Titel: Der heutige Stand der Motorfahrräder.
Autor: Oscar Koch
Fundstelle: Band 321, Jahrgang 1906, S. 328
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Der heutige Stand der Motorfahrräder. Von Oscar Koch, Gross-Lichterfelde, West. (Fortsetzung von S. 314 d. Bd.) Der heutige Stand der Motorfahrräder. Das Motorzweirad des Maschinen-Konstruktions-Werkes von Völker & Prugel in Obernburg a. M. unterscheidet sich im wesentlichen von den vorbesprochenen dadurch, dass der Vergaser mit in den Motor eingebaut ist. Er sitzt (Fig. 44) unter dem Ventilgehäuse, und ist mit dem Auspuffventil vereinigt (näheres siehe später). Der Brennstoff gelangt vom Vergaser – ohne Leitungsrohr – unmittelbar in den Zylinder, ein Vorzug, der besonders bei kaltem Wetter sehr zu schätzen ist, da schon Fälle sich ereigneten, wo der sonst allgemein in Anwendung stehende Spritzvergaser durch Eisbildung geplatzt ist. Textabbildung Bd. 321, S. 328 Fig. 44. Einzylinder-Motorfahrrad von Völker & Prugel. Fig. 46 zeigt ein 2½ PS.-Damenmotorrad von Joh. Puch in Graz. Der Rahmen (s. a. Fig. 17 S. 295) bietet bequem Platz, um den Motor und seine Zubehörteile in ihm unterzubringen. Der Motor, Magnet-Apparat sowie der Auspufftopf sitzen an derselben Stelle wie beim Herrenrad, während der Vergaser und der Benzinbehälter wegen der Rahmenform anders angeordnet werden mussten, und zwar ersterer über dem Motor gegen das Steuerrohr zu, letzterer hinter dem Sattel. Da die Oelpumpe dort einen recht ungünstigen Platz hätte, ist sie vom Benzinbehälter getrennt, und unmittelbar hinter dem Motor untergebracht. Letzterer besitzt magnet-elektrische Zündung mit Abreissvorrichtung, deren gesamte Regelung – Ein- und Ausschalten der Zündung sowie Verstellen des Zündzeitpunktes – durch die rechts zum Steuerrohr führende und dort an einen Winkelhebel angelenkte Stange von der Lenkstange aus betätigt wird. Näheres hierüber folgt im Abschnitt Motoren. Von den beiden über dem Vergaser sitzenden Hebeln dient der vordere zur Regelung des Gemisches, während der hintere die Drosselung betätigt. An der Hinterradgabel ist eine Spannrolle vorgesehen, mit der der Treibriemen nach Belieben gespannt werden kann. Textabbildung Bd. 321, S. 328 Fig. 45. Einzylinder-Motorfahrrad mit Leerlauf- und Geschwindigkeitswechsel der Motorenfabrik „Magnet“. Alle diese Fahrzeuge besitzen zum Anlassen des Motors Tretkurbeln. Diese bringt die Motorenfabrik „Magnet“ nach Fig. 45 in Fortfall und setzt an ihre Stelle ein Wechselgetriebe. Der Motor wird bei ausgerückter Kupplung mittels abnehmbarer Handkurbel angedreht, wobei er, sobald die Kupplung eingerückt wird, seine Umdrehungen unter Vermittlung des Wechselgetriebes in verschiedenen Geschwindigkeiten auf das Hinterrad überträgt. Textabbildung Bd. 321, S. 329 Fig. 46. Einzylinder-Motorfahrrad von Puch. Textabbildung Bd. 321, S. 329 Fig. 47. Anordnung des Motors von Cudell im Zweirad. Textabbildung Bd. 321, S. 329 Fig. 48. Anordnung der Motosacoche im Zweirad. (Naheres später.) Da die Pedale fehlen, sind zum Aufsetzen der Füsse während der Fahrt Fussrasten vorgesehen. Textabbildung Bd. 321, S. 329 Fig. 49. Motosacoche von Dufaux. Textabbildung Bd. 321, S. 329 Fig. 50. Befestigung der Riemenscheibe am Hinterrad von Fig. 48. Eine ganz eigenartige Anordnung zeigt der Ventilator, der aus der Motorriemenscheibe herausgearbeitet ist. Der Luftstrom wird durch das auf der Abbildung rechts am Motorgehäuse vor dem Magnet-Apparat ersichtliche aufsteigende Rohr unmittelbar gegen das Ventilgehäuse geführt. Textabbildung Bd. 321, S. 330 Fig. 51. Motosacoche von Dufaux (linke Seite). Textabbildung Bd. 321, S. 330 Fig. 52. Motosacoche von Dufaux (rechte Seite) A Rahmen des Apparates, B und C Muttern und Bügel zur Befestigung des Rahmens A im Fahrradrahmen, D Motorgehäuse, E Akkumulator, F Leitung zum Unterbrechergehäuse (Trempleur), G Zündspulen, H Kontaktbügel, J Kabel zur Kerze I, K Benzinbehälter, L Absperrhahn der Benzinleitung M zum Vergaser N, O Oelbehälter mit Pumpe, P Auspufftopf, Q Spannrolle, R Einspritzhahn für Erdöl, S Ventilgehäuse, T Dekompressionsventil, U Unterbrechergehäuse, V an der Lenkstange anzubringender Schaltmechanismus zur Bedienung des Motors, X Bowdendraht für die Gemischregulierung, Y Bowdendraht zum Anheben des Auspuffventils. Diese Ventilatoreinrichtung garantiert nicht nur eine wirksame Kühlung, sondern es werden auch Störungen, die durch Riemenantrieb entstehen, vermieden. Dabei hat der Ventilator eine derart geschützte Lage, dass Beschädigungen so gut wie ausgeschlossen sind. Um gewöhnliche Zweiräder in solche für Kraftbetrieb umzuwandeln, bauen Cudell & Co. in Berlin einen Motor, der sich ohne Schwierigkeiten und ohne wesentliche Aenderungen an dem Rahmen vorhandener Fahrräder anbringen lässt. Ein solcher Motor muss natürlich nach anderen Gesichtspunkten hergestellt werden als die fest eingebauten. Durch Verwendung eines Zylinders aus Stahlblech mit aufgeschobenen Kühlrippen aus Kupferblech, beträgt das Gewicht des Motors nur etwa 5 kg. Um nun bei den zulässigen schwachen Explosionen dennoch genügende Kraftleistung zu erzielen, wurde die Tourenzahl auf 3000 i. d. Minute erhöht. Der Motor ist für Fahrräder von etwa 13 kg ab zu verwenden, wobei die Vorderradgabel zu verstärken ist. Das mit dem 1¼ PS.-Motor (45 mm Bohrung und 75 mm Hub) ausgerüstete Rad überwindet Steigungen bis zu 6 v. H. ohne Treten und in der Ebene kann mit 35 km Geschwindigkeit gefahren werden. Das Gewicht des ganzen Fahrzeuges (Fig. 47) beträgt 24–26 kg. Der Benzinverbrauch ist ein sehr sparsamer, da 1 Liter für etwa 50 km ausreicht, während die üblichen Motorfahrräder im Mittel das Doppelte benötigen. Ausser der Vorderradgabel muss auch noch die Hinterradgabel geändert werden, und zwar wird an zwei Stellen ein Stück herausgeschnitten und dafür werden zwei gekröpfte Stücke eingesetzt, so dass die Riemenfelge Platz in der Gabel findet. Vergaser und Auspufftopf sitzen am Motor, während der Benzinbehälter, Akkumulator, Hebel und Kontakte zur Bedienung des Motors und seiner Organe mittels Schellen am Rahmen befestigt werden. Obgleich nun diese Kombination auf den ersten Blick etwas recht verlockendes hat, gibt sie doch zu Bedenken Anlass. Die Erfahrung hat längst gelehrt, dass der nur an einem Rahmenrohr befestigte Motor es durch seine fortgesetzten Erschütterungen, die direkt auf das Rahmenrohr einwirken, dahin bringt, an den Verbindungsstellen die Beschaffenheit der Rohre so zu verändern, dass sie einen grossen Teml ihrer Widerstandsfähigkeit einbüssen, und daher nach und nach brechen. Um bessere Verbindungen zwischen Motor und Rahmen zu erzielen und die Folgen der Erschütterungen zu mildern, bauen H. und A. Dufaux & Cie. A.-G. in Genf unter dem Namen „Motosacoche“ einen Apparat in der Form einer grossen Fahrradrahmentasche. Er besteht aus dem 1¼ PS.-Motor und allen seinen Zubehörteilen einschliesslich Benzinbehälter, die zusammen in einem Metallrahmen geschickt gruppiert sind. Textabbildung Bd. 321, S. 331 Fig. 53. Schaltvorrichtung der Motosacoche. Das ganze ist dann in einen Blechkasten eingeschlossen, der an seiner vorderen Seite links und rechts trichterförmige Oeffnungen besitzt, durch die die zur Kühlung nötige Luft eintritt. Fig. 48 und 49 zeigen den vollständigen Apparat, der in Fig. 51 und 52 von der linken und rechten Seite mit abgenommenem Blechkasten dargestellt ist. Die Befestigung im Rahmen (Fig. 48) erfolgt, ohne an diesem etwas zu ändern, mit Hilfe von 14 Zugeisen mit Flügelmuttern B und sieben mit Leder überzogenen Bügeln C, die auf alle Winkel verteilt sind und ein Stück mit dem Gestell bilden. Die beiden, den Kasten bildenden Bleche schützen die Beine des Fahrers vor der strahlenden Hitze des Motors und verhüten, dass sie durch Oel bespritzt werden. Ferner geben sie dem Motor und allen seinen Teilen guten Schutz gegen Schmutz, Staub und Stösse. Die Kraftübertragung erfolgt mittels Riemenschnur aus Chrom-Büffelleder auf eine ∨-förmig ausgekehlte Scheibe, die mittels Metall-Plättchen und Holzklammern an den Speichen des Hinterrades befestigt wird (Fig. 50). Die gesamte Betätigung des Motorfahrzeuges erfolgt von der Lenkstange aus unter Zuhilfenahme einer in der Nähe des Lenkstangengriffes anzubringenden Schaltvorrichtung (Fig. 53). Der Kontaktgriff K bewirktdabei die Ein- und Ausschaltung der Zündung, Hebel E mittels Bowdenmechanismus AC die gewünschte Gaszuführung, während Hebel G ebenfalls mittels Bowdendraht DB das Auspuffventil anhebt. Geschwindigkeiten können von 30–40 km i. d. Stunde erreicht werden. (Fortsetzung folgt.)