Titel: Fortschritte auf dem Gebiete der Funkentelegraphie.
Autor: Otto Nairz
Fundstelle: Band 321, Jahrgang 1906, S. 415
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Fortschritte auf dem Gebiete der Funkentelegraphie. Von Ingenieur Otto Nairz, Charlottenburg. (Fortsetzung von S. 397 d. Bd.) Fortschritte auf dem Gebiete der Funkentelegraphie. Die allgemeine Anschauung über die Wirkungsweise des gekuppelten Senders war die, dass von dem schwach gedämpften Kondensatorkreis auf den stark gedämpften Luftdraht Energie übertragen würde. Es gibt nämlich zwei Hauptarten von Dämpfungsursachen, den unvermeidlichen Widerstand des metallischen Kreises (einschliesslich der Funkenstrecke und der Umpolarisierungsarbeit im Kondensator), welcher in der Form von J2W einen Teil der schwingenden Energie verzehrt, und die Strahlung selbst. Letztere stellt in gewissem Sinne die eigentliche Nutzleistung des Schwingungssystemes dar; sie besteht in den gestreuten Kraftlinien. Da eine elektrische Schwingung dadurch zustande kommt, dass ein Stärke und Richtung ändernder Strom ein mit ihm verkettetes Kraftlinienfeld erzeugt, und umgekehrt dieses wieder einen Strom entstehen lässt, wenn der ursprüngliche abgenommen hat, so sind für dessen Erzeugung alle jenen Kraftlinien als verloren zu betrachten, welche sich im magnetischen Wellenschlag des Aethers vom Sender entfernt haben, um ihrerseits einem Empfänger zugute zu kommen. Aber der Betrag dieser einzelnen Dämpfungsursachen ist für verschiedene Senderanordnungen durchaus kein konstanter. Die Widerstandsdämpfung des Leiters hängt ab von Querschnitt, Länge, Material und Frequenz; es ist bekannt, dass der ohmische Widerstand bei Hochfrequenz ein grösserer ist, als etwa bei Gleichstom, und ferner, dass die Strömung fast ausschliesslich an der Oberfläche verläuft. Aus letzterem Grunde versilbert man dieselbe. Was den Funkenwiderstand anbelangt, so kann derselbe relativ klein gemacht werden bei geschlossenen Kreisen, die grosse Kondensatoren enthalten; er ist nämlich stark von der Stromstärke selbst abhängig und nimmt mit ihr ab. Auch den Widerstand im Kondensator kann man durch zweckmässige Konstruktion herabdrücken, indem man das Auftreten der Büschelentladung an den scharfen Rändern der Metallbelegungen von Leydenerflaschen durch die Gegenwart von Isolatoren grösserer dielektrischer Festigkeit (Oel, Paraffin und dergl.) unterdrückt. Auch wählt man Isolatoren von geringer Hysteresis, beispielsweise aus englischem Flintglas. Der noch zu gewärtigende Fortschritt in der Funkentelegraphie scheint derzeit darin zu liegen, dass man die ausgesendeten elektromagnetischen Schwingungen möglichst schwach gedämpft sein lässt. Es kann für den Empfänger unmöglich gleichgültig sein, ob bei ihm etwa 10 Erschütterungen, deren jede schwächer ist als die vorhergehende, und von denen die 10. bereits unmerkbar ist, ankommen, oder ob die 20. erst so schwach ist. Wenn auch in beiden Fällen der erste Impuls dieselbe Amplitude erreichte, haben doch die einzelnen Wellen im zweiten betrachteten Fall, abgesehen von der grösseren Anzahl, grössere Kraft, da dann das Verhältnis zweier aufeinander folgenden Amplituden, der sogenannte Dämpfungsfaktor, grösser ist. Einem Empfänger geht es wie einem Pendel, um beide zu maximalem Schwingen zu bringen, gehören nicht nur das Anstossen im Rhythmus der Eigenschwingung (Resonanz), sondern auch möglichst viele Stösse. Zwanzig solche erzielen selbstverständlich einen grösseren Erfolg als deren nur zehn. Hiernach ist unschwer einzusehen, dass die Dämpfung der Senderwellen möglichst gering sein soll, und es erscheint selbstverständlich, dass man sein möglichstes tut, die verschiedenen Widerstände zu verringern. Verwickelter liegt der Fall bei der Strahlung. Ist sie gross, so ist auch die Dämpfung gross, was wir nach Obigem als unvorteilhaft erkannten; ist sie Null, so gibt es überhaupt keine Fernwirkung; der Sender hätte seinen Beruf verfehlt. Nur Versuche können zeigen, inwiefern man beiden Momenten gerecht werden kann, indem es für jede Anordnung von Sender und Empfänger eine Strahlungsdämpfung gibt, die die günstigste Fernwirkung gewährleistet. Wir werden später die Senderanordnungen kennen lernen, die die Praxis auf Grund solcher Ueberlegungen gefunden hat. Hier sei vorläufig nur bemerkt, dass die beiden Extreme in bezug auf Strahlungsdämpfung ganz einfachen Senderanordnungen angehören. Da ist zunächst der geschlossene Kreis, dessen Ausstrahlung sehr gering ist; seine elektrischen Kraftlinien verlaufen zwischen den sich nahe gegenüberliegenden Belegungen, ihnen fehlt die Gelegenheit zur Streuung ebenso wie den magnetischen, welche aus folgendem Grund zusammengehalten werden. (Fig. 8.) Jedes geschlossene Schwingungssystem schwingt in einer halben Welle, d.h. in einem Moment fliesst immer ein Strom vom Punkte positiven Potentials zum negativen, also von der einen Belegung des Kondensators zur anderen. In einem Kreise erfolgt also die Strömung längs des Drahtes stets in einer Richtung, an zwei gegenüberliegenden Seiten somit scheinbar entgegengesetzt. Es heben sich deshalb die Fernwirkungen beider Zweige gegenseitig auf. Im Gegensatze hierzu verhält sich die Strahlung eines linearen Drahtes. (Fig. 9.) Seine elektrischen Kraftlinien gehen von der oberen Hälfte aus und suchen auf weitem Weg die Erde oder das Gegengewicht. Seine magnetischen können beliebig streuen, kein entgegengesetzt gerichteter Strom verhindert sie hieran. Es überwiegt deshalb bei einer solchen Anordnung der Energieverlust durch Strahlung jenen durch Widerstand beträchtlich. Dieses Verhältnis wird noch grösser bei Mehrfachantennen, wie sie früher in der Gestalt von Harfen, Fächern und Kegel errichtet wurden. Der Zweck dieser Anordnungen war der, den schwingenden Strom, der in einem linearen Leiter von nur geringer Stärke ist, zu vervielfachen. Die induzierte Spannung E2 am Empfänger, bezw. Fernwirkung oder Reichweite, ist ja bekanntlich der Stromstärke des Senders proportional, sie kann ausgedrückt werden durch die Gleichung Textabbildung Bd. 321, S. 415 Fig. 8. Textabbildung Bd. 321, S. 415 Fig. 9. E_2=\frac{l_1\,l_2\cdot J_1\cdot 2\,\pi}{e\cdot T} in welcher l1 und l2 die Länge von Sender und Empfänger, e die Entfernung und T die Schwingungszeit, die von der Grössenanordnung 10– 7 Sekunden ist, bedeuten. Die mittlere Stromstärke J1, die in einem Sender schwingt, ist ihrerseits gegeben durch die Elektrizitätsmenge, dem Produkt aus Spannung mal Fassungsvermögen oder Kapazität, welche dem Sender zugeführt wurde, dividiert durch die Zeit einer Viertelperiode (T/4) während welcher der Kondensator sich entladet. Eine Verdopplung der Kapazität des Kondensators durch Verdopplung der Leiterzahl ist indessen auch an einen gewissen Abstand zwischen beiden geknüpft, welcher nach Messungen von Professor Slaby mindestens 1 m betragen muss. Solche Mehrfachantennen mit ihrer grossen Strahlungsdämpfung sind nicht mehr zeitgemäss, wie man ja auch vom linearen Sender, dem sogenannten Marconisender, schon lange abgegangen ist. Diese Anordnungen konnten sich überhaupt bloss deshalb so lange halten, weil in ihrer Verbindung mit einem geschlossenen Kreise ein Fortschritt zu verzeichnen war, der sich darin offenbarte, dass in einem solchen gekuppelten Sender die Dämpfung verringert wurde. Nach eingehenden Versuchen von Professor SlabyE. T. Z. 1904, Heft 33 u. ff. ist dies aber niemals einer Energienachlieferung zu danken, welche der Kreis, der seiner geringen Dämpfung wegen als Energiereservoir betrachtet wurde, dem seine Schwingung rasch abgebenden Luftdraht zuteil werden lässt. Man hat vielmehr nach der Kupplung nicht mehr zwei Schwingungswege, Luftdraht – Erde, bezw. den Kreis, sondern das neue System schwingt nun als ein Ganzes, und der Luftdraht wird des geringeren Funkenwiderstandes teilhaftig, den der starke Strom des Kondensatorkreises mit sich bringt. Die beiden Wellen, die bei einem gekuppelten Sender als notwendige Folge der Kupplung auftreten, entsprechen nicht den Schwingungen der früheren Schwingungswege, sondern sind Grund- und erste Oberwelle des Systems. Dies ging am deutlichsten aus angestellten Rechnungen hervor, welche für beide Wellen nach derselben Formel vorgenommen werden konnten, bei welchen die Grundwelle dem ersten und die Oberwelle dem dritten Quadranten eines Koordinatensystems angehören. Beide Wellen rücken dicht aneinander, wenn die Kupplung der Systeme eine lose ist, d.h. wenn beide ein nur geringes gemeinschaftliches Stück enthalten, sie nähern sich dann dem Wert der Wellenlänge, der dem linearen Teil eigen war und auf den der Kreis vor seiner Kupplung mit dem Luftdraht abgestimmt wurde, und sie rücken weit auseinander, wenn die Kupplung fest ist. Die Versuche von Professor Slaby zeigen insbesondere den Einfluss des gekuppelten Senders auf die Fernwirkung. Er verwendete hierzu zwei ausserordentlich verschiedene Anordnungen, einen Harfensender von der Grundwelle \frac{\lambda_0}{4} etwa 13 m und einen linearen von \frac{\lambda_0}{4} etwa 62 m, welche trotzdem übereinstimmende Resultate gaben. Als Empfänger diente ein Resonanzkreis, der sorgfältig auf die zu messenden Wellenlängen abgestimmt war, und unter Zuhilfenahme eines Hitzdrahtinstrumentes die aufgenommene Stromstärke angab. Die Wellenlängen wurden mit dem von Professor Slaby „Multiplikationsstab“ genannten Wellenmesser ermittelt. Das typische Bild für Wellen und Fernwirkung gibt Fig. 10, zu dessen Aufnahme dem Luftdraht von der Eigenwellenlänge λ0 ein Kreis von bestimmtem Umfang und dem gemeinsamen Stück lg angekoppelt wurde. Es bedeuten λ1 und λ2 Grund- und Oberwelle, λk die Welle des Kreises vor der Kuppelung J1 und J2 deren Fernwirkungen als Stromstärken in Ampere. Verändert wurde hierbei die Kapazität des Kondensators Cf. Der Pfeil zeigt jenen Wert derselben an, für welchen Resonanz zwischen Luftdraht für sich (λ0), und der Welle des geschlossenen Kreises für sich (λk), bestand. Dies ist der Fall mit welchem gewöhnlich gearbeitet wird. Textabbildung Bd. 321, S. 415 Fig. 10. Die Figur zeigt, dass für einen Wert für Cf, der um etwa 20 v. H. kleiner ist als der der Resonanz entsprechende, J2 ein Maximum erreicht und dass für grössere Werte von Ct als dem Resonanzfall zukommt J1 überwiegt. Es kann dann die Fernwirkung der Oberwelle überhaupt verschwinden und der Sender wird praktisch eintönig. Man sieht, dass für den gekuppelten Sender die Resonanz lange nicht die Rolle spielt, die man erwartete, gerade wie auch in der Akustik der Resonanzkasten einer Stimmgabel nicht genau mit dieser in Einklang sein darf. Weiter ergab sich für die Fernwir+ung der Oberwelle ein Maximum bei einer bestimmten Grösse von lg also bei einem bestimmten Kuppelungsgrad, der indessen grösser ist als der derzeit praktisch verwendete, und die ungünstige Wirkung anderer als gemeinschaftliche Selbstinduktion im Kreise. In der Praxis der drahtlosen Telegraphie zieht man es nämlich vor, der benutzten Wellenanzeiger wegen die beiden Wellen nahe beisammen zu haben, der Detektor summiert dann deren Wirkung. Die Versuche lassen den gekuppelten Sender überhaupt als eine Art von Generator ansehen, für welchen die grösste Nutzarbeit dann geleistet wird, wenn die innere Verlustarbeit ebenso gross, d.h. der Wirkungsgrad ½ ist. Als innere Verlustarbeit sind die Verluste im Kondensatorkreis aufzufassen, welche im wesentlichen eine Funktion des Quadrates der Stromstärke sind, während die Nutzarbeit durch die Strahlung, welche ebenfalls proportional dem Quadrat der Senderstromstärke ist, dargestellt wird. Die Theorie verlangt in diesem Falle, dass das Verhältnis Drahtkapazität zur Wurzel aus der gemeinschaftlichen Selbstinduktion ein konstantes sei, dem die Versuche trotz der grossen Verschiedenheit der untersuchten Sender gerecht wurden. Das Verhältnis konnte zu 6,8 ermittelt werden. Die hiermit kurz erwähnte Untersuchung, welche die Rätsel des gekuppelten Senders entschleierte, zeigt wieder einmal, dass derartige Fragen niemals am grünen Tisch allein gelöst werden können. So lässt sich die Natur doch nicht Zwang antun; einem geschickten Experimentator jedoch offenbart sie sich gerne. (Fortsetzung folgt.)