnehmen, was unmöglich ist. Das Ueberschreiten der unteren Isentrope ist auch unmöglich, denn, obgleich die Entropie anfangs wachsen würde, müsste sie doch beim Rückkehren zum Punkte \left(p_2,\,\frac{F_2}{G}\right) abnehmen. Ziehen wir vom Punkte a\,\left(p_2,\,\frac{F_2}{G}\right) (Fig. 1) eine Parallele zu der Abszissenachse, so erhalten wir im Schnittpunkte dieser Geraden mit der oberen Isentrope den Punkt b, welcher dem Drucke p2 im Querschnitte F2 bei isentropischer Strömung entsprechen würde. Das Verhältnis der Abszissen der Punkte b und a \frac{F_2}{G'}\,:\,\frac{F_2}{G}=\varphi gibt uns den Ausflusskoeffizienten. Je entfernter der Punkt a vom Punkte b liegt, um so kleiner sind im Querschnitte F2 der Ausflusskoeffizient und die Geschwindigkeit und um so grösser demnach die Widerstände während der Strömung bis zum Querschnitte F2. Rückt der Punkt a ins Unendliche, so bedeutet dies eine vollständige Abdrosselung des Gases. Die durch den Punkt (p2, ∞) durchzogene Isentrope ist demnach die unterste Grenze für alle möglichen, die Punkte (p0, ∞) und \left(p_2,\,\frac{F_2}{G}\right) verbindende Adiabaten, ganz unabhängig von der Grösse der Widerstände. Es ist ohne weiteres klar, dass, je kleiner die Differenz (p0 – p2) ist, um so näher liegt die unterste Isentrope der oberen und umsomehr nähert sich daher die Adiabate der Isentrope, ob nun die Widerstände gross oder klein sein mögen. Es verbleibt uns jetzt noch die Untersuchung des Gaszustandes im kleinsten Düsenquerschnitte F1, der zwischen dem Ausströmgefässe und dem Querschnitte F2 angenommen wird. Die dem Querschnitte F1 entsprechende Abszisse verhält sich zur Abszisse des Punktes a (Fig. 1) wie der Querschnitt F1 zum Querschnitte F2. Dadurch lässt sich leicht die Abszisse \frac{F_1}{G} bei gegebener Lage des Punktes a zeichnerisch oder rechnerisch bestimmen. Führen wir in der Entfernung \frac{F_1}{G} von der Ordinatenachse eine Paralle P zur genannten Achse, so erhalten wir in P eine neue Grenze für die hier in Betracht kommenden Strömungslinien. Die Gerade P schneidet die obere und untere Isentrope in je einem Punkte und die diesen Punkten entsprechenden Drücke und Geschwindigkeiten bilden die Grenzen, zwischen welchen der Druck und die Geschwindigkeit im kleinsten Querschnitte liegen müssen. Bei Verringerung des Querschnittes F1 und unter Beibehaltung der Grösse der sekundlichen Gasmenge G verschiebt sich die Gerade P nach links. Von dem Augenblicke an, in welchem die Gerade P die untere Isentrope berührt, kommt sie mit der letzteren bei weiterer Verschiebung nach links nicht mehr zum Schnittpunkte. Von diesem Augenblicke an bildet die Kurve der kritischen Isentropenpunkte die untere Druckgrenze für die Drüche im Querschnitte F1, denn, würde eine Adiabate zu einem niedrigeren Druck als zu demjenigen, der sich aus dem Schnittpunkte der Geraden P mit der Kurve der kritischen Punkte ergibt, führen, so müsste sie die Isentropen in zwei Punkten schneiden, was, wie eingangs bemerkt, unmöglich ist. Textabbildung Bd. 321, S. 117 Fig. 1. Textabbildung Bd. 321, S. 117 Fig. 2. Diese Betrachtung zeigt, dass die, die adiabatische Strömung vom Ausströmgefässe bis zum kleinsten Düsenquerschnitte F1 darstellenden Kurven innerhalb der durch die obere und untere Isentrope einerseits und der Kurve der kritischen Isentropenpunkte anderseits begrenzten und in Fig. 1 schraffierten Fläche liegen müssen. Wir gelangen jetzt zur Betrachtung der kritischen Punkte der adiabatischen Strömungslinien. Bei isentropischer Strömung nennen wir den minimalen Wert des Verhältnisses \frac{F_1}{G}, der für einen gegebenen Zustand des Gases im Ausströmgefässe keinesfalls unterschritten werden kann, kritisch. Wird das kritische Verhältnis \frac{F_1}{G} durch Verringerung des Querschnittes F1 bei konstanter sekundlichen Gasmenge G erzielt, so bewirkt jede weitere Querschnittsverringerung eine entsprechende Abnahme von G so, dass das Verhältnis \frac{F_1}{G} unverändert bleibt. Die Gerade P in Fig. 1 wird sich demnach nicht mehr nach links verschieben, sondern unverrückt in ihrer kritischen Lage verbleiben. Der Punkt \left(p_2,\,\frac{F_2}{G}\right) hingegen, der bis jetzt unbeweglich war, wird sich nach rechts zu bewegen beginnen, Druck, Geschwindigkeit (bekanntlich Schallgeschwindigkeit) und Punkt, die dem kritischen Verhältnisse \frac{F_1}{G} entsprechen, werden kritischer Strömungsdruck, kritische Geschwindigkeit und kritischer Punkt genannt. Führen wir diese Bezeichnungen auch bei nicht widerstandsfreier Strömung ein, so ist ohne weiteres klar, dass zur Ausmittlung des kritischen Punktes bloss die Strömung vom Ausströmgefässe bis zum kleinsten Querschnitte bekannt zu sein braucht. Wir wollen den, diese Strömung zur Darstellung bringenden Teil der ganzen Strömungslinie die Einström-, den restlichen Teil die Ausströmlinie nennen. Findet zwischen der Einströmlinie und einer Isentrope eine Berührung statt und ist diese von ungerader Ordnung (Fig. 2) a, so bildet der Berührungspunkt gleichzeitig den kritischen Punkt, weil die Entropie von diesem Punkte an, bei Verkleinerung der Abszisse, abnehmen müsste. Eine ähnliche Ueberlegung zeigt, dass bei einer Berührung von gerader Ordnung (Fig. 2) b der Berührungspunkt kein kritischer ist. Findet in keinem Punkte des Bereiches, in welchem, wie oben gezeigt, die Einströmlinie liegen muss, eine Berührung von ungerader Ordnung statt, so muss der kritische Punkt an den Grenzen des genannten Bereiches liegen und wird in dem Schnittpunkte dieser Grenzen mit der Einströmkurve gefunden. Würde dieser Schnittpunkt auf der oberen oder unteren Isentrope liegen, so müsste offenbar die Einström- bezw. Ausströmlinie mit der oberen bezw. unteren Isentrope zusammenfallen. Findet dies nicht statt, so bleibt uns nur noch übrig, den kritischen Punkt auf der Linie der kritischen Isentropenpunkte zu suchen. Die untere Grenze für den kritischen Druck erhalten wir daher im kritischen Druck der unteren Grenzisentrope, während die Abszisse \frac{F_1}{G} des kritischen Punktes der oberen Grenzisentrope die untere Grenze für die Abszisse des kritischen Punktes der Adiabate bildet. Die obere Grenze dieser kritischer Ordinaten lässt sich nicht bestimmen. Bei diesen Betrachtungen ist stillschweigend vorausgesetzt worden, dass die Einströmkurve bei Verkleinerung des Querschnittes F1 sich nicht ändert. Im allgemeinen wird sich aber die Einströmkurve bei stetiger Aenderung des Querschnittes F1 auch stetig ändern. Die Endpunkte der Einströmkurven \left(\frac{F_1}{G}\cdot p_1\right) werden hierbei eine eigene Kurve bilden. Verlängern wir die Einströmkurven (durch Exterpolation) über ihre Endpunkte, bis sie mit den Isentropen zu einer Berührung ungerader Ordnung gelangen, so ergibt sich eine Kurve der Berührungpunkte, deren Schnittpunkt mit der Endpunktkurve den kritischen Punkt bildet. Je nach der Gestalt und der Lage der Endpunkt- und der Berührungspunktkurve ergeben sich verschiedene Fälle. Auf jeden Fall muss sich der kritische Punkt innerhalb des öfter genannten Bereiches oder auf dessen Grenzen befinden. Praktisch sehr wichtig sind jene Fälle, bei welchen die Oeffnung in der Wand des Ausströmgefässes gleichzeitig den kleinsten Leitungsquerschnitt bildet. Ist diese Oeffnung kreisförmig und ihr Rand gut abgerundet, so können wir nach den Versuchen GutermuthsGutermuth: Versuche über den Ausfluss des Wasserdampfes. Mitteilungen über Forschungsarbeiten. Heft 19, 1904. die Strömung bis zum kleinsten Querschnitte als Widerstands- und kontraktionslos betrachten. Die Einströmlinie fällt somit hier mit der oberen Grenzisentrope zusammen. Aber auch für den Fall, dass dme fragliche Oeffnung bei scharfen Kanten rechteckig ist, kann man aus den Versuchen Gutermuths schliessen, dass hier der kritische Punkt nicht weit entfernt von dem kritischen Punkt bei widerstangsloser Strömung liegen wird. Gutermuth fand unter sonst gleichen Bedingungen: Querschnittin qmm Grösste Aus-flussmengef. d. Stundein kg Abszissedes kritischenPunktesqmm Std./kg I. Kreisrunde Oeffnungmit abgerundet. Rande 22,9 ∞ 108,5 0,211 II. Rechteck. Oeffnungmit scharfem Randeund vorgelegter Platte 22,9 ∞ 101,25 0,226 Die Abszisse des kritischen Punktes im zweiten Falle ist nur um 7 v. H. grösser als im ersten. Auch die Ordinaten der kritischen Punkte werden, wie aus Gutermuthschen Figuren folgt, in beiden Fällen nicht besonders von einander abweichen, doch lassen sie sich schwer genau feststellen. In meiner Arbeit: „Zur Theorie der Dampfdrosselung in den Einlasskanälen der Dampfmaschinen“Langrod: D. p. J. 1905, 320, Heft 48. nehme ich die Dampfströmung vom Schieberkasten bis zum Kolben isentropisch und feststehend an. Wegen der kleinen Kolbengeschwindigkeit und wegen des kurzen Dampfweges ist vor dem Eintritte der eigentlichen Drosselung durch Kontinuitätsunterbrechung die Annahme einer feststehenden Strömung in dem Raume von der Eintrittsöffnung bis zum Kolben sehr wahrscheinlich. Diese Strömung ist aber durchaus nicht isentropisch. Sehen wir vorläufig von der thermischen Wechselwirkung zwischen Zylinderwand und Dampf ab und ziehen wir in Erwägung, dass die rechteckige mit scharfen Kanten versehene Eintrittsöffnung gleichzeitig den kleinsten Querschnitt im Dampfstrome besitzt, so folgt aus unseren Betrachtungen, dass der kritische Querschnitt, mit dessen Eintreffen die Drosselung durch Kontinuitätsunterbrechung beginnt, zwar grösser als der kritische Querschnitt bei isentropischer Strömung ist, sich aber nicht weit von demselben entfernt. Andrerseits lehrt uns die Erfahrung, dass die Differenz zwischen den Drücken im Schieberkasten und Dampfzylinder vor Eintritt der Dampfdrosselung sehr klein ist. Somit liegt die untere Isentrope sehr nahe an der oberen und daher unterscheidet sich der adiabatische Vorgang nur wenig von dem isentropischen. Der Wärmeverlust des Dampfes an die Zylinderwand, der sich in der Initialkondensation äussert, vollzieht sich erst nach Passierung des kleinsten Querschnittes und hat demnach auf die Grösse des kritischen Querschnittes keinen Einfluss. Bei Lokomotiv-Regulatoren, die sich im Dampfdome befinden, kann die Durchströmung der Einströmöffnung als vollständig adiabatisch angenommen werden. Sollten unsere Strömungsformeln zur Behandlung dieser Fälle, bei welchen plötzliche Querschnitts- und Richtungsänderungen vorkommen, nicht mehr ausreichen, so hätte dies auf die, nur von der Einströmlinie abhängigen Lage des kritischen Punktes keinen Einfluss.