Titel: Neuerungen im Bau von Transportanlagen in Deutschland.
Autor: Georg v. Hanffstengel
Fundstelle: Band 321, Jahrgang 1906, S. 321
Download: XML
Neuerungen im Bau von Transportanlagen in Deutschland. Von Georg v. Hanffstengel, Dipl.-Ing., Stuttgart. (Fortsetzung von S. 309 d. Bd.) Neuerungen im Bau von Transportanlagen in Deutschland. B. Becherwerke. Die gewöhnlich als „Elevatoren“ bezeichneten, ausschliesslich oder doch vorwiegend senkrecht fördernden Becherwerke sind bekanntlich eines der ältesten Fördermittel und daher in ihrer Entwicklung bis zu einem gewissen Grade abgeschlossen. Immerhin sind einige Neuerungen zu verzeichnen. Textabbildung Bd. 321, S. 321 Fig. 26. Becherwerk von Körting. Fig. 26 gibt das von der Berlin-Anhaltischen Maschinenbau-Aktiengesellschaft schon vielfach ausgeführte Kortingsche Becherwerk (D. R. P. 143717) im Schema wieder. Die charakteristische Eigentümlichkeit der Konstruktion ist die, dass der an der Achse der unteren Kettentrommel aufgehängte Schöpftrog als Spanngewicht benutzt wird. Die Lager der Kettentrommel verschieben sich auf einer Gleitbahn am Gestell des Elevators. Neben den Vorzügen, welche die Gewichtsspannung an sich gegenüber einer Schraubenspannvorrichtung bietet – Verhinderung zu starker Beanspruchung der Ketten und zu grossen Kraftverbrauchs infolge übermässigen Anziehens der Schrauben – ergibt sich bei der Körtingschen Anordnung der Vorteil, dass der Spielraum zwischen Becherkante und Trogboden gleich bleibt und daher auf ein Mindestmass beschränkt werden kann, so dass der Becher sich nicht durch das Material hindurch zu wühlen braucht. Da die Berlin-Anhaltische Maschinenbau-Aktiengesellschaft ausserdem einen selbsttätigen Materialzubringer vorzusehen pflegt – in diesem Falle ein kurzes eisernes Band, das vom Fusse des Elevators aus angetrieben wird und die Kohle allmählich aus dem Füllrumpf abzieht, – so wird der Schöpfwiderstand, namentlich bei grosstückigen Kohlen oder Koks, wesentlich kleiner sein als bei der gebräuchlichen Anordnung. Eine andere interessante Neuerung ist die Elevatorbecherentleerung von Rudert (D. R. P. 155890). Nach Fig. 27 sind die Becher an ihrem unteren Ende durch das Gelenk G mit der Kette verbunden, die sich, wie aus dem Querschnitt hervorgeht, mit Gleitstücken in den Winkeleisen des Gestelles führt. Der Becher hat beim Aufsteigen Neigung, nach vorn umzukippen, da sein Schwerpunkt rechts von der Kette liegt. Er wird aber durch Rollen R, die an der oberen Ecke angebracht sind und sich gegen die Rückseite der Führungswinkel legen, in seiner aufrechten Stellung gehalten. An der Stelle, wo der Becher gekippt werden soll, wird eine der beiden Rollen durch die Zunge Z und die daran anschliessende Leitschiene L nach links abgelenkt, bis der Schwerpunkt sich über den Aufhängepunkt hinausbewegt hat, so dass der Becher ganz nach links überkippt und sich in die Schurre entleert. Die Rolle schlägt beim Kippen gegen eine Lage weichen Materials (punktiert gezeichnete Stellung). Bei der Weiterbewegung nach oben gleitet nunmehr die Rolle an der Schiene S, dann an L entlang, um sich endlich wieder gegen die Führungswinkel zu legen. Die Zunge Z ist mit L gelenkig verbunden und wird durch einen Hebel H festgestellt. Wenn an der betreffenden Stelle kein Abwurf stattfinden soll, so wird die Zunge nach links in die punktierte Stellung geschwenkt und lässt nun die Rolle frei durchgehen. Soll die Abwurfstelle ganz beliebig verändert werden können, so werden Leitschienen und Schurre an einer verschiebbaren Platte P montiert. Durch Anbringung geeigneter Leitvorrichtungen kann auch am Kopfende leicht ein korrekter Abwurf erzielt werden. Beim Abstieg hängen die Becher frei. Soll am Elevatorfuss in der üblichen Weise geschöpft werden, so ist hier eine Rückenschiene M anzubringen, die ein Abklappen der Becher verhindert. Die gleiche Massregel muss getroffen werden, wenn die Füllung an irgend einer Stelle des senkrechten Stranges vor sich geht, wie bei N punktiert angedeutet. Textabbildung Bd. 321, S. 322 Fig. 27. Beliebig entleerbarer Elevator von Rudert. Sehr rasch haben sich die Schaukelbecherwerke in Deutschland verbreitet und weitere Ausbildung erfahren. Mit den amerikanischen Konstruktionen von Hunt, Bradley und der Link Bett Co. konkurrieren neuerdings verschiedene in Deutschland erfundene Bauarten, deren Eigentümlichkeit vor allem darin besteht, dass der Lauf des Becherwerkes nicht, wie bei jenen, an eine senkrechte Ebene gebunden ist. Textabbildung Bd. 321, S. 322 Fig. 28. Schaukelbecherwerk von Bousse. Es gibt zwei Möglichkeiten, diese Ebene zu verlassen. Die eine ist die Einfügung wagerechter Kurven, die andere eine Verdrehung des senkrecht auf- oder absteigenden Stranges um seine Achse, so dass der obere und der unterere wagerechte Strang windschief zu einander stehen. Mit den alten Becherwerken, die auf jeder Seite eine Kette hatten, war keines von beiden möglich. In einer elektrischen Zentrale in Berlin hat man zwar den Versuch gemacht, eine solche Doppelkette beim Aufstieg auf eine grössere Höhe um 90° zu verdrehen, indessen war die Abnutzung so stark, dass das Becherwerk nach wenigen Jahren ausser Betrieb gesetzt werden musste. Dass in der Konstruktion von ablenkbaren Becherwerken Deutschland der Heimat der Förderanlagen, Amerika, vorausgeeilt ist, mag seinen Grund in Zufälligkeiten haben, ist aber vielleicht auch daraus herzuleiten, dass bei den in der Regel günstigeren Raumverhältnissen drüben die Gesamtanlagen leichter von vornherein mit Rücksicht auf Einfachheit in der Anordnung der Fördervorrichtungen projektiert werden können. Ausserdem pflegen drüben grössere Leistungen in Betracht zu kommen, für die Becherwerke mit Doppelkette wegen ihrer einfacheren Konstruktion am besten geeignet sind. Das erste ablenkbare Schaukelbecherwerk war das von Bousse (D. R. P. 151868). Nach Fig. 28 sind die Glieder der einsträngigen (Einstab-)Kette durch Doppelgelenke A und B mit einander verbunden, so dass die Kette sich senkrecht und wagerecht ablenken lässt. Die Zapfen B sind verlängert und mit Laufrollen versehen, und bilden so gleichzeitig die Laufachsen des Wagens. Da die Becher der Kette aus dem Wege gerückt werden mussten, so wurden sie an dreieckigen gusseisernen Wangen aufgehängt, die auf den Laufachsen befestigt sind. Textabbildung Bd. 321, S. 323 Fig. 29. Kurvenbewegliches Schaukelbecherwerk von Carl Schenck. Die Konstruktionsschwierigkeiten bei Ausbildung eines kurvenbeweglichen Becherwerkes lassen sich an diesem Beispiel sehr gut verfolgen. Zunächst ergibt die Verlegung des Becherdrehpunktes in grössere Entfernung von der Kettenmitte eine nicht sehr solide oder doch wenigstens unbequeme Konstruktion des Wagens. Ferner ist es nicht möglich, die Becher unmittelbar an einander zu rücken, weil sie in der Kurve miteinander zusammenstossen würden. Daher ist eine besondere Füllvorrichtung notwendig, deren Ausbildung bei grosstückigem Material gewissen Schwierigkeiten begegnet, da beim Vorübergang eines jeden Bechers für einen dichten Abschluss des Zulaufes gesorgt werden muss. Eine dritte Schwierigkeit liegt in der Aufnahme des Kurvendrucks. Bei der vorliegenden Konstruktion wird die bei A angreifende Resultierende der beiden Stabspannungen zunächst als Druckkraft durch die Achse auf das Laufrad übertragen, dessen Spurkranz sich gegen die Schiene legt. Die genannte Kraft verursacht weiter ein Biegungsmoment, dessen Hebelarm die Entfernung der Gelenkmittelpunkte A und B ist, und das von der Achse und weiterhin von dem ganzen Gestell aufgenommen werden muss. Textabbildung Bd. 321, S. 323 Fig. 30. Conveyoranlage im Städtischen Elektrizitätswerk zu Stuttgart. Stromverbrauch: 3 KW. bei 6 t Stundenleistung. Antrieb und Einwurfstelle von aussen gesehen. Diese ungünstige Beanspruchung hat zu Verbiegungen der Achsen und Brüchen der gusseisernen Seitenschilder geführt, so dass mehrere ausgeführte Anlagen später umgebaut werden mussten. Zur Sicherung gegen Entgleisen werden in den Kurven Gegenschienen oberhalb der Laufrollen angebracht. Beachtenswert ist bei dem Becherwerk von Bousse noch die auf dem oberen Lauf eingezeichnete Kippvorrichtung. Die Rolle ist oberhalb des Drehpunktes an einem unter 45° geneigten Arme angebracht und wird durch eine schräge Schiene ohne Stoss niedergedrückt, um nachher ebenso allmählich an einer entgegengesetzt geneigten Führung wieder nach oben zu gleiten. Bei den meisten anderen Becherwerken sitzt die Rolle unterhalb des Drehpunktes, eine Anordnung, die eine senkrecht stehende Kippschiene erfordert. Die Rolle trifft dann mit Stoss gegen die Schiene und wird später wieder frei, ehe der Becher in seine aufrechte Lage zurückgekehrt ist, so dass derselbe einige Male hin- und hersclaukelt. Die konstruktive Ausführung ist aber bei der Bauart nach Fig. 28 nicht so bequem wie bei der normalen Anordnung, auch ist der Hebelarm der Kippkraft kleiner. Eine abweichende Konstruktion, die sich bisher gut bewährt hat, führt die Firma Carl Schenck in Darmstadt seit kurzer Zeit aus. Nach Fig. 29 wird der Aufhängungspunkt wieder in die Mittellinie der Kette gerückt und letztere in Form eines Rahmens um den Becher herumgeführt. Die Drehachse des Bechers bildet gleichzeitig den Gelenkzapfen für die senkrechte Ablenkung, da die beiden Rahmenhälften bei B scharnierartig in einander greifen, und ist ausserdem an den Enden mit Laufrollen versehen. Kurvenbeweglichkeit erhält die Konstruktion durch die Kuppelstange mit den Zapfen A, welche die Rahmen verbindet. Dieselbe kann ohne Schwierigkeit so ausgeführt werden, dass sie eine Verdrehung auf dem senkrechten Strange zulässt. Ein die Laufachse umschliessendes Gasrohr, das auf beiden Seiten in Gussstücke eingeschraubt ist, versteift die Becherwände gegeneinander. Der Rahmen ist auch hier durch den Kurvendruck zusätzlich beansprucht. Einerseits erhalten die äusseren Zugglieder, da die Mittellinien der Kuppelstangen sich ausserhalb der Mitte schneiden, eine bei den angenommenen Verhältnissen nahezu doppelt so hohe Beanspruchung als die inneren. Andererseits werden diese durch den Kurvendruck, d.h. die von der Schiene auf den Spurkranz des Rades ausgeübte Reaktion K, deren eine Hälfte nach A hin zu übertragen ist, auf Biegung beansprucht. Das Moment hat die Grösse \frac{K}{2}\cdot a. Das äussere Zugglied wird hiervon nicht betroffen, wenn nicht die Spielräume zwischen Scharnier und Becher so klein sind, dass die Verbindungsstange zur Druckübertragung herangezogen wird. Der Querbügel wird durch die normale Komponente der Kuppelstangenkraft Z und durch das eben genannte Moment im gleichen Sinne auf Biegung beansprucht. Im ganzen scheint es aber bei dieser Konstruktion leichter zu sein, den Rahmenteilen ohne übermässigen Materialaufwand die erforderliche Festigkeit zu geben, als bei der von Bousse. Wegen des grossen Becherabstandes ist auch hier eine besondere Füllmaschine notwendig, die später in dem Abschnitt: „Füll- und Entladevorrichtungen“ beschrieben werden soll. Die Entleerung der Becher erfolgt in der gewöhnlichen Weise mittels einer unterhalb des Aufhängepunktes angebrachten Rolle, die fliegend auf ihrem Zapfen sitzt. Der Antrieb geschieht durch ein Rad mit fünf Zähnen, die gegen die Laufrollen fassen (vergl. den folgenden Abschnitt: „Antriebsvorrichtungen“). Mehr Zähne anzuwenden, ergäbe bei der grossen Teilung einen ungewöhnlichen Raddurchmesser. Die Antriebs-, ebenso wie die Eckräder, bestehen aus je zwei einfachen runden Blechscheiben, die mit gusseisernen Naben versehen und durch Stehbolzen gegeneinander versteift sind. Bei den Treibrädern sind Zahnlücken eingearbeitet, die Leitrollen dagegen bleiben vollständig rund, wie Fig. 29 zeigt. Sie werden von der Kette mitgenommen, da sie sich leichter drehen als die Laufrollen. Es sei an dieser Stelle noch darauf aufmerksam gemacht, dass bei der Berechnung der Laufachse des Bechers geprüft werden muss, ob nicht die Resultierende aus den Kettenspannungen grösser ist als die Antriebskraft, was bei so grosser Kettenteilung leicht der Fall sein kann. Textabbildung Bd. 321, S. 324 Fig. 31. Einschienenbecherwerk von Bleichert. Fig. 30 zeigt einen Teil des Schenckchen Becherwerkes im Elektrizitätswerk Stuttgart. Die Kette läuft vom Antrieb aus, der in dem links sichtbaren Wellblechhaus untergebracht ist unter einem Füllrumpf her, aus dem die Kohle durch eine Füllmaschine abgezogen wird, steigt dann senkrecht in die Höhe und tritt nach Durchfahren einer Kurve und Passieren der selbsttätigen Wage in das Kesselhaus ein. Hier beschraibt das Becherwerk eine zweite Kurve und läuft dann über den Kesselbehältern her, die einzeln gefüllt werden können. Die Schütthöhe der Kohle in den Behältern ist durch Schaugläser von aussen sichtbar. Ueberfüllung verhindert eine selbsttätige Abstellvorrichtung, bestehend aus einer Klappe, die durch das Gewicht der Kohle zur Seite gedrängt wird und den Entladefrosch ausrückt. Das leere Trum kehrt parallel oberhalb des fördernden Kettenstranges zurück. Jeder Becher wird über dem Füllrumpf noch einmal gekippt, wodurch verhindert wird, dass Becher, die im Kesselhause nicht zur Entleerung gekommen sind, doppelt gefüllt werden. Die Kettenlänge beträgt 162 m, die Teilung 900 mm, der Kraftverbrauch rund 4 PS. Die oben erwähnte selbsttätige Wage ist nach dem System Blake-Dennison gebaut. Sie registriert das Gewicht der geförderten Kohle kontinuierlich und arbeitet mit einer Genauigkeit von 2–3 v. H. Fig. 31 stellt ein Becherwerk von Adolf Bleichert & Co., Leipzig-Gohlis, dar, das nicht kurvenbeweglich, aber verdrehbar ist (D. R. P. a). Während bei der Konstruktion von Schenck die Kette geteilt wurde, so dass sie den Becher umschloss, wird hier eine Verlegung des Aufhängepunktes dadurch vermieden, dass der Becher in zwei Hälften geteilt wird, welche die Kette zwischen sich nehmen. Letztere besteht aus gabelförmigen Stücken, deren Gelenkbolzen gleichzeitig die beiden Becher und das Laufrad tragen. Aus der Konstruktion ergibt sich naturgemäss die Anwendung einer einzelnen Schiene, weshalb das Becherwerk als „Einschienenförderer“ bezeichnet wird. Da das ganze System in labilem Gleichgewicht ist, wird oben eine winkelförmige Hilfsschiene eingebaut, gegen die sich zwei lose auf der Achse drehbare Scheiben S seitlich anlegen. In die Kettenglieder sind Bolzen eingeschaltet, welche eine Verdrehung um die Längsachse ermöglichen. Bei kleinen Förderleistungen dürften die zweiteiligen Becher, zumal sie unmittelbar aufeinander folgen, für die Beschickung unbequem schmal werden, so dass die Vorrichtung sich für grosse Leistungen mehr empfehlen wird. Würde anstatt des Kuppelbolzens ein wagerecht bewegliches Gelenk eingeschaltet, so könnten wagerechte Kurven genommen werden, doch wären in diesem Falle die Becher durch grössere Zwischenräume von einander zu trennen. Als ein Vorteil der äusseren Aufhängung der Becher mag hervorgehoben werden, dass die Kippschiene R höher geführt werden kann als bei anderen Konstruktionen, wo sie innerhalb der Ketten liegt und daher unterhalb der Achse bleiben muss. Im vorliegenden Falle können daher die Becher um einen grösseren Winkel gekippt und daher auch bei ungünstiger Form sicher entleert werden. (Fortsetzung folgt.)